_flip_joker_2018-04
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6 KULTUR JOKER THEATER<br />
Ein spirituell-soziologisches Experiment<br />
Jo Koppes Performance „Yo, me and the Gatepost II“ im Kammertheater des E-Werk in Freiburg<br />
An der Treppe zum Kammertheater<br />
des E-Werks hat man<br />
seinen Namen mit goldenem<br />
Stift auf einen kleinen Zettel zu<br />
schreiben, dieser kommt dann<br />
zusammen gefaltet in einen<br />
Hut. Wozu? Darauf kann man<br />
gespannt sein bei dem zweiten<br />
Teil von Jo Koppes performativem<br />
Begegnungsformat „Yo,<br />
me and the Gatepost“, das von<br />
Stadt und Land gefördert wurde.<br />
Vor einem Jahr lud der Tänzer<br />
und Performancekünstler<br />
unter dem gleichen Titel schon<br />
einmal in Freiburg und Berlin<br />
zu Vier-Augen-Terminen an<br />
ungewöhnlichen Orten, es gab<br />
Essen und geführte Gespräche<br />
rund um Themen wie Liebe,<br />
Familie, Sex, Körper, Wahrheit<br />
oder Geld. Ums vermeintlich<br />
Eingemachte geht es auch an<br />
diesem „partizipativ-poetischen<br />
Abend zum Verwobensein des<br />
Lebens“, wobei der Austausch<br />
nun in Kleingruppen stattfindet.<br />
Die werden nach einem<br />
melancholisch-schönen Song<br />
von Koppe und Musiker Ahmed<br />
Abdelali ausgelost, dann strömt<br />
BERUFSKOLLEGS FÜR<br />
KREATIVE<br />
KOPFE<br />
..<br />
Ahmed Abdelali und Jo Koppe<br />
das Publikum in das mit großen<br />
Topfpflanzen und unterschiedlichsten<br />
Sitzgelegenheiten ausstaffierte<br />
Kammertheater.<br />
Gemütlich sieht das im Schummerlicht<br />
aus, exotische Lounge-<br />
Atmosphäre, dazu wird Sekt<br />
gereicht. Auf dem Tisch jeder<br />
Dreiergruppe liegt schon ein<br />
Fragenkatalog, man lernt sich<br />
ein bisschen kennen. So wird der<br />
Abend weiterlaufen – es gibt weitere<br />
Umschläge mit Gesprächsangeboten<br />
um Sinn, Lebendigkeit<br />
Fotos: Marc Doradzillo<br />
Zickenkrieg in der Sommerfrische<br />
Die Freiburger Schauspielschule zeigt „Goldonissimi“ auf der Experimentalbühne im E-Werk<br />
❱ Besuchen Sie uns gerne auf der<br />
JobStartBörse am 16.+17. Mai<br />
in der Sick-Arena Freiburg<br />
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Freiburg<br />
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Goldenes Patina-Licht und ein<br />
Dutzend immer wieder anders<br />
gestapelte Holzkoffer – mehr<br />
braucht Regisseurin Grete Lenz<br />
nicht als Bühnenbild für ihr<br />
Stück „Goldonissimi“ nach Carlo<br />
Goldonis Komödie „Trilogia della<br />
Villeggiatura“. Voll und mächtig<br />
turbulent wird es dann eh auf der<br />
Experimentalbühne mit einem<br />
Fingerschnippen: Geballte Energie,<br />
überbordende Expressivität<br />
und jede Menge Heißblütigkeit<br />
– so wirbeln die elf Schauspielschüler<br />
über 100 Minuten lang<br />
durch immer neue Kapriolen.<br />
Dabei sind alle ständig präsent<br />
und pausenlos in Bewegung.<br />
Diese Dynamik und Offenherzigkeit<br />
verstärken auch die Kostüme,<br />
die Karikaturen im Sinne<br />
der Commedia dell´arte zeichnen:<br />
Die acht jungen Frauen<br />
tragen viel Haut und vor allem<br />
Brust unter hautengen Miedern,<br />
dazu wippen und schwingen lustig<br />
die Reifrock-Gestelle über<br />
weißen Unterhosen. Die drei<br />
Männer geben mit schwarzweiß<br />
gemusterten Leggins und<br />
viel Rüschen wahlweise den<br />
tollkühnen Draufgänger oder<br />
charmanten Galan. Statt Masken<br />
gibt es aufgepinselte Kirschmünder<br />
und Apfelbäckchen wie<br />
beim Kasperletheater. Zu sehen<br />
bekommt man eine aufgekratzte<br />
und brünstige Teenie-Horde, die<br />
sich da in bester Ballermann-<br />
Manier auf den Weg in die Sommerfrische<br />
macht. Klar, es gibt<br />
dabei Zickenkrieg und Ärger.<br />
Grete Linz modernisiert Goldonis<br />
italienisches Sittengemälde<br />
aus dem 18. Jahrhundert noch um<br />
einige spielerische Nuancen: Bei<br />
