E_1931_Zeitung_Nr.072
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malgeschwindig'keit. Andererseits habe der<br />
Automobilist im Konfliktfall mit einem Radfahrer<br />
alles Interesse, dass auch dieser verpflichtet<br />
werde ,an seinem Vehikel eine<br />
Nummer anzubringen. Aber man opfere<br />
eben bei Abstimmungen schliesslich lieber<br />
eine Wurst, um eine Speckseite einzutauschen.<br />
Aehrilieh liegen die Verhältnisse unter<br />
den Automobilisten selber. Als Steuerzahler<br />
müsse es den Besitzer eines Personenautomobiles<br />
nachdenklich stimmen, wenn<br />
unsere Bahnen durch die Lastwagenkonkurrenz<br />
in eine immer schwierigere Situation<br />
geraten. Auch nehmen die Lastwagen<br />
die Strassen ganz anders her, als die<br />
leichten Personenwagen und wie angenehm<br />
es sei, hinter einem Lastwagen herzufahren,<br />
dessen Lenker auf kein Signal höre<br />
und bei Begegnungen immer schön die Mitte<br />
halte, wisse jeder, der einige Strassenpraxis<br />
hinter sich habe. Doch dürfen dergleichen<br />
Regungen nicht aufkommen, denn<br />
auf der andern Seite sei der Lastwagenverband<br />
wieder ein sehr zuverlässiger Bundesbruder,<br />
wenn es auf die tatkräftige Unterstützung<br />
der Spezialwünsche ankomme.<br />
Soweit der Artikel im Staatsbürger. Der<br />
Verfasser sucht damit den Nachweis zu erbringen,<br />
durch den Einfluss der Interessentenverbände<br />
an Stelle der politischen Parteien<br />
auf die Gesetzgebung, komme die Allgemeinheit<br />
zu kurz.<br />
Wir glauben aber gerade darin, dass der<br />
Automobilist dem Radfahrer, der Radfahrer<br />
dem Automobilisten und der Personenwagenbesitzer<br />
dem Lastwagenbesitzer Konzessionen<br />
macht, liegt das Kriterium, dass<br />
nicht einseitigen egoistischen Interessen,<br />
sondern, der Allgemeinheit gedient wird.<br />
Bei der enormen Ausbreitung des Fahrradwie<br />
des Automobilverkehrs kann es nicht<br />
nur nicht schaden, sondern muss es gerade<br />
im Interesse eines gerechten Ausgleichs begrüsst<br />
werden, wenn neben den Parteien<br />
auch die beteiligten Verkehrsverbände ihre<br />
Stimme in derart einschneidenden Gesetzesfragen<br />
mitabgeben. Uebrigens sieht sich der<br />
Artikelschreiber selber in bezug auf den<br />
Artikel 34 veranlasst, diejenigen, welche<br />
auch den gekürzten Artikel noch für einen<br />
unbefugten Eingriff in ihre persönliche<br />
Freiheit halten, in ihrem eigenen Interesse<br />
darauf aufmerksam zu machen, dass bei<br />
Verwerfung des Gesetzes die Kantone alsdann<br />
von sich aus wahrscheinlich noch viel<br />
weiter gehen würden.<br />
Jedenfalls haben die Fussgänger am allerwenigsten<br />
Ursache, sich über ein Zukurzkommen<br />
in dem von den übrigen Verkehrsinteressenten<br />
«einseitig» beeinflussten Gesetzesentwurf<br />
zu beklagen!<br />
Der Bestand an Motorfahrzeugen int deutschen<br />
Reich. In Deutschland zählte man am<br />
1. Juli dieses Jahres total 1,507,129 Motorfahrzeuge,<br />
darunter 522,943 Personenautomobile<br />
und 161,072 Lastwagen. " Gegenüber<br />
der gleichen Zeit des Vorjahres stieg der<br />
Motorfahrzeugbestand dieses Jahr um rund<br />
6 Prozent. Die entsprechende Zunahme in<br />
den Jahren 1929—1930 hatte 17 Prozent,<br />
und in den Jahren 1928—1929 sogar nmd 30<br />
Prozent (betragen. x.<br />
Autobahnen<br />
heute und in Zukunft.<br />
ii.<br />
Ing. Dr. Rappaport, ein deutscher Verkehrsfa»lunann<br />
