E_1935_Zeitung_Nr.061
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BundesfeierSondernummer<br />
Bern, Dienstag, 30. Juli <strong>1935</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue " No. 61<br />
Scfuaäzetqe&et<br />
Von Alfred Huggenberger.<br />
ich hob' in Nacht und Starmeswehn<br />
Mein Herz zu Gott erhoben:<br />
Herr, lass mein Land in Ehren stehn!<br />
Sein Banner, schön gewoben<br />
Aus Abendglähn und Firneschein,<br />
Herr, lass es leuchten, stolz und rein!<br />
Des soll mein Mund dich loben.<br />
Der Väter Erbe, schmal und recht,<br />
Ist unser heilig Eigen,<br />
Es wächst ein karg und zäh Geschlecht<br />
Hier in der Berge Schweigen.<br />
Der Ahnen Trotz, der Ahnen Treu '<br />
Mach, Herr, in unsern Herzen neu,<br />
Dass wir den Sinn nicht beugen!<br />
Bleib' jung, du alter Schweizerbund,<br />
Aus Drang und Kampf erstanden!<br />
Steig auf, du Kraft aus Grat und Grund<br />
Und mach die Not zuschanden!<br />
Rot, wie die Alpenrosen blühn,<br />
So mög 1 der Stern der Eintracht glühn<br />
Hoch über allen Landen.<br />
cm Tflahniooxt<br />
Unsere Zeit ist aus den Fugen; Die seefische<br />
Unruhe und Unsicherheit ist gefährlicher<br />
und beängstigender als die materielle<br />
Krisis. Es ist ein Abgleiten ins Uferlose. Wohin<br />
geht die Fahrt? Je mehr falsche Propheten<br />
aufstehen und Führer zu neuen Zielen sein<br />
wollen, desto tiefer sinken wir in den Morast<br />
unserer Verzagtheit und unserer Charakterverderbnis.<br />
* Denn die grosse Masse Mensch<br />
der Ratlosigkeit bewegt sich immerfort im<br />
Kreise, ungefähr so wie der spanische Esel<br />
am Ziehbrunnen, den ein Büschel verführerisch<br />
duftendes Heu vor der Nase immerfort<br />
zur Arbeit antreibt. Wir alle rennen irgendeiner<br />
lockenden Verheissung nach und erkennen<br />
dann doch immer wieder schmerzlich,<br />
dass wir genarrt wurden und an Ort treten<br />
wie zuvor. Nicht neue Weissagungen fehlen<br />
unserer Zeit, denn sie bringen uns doch alle<br />
auseinander und nicht brüderlich näher. Denn<br />
solange wir uns Parteien und bekämpfen, werden<br />
wir niemals, jeder an seiner Stelle, mit<br />
unsern schwachen Kräften der Schwierigkeiten<br />
Herr werden. Aber mit vereinter Willens-,<br />
anstrengung müsste es gelingen, Berge zu<br />
versetzen ebensogut als Meere zu überflie-'<br />
gen! Wo ist der wahre Volksführer und uneigennützige,<br />
in seelischer Einsamkeit; gesundete<br />
Verkünder der starken, Dämme niederreissenden<br />
Brüderlichkeit und der neuen, aufbaukräftigen<br />
Gesinnung, der uns aufrüttelt<br />
und von dem wir uns aber auch, weil er so<br />
ganz unverdächtig und unabhängig ist, willig<br />
führen lassen? Würden wir nicht durch die<br />
zahllosen und lauten Schreier unserer Tage<br />
und die tollen Besserwisser verwirrt worden<br />
sein, müssten wir längst erkannt haben, dass<br />
auch unsere Zeit einen wahren geistigen Füh-^<br />
rer und Kraftspender zur neuen, vereinten<br />
Befreiungstat aus Not und Verblendung besitzt.<br />
Es ist wahrlich an der Zeit, sich seiner<br />
zu erinnern, zu unserem Heil und zu unserer<br />
längst fälligen "Erweckung.<br />
Heinrich Federer heisst er und seine Bücher<br />
sind Botschaften des guten, bessern Geistes,<br />
der von den Bergen, diesen Giganten<br />
und steinernen Propheten zu uns armseligen,<br />
unterjochten Menschenkindern herabströmt,<br />
sofern wir dieses Manna unserer hohen Heimat<br />
noch zu erkennen vermögen. Denn er,<br />