ihr trägt die ebenso vergnügungssüchtige<br />
und verarmte Livorno-<br />
Gesellschaft Taschenlampen im<br />
Strumpfband und Sonnenbrillen<br />
am Halsgummi: Erstere bestimmen<br />
den Tag-Nacht-Rhythmus<br />
und entlarven im Spot immer<br />
wieder intime Situationen, hinter<br />
Zweiteren verschanzt man<br />
sich gerne mit coolem Pokerface.<br />
Wer das Sagen hat, saust<br />
mit Rollschuhen über die Bühne<br />
und macht fliegenden Handel.<br />
Dolce Vita – das ist der Sinn alles<br />
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Seins, für den man sich weit aus<br />
dem Fenster lehnt und lebt als ob<br />
es kein Morgen gäbe. So kommt<br />
es dann, dass je nach monetärer<br />
oder amouröser Lage der Koffer<br />
aus- und wieder eingepackt, im<br />
Blitztempo eine Hochzeit verkündet<br />
oder beim Taschenlampen-Mondlicht<br />
leidenschaftlich<br />
getechtelmechtelt wird.<br />
Womit die „Handlung“ dieses<br />
extrem actionreichen, aber inhaltlich<br />
völlig banalen Stückes<br />
auch schon erzählt wäre – und<br />
das macht das Ganze dann<br />
auch trotz großartiger schauspielerischer<br />
Leistung und viel<br />
Bühnenästhetik ebenso zäh<br />
wie anstrengend: Die Figuren?<br />
Irgendwie alle gleich und nur<br />
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und Tod, dazwischen meditative<br />
Gesangs- oder Bewegegungseinlagen,<br />
von Ahmed Abdelali<br />
stimmungsvoll mit Oud und<br />
Rahmentrommel begleitet. Mal<br />
präsentiert Jo Koppe einen Text<br />
um die Gleichzeitigkeit allen Lebens,<br />
mal erzählt er ein Märchen.<br />
Immer dreht sich das Ganze um<br />
die drei Klassiker der großen Lebensfragen:<br />
Wer bin ich? Woher<br />
komme ich? Wohin gehe ich?<br />
Das ist alles spürbar durchdacht<br />
und liebevoll arrangiert<br />
– Kunst im Sinne einer Transformation<br />
aber ist es nicht,<br />
vielmehr ein spirituell-soziologisches<br />
Experiment. Die Inhalte<br />
haben da fraglos ihre Berechtigung,<br />
allein es fehlt an Reibung,<br />
Brüchen, Herausforderung an<br />
diesem gemütlich-friedlichen<br />
Abend, der mehr und mehr zum<br />
Erweckungsgottesdienst gerät:<br />
Allzu direkt und frontal schickt<br />
Koppe sein Publikum auf den<br />
Erkenntnispfad, der Stoff dazu<br />
ist stellenweise banal und wird<br />
auf dem Silbertablett präsentiert.<br />
War Koppes Konzept in<br />
der Einzelbegegnung so originell<br />
wie charmant, so verwässert<br />
es hier zum esoterischen<br />
Workshop. Dabei hatte man je<br />
nach Kleingruppe durchaus einen<br />
interessanten Abend, aber<br />
das ist dann alles in allem doch<br />
etwas dünn. Marion Klötzer<br />
durch Frisur und Haarfarbe unterscheidbar.<br />
Wer mit wem und<br />
warum? Eigentlich egal! Die<br />
Story? Ein absehbares, ohne<br />
jeglichen Spannungsbogen<br />
montiertes Szenen-Potpourri<br />
in Endlosschleife. Kompensiert<br />
wird diese Inhaltsleere mit<br />
hochtourigem Aktionismus: In<br />
verwirrender Beliebigkeit wird<br />
hier wie im Dampfdrucktopf<br />
geflirtet, gestritten, gekeift, gesungen<br />
und gelacht. Das ist laut,<br />
überdreht, clownesk überspitzt,<br />
schrill und schräg. Dazu gibt<br />
es jede Menge pfiffiger Regie-<br />
Ideen und ein quicklebendiges,<br />
extrem bewegliches Ensemble,<br />
das aus dem Vollen schöpft, alles<br />
gibt und sich in Sekundenschnelle<br />
in immer neue Emotionen<br />
stürzt. Sogar manche Parkour-<br />
und Breakdance-Nummer<br />
wird präsentiert.<br />
Mit „Goldonissimi“ wird die<br />
Freiburger Schauspielschule im<br />
Mai zum Young Theatre Festival<br />
in Bale, Kroatien reisen<br />
– bleibt der hochmotivierten<br />
Truppe und ihrer Regisseurin<br />
zu wünschen, dass das Stück als<br />
Openair-Spektakel im dortigen<br />
Schlosshof funktioniert.<br />
Weitere Aufführungen: vom<br />
12.-15. und 19.-22. April, jeweils<br />
20 Uhr, sonntags 18 Uhr.<br />
Experimentalbühne im E-Werk,<br />
Freiburg. Marion Klötzer