E_1934_Zeitung_Nr.026
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N° 2«<br />
III. Blatt<br />
BERN, 23. März <strong>1934</strong><br />
! Motorbrennstoffe aus Kohlen.<br />
Das Kopperskohle-Verfahren.<br />
Die nachfolgen den Zeilen stellen einen Ans-<br />
; zug aus einem Referat dar, das anlässlioh der<br />
t Internationalen Automobilausstellung Berlin im<br />
, Schosse der Brennkrafttechnischen Gesellschaft<br />
gehalten wurde und in welchem der Referent, Dr.<br />
, Ing. h. c. Koppers, Essen, auf ein neues, von ihm<br />
; entwickeltes Verfahren zur Verwertung der Kohle<br />
, hinwies. Das « Kopperskohle > - Verfahren soll<br />
j die bestmögliche Ausnützung der Kohle gestatten,<br />
indem es zu Einzelprodukten führt, die alle 'wieder<br />
hochwertige Eigenschaften ausweisen, während<br />
beim Hydrierverfahren und anderen Prozessen<br />
wohl bestimmte einzelne Stoffe von hohem<br />
« Brenn- » oder « Kraft »-Wert gewonnen werden,<br />
andere aber verloren gehen. Da bei ihm an<br />
Stelle der einseitigen eine allseitige Auswertung<br />
tritt und zudem auch die Anlagen einfacher ausfallen<br />
als bei anderen Prozessen, scheint dem<br />
« Kopperskohle »-Verfahren eine grosse Zukunft<br />
bevorzustehen.<br />
Red.<br />
Bei diesem neuen Verfahren wird ein Koksofen<br />
verwendet, der mit einem neuartigen<br />
Beheizungssystem ausgestattet ist. Das Bej<br />
heizungssystem ermöglicht einerseits die<br />
; Gewinnung eines hochwertigen Brennstoffes,<br />
i der bester Stückkohle gleicht, und anderseits<br />
'die Gewinnung wertvoller, marktgängiger<br />
Maschinenseite der Kokeofenanlage.<br />
tet sich nach der Art der zu verarbeitenden<br />
Kohle und bewegt sich zwischen 250 und<br />
350 mm.<br />
Die Durchsatzleistung einer Kammer beträgt<br />
je nach ihren Abmessungen 10 bis 20<br />
Tonnen Kohlen in 24 Stunden, bei nur einbis<br />
zweimaliger Beschickung pro Tag, wodurch<br />
grösste Leistungen pro Einheit erreicht<br />
werden.<br />
Der nach beendeter Wärmebehandlung in<br />
der Kammer freistehende Kuchen weist zum<br />
Unterschied von Koks keine Teernaht in der<br />
Mitte auf. Er wird mit der bekannten Ausdrückmaschine<br />
in den Löschwagen ausgedrückt<br />
und wie üblich abgelöscht. Der<br />
Wassergehalt ist genau einstellbar und wird<br />
normalerweise auf 2 Prozent gehalten.<br />
Die erste Grossanlage zur Herstellung von<br />
Kopperskohle wurde für die Compagnie des<br />
Mines de Bruay im Jahre 1930 errichtet.<br />
Bereits anderthalb Jahre später wurde diese<br />
Anlage auf die doppelte Leistung erweitert.<br />
Sie arbeitet seit der Inbetriebnahme im Vollbetrieb<br />
und erzeugt seit dem zweiten Ausbau<br />
in 50 Koppers-Verbund-Kreisstromöfen täglich<br />
360 Tonnen Carbolux aus 480 Tonnen<br />
Gasflammfeinkohle.<br />
Die Destillationsgase werden in üblicher<br />
Weise abgezogen, der Teer aus dem gekühlten<br />
Gas mittels Stossabscheider entfernt und<br />
die Benzol-Benzin-Kohlenwasserstoffe durch<br />
eine Oelwäsche des Gases gewonnen. Infolge<br />
der verhältnismässig niedrigen Temperatur<br />
sind im Gas nur Spuren von Ammoniak enthalten,<br />
dessen Gewinnung sich nicht lohnt.<br />
Es wird bei der Kühlung mit dem Bildungs-;<br />
wasser niedergeschlagen. Das gereinigte Gas<br />
• Nebenprodukte, die gegebenenfalls durch<br />
thermische Nachbehandlung im Ofen selbst<br />
!den jeweiligen Anforderungen angepasst werden<br />
können.<br />
'<br />
' Je nach der Beschaffenheit der Ausgangskohle<br />
wird ein Teil der aufbereiteten Steinkohle<br />
in eisernen Drehtrommeln, deren<br />
Leistung 60 bis 70 t/24 Std. beträgt, vor-<br />
• behandelt. Die Lebensdauer dieser Vorbehandiungsanlage<br />
ist praktisch unbegrenzt, da die<br />
'Einrichtung bei wesentlich niedrigeren Temperaturen<br />
als die übliche Tieftemperaturverkokung<br />
betrieben wird.<br />
Die vorbehandelte Kohle wird nun mit<br />
einem Teil nicht vorbehandelter Kohle in<br />
einer Mischschnecke vermischt, wodurch sich<br />
eine besondere Kühlung der vorbehandelten<br />
Kohle erübrigt. Von der Mischanlage wird<br />
die Ausgangsmischung dem Kohlenbunker der<br />
Ofenanlage zugeführt.<br />
Die Ueberführung der Ausgangsmischung<br />