von grosser Erfahrung, hat sich kürzlich<br />
in einem vorzüglichen Aufsatz zu ohigem<br />
Thema geäussert. Wir veröffentlichten in Nr. 71<br />
den ersten Teil dieses Artikels und lassen nachstehend<br />
den Schluss folgen.<br />
Red.<br />
Berücksichtigt muss auch die Eigenart des<br />
Kraftwagenverkehrs werden, dessen besonderer<br />
Vorteil gerade in der Beweglichkeit<br />
über das ganze Gebiet liegt. Es ist in gewissem<br />
Sinne schon eine Bedenklichkeit, diesen<br />
Kraftwagenverkehr an bestimmte Bahnen zu<br />
fesseln. Man wird hier, wie schon erwähnt,<br />
das Verhältnis zu dem starren Schienennetz<br />
nicht ausser acht lassen können. Wenn man<br />
den Bau von durchgehenden Kraftwagenbahnen<br />
einmal in Angriff nimmt, so muss das,<br />
wie das die Verfechter des Gedankens auch<br />
klar zum Ausdruck bringen, letzten Endes im<br />
Rahmen eines Netzes von Kraftwagenbahnen<br />
über das ganze Land hin geschehen, ähnlich<br />
wie ein Eisenbahnnetz. Als Ideal durchaus<br />
richtig, aber zur Zeit in der Praxis verkehrstechnisch<br />
wohl weder unbedingt notwendig<br />
noch wirtschaftlich erreichbar. Immer wieder<br />
wird man darauf herauskommen, dass<br />
man umgekehrt anfängt, nämlich die unbegrenzte<br />
Beweglichkeit des Autos von jeder<br />
kleinsten Strasse aus im Auge zu behalten<br />
und diese Strassen nun nach oben hin mit<br />
steigerndem Verkehr soweit zu verbessern,<br />
wie es eben dieser tatsächliche Verkehr unbedingt<br />
erfordert; dabei können sich an einzelnen<br />
Stellen Kraftwagenbahnen als notwendig<br />
erweisen.<br />
Es liegt auch ganz zweifellos eine gewisse<br />
Gefahr darin, dass bei Schaffung von Autobahnen<br />
in überstarkem Ausmasse die Mittel<br />
für die tatsächlich notwendige Instandsetzung<br />
des allgemeinen Strassennetzes nicht<br />
hinreichend verfügbar bleiben. Dieser Zusammenhang<br />
wird zwar von den Verfechtern<br />
des Hafraba-Gedankens immer zurückgewiesen;<br />
sie betonen mit Recht, dass die notwendige<br />
Instandsetzung des gesamten Strassennetzes<br />
nicht vernachlässigt werden darf.<br />
Nach ihrer Angabe handelt es sich darüber<br />
hinaus um eine ganz getrennte, planmässig<br />
ausgebildete Anordnung von Kraftwagenbahnen.<br />
Aber die Tatsachen werden hier<br />
vielleicht stärker sein als alle guten Absichten.<br />
Wir sind heute bekanntlich kaum in der<br />
Lage, mit den Mitteln der Kraftwagenfahrzeugsteuer<br />
einen angemessenen Teil der für<br />
den Kraftwagenverkehr notwendigen -Instandsetzungen<br />
der Hauptstrassen zu leisten,;<br />
An dieser nüchternen Tatsache ist nun einmal<br />
nicht vorbei zu kommen. Wie aber sonst<br />
die Mittel für Autobahnen aufgebracht werden<br />
sollen, ist nicht recht ersichtlich, soweit<br />
es sich nicht um Autobahnstrecken handelt,<br />
die nach den obigen Grundsätzen unerlässlich<br />
notwendig sind. Der Gedanke einer Benutzungsgebühr<br />
für diese Kraftwagenbahnen<br />
ist bekanntlich heiss umstritten. Ihn von<br />
vornherein abzulehnen, liegt wohl kaum eine<br />
Veranlassung vor. Man würde damit jedenfalls<br />
dem Grundsatz am ehesten gerecht werden,<br />
dass die Autobahnbenutzer neben ihren<br />
sonstigen Steuern und Abgaben durch eine<br />
ergänzende Gebühr tatsächlich die für die<br />
Strasse erforderlichen Mittel abtragen. Aber<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1931</strong> — r*-i<br />
einmal ist eine solche Schrankenaufrichtung<br />
