E_1949_Zeitung_Nr.024
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Nr. 24 - MJTTVOCH, 15. MAI <strong>1949</strong> AUTOMOBIL REVUE 19<br />
FRANKREICH<br />
Eine Schönheitsklinik für Automobile<br />
Die neue Service-Station Shell .Tecalemit in Paris<br />
Im Herzen des 8. Arrondissements der französischen<br />
Hauptstadt, mitten im «Quartier chic»,<br />
in einer Nebenstrasse der Champs Elysfes, haben<br />
die Direktionen der französischen Shell-Gesellschaft<br />
und der Konstruktionsfirma Tecalemit<br />
ihre bereits vor dem Krieg bestehende Service-<br />
Station wieder eröffnet und betreiben sie in erweiterter<br />
und modernisierter Form.<br />
Wir betreten einen regelrechten Schönheitsund<br />
Prüfsalon für Personenwagen mit einheitlicher,<br />
sauberer Innenausstattung und neuartiger<br />
Beleuchtung. Wie die Betriebsgemeinschaft in<br />
ihrem Prospekt bescheiden bemerkt, hat man es<br />
zwar nicht mit der «plus belle Station de France»<br />
zu tun, aber ihr Korrespondent, der die Einrichtung<br />
besichtigt und sie in Vollbetrieb sah, darf<br />
bestätigen, dass sie mit dem modernsten Werkzeug<br />
ausgerüstet ist und dass ihr ein qualifiziertes<br />
Personal zur Seite steht.<br />
Jeder Wagen wird am laufenden Band (siehe<br />
unsere Bilder) gewaschen, getrocknet, entstaubt<br />
und vollständig neu geschmiert. Daran schliesst<br />
sich eine Kontrolle des Motors, der elektrischen<br />
(Spezialbericht unseres Pariser Korrespondenten)<br />
Anlage und besonders der Batterie, die Reinigung<br />
der Zündkerzen und, wenn nötig, selbstverständlich<br />
auch das Aufpumpen der Pneus.<br />
Reinigung und Schmierung dauern nach dem,<br />
was wir selbst feststellten, höchstens eine Viertelstunde.<br />
Nach diesem sogenannten «Autoshampoing»<br />
wird das Fahrzeug, sofern sein Besitzer<br />
Wert darauf legt, noch auf Hochglanz aufpoliert<br />
und dann, von einem «Untersuchungsbulletin»<br />
in Kartenform begleitet, an die mechanisch-elektrische<br />
Prüfstation weitergefahren.<br />
Während der Schmierung des Wagens, die auf<br />
einem der üblichen Lifte erfolgt, hat ein Fachmann<br />
die mechanischen Organe auf Herz und<br />
Nieren geprüft; dann werden mit besonderen<br />
Apparaten allfällige vom Kunden gemeldete<br />
elektrische Pannen festgestellt und gegebenenfalls<br />
beseitigt. Diese «Detection electrique» erfolgt<br />
an einem Kontrollpult, von dem aus mit<br />
Hilfe einer Reihe spezieller Apparate Mängel der<br />
Batterie, der Zündspule, der Kabel, des Kondensators<br />
sowie der Pumpen festgestellt werden<br />
können.<br />
Die fünf Brücken, auf denen die Wagen geschmiert werde*, Hechts die Schmierolbaiterien.<br />
Die sogenannte «Radiographie» defekter<br />
Zündkerzen wird in Rekordzeit mittels des sog.<br />
«Spark Plug» durchgeführt; dieser Apparat rei.<br />
nigt nicht nur automatisch jede Zündkerze, sondern<br />
gestattet einwandfrei festzustellen, ob sie<br />
einen normalen Zündfunken abgibt.<br />
Die neue Station will aber weder eine Garage<br />
noch eine Reparaturwerkstatt sein. Sie soll keinem<br />
Pariser Garagisten oder Automechaniker<br />
irgendwelche Konkurrenz machen. Ihre Fachleute<br />
sind «Auto-Doktoren». Sie erteilen Ratschläge<br />
und beheben zwar kleine, sofort sichtbare<br />
und spürbare Schäden, verweisen aber im<br />
übrigen die Wagenbesitzer an die zuständigen<br />
Vertreter und Grossgaragen. Immerhin ist alles<br />
bis zum äussersten durchorganisiert. Die Automobilisten<br />
können, während ihr Fahrzeug überholt<br />
wird, in komfortablen Warteräumen Fachzeitschriften<br />
studieren, Korrespondenz erledigen,<br />
telephonieren, ja gegebenenfalls sogar Briefe<br />
diktieren. Demnächst wird den Kunden, die nach<br />
einer langen Fahrt etwa ebenso verstaubt wie<br />
ihre Wagen in Paris eintreffen, eine besondere<br />
Duschkabine zur Verfügung stehen.<br />
In der Vollsaison, bei schönem Wetter und<br />
Stossverkehr werden in der Station durchschnittlich<br />
30—40 Wagen pro Tag behandelt. Sie<br />
hat zwar technisch amerikanisches Format, ihr<br />
Kundendienst atmet aber durchaus den Geist<br />
der traditionellen französischen Höflichkeit. Paris<br />
darf auf diese Neuerung stolz sein. wbg.<br />
Das Reinigung-, Trocknung*- und Entstaubungs-Fliessband.<br />
Marius Berliet f<br />
Wie die französische Presse meldet, ist der<br />
ehemalige Generaldirektor und Begründer der<br />
Berliet-Automobilwerke in Lyon, Marius Berliet,<br />
in Cannes, wo er zurückgezogen lebte, sich<br />
aber noch mit konstruktivem «Basteln» befasste,<br />
im Alter von 83 Jahren verstorben.<br />
In Lyon 1866 geboren, begann Berliet seine<br />
industrielle Laufbahn in der Textilbranche, eröffnete<br />
dann aber eine kleine Werkstatt, in der<br />
er 1895 sein erstes «Motortandem» konstruierte.<br />
In der Folge entwickelte sich dieser Kleinbetrieb<br />
zum späteren Umfang der Grosswerke und die<br />
bei Berliet fabrizierten Personen- und Lastwagen,<br />
insbesondere die Schwergewichte mit<br />
Dieselantrieb, sicherten dem Unternehmen, das<br />
nach wie vor unter der persönlichen energischen<br />
und autoritären Leitung von Marius Berliet und<br />
seiner Söhne stand, Weltruf. Insbesondere trugen<br />
die Berliet-Werke während des ersten Weltkriegs<br />
zur Versorgung der alliierten Armeen mit<br />
Fahrzeugen und Kampfwagen bei.<br />
Im zweiten Weltkrieg wurden die Berliet-<br />
Werke von den Deutschen requiriert und gezwungen,<br />
für den Bedarf der Wehrmacht zu arbeiten,;<br />
darüber hinaus aber scheinen der alte<br />
Berliet und seine Söhne auch die deutschen Besetzungsbehörden<br />
unterstützt zu haben, weshalb<br />
das Unternehmen selbst nach der Befreiung<br />
unter Zwangsverwaltung gestellt wurde, wbg.<br />
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