der übrigens dem ersten guten Geist der Heimat,<br />
dem Klausener Nikiaus von Flüe geistig<br />
so nahen Verwandten (wie hat er ihn geliebt<br />
und verstanden, in jedem seiner Bücher bekennt<br />
er sich zu ihm und zu seiner Brüderlichkeit,<br />
wie zu dessen Bruder gleicher Gesinnung,<br />
dem heiligen Franz von Assisi!) hat<br />
schon im vorahnenden Roman «Berge und<br />
Sei uns willkommen, Sommernacht, i<br />
Mit Glockenklang und Feuerschein!<br />
Noch fühlt der Schweizer deine Macht,<br />
Ergriffen bis ins Herz hinein;<br />
Erneut gibst du uns wieder Kunde,<br />
Wie einst der Grundstein ward gelegt<br />
Zum Schweizerhaus im «Ew'gen Bunde*,<br />
Und wie die Freiheit ward gehegt.<br />
0 möge stets ihr guter Geist<br />
In unserm Land lebendig sein,<br />
Er, der den rechten Weg uns weist<br />
Zu wahrer Einigkeit Gedeih'n...<br />
Lasst Feuer sprüh'n und Glocken läuten!<br />
Und unsrer Bundesfeier Nacht<br />
Mög einer ganzen Welt bedeuten:<br />
Der Frieden ist die stärkste Macht!<br />
Emil Hüglu<br />
Menschen» des Jahres 1911 all seine Hoffnung<br />
auf Weiterbestand und eine helle, bessere<br />
Zukunft unseres Landes auf die Berge,<br />
diesem «Palladium der Freiheit» gesetzt, weil<br />
sie fest und feierlich erklären: «Was Laune<br />
ist, geht vorbei! Nur Wahrhaftiges bleibt!<br />
Wir bleiben, wir, die Ehrenhaften, wir, die<br />
Berge, der Halt und Rückhalt der Welt!» An<br />
ihrer unverrückbaren Qrösse und Unnahbarkeit<br />
sollen wir uns aufrichten, in ihrem stärkenden<br />
Einfluss verharren. Aufs Ganze und<br />
Grosse ist des Dichters heimatliches Fühlen<br />
gerichtet. Nichts hasst er mehr als Krämergeist<br />
und Geldstrebertum. Den jämmerlichen<br />
Mückenseelen redet er scharf ins Gewissen:<br />
..... «als ob das Bröcklein brauner, lichtloser<br />
Planet, das wir Erde heissen, und das Fetzlein<br />
davon, was einer mit allen zehn gierigen<br />
Fingern in seine Hosensäcke steckt, als ob<br />
An historische* Staue<br />
Walter-Fürst-Haus bei Attinnhausen.<br />
Zwt Jbundesfewi,<br />
Piotö GaberelL<br />
Das war der Ahnen grosse Tat<br />
In stiller Mondnacht des August,<br />
Sie fühlten Mut und schafften Rat,<br />
Getreuen Wollens sich bewusst;<br />
Drum haltet sie in hohen Ehren,<br />
Denn oft ist gross, was klein erscheint,<br />
Fürwahr, sie könnten Völker lehren,<br />
Wie man zum Ganzen sich vereint.<br />
das schon alles mögliche Glück wäre. Als ob<br />
man dann satt wäre und Amen sagen könnte.<br />
Nur vom Besitzen, vom Geld und vom Gelten<br />
weiss er ein begehrliches Lied! Sie haben das<br />
Herz und den Magen eines Sperlings. Wenn<br />
der nur immer seine paar mastigen Würmer,<br />
seine paar Kornhalme oder sein Dutzend<br />
Kirschen hat, so wird er feist und rund und<br />
selig. Er weiss nicht, was eine Adlerseele<br />
noch für andere Seligkeiten kennt!»<br />
Zu seiner bösen Kritik des engstirnigen<br />
Miteidgenossen stellt der Dichter gleich auch<br />
das Rezept zum bessern Menschen, sich aus<br />
dem dumpfen Druck und der niederen Eigennutzgesinnung<br />
unserer Zeit erhebt und gerettet<br />
wird: die Adlerseele müssen wir gewinnen,<br />
Adler müssen wir sein, nicht kleine,<br />
nichtige Stechmücken, die sich auf Kehrichtkübeln<br />
mästen. Das will heissen: aufs Ganze<br />
cfttimkefoc<br />
Von Heinrich Leuthold.<br />
Und wiederum die reine Luft<br />
Von deinen Bergen atm' ich ein, '<br />
Und wiederum, o Schweizerland,<br />
0 süsse Heimat, bist du mein!<br />
Ein Alphorn klagt gedämpften Tons<br />