verkehrstechnisch nicht unbedenklich und<br />
ferner ändert sich hierdurch wenig. Auch<br />
eine nicht notwendige Massnahme, die sich<br />
durch die Benutzer selbst verzinst, wird dadurch<br />
nicht volkswirtschaftlich richtig.<br />
Eingewendet könnte noch werden, dass die<br />
verschiedenartige Gestaltung einer Kraftwagenstrecke<br />
zuweilen als gewöhnliche Landstrasse,<br />
zuweilen als Autostrasse, zuweilen<br />
als Autobahn vom Verkehrsstandpunkt aus<br />
nicht ohne Bedenken sei. Vorab lässt sich<br />
die verschiedene Art der Verkehrsgestaltung<br />
durch eine klare Bezeichnung vollkommen<br />
einwandfrei feststellen, so dass der Kraftfahrer<br />
nicht einen Augenblick im Zweifel sein<br />
kann, auf welcher Strassenart er sich befindet.<br />
Auch die heutigen Verkehrsverhältnisse<br />
bedingen in vielfach weit umfangreicherer<br />
Hinsicht die sorgfältigste Aufmerksamkeit<br />
der Kraftwagenfahrer. Vom Standpunkt des<br />
Kraftfahrers selbst aus wird man aber viel<br />
eher der Ansicht sein können, dass ihm ein<br />
hinreichender Ausbau des gesamten Wegenetzes<br />
— entsprechend der Verkehrsnotwendigkeit<br />
— begrüssenswerter ist, als ein noch<br />
nicht unbedingt notwendiger, aber bevorzugt<br />
guter Bau einiger Kraftwagenbahnen. Daher<br />
ist es auch verständlich, dass gerade in den<br />
Kreisen des Kraftwagenverkehrs selbst, vor<br />
allem des Güterverkehrs, die Meinungen über<br />
Kraftwagenbahnen nicht einheitlich sind;<br />
man fürchtet insbesondere etwaige Sonderabgaben.<br />
Alle diese Gedankengänge sollen auf die<br />
Grenzen hinweisen, in denen ein an sich<br />
ideales Ziel für den Augenblick gefördert<br />
werden soll. Nur wenige Autobahnen werden<br />
im Augenblick tatsächlich zur Ausführung<br />
reif sein. Was wir zur Zeit tun müssen, ist<br />
vor allem, die künftige Notwendigkeit von<br />
Autobahnen zu klären, nach obigen Grundsätzen<br />
erforderliche Strecken zu ermitteln<br />
und als «Verkehrsbänder» freizuhalten. Das<br />
ist eine wirtschaftlich mögliche und für die<br />
Zukunft hinreichende Vorsorge. Wir müssen<br />
dafür sorgen, dass die heute noch freien<br />
Linien nicht zugebaut werden und damit<br />
künftig unnötig hohe Kosten entstehen. Der<br />
Ausbau selbst kann dann später je nach Bedarf<br />
erfolgen. Aendern sich die Verhältnisse<br />
und tritt der Bedarf nicht ein, so sind durch<br />
ihre Freihaltung keine allzu hohen Kosten<br />
entstanden. Allerdings auf uferlos lange Zeit<br />
hinaus weiter denken zu wollen, ist bei technischen<br />
Einrichtungen nicht richtig. Wie<br />
schnell hat die Eisenbahn zum Teil die Landsträsse<br />
abgelöst; wie schnell löst jetzt wieder<br />
die Autostrasse zum Teil die Eisenbahn<br />
ab. Wie schnell kann vielleicht ein weiteres<br />
Verkehrsmittel, sei es Flugzeug oder Schienenauto<br />
oder wie es heissen mag, auch wieder<br />
die Bedeutung des Autoverkehrs ändern.<br />
Technische Massnahmen müssen sich immer<br />
im Rahmen des Uebersehbaren und auf absehbare<br />
Zeit Erstrebenswerten halten, sonst<br />
kann allzu ferne Zukunftsplanung leicht durch<br />
neue Erfindungen überholt werden. Autobahnen<br />
sollen im Rahmen des heute verkehrstechnisch<br />
Notwendigen und wirtschaftlich<br />
Tragbaren durchgeführt werden, vor allem<br />
aber sollen die für eine absehbare Zukunft<br />
erforderlichen Linien freigehalten und damit<br />
ein späterer Ausbau ermöglicht werden.<br />
Studentischer Autolotsendienst<br />