in den neuen Brennstoff erfolgt in Horizontalkammeröfen,<br />
die in ihrem Aufbau und in<br />
ihren Grössenverhältnissen bis auf die besondere<br />
Anpassung des Beheizungssystems den<br />
bewährten Oefen der Kokereiindustrie entsprechen.<br />
Die Breite der Ofenkammern richreicht<br />
nicht nur zur Beheizung der Gesamtanlage<br />
aus, sondern es verbleibt noch ein<br />
Ueberschuss von etwa 50 Prozent der Erzeugung,<br />
der in Bruay zur Versorgung einer<br />
benachbarten Stadt dient.<br />
Der Wärmeverbrauch der Gesamtanlage<br />
ist erheblich geringer als bei der Hochtemperaturverkokung.<br />
Infolge Anwendung des<br />
bewährten Regenerativprinzips in Verbindung<br />
mit dem neuartigen Beheizungssystem ist der<br />
Wärmeverbrauch auch geringer als der einer<br />
Tieftemperaturverkokungsanlage, da bei dieser<br />
die Abgase den Ofen mit einer Temperatur<br />
von 500 bis 600 Grad verlassen.<br />
Ausser der Anlage der Compagnie des<br />
Mines de Bruay wurde inzwischen eine weitere<br />
Kopperskohlenanlage für die Compagnie<br />
Generale Industrielle in Carmaux in Südfrankreich<br />
errichtet, die vor einiger Zeit in<br />
Betrieb gekommen ist.<br />
Die Erzeugnisse des Verfahrens.<br />
Der in fester Form anfallende neue Brennstoff<br />
wird als «Kohle» bezeichnet. Er vereinigt<br />
in sich eine Fülle von vorteilhaften<br />
Eigenschaften, wie sie sonst nur bei einzelnen<br />
Brennstoffen, nie aber in dieser Anhäufung<br />
bei einem einzigen Brennstoff angetroffen<br />
werden, und zwar unabhängig von der Art<br />
der Ausgangskohle. Besonders bemerkenswert<br />
ist, dass die Eigenschaften des neuen<br />
Brennstoffes praktisch unabhängig von der<br />
Beschaffenheit der Ausgangskohle sind.<br />
Ofendecke der Koksofenanlage,<br />
Teer und Kraftstoffe.<br />
Bei der Herstellung von Kopperskohle fallen<br />
besonders wertvolle Nebenprodukte an,<br />
die sich, zum Unterschied von den Produkten<br />
der Tieftemperaturverkokung, ohne weiteres<br />
26<br />
III. Blatt<br />
BERN, 23. März <strong>1934</strong><br />
Schematische Darstellung einer Anlage zur Herstellung<br />
von Kopperskohle.<br />
in die heute üblichen marktgängigen Produkte<br />
eingliedern lassen.<br />
Der Teer zeichnet sich durch einen hohen<br />
Gehalt an Oelen aus und enthält wertvolle<br />
Phenole. Das Ausbringen an Teer ist beträchtlich<br />
und beträgt auf der Anlage der<br />
Compagnie des Mines de Bruay 8,5 Prozent,<br />
bezogen auf die eingesetzte Kohle. Aus den<br />
Phenolölen des Teers werden die einzelnen<br />
Bestandteile von der Compagnie des Mines<br />
de Bruay auch in reiner Form gewonnen.<br />
Das Phenolöl und die daraus hergestellten<br />
Reinprodukte dienen als Desinfektionsmittel,<br />
zur Herstellung von Sprengstoffen, Farben<br />
und Kunstharzen.<br />
Nachdem die Phenolöle aus der Teerfraktion<br />
bis etwa 200 Grad mit Soda extrahiert<br />
sind, verbleiben Kohlenwasserstoffe, die ein<br />
Gemisch von aromatischen und aliphatischen<br />
Verbindungen darstellen, oder in Anlehnung<br />
an die übliche Terminologie ein Gemisch<br />
von Benzin- und Benzol-Kohlenwasserstoffen.<br />
Diese Kohlenwasserstoffe können in Leichtund<br />
Schwerbenzin getrennt werden, nachdem<br />
sie mit den aus dem Gas ausgewaschenen<br />
Kohlenwasserstoffen vereinigt sind. Von der<br />
Compagnie des Mines de Bruay wird beispielsweise<br />
ein Kraftstoff, Carbolin genannt,<br />
auf den Markt gebracht, der sich als besonders<br />
klopffest (Oktanzahl 95) erwiesen hat.<br />
Dieser Kraftstoff wurde im Laboratorium des<br />
französischen Automobil-Clubs an einem<br />
Viertaktmotor mit Bremsdynamo mit handelsüblichem<br />
Benzin verglichen, wobei sich<br />
trotz Leistungssteigerung von über 3 Prozent<br />
ein Minderverbrauch an Carbolin von rund<br />
7 Prozent ergab. Es zeigte sich dabei auch,<br />
dass sich der Motor bei Betrieb mit Carbolin<br />
sehr gut regulieren lässt.<br />
Das Ausbringen an Kraftstoffen richtet sich<br />
wie das an Teer in der Hauptsache nach<br />
sind seit vielen Jahren vorbildlich in Linie und Eleganz und haben trotz der feinen<br />
Qualitätsarbeit und unbegrenzten Haltbarkeit ein bisher nicht erreichtes geringes Gewicht.<br />
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