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E_1936_Zeitung_Nr.027

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IV. Blatt<br />

Automobil-Revue<br />

rc<br />

Wein JDeben, (Katharina, seif so heiter<br />

wie der holde, schone Frühling/<br />

Photo Kurt Melssner<br />

orzeiian fla<br />

charakteristischen Landschaftsbilder mit Gessners<br />

Kunst, anderseits in der hier* nachgewiesenen persönlichen<br />

i Verbindung Gessners mit dem Unternehmen<br />

im Schooren hat. Trotzdem hierin zweifellos<br />

ein wahrer Kern steckt, geht es doch nicht an, alle<br />

Landschaftsdekors ohne weiteres als Arbeiten Gessners<br />

zu:bezeichnen, denn nachweisbar waren in der<br />

Fabrik' mindestens drei Maler für diese Arbeit der<br />

Geschirrverzierung tätig.»<br />

Unsere" Porzellan-Malerinnen verdienen das Lob<br />

und die- Anerkennung des Laien, und dieser wird<br />

umso weniger mit seiner Anerkennung kargen, wenn<br />

er weiss, wie viel Fleiss und Ausdauer, wie viel<br />

Subtilität und Kenntnis das Porzellanmalen und<br />

erst recht das Kopieren alter Stücke erfordert. Eine<br />

genaue. Kenntnis des Materials, also des Porzellans<br />

und der Farben, ist notwendig, eine genaue Kenntnis-der<br />

technischen Vorgänge des Brennens und<br />

Glasierens ist erforderlich — und sehr viel<br />

Zeit., Denn man malt vielleicht eine Tasse in<br />

einem Tag, vielleicht ein Plateau in einer Woche!<br />

Die' unendlich zarten Schleiertöne, die in See und<br />

Berg verwoben sind, oder sich zum Bild eines<br />

Schäferpärchens zusammenfügen, haben mit der<br />

hastigen Malerei, die heute als modern gilt, nichts<br />

zu- tun. Natürlich sind die Wandlungen des Stilempfindens<br />

nicht spurlos am Porzellan vorübergegangen,<br />

aber das Material schreibt gerade hier eine<br />

zarte, feine Technik vor. Und es scheint uns, im<br />

Grunde gehöre diese zärtliche Kleinmalerei zum<br />

Porzellan wie die kräftigere Pinselmanier zum<br />

Steingut. Für die heutigen Menschen, die so gerne<br />

geneigt sind, vorwitzig alles für Maschinenarbeit zu<br />

halten, was nicht die deutlichen Spuren des Kunsthandwerks<br />

trägt, erhebt sich nur die Frage, ob die<br />

geduldige:Arbeit des Porzellanmalens auch richtig<br />

gewürdigt wird. Wie rasch geht man über die<br />

schönsten Gegenstände hinweg, ohne sich in die<br />

zierliche und kunstreiche Arbeit zu versenken, die<br />

eine kundige Hand ihnen gewidmet hat! Sicher<br />

lernt man heute eine solche «Verschönüng des Lebens»<br />

wieder schätzen, und gerade für Menschen,<br />

die lieber Qualität als Quantität besitzen, ist gutes<br />

Porzellan,; das' ausser dem Sachwert auch noch<br />

Kirnst- Und Liebhaberwert aufweist, wieder zu<br />

einem lebendigen Kulturelement geworden.<br />

Nr. 27<br />

BERN, 27. März <strong>1936</strong><br />

Der Schlüsselroman<br />

und seine Opfer<br />

Ein Schlüsselroman ist ein Roman, in welchem<br />

Persönlichkeiten und Begebenheiten so dargestellt<br />

sind, dass jedermann, der das betreffende Milieu<br />

kennt, auch die Personen wieder erkennen muss.<br />

In einem Schlüsselroman porträtiert zu werden,<br />

kann unter Umständen sehr schmeichelhaft sein, ist<br />

aber bekanntlich doch nicht immer ein Vergnügen.<br />

Das Problem des Schlüsselromans ist nach dem Bericht<br />

englischer <strong>Zeitung</strong>en in einem Prozess gegen<br />

die Romanschriftstellerin Mrs. Beatrice Kean Seymour<br />

und den Verlag, in dem ihr Roman «Interlude<br />

for Sally» erschienen ist, in breiter Front aufgerollt<br />

worden. Eine Legion von Klägern und Klägerinnen<br />

war aufmarschiert, sogar ganze Familien hatten<br />