In Nummer 43 unseres Blattes veröffentlichten<br />
wir in einem Artikel: «Studenten als<br />
Autolotsen» die Anregung zur Einführung<br />
eines Autolotsendienstes mit Studenten als<br />
Lotsen. Dieser Lotsendienst ist in einzelnen<br />
deutschen Grossstädten bereits eingeführt,<br />
wird aber in der Regel durch vollberuflich beschäftigte<br />
Leute versehen. Die Organisation<br />
eines Lotsendienstes in schweizerischen Städten<br />
würde, gemäss dem damals erwähnten<br />
Vorschlage, am besten den Studenten-Arbeitsvermittlungsstellen<br />
in Verbindung mit den<br />
lokalen Touristikbureaus der Automobilistenverbände<br />
überlassen. Zu diesem Thema ging<br />
uns eine weitere Einsendung zu, der wir nachstehend<br />
gerne Raum gewähren und die wir<br />
gleichzeitig zur Diskussion stellen:<br />
Studentischer Autofabrdienst.<br />
Zu Beginn unserer Sommersaison wurde in<br />
der «Automobil-Revue» aus akademischen<br />
Kreisen die sicher glückliche Anregung gemacht,<br />
in der Schweiz einen Autolotsendienst<br />
zu organisieren. Wenn eine derartige Organisation<br />
im In- und Auslande genügend propagiert<br />
wird, darf man wohl mit Sicherheit<br />
annehmen, dass schon die nächste Saison den<br />
Beweis erbringen wird, dass die Organisatoren<br />
einem bisher noch nicht erkannten B©^<br />
dürfnis entgegengekommen sind.<br />
Der Schreiber jener Zeilen wollte wahrscheinlich<br />
aus wohlerwogenen Gründen mit<br />
seinem Vorschlage gleich zwei Herren dienen:<br />
einerseits unseren fremden Gästen za<br />
ihren Schweizerreisen geeignete Führer mitzugeben,<br />
anderseits aber unseren noch studierenden<br />
Kollegen eine ihrer Art günstige<br />
kleine Verdienstmöglichkeit zu schaffen.<br />
Taucht da nicht noch ein weiteres ähnliches<br />
Arbeitsfeld auf? Wie wäre es, wenn diese<br />
selbe studentische Organisation auch ei-<br />
nem rein inländischen Bedürfnisse Rechnung<br />
tragen würde? Wieviele autobesitzende Fa-><br />
milien möchten gerne — je nach Geschäftsgang<br />
— mehr oder weniger häufig grössere<br />
Sonntagsausflüge oder vielleicht kleinere Ferienreisen<br />
unternehmen. Hat die betreffende<br />
Familie das Glück, in ihrer Mitte mehrere<br />
Selbstfahrer zu besitzen, werden solchen<br />
Wünschen nicht zu grosse Hindernisse entgegenstehen.<br />
Wenig Aussicht auf Verwirklichung<br />
solcher Sonntagsträume besteht leider<br />
immer dann, wenn als Fahrer nur ein einziges<br />
Mitglied der Familie, in der Regel der<br />
Vater, in Betracht kommt. Gewöhnlich ist<br />
aber mit dessen Werktagsbeschäftigung<br />
schon das Autofahren verbunden. Da aber<br />
für selbstfahrende Geschäftsleute der Achtstundentag<br />
bis heute — und aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach auch in absehbarer Zukunft<br />
— noch keine Gültigkeit haben wird,<br />
muss der Sonntagsausflug der Familie nur<br />
frommer Wunsch bleiben.<br />
Hier könnte wohl dadurch geholfen werden,<br />
dass den fahrkundigen und Nebenverdienst<br />
suchenden Studenten — nach sorgfältiger<br />
Auswahl — auch dieser Zweig eines<br />
Autodienstes geöffnet würde. Dessen Organisation<br />
kann sehr gut auch in den Rahmen<br />
des früher angeregten Autolotsendienstes<br />
miteinbezogen werden.<br />
Wie bereits bekannt wurde, ist z. B. die Ar-<br />
Fräulein und Herr Dr. Maurus ebenso zufrieden<br />
mit meiner Arbeit wären. »<br />
«Ich kann Ihnen nur meine Anerkennung<br />
