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Hinz&Kunzt 301 März 2018

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WWW.HINZUNDKUNZT.DE<br />

Lebenslinie<br />

Wenn die<br />

Sirene singt<br />

TEXT: ANNABEL TRAUTWEIN<br />

FOTOS: LENA MAJA WÖHLER<br />

Andreas Schmidt und<br />

sein Alter Ego, die<br />

Operndiva Tante Woo.<br />

Als Operndirektor lebte Andreas Schmidt für die Kunst, bis seine Seele nicht mehr konnte.<br />

Heute hilft er anderen psychisch kranken Kulturschaffenden – in Gestalt der verglühten<br />

Diva Tante Woo, Star der Hamburger Travestieszene und Schirmherrin des Vereins Künstlerhilfe.<br />

Es ist bumsvoll im kukuun Club an der Reeperbahn.<br />

Der Smalltalk summt, der Sekt perlt, Stößchen, Küsschen.<br />

Auf der Bühne glänzt ein Flügel still im lila<br />

Rampenlicht. Da streckt sich eine große, strassberingte Hand<br />

durch den Vorhang, Daumen hoch. Alles verstummt, der<br />

Vorhang fliegt auf und da ist sie: bodenlange Abendrobe,<br />

Kaskaden von Perlenketten, Ohrringe wie Kronleuchter, lila<br />

Lippen, Smokey Eyes, auf dem Kopf eine Art Tsunami aus<br />

fliederfarbener Zuckerwatte – Auftritt Tante Woo.<br />

„Hallo, meine Lieben!“ Mit samtweichem Bariton stellt<br />

die Diva den lieben Jungen in ihrem Schlepptau vor: Roman<br />

Grübner alias Roman WHO?, ihr künstlerischer Überlebenspartner.<br />

Mit dem sie nach der letzten Show auf der Aida<br />

fast auf dem Meer ausgesetzt worden wäre! „Ein Drama,<br />

meine Lieben“, schäkert die Woo und lässt die Wimpern<br />

klimpern. Sie beide allein im Dingi, im Mondschein auf dem<br />

Ozean … Zum Glück mal wieder knapp die Kurve gekriegt.<br />

Darum geht es im übertragenden Sinn auch beim<br />

Benefizkonzert für ihren Verein, erklärt Tante Woo: „Die<br />

Künstlerhilfe e. V. ist entstanden, weil ich bekloppt bin.“<br />

Ungeschminkt und ohne Publikum drückt Travestiekünstler<br />

Andreas Schmidt (50) es anders aus. „Wenn ich<br />

morgens die Augen aufschlage, möchte ich tot sein“, sagt er.<br />

Wegen seiner psychischen Krankheit gehe er oft tagelang<br />

nicht raus. Dann ist alles zu viel: Die Gedanken, die ihm wie<br />

Kometenhagel durch den Kopf schießen. Die bodenlose Ver-<br />

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