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BIBER 04_18-2

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Österreichische Post AG; PZ <strong>18</strong>Z<strong>04</strong>1372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />

www.dasbiber.at<br />

SCHEIDUNG<br />

AUF<br />

SYRISCH<br />

DENIZ YÜCEL<br />

SPRICHT<br />

BOSPORUS<br />

LIEBT<br />

BALKAN<br />

MIT SCHARF<br />

FRÜHLING<br />

20<strong>18</strong><br />

ANTI-PILLE<br />

DER MANN IST DRAN


WIEN MUSEUM<br />

KARLSPLATZ<br />

3<br />

minuten<br />

mit<br />

Saya<br />

Ahmad<br />

Saya Ahmad (SPÖ) wird die<br />

neue Bezirksvorsteherin am<br />

Alsergrund. Damit ist sie<br />

die erste Bezirk-Chefin mit<br />

Migrationshintergrund.<br />

Von Melisa Erkurt, Fotos: Christoph Liebentritt<br />

Cover der Zeitschrift „Friseurjugend“, Dezember 1950 © Wien Museum<br />

<strong>BIBER</strong>: Wohnen Sie eigentlich auch im<br />

Neunten?<br />

SAYA AHMAD: Nicht mehr. Weil wir<br />

aus familiären Gründen eine größere<br />

Wohnung gesucht haben, sind wir in<br />

den zehnten Bezirk gezogen. Jetzt sind<br />

wir aber wieder für eine Wohnung im<br />

Neunten vorgemerkt.<br />

Was ist Ihr Lieblingsort im Neunten?<br />

Unter anderem der Lichtentaler-Park,<br />

weil hier unterschiedliche Bevölkerungsschichten<br />

zusammenkommen.<br />

Sonst haben Jugendliche aus unterschiedlichen<br />

sozialen Gruppen ja kaum<br />

Kontakt miteinander. Das möchte ich<br />

mit der Gründung einer Bezirksjugendvertretung<br />

ändern. Ich möchte generell<br />

mit Grätzeltouren und Sprechstunden<br />

im öffentlichen Raum Begegnungspunkte<br />

für alle schaffen.<br />

Was hat Sie dazu bewegt, in die Politik<br />

zu gehen?<br />

Meine persönliche Geschichte. Als ich<br />

sieben war, mussten wir als Kurden vor<br />

Saddam Husseins Regime aus dem Irak<br />

fliehen. Auf der Flucht habe ich fürchterliche<br />

Dinge gesehen. In Österreich<br />

sind wir erst einmal nach Traiskirchen<br />

gekommen. Diese Fluchterfahrung hat<br />

mich politisiert.<br />

Sie sind in Klagenfurt aufgewachsen.<br />

Wie haben Sie die Zeit in Kärnten<br />

erlebt?<br />

Damals unter Haider war die Stimmung<br />

ähnlich wie sie jetzt gerade in Österreich<br />

ist. Mein Nachbar meinte mal zu<br />

mir, er wünschte Hitler wäre noch da<br />

und hat mir „euch werden wir auch<br />

noch erwischen!“ hinterhergerufen. Als<br />

ich meiner Volksschullehrerin einmal<br />

erzählt habe, dass ich ans Gymnasium<br />

möchte, meinte sie: „Da sehe ich<br />

schwarz für dich.“<br />

Sie sind von Ihrer Herkunft her Muslima.<br />

Welche Rolle spielt Ihr Glaube?<br />

Ich bin keine praktizierende Muslima.<br />

Trotzdem sehen mich die Leute oft in<br />

der Verantwortung, wenn es um den<br />

Islam geht. Die Religion wird auch<br />

dann zum Thema gemacht, wenn mich<br />

jemand persönlich angreifen will.<br />

Wie stehen Sie zum Kopftuchverbot für<br />

SchülerInnen? SPÖ-Parteimanagerin<br />