aussprechen, Herr Hörn. Sie haben sehr<br />
rasch gearbeitet Jetzt glaube ich Ihnen<br />
gerne, dass Sie der Kunst überdrüssig geworden<br />
sind. Wer so gut rechnet, kann kein<br />
guter Violinspieler sein. Aber verzeihen Sie<br />
bitte! > antwortete Evelin freundlich<br />
lächelnd.<br />
«Bitte, gnädiges Fräulein, Sie haben<br />
durchaus recht. Ich war eiri miserabler<br />
Pfuscher. WaTum nicht zugeben, was wahr<br />
ist? Ich bin zufrieden mit meinem neuen<br />
Beruf.»<br />
Er hätte gerne noch lange mit Evelin gesprochen,<br />
die heute, erfüllt von dem grossen<br />
Erlebnis nichts von ihrer sonstigen reservierten<br />
Zurückhaltung fühlen Hess. Es schien<br />
ihm sogar, als zeige sie ein besonderes Interesse<br />
für ihn.<br />
Evelin sass in ihrem Boudoir. Sie war für<br />
den Abend in eine grössere Gesellschaft eingeladen.<br />
Aber sie freute sich nicht wie<br />
sonst darauf. In Träumen sass sie, den<br />
Kopf in die Hand gestützt, in dem weissen<br />
Samtsessel vor dem Spiegel. Frank Hörn?<br />
Was war mit ihr? Weshalb dachte sie<br />
plötzlich wieder an den eleganten, hübschen<br />
Menschen, der doch so eine Feinfühligkeit<br />
offenbarte, wie man sie selten fand. Evelin<br />
konnte es sich nicht verbergen, in ihr wuchs<br />
eine leichte Neigung für Frank Hörn. Es<br />
war kein Zufall, dass er heute bei der Taufe<br />
dabei war. Evelin hatte ihn sehen wollen. Es<br />
durchzuckte sie ein Gedanke. Wenn er es<br />
mit seinem Feingefühl ahnte? Nein, das ging<br />
nicht! Energisch stand sie auf und läutete<br />
ihrer Zofe. Da trat diese im gleichen Momente<br />
ein und meldete: «Herr Dunker! »<br />
«Ich lasse bitten!» Evelin war erstaunt.<br />
Was wollte Dunker noch?<br />
Der gemeldete trat ein.<br />
«Verzeihen Sie, Evelin, dass ich noch<br />
störe. Aber ich wollte Sie heute noch fragen,<br />
ob Sie morgen bereit wären, eine Fahrt<br />
mit dem neuen Wagen mitzumachen?»<br />
Wie elektrisiert, sprang Evelin auf.<br />
«Das ist eine Idee, Dunker! Wann fahren<br />
Sie?»<br />
« Morgens 7 Uhr.»<br />
« Gut, ich fahre mit! »<br />
«Was sagen Sie zu dem Wagen?»<br />
«Was soll ich sagen, Dunker? Ich hoffe,<br />
dass er besser ist als der Sinnisfaeres.»<br />
«Sie waren nicht recht begeistert nach<br />
der Probefahrt, wie mir schien? »<br />
Evelin sah ihn forschend an. Dann lachte<br />
sie.<br />
« Ei, et, mein lieber Dunker. Sie Beginnen<br />
eitel zu werden wie ein Tenor. Nun ja —<br />
es ist wahr — ich habe Sie vernachlässigt<br />
und Ihre Leistung verdient mehr als Lob.<br />
Aber soll ich Ihnen banal und schlicht bürgerlich<br />
sagen: Ich gratuliere! Wie? —<br />
Hier meine Hand, Dunker! Ich weiss was<br />
Sie dem Werk sind, Ihre Leistung war eine<br />
Selbstverständlichkeit. Eine höhere Anerkennung<br />
kann ich Ihnen nicht aussprechen.»<br />
Dunker lächelte geschmeichelt. Er war<br />
wirklich etwas verärgert gewesen, als Evelin<br />
über den Platz davongegangen war, ohne<br />
sich weiter um ihn und den Wägen zu kümmern.<br />
Nun war er beruhigt. Er warf sich<br />
vor, dass er Evelin doch hätte kennen sollen.<br />
Aber dennoch war er froh, mit ihr gesprochen<br />
zu haben. Freudestrahlend verabschiedete<br />
er sich und Evelin vertiefte sich<br />
mit ihrer Zofe in die Toilettenfrage des bevorstehenden<br />
Abends. Frank Hörn hatte sie<br />
vergessen.<br />
Sie kam erst nach 1 Uhr nachts heim.<br />
Trotzdem war sie um 6 Uhr früh, als sie geweckt<br />
wurde, schnell munter. Die Aussicht<br />
