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Der Burgbote 1977 (Jahrgang 57)

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1<strong>57</strong><br />

In unseren Gürzenichkonzerten im Oktober wird die „Altrhapsodie“ von Johannes Brahms<br />

aufgeführt. Unser aktives Mitglied Dr. Fr. Sitt verfaßte den nachfolgenden Beitrag:<br />

Rhapsodie<br />

Fragment aus Goethe's „Harzreise im Winter"<br />

'<br />

von Joh. Brahms<br />

:Die Vertonung dieses Fragmentes, eine Rhapsodie<br />

für eine Altstímme. Männerchor und<br />

P ester, op. 53, komponiert 1870, steht<br />

idem Programm unseres diesjährigen Winterkonzertes.<br />

Die Während einer Probe etwas<br />

scherzhaft gestellte Frage eines Sangesfreundes<br />

nach Slnn und Verständlichkeit des von<br />

Brahms ausgewählten Textes gibt mir Veranlassung,<br />

sowohl einige aufklärende Erläuterungen<br />

zu Goethe's „Harzreise“ wie auch<br />

zu der genannten Tonschöpfung von Johannes<br />

Brahms zu geben.<br />

Bei der Erklärung von Goethe's „Harzreise<br />

im Winter“, die er in späteren Jahren selbst<br />

ein „abstruses Gedicht" nannte, beziehe ich<br />

mich im wesentlichen auf dessen eigene Erläuterungen.<br />

Goethe unternahm die Reise<br />

Ende 1777, um einmal das Bergwesen im<br />

Harz zu studieren, zum anderen einen zwar<br />

sehr geistreichen, jedoch schwermütigen und<br />

hypochondrischen jungen Mann namens<br />

P' sing kennen zu lernen, der ihn in mehre-<br />

--*=Briefen um Trost bat, nachdem er seinen<br />

„Werther“ gelesen hatte. Plessings Briefe waren<br />

sehr aufdringlich, wie Goethe schreibt,<br />

anziehend wie abstossend zugleich, sodaß<br />

seine Neugier immer größer wurde, diesen<br />

jungen Mann. wenn auch unerkannt, kennen<br />

zu lernen. Goethe weilte am 3. Dezember<br />

bei ihm. Weiteres erfahren wir nicht darüber.<br />

Und doch muß ihn der Anblick dieses lebensmüden<br />

Menschen so getroffen haben, daß er<br />

dessen Stimmung verdächtig gut mit seiner<br />

eigenen zerrissenen und zwiespältigen während<br />

dieser Reise verwob und in Gedichtform<br />

brachte.<br />

Goethe unternimmt die Reise allein zu Pferde,<br />

aller Witterungsunbill zum Trotz, in Kälte,<br />

Eis und Schnee. Anfänglich schildert er<br />

die kahle winterliche Landschaft und die in<br />

ihm selbst vorgehenden Stimmungen. Er<br />

fühlt sich irgendwie beglückt und gestählt<br />

durch die begonnene Ausführung dieses beschwerlichen<br />

und nicht ungefährlichen Unternehmens<br />

und ist froh und zufrieden in Erl<br />

innerung an sein bisheriges Leben. Aber dann<br />

gedenkt er jenes unglücklichen und schwermütigen<br />

Menschen, um dessentwillen er diese<br />

Reise unternommen hat. Je mehr er sich dem<br />

iHarz nähert, um so beschwerlicher wird sein<br />

Weg, winterlich einsam und öde ist alles um<br />

1ihn her, Flüsse, Seen und Teiche sind gefrošren.<br />

'Er sagt selbst dazu:„ Wer seine Bequemlichkeiten<br />

aufopfert, verachtet gern diejenigen,<br />

die sich darin behagenl" Doch dann<br />

kommt ihm wieder das Bild des einsamen,<br />

ımenschen- und lebensfeindlichen Jünglings<br />

in den Sinn, das er sich in folgenden, von<br />

Brahms zu seiner Alt-Rhapsodie ausgewählten<br />

Versen ausmalt:<br />

„Aber abseits, wer ist's?<br />

ln's Gebüsch verliert sich sein Pfad,<br />

hinter ihm schlagen<br />

die Sträuche zusammen,<br />

das Gras steht wieder auf,<br />

die Öde verschlingt ihn.

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