Herüber von dem Felsenhang,<br />
Ein fernes Herdenglöcklein klingt<br />
Und meine Seele wird Gesang.<br />
In eine Aeolsharfe ist<br />
Verwandelt wieder mein Gemüt,<br />
Darüber wie ein linder Hauch<br />
Der Zauber deiner Sagen zieht.<br />
schauen, das hohe Ziel vor Augen haben,<br />
nicht dem Augenblick leben, an die bessere<br />
Zukunft denken und danach handeln. Also<br />
auch Opfer auf sich nehmen, wenn es gilt,<br />
Grosses und Befreiendes zu erreichen. Ohne<br />
Anstrengung kein Sieg, ohne Arbeit kein<br />
Lohn. Dasselbe hat lange vor Federer Nietzsche<br />
gesagt: «Es gibt keinen anderen Weg<br />
zur Höhe: Golgatha». Wir stehen am Berg dös<br />
Leidens und harren der Dinge, die da komme/jh<br />
sollen. Hinan denn, tapfer das* Opfer gebracht<br />
und die Mühe des Leidensweges zum<br />
:«Höher hinan!» auf uns genommen, auch<br />
wenn es über Abgründe und Sturzbäche geht,<br />
den Blick auf den Gipfel gerichtet, und es<br />
wird und muss gelingen! Federer gibt uns<br />
die Heilslehre der Berge, die wir doch längst<br />
erobert zu haben vermeinten (und es doch<br />
nur als Sportausübung taten!), wenn er den<br />
packenden, hinreissenden Hymnus auf sie anstimmt:<br />
, •<br />
«0 diese Berge, diese Wolken, diese Sonne,<br />
dieser auffahrende Wind, all dieser Idealismus<br />
der Natur verkündet mir: auch der<br />
Mensch muss mit, auch er muss sich aus dem<br />
Staub zum Ideal reformieren. Die Sonne und<br />
dieser Höhenwind und dieses Gipfelglänzen<br />
in alle Himmel empor, o das leidet nichts<br />
Schmutziges und Kriechendes und Sieches.<br />
. Säuberung bei uns! Gehe es wie es wolle, wie<br />
sich die Natur so rüstig immer wieder reformiert,<br />
so müssen auch wir, ihre feinen Geschöpflein<br />
ans Werk. Oder dann schämen wir<br />
uns vor dem Lehm, aus dem wir erschaffen<br />
sind und von dem wir nichts als die Faulheit<br />
geerbt haben! Nicht die Natur soll uns, wir<br />
sollen der Natur das gute Vorbild des Fortschrittes<br />
geben.»<br />
Nicht die menschlichen iEinrichtungen gilt<br />
es zu befehden, denn sie sind ja unser Werk<br />
und wir selber haben ja unsere Behörden gewählt,<br />
sondern wir selber müssen uns an die<br />
verhärtete .Stirne schlagen und uns zur seelische<br />
Läuterung und Erstarkung aufraffen.<br />
Jedes Volk hat doch nur die äussere Organisation<br />
und Verfassung, die es verdient.<br />
Noch ist es nicht zu spät, noch stehen ja unsere<br />
Berge und ihre ewige Mahnung unerschüttert,<br />
noch blieb uns unsere Heimat erhalten.<br />
An uns selber und unserer höherer<br />
Einsicht liegt es, die üble Notzeit, an der<br />
Streitsucht und Gewinngeist die Schuld zu<br />
tragen, zu überwinden. Im Sichbescheiden und<br />
auf die wahren Urgründe unseres Daseins zurückzukehren<br />
(Selbsterzeuger sein und sich<br />
mit der Natur und ihren Gaben verbinden!<br />
würde der Volkswirtschafter sagen), liegen<br />
die doch immer noch unserer besserer Schatzgräberarbeit<br />
wartenden Quellen des Lebens.<br />
Unser neues, tapferes Mühen im Geiste eidgenössischer<br />
Brüderlichkeit, die keinen zu<br />
gering achtet und alle zur rettenden Tat auffordert<br />
und ihn in die Aufbauarbeit einreiht,<br />
soll das weithin leuchtende, hohe, dichterische<br />
Heimatbekenntnis Federers erhellen. An ihm<br />
wollen wir unsere frostigen Tage erwärmen<br />
und endlich erkennen, dass eine erleuchtende<br />
Stunde hundert Jahre Finsternis erhellen<br />
kann...<br />
Hermann Aellen.