auf die bevorstehende Fahrt mit dem neuen<br />
Rennwagen besiegte rasch ihr Schläfbedürfnis.<br />
«Guten Morgen, Evelin! Doch glücklich<br />
den warmen Federn entronnen? > begrüsste<br />
sie Dunker, der wartend neben dem bereits<br />
vor dem Hause stehenden Wagen stand.<br />
«Quatsch! — Fahren Sie los! » antwortete<br />
Evelin in dem Wagen Platz nehmend.<br />
Dann gings in flottem Tempo dahin. Die<br />
letzten Häuser der Stadt flogen vorbei.<br />
Dunker war in seinem Element und seine<br />
fröhliche Laune steckte Evelin an. Dazu<br />
kam der lächelnde Vorfrühlingsmorgen, mit<br />
seiner Blütenahnung und Werdelust und der<br />
weiche warme Föhn, der ihr die Locken zerzauste.<br />
Die schnurgerade, breite Strasse<br />
führte durch ebenes Land. Sturzäcker glänzten<br />
fettig im ersten Strahl der Morgensonne<br />
und im jungen Grün der Frühlingswiesen<br />
streckten gelbe Schlüsselblumen ihre Blütensträusse<br />
hervor. Dann flogen Kiefernwälder<br />
vorbei, mit rötlich glänzenden Stämmen und<br />
wunderlich gekrümmten Aesten. Evelin<br />
hatte für alles offene Augen und das Wunder<br />
des neuen Werdens in der Natur nahm<br />
ihr Interesse zunächst weit mehr in Anspruch,<br />
als die Tatsache, dass sie mit Europas<br />
berühmtestem Fahrer im modernsten<br />
Rennwagen der Welt fuhr. Doch nach einiger<br />
Zeit besann sie sich und wandte ihr Interesse<br />
Dunker zu.<br />
Fast bekam sie etwas Herzklopfen, als<br />
dieser mit fast 100 km Geschwindigkeit in<br />
eine fast rechtwinklige Kurve ging. Der<br />
Rennfahrer fühlte ihre Angst und lächelte<br />
und Evelin fühlte, dass sie gegen die eisenstarken<br />
Nerven dieser Siegernatur immer<br />
nur schwaches Weib blieb. Ruhig, als sässe<br />
er im weichen Polstersessel, schaltete Dunker.<br />
Ein kerzengerade, kilometerlange<br />
Strasse tat sich vor ihnen auf.<br />
«Nun probieren wir's mit Tempo!» rief<br />
Dunker. Der Wagen flog dahin mit stets aufs<br />
neue gesteigerter Geschwindigkeit bis es<br />
schliesslich aussah, als stünde er still und<br />
die weisse Landstrasse flöge unter seinen<br />
Rädern durch. Evelin bekam fast keinen<br />
Atem mehr. Der Geschwindigkeitsmesser<br />
zeigte fast 270. Von den vorbeifliegenden<br />
Pappeln waren nur mehr Schatten zu sehen.<br />
Und merkwürdig, die enorme, bisher noch<br />
nie von ihr erlebte Geschwindigkeit erregte<br />
Evelin nicht. Sie empfand höchsten Stolz<br />
und tiefste Freude. Dunker fuhr — der Sieger<br />
von Hunderten von Rennen — und Dunker,<br />
sie verstand ihn, wollte ihr beweisen,<br />
dass er nicht gewillt sei, sich den Sieg aus<br />
den Händen schlagen zu lassen.<br />
Am Ende der langen Landstrasse tauchten<br />
Türme auf. Eine altertümlich anmutende,<br />
kleine Stadt näherte sich in raschem Tempo.<br />
Dunker setzte die Geschwindigkeit des Wagens<br />
in rascher Folge bis auf 60 km herab.<br />
Die Maschine gehorchte mit wunderbarer<br />
Präzision.<br />
«Wollen wir in dem Nest ein wenig rasten,<br />
Evelin?»<br />
«Wollen wir nicht noch bis an den nahen<br />
See weiterfahren?»<br />
«Gerne, mein Fräulein. Ich bin glücklich,<br />
dass Sie Wünsche haben.»<br />
Das Städtchen versank hinter ihnen im<br />
blauen Vorfrühlingsmorgendunst. Heide mit<br />
kaum fingerlangem Gras und schlanken,<br />
weissen Birken flog vorbei, unendliche Kiefernwälder,<br />
zwischen denen blaues Wasser<br />
blitzte.<br />
(Fortsetzung Im «Autler-Feierabend».}