01.03.2018 Aufrufe

Der Burgbote 1977 (Jahrgang 57)

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

`<br />

43<br />

Kölner Stadt-Anzeiger vom 1. 2. <strong>1977</strong><br />

Goldsäcke zum Glück<br />

Viel Beifall für die Spielgemeinschaft des KMGV<br />

Von Wilhelm Un g e r<br />

Was Autor Klaus Rohr in seine"<br />

lDivertissementchen „Kirm_<br />

m Veedel“ an spannender<br />

Handlung und witzigem Dialog<br />

vermissen läßt, das ersetzt Regisseur<br />

Klaus Rohr reichlich<br />

durch 'kölsche Atmosphäre und<br />

treffliche Milieusd'ıilderung.<br />

Aus der Fülle der Mitwirkenden<br />

(Veedels-Bürger und Kommunionskinder)<br />

schälen sich Dutzende<br />

von waschechten Typen<br />

und Originalen heraus, so daß<br />

die Spielgemeinschaft irn Kölner<br />

'Männer-Gesang- -Verein blendende<br />

Möglichkeiten hat, darstellerische<br />

urid gesangliche<br />

Qualitäten zu entwickeln. Und<br />

es wird so gut Kölsch gesprochen<br />

daß Imis kaum mitkommen<br />

können. noch<br />

Es geht um das lMartinsviertel.<br />

Heribert Oedingens prächti-<br />

<strong>Der</strong> vor vielen Jahren nach<br />

Amerika durchgebrannte Sohn<br />

des Küsters, Mathieu, kehrt in<br />

seine Heimat zurück. Aus der<br />

Prärie hat er sich ein Mädchen<br />

mitgebracht, genannt frei<br />

nach Karl May _- Winni. Winni,<br />

die übrigens durch den Mund<br />

von Wilhelm' Schmidt uriges<br />

Kölsch spricht, glaubt, daß die<br />

Kölner sie 'nicht „ligge'I können<br />

und will -zu den Indianern zurück.<br />

Aber haben die Kölsche<br />

Vorurteile? I wo. Vielleicht eine<br />

einzige eifersüchtige Jungfer.<br />

Dem Veedel droht Abriß<br />

hieu, in der Fremde reich<br />

'gr-_ den, will das ganze ehrwürdige<br />

Veedel abreißen und<br />

darauf ein rheinisches San<br />

Francisco errichten. Die Sturmglocken<br />

läuten. Ein richtiges --<br />

von Takten aus Beethovens<br />

l,.Pastorale“ begleitetes Gewitter<br />

geht nieder. Aber eine<br />

Volksabstimmung ergibt ein<br />

klares Votum für das alte Veedel.<br />

<strong>Der</strong> Freudentanz endet mit<br />

der Apotheose (das mußte ja<br />

kommen): „Mer losse de Dom in<br />

Kölle".<br />

'Aber dann wird ~es nochmal<br />

dramatisch. Eine Depesche aus<br />

Amerika kündet Mathieu, daß er<br />

ges Bühnenbild, aus dem noch Siebers Pastor, Michael Goebs<br />

die Domtürme herausragen, Küster, Günter Roggendo'rfs<br />

entlockt dem Publikum schon Schuster, der auf den Dom klettert,<br />

den ersten Jubel. Dann die endlose<br />

Kirmes-Prozession mit hallem<br />

um seinen entflogenen Ka-<br />

narienvogel einzufangen, Willy<br />

Drum und Dran. Ein Re-<br />

Achtermanns Schutzmann, Runarienvogel<br />

gie-Meisterstück. Die Szene .ist dolf Wingenfelds ulkige Pauline<br />

gesetzt. Das Spiel kann beginnen.<br />

sowie Hans Georg Spohr und<br />

bei einer Bankpleite sein' Geld<br />

verloren hat. Zur rechten Zeit<br />

tritt als rettender Bote Winnis<br />

Indianervater Jonathan Eisenfuß<br />

(Hans .Gronendahl) mit<br />

einem Karren von Goldsäcken<br />

auf. Von der bevorstehenden<br />

Bankpleite Wind bekommen<br />

(die Kölner horchen gespannt<br />

auf), hat er rechtzeitig Mathieus<br />

Geld abgehoben und __an den<br />

Rhein transportiert. So was von<br />

einem Happy-End läßt sich nicht<br />

beschreiben. („So-ein Tag, so<br />

wunderschön wie heute . . .")<br />

Unmöglich, alle Darsteller 'zu<br />

nennen. So müssen einige wenige<br />

für alle stehen. Karl Heinz<br />

Peter Harstick als das urkomische<br />

Ehepaar Olbermann.<br />

Unter den Gesangsleistungen<br />

ragten die in schmalzigen Lehár<br />

einmündenden Liebesduette zwischen<br />

Mathieu und Winni, gesungen-'von<br />

Albert Krautz und<br />

Wilhelm Schmidt, heraus, <strong>Der</strong><br />

von Ludwig Weber einstudierte<br />

Chor sang -- wie nicht anders<br />

zu erwarten _ prächtig.<br />

Selten gut waren die Ballett,-<br />

einlagen motiviert und durchgeführt.<br />

Peter Schnitzler findet<br />

immer neue Wege. Höhepunkt<br />

der Höhepunkte: die Figuren<br />

des Hänneschen-Theaters, dargestellt<br />

vom „Cillchen“-Ballett<br />

-— .zweifellos eine Jubiläums-<br />

Verbeugung vor dem Kölner<br />

Puppentheater. .<br />

War auch -- trotz eines eingelegten<br />

Barit-on-Prologs _ die<br />

Ouvertüre nicht so witzig wie<br />

sonst, Christoph Klövers Partitur<br />

enthält manche Perle, und<br />

das Orchester der Cäcilía Wolkenburg<br />

spielte Klassisches wie<br />

Karnevalistisches mit gleichem<br />

Engagement. <strong>Der</strong> Oper jährlicher<br />

Tribut an -den Karneval<br />

kann sich sehen und hörenilassen.<br />

Viel Blumen, viel Beifall<br />

und natürlich auch .Dacapos.<br />

Und wie gut, zu wissen,'daß<br />

Kölle noch eine Weile Kölle<br />

bleibt und nicht zu einem San<br />

Francisco wird.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!