sich durch manche Einzelheiten des Romans getroffen<br />

gefühlt. Die Phalanx der klägerischen Anwälte<br />

begehrte Schadenersatz und Beschlagnahme, der,<br />

noch nicht verkauften Exemplare. Die Vertreter der<br />

Verfasserin differenzierten zwischen den verschiedenen<br />

Gruppen der Kläger. Dem einen billigten<br />

sie die Möglichkeit zu, dass durch gewisse Details<br />

der Schauplätze und der Handlung des Romans in<br />

ihnen unangenehme Assoziationen heraufbeschworen<br />

werden könnten. Bei anderen erklärten sie<br />

aber auch die leiseste Aehnlichkeit für< ausgeschlossen.<br />

Sie vertraten den Standpunkt, Handlung<br />

und Figuren des Romans seien frei erfunden, und<br />

es sei nur ein peinlicher Zufall, dass sich manche<br />

Personen der Gesellschaft darin zu erkennen glauben.<br />

Doch seien die Autorin und der Verlag trotzdem<br />

zu einer angemessenen Genugtuung an diejenigen<br />

Kläger bereit, die wirklich durch den Roman<br />

Unannehmlichkeiten erlitten hätten. Nun entspann<br />

sich eine lebhafte Debatte darüber, was<br />

man unter Unannehmlichkeiten zu verstehen habe,<br />

die sich für jemanden durch einen Schlüsselroman<br />

ergeben können. Muss es sich um positive und<br />

deutlich fassbare Nachteile, wie etwa eine Ehescheidung,<br />

eine Enterbung oder gesellschaftlicher<br />

Boykott, nandeln? Oder genügen' bereits gewisse<br />

Imponderabilien; wie etwa Tratsch, Gerüchte, Nekkereien,<br />

Anspielungen? Und wie weit geht die<br />

künstlerische Freiheit des Autors? Wo beginnt der<br />

unzulässige Eingriff in die private Sphäre anderer<br />

Personen? In lebhafter Diskussion bemühte man<br />

sich vergebens, Grenzbestimmungen zu fincleru<br />

Doch fand der Prozess ein Happy end.<br />

(Aufschrift auf einer Zürcher Bonbonniere<br />

am dem 18. Jahrhundert)<br />

Die Galerie Muralto in Zürich veranstaltet dieser<br />

Tage eine Ausstellung von altem und neuem<br />

Zürcher Porzellan. Manche Leserin wird erstaunt<br />

Tagen: Zürcher Porzellan? Davon habe ich noch<br />

jie gehört. Man weiss, dass seit ein paar Jahrcehnten<br />

in Langenthai Schweizer-Porzellan hergestellt<br />

wird, doch war man in der Hauptsache daran<br />

gewöhnt, vom Begriff Porzellan aus die Ideenver-<br />

Mndung mit den Namen ausländischer Fabriken zu<br />

schlagen — Meissen, Sevres, Nymphenburg und<br />

wie sie alle heissen. Und wir schweifen in die<br />

Ferne, während auch in der Nähe so viel Gutes<br />

liegt, das unsere Würdigung verdient.<br />

Das Zürcher Porzellan datiert aus dem 18.<br />

Jahrhundert, wie auch die Erzeugnisse der andern<br />

schweizerischen Manufaktur von damals, die in<br />

Nyön gestanden hat. Zürich zeichnete seine Waren<br />

mit-einem Z, Nyon mit einem Fisch. Aber wozu<br />

soll man lange erklären?<br />

Wesentlich ist, dass man in der Galerie Muralto<br />

nebst schönen alten Stücken eine reiche Fülle von<br />

Kopien nach altem Zürcher Porzellan findet. Ein<br />

paar Zürcher Damen, die sich mit der Porzellanmalerei<br />

beschäftigen, haben die Schätze ihrer Arbeit<br />

zusammengetragen und zu einer Ausstellung<br />

vereinigt; damit der Besucher nicht nur das fertige<br />

Produkt sehe, sondern womöglich auch einen<br />

Eindruck von der subtilen und feinsinnigen Arbeit<br />

des Porzellanmalens erhalte, findet während der<br />

Dauer der Ausstellung in einem Saal ein Schaumalen<br />

statt.<br />

Porzellan ist ein edler und spröder Stoff, vornehm<br />

wie Pergament in seiner durchscheinenden<br />

Weisse, behutsam anzufassen in seiner Zerbrechlichkeit,<br />

und wieder edel und bezaubernd durch<br />

seinen hellen, reinen Klang. Ein aristokratisches<br />

Jahrhundert, nämlich das 18., hat dem Porzellan<br />

