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Kölner Stadt-Anzeiger vom 1. 2. <strong>1977</strong><br />
Goldsäcke zum Glück<br />
Viel Beifall für die Spielgemeinschaft des KMGV<br />
Von Wilhelm Un g e r<br />
Was Autor Klaus Rohr in seine"<br />
lDivertissementchen „Kirm_<br />
m Veedel“ an spannender<br />
Handlung und witzigem Dialog<br />
vermissen läßt, das ersetzt Regisseur<br />
Klaus Rohr reichlich<br />
durch 'kölsche Atmosphäre und<br />
treffliche Milieusd'ıilderung.<br />
Aus der Fülle der Mitwirkenden<br />
(Veedels-Bürger und Kommunionskinder)<br />
schälen sich Dutzende<br />
von waschechten Typen<br />
und Originalen heraus, so daß<br />
die Spielgemeinschaft irn Kölner<br />
'Männer-Gesang- -Verein blendende<br />
Möglichkeiten hat, darstellerische<br />
urid gesangliche<br />
Qualitäten zu entwickeln. Und<br />
es wird so gut Kölsch gesprochen<br />
daß Imis kaum mitkommen<br />
können. noch<br />
Es geht um das lMartinsviertel.<br />
Heribert Oedingens prächti-<br />
<strong>Der</strong> vor vielen Jahren nach<br />
Amerika durchgebrannte Sohn<br />
des Küsters, Mathieu, kehrt in<br />
seine Heimat zurück. Aus der<br />
Prärie hat er sich ein Mädchen<br />
mitgebracht, genannt frei<br />
nach Karl May _- Winni. Winni,<br />
die übrigens durch den Mund<br />
von Wilhelm' Schmidt uriges<br />
Kölsch spricht, glaubt, daß die<br />
Kölner sie 'nicht „ligge'I können<br />
und will -zu den Indianern zurück.<br />
Aber haben die Kölsche<br />
Vorurteile? I wo. Vielleicht eine<br />
einzige eifersüchtige Jungfer.<br />
Dem Veedel droht Abriß<br />
hieu, in der Fremde reich<br />
'gr-_ den, will das ganze ehrwürdige<br />
Veedel abreißen und<br />
darauf ein rheinisches San<br />
Francisco errichten. Die Sturmglocken<br />
läuten. Ein richtiges --<br />
von Takten aus Beethovens<br />
l,.Pastorale“ begleitetes Gewitter<br />
geht nieder. Aber eine<br />
Volksabstimmung ergibt ein<br />
klares Votum für das alte Veedel.<br />
<strong>Der</strong> Freudentanz endet mit<br />
der Apotheose (das mußte ja<br />
kommen): „Mer losse de Dom in<br />
Kölle".<br />
'Aber dann wird ~es nochmal<br />
dramatisch. Eine Depesche aus<br />
Amerika kündet Mathieu, daß er<br />
ges Bühnenbild, aus dem noch Siebers Pastor, Michael Goebs<br />
die Domtürme herausragen, Küster, Günter Roggendo'rfs<br />
entlockt dem Publikum schon Schuster, der auf den Dom klettert,<br />
den ersten Jubel. Dann die endlose<br />
Kirmes-Prozession mit hallem<br />
um seinen entflogenen Ka-<br />
narienvogel einzufangen, Willy<br />
Drum und Dran. Ein Re-<br />
Achtermanns Schutzmann, Runarienvogel<br />
gie-Meisterstück. Die Szene .ist dolf Wingenfelds ulkige Pauline<br />
gesetzt. Das Spiel kann beginnen.<br />
sowie Hans Georg Spohr und<br />
bei einer Bankpleite sein' Geld<br />
verloren hat. Zur rechten Zeit<br />
tritt als rettender Bote Winnis<br />
Indianervater Jonathan Eisenfuß<br />
(Hans .Gronendahl) mit<br />
einem Karren von Goldsäcken<br />
auf. Von der bevorstehenden<br />
Bankpleite Wind bekommen<br />
(die Kölner horchen gespannt<br />
auf), hat er rechtzeitig Mathieus<br />
Geld abgehoben und __an den<br />
Rhein transportiert. So was von<br />
einem Happy-End läßt sich nicht<br />
beschreiben. („So-ein Tag, so<br />
wunderschön wie heute . . .")<br />
Unmöglich, alle Darsteller 'zu<br />
nennen. So müssen einige wenige<br />
für alle stehen. Karl Heinz<br />
Peter Harstick als das urkomische<br />
Ehepaar Olbermann.<br />
Unter den Gesangsleistungen<br />
ragten die in schmalzigen Lehár<br />
einmündenden Liebesduette zwischen<br />
Mathieu und Winni, gesungen-'von<br />
Albert Krautz und<br />
Wilhelm Schmidt, heraus, <strong>Der</strong><br />
von Ludwig Weber einstudierte<br />
Chor sang -- wie nicht anders<br />
zu erwarten _ prächtig.<br />
Selten gut waren die Ballett,-<br />
einlagen motiviert und durchgeführt.<br />
Peter Schnitzler findet<br />
immer neue Wege. Höhepunkt<br />
der Höhepunkte: die Figuren<br />
des Hänneschen-Theaters, dargestellt<br />
vom „Cillchen“-Ballett<br />
-— .zweifellos eine Jubiläums-<br />
Verbeugung vor dem Kölner<br />
Puppentheater. .<br />
War auch -- trotz eines eingelegten<br />
Barit-on-Prologs _ die<br />
Ouvertüre nicht so witzig wie<br />
sonst, Christoph Klövers Partitur<br />
enthält manche Perle, und<br />
das Orchester der Cäcilía Wolkenburg<br />
spielte Klassisches wie<br />
Karnevalistisches mit gleichem<br />
Engagement. <strong>Der</strong> Oper jährlicher<br />
Tribut an -den Karneval<br />
kann sich sehen und hörenilassen.<br />
Viel Blumen, viel Beifall<br />
und natürlich auch .Dacapos.<br />
Und wie gut, zu wissen,'daß<br />
Kölle noch eine Weile Kölle<br />
bleibt und nicht zu einem San<br />
Francisco wird.