seinen ersten Aufschwung gegeben;, bald nachdem<br />

in Meissen seine Herstellung bekannt wurde —<br />

Porzellangeschirr haben'zwar die Seefahrer schon<br />

aus China nach Europa gebracht ^— verbreiteten<br />

sich die Geheimnisse seiner Anfertigung, und fast<br />

jeder europäische Fürst setzte seine Ehre darin,<br />

eine eigene Porzellan-Manufaktur zu besitzen.<br />

Sejbst Republikaner wie 'die Zürcher taten mit.<br />

Nachdem die ersten Versuche gelungen waren und<br />

man die entlehnten Stilformen der Bemalung abgelegt<br />

hatte, schuf sich Zürich seinen eigenen Stil in<br />

der Porzellanmalerei unter dem Einfluss von Salomon:<br />

Gessner und dem Kupferstecher Bruppbacher.<br />

Die Schweizer Landschaft verdrängte die , Ornamente;<br />

zierliche Veduten mit See, Berg und Ruinen<br />

fugten sich hauchzart auf Teller und Tassen,<br />

malerische Winkel blicken uns aus den Gefässen<br />

des gepflegten Tisches entgegen — kein Land<br />

zeigt auf seinem Porzellan so viele idyllische Motive<br />

wie die Schweiz. Daneben wurden viele bemalte<br />

Figuren hergestellt, Schäferszenen und Liebespärchen,<br />

zierliche Zeugen einer galanten Zeit.<br />

Die Zürcher Porzellanmanufaktur im Schooren<br />

bei Kilchberg existierte zwischen 1760 und 1791.<br />

Ihre Arbeiten sind berühmt, nicht minder einige von<br />

den Persönlichkeiten, die sich bei der Gründung<br />

und am Betrieb beteiligten, mäniieh der Idyllendichter<br />

und Landschaftsmaler Salomon Gessner<br />

(1730—1788) und der Vater des Dialektdichters<br />

Johann Martin Usteri. So schön die Erzeugnisse<br />

des Unternehiriens für die damalige Zeit waren,<br />

so anmutig sie auch für unser Empfinden noch<br />

sind — ein geschäftlicher Erfolg war es nicht.<br />

Nach dreißigjährigem Bestehen musste das Unternehmen<br />

liquidiert werden, was für die Beteiligten<br />

—- eine Reihe von Kaufleuten aus Zürich und<br />

Basel — empfindliche Verluste brachte. Ein Aufsatz<br />

von Dr. Karl Frei in dem vom Lesezirkel Hottingen<br />

auf den 200. Geburtstag Salomon Gessners<br />

herausgegebenen Gedenkbuch «Salomon Gessner<br />

1730— 1930 » berichtet eingehend über die einstige<br />

Zürcher Porzellan-Manufaktur,<br />

«Den ersten Anstoss zur Gründung gab der<br />

Fund einer Erdart bei der Ziegelhütte unterhalb<br />

Schollenberg am Rhein (d. h. zwischen Flaach<br />

und Rüdlingen), welche im Sommer 1760 der<br />

Zürcherischen Naturforschenden Gesellschaft zur<br />

Prüfung vorgelegt wurde und sich als «eine mit<br />

Eisen mehr oder weniger geschwängerte Lett- und<br />

mit Thon vermischte Erde» erwies, aus der "nach<br />

Vornahme der nötigen Prozeduren ein «feines<br />

rothes Geschirr» verfertigt wurde. «Und dieses gab<br />

den Anlass zu der dissmahls etablierten Porcellainfabric»,<br />

lesen wir auf einem losen, dem Protokoll<br />

der Naturforschenden Gesellschaft beigelegten Blatt<br />

-— heute im Zürcher Staatsarchiv.»<br />

Ob Gessner selbst den Anstoss zur Gründung<br />

der Porzellanmanufaktur im Schooren gegeben hat,<br />

lässt sich, nur vermuten, nicht aber nachweisen.<br />

«In Liebhaber- und Sammlerkreisen», schreibt der<br />

Vizedirektor des Schweizerischen Landesmuseums<br />

in der erwähnten Publikation über Salomon Gessner,<br />

«werden besonders die Erzeugnisse der Fabrik,<br />

; welche die reizenden Landschaftsmotive aufweisen,<br />

als Arbeiten 1 Gessners in Anspruch genommen.<br />

Diese Annahme beruht auf der lokalen Tradition,<br />

die ihren Ursprung einerseits in der offensichtlichen<br />

Verwandtschaft der für das Zürcher Porzellan sa<br />

Photo Kurt Meisiner

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