Novak hat sich ja dafür ausgesprochen.<br />

Ich bin gegen das Kopftuchverbot,<br />

auch an Schulen. Damit drängt man<br />

die Mädchen in die Privatsphäre. In<br />

Österreich herrscht Unterrichts- und<br />

keine Schulpflicht. Wir müssen mit den<br />

Schülerinnen pädagogisch arbeiten,<br />

aber sie nicht ausschließen.<br />

Name: Saya Ahmad<br />

Alter: 33<br />

Geburtsort: Kirkuk (Irak)<br />

Besonderes: Engagiert<br />

sich beim Verein “Liga für<br />

emanziptorische Entwicklungszusammenarbeit”<br />

/ 3 MINUTEN / 3


3 3 MINUTEN MIT<br />

SAYA AHMAD<br />

Die erste migrantische Bezirksvorsteherin<br />

6 FACE OF THE MONTH:<br />

CESAR SAMPSON<br />

Österreichs Hoffnung beim Eurovision<br />

Song Contest<br />

10 IVANAS WELT<br />

Das wäre mal geschafft! Ivana ist Mutter<br />

geworden und glücklich – wäre da nicht ihr<br />

„serbischer Klan“.<br />

POLITIKA<br />

14 SCHEIDEN AUF SYRISCH<br />

Immer mehr syrische Flüchtlinge lassen sich in<br />

Österreich scheiden. Was auffällt: Die Trennung<br />

geht vor allem von den Frauen aus.<br />

20 BILDUNGSMINISTER<br />

HEINZ FASSMANN IN<br />

ZAHLEN<br />

22 PILLE ABSETZEN?<br />

Immer mehr Frauen verzichten auf die<br />

Pille – aufgrund von gesundheitlichen und<br />

feministischen Gründen. Eine Reportage.<br />

28 DAS LEBEN DANACH<br />

Der türkische Journalist Deniz Yücel in seinem<br />

ersten Interview nach seiner Freilassung.<br />

RAMBAZAMBA<br />

34 BUREK LIEBT BÖREK<br />

Könnt ihr den Wind der Liebe spüren?<br />

Er kommt aus dem Südosten und trägt<br />

Balkanesen und Türken auf Wolke 7.<br />

40 JUNG UND OBDACHLOS<br />

Wie wird man mit sechzehn obdachlos?<br />

Eine Reportage aus der Notschlafstelle für<br />

Jugendliche.<br />

KARRIERE<br />

50 ENGAGIERT EUCH!<br />

Andrea fordert mehr Engagement von der<br />

Generation Praktikum, lernt das clevere<br />

Notizbuch kennen und hat Tipps für alle<br />

FOMOS da draußen!<br />

22<br />

MEIN WILLE –<br />

KEINE PILLE<br />

Immer mehr<br />

Frauen setzen<br />

die Antibabypille<br />

ab. Nicht nur aus<br />

gesundheitlichen<br />

Gründen, sondern<br />

auch, weil sie darin<br />

einen feministischen<br />

Akt sehen.<br />

Sie wollen endlich<br />

wieder ihren Körper<br />

und ihre Sexualität<br />

spüren – die Pille<br />

soll doch der Mann<br />

nehmen<br />

14<br />

SYRISCHE SCHEIDUNGEN<br />

Geschiedene Frauen werden in Syrien von der<br />

Gesellschaft ausgeschlossen. In Österreich<br />

entdecken viele Syrerinnen ihre neuen<br />

Freiheiten und trennen sich von ihren Männern.<br />

34<br />

IN HALT MÄRZ<br />

20<strong>18</strong><br />

40<br />

BÖREK LIEBT<br />

BUREK<br />

Warum verlieben<br />

sich Menschen<br />

vom Balkan<br />

besonders häufig<br />

in jene aus der<br />

Türkei? Wir haben<br />

versucht das<br />

Liebesgeheimnis<br />

der Balkan-<br />

Bosporus-<br />

Leidenschaft zu<br />

entschlüsseln.<br />

Über Sultan,<br />

Sarma und<br />

Schwiegermütter.<br />

KEIN PLATZ ZUM<br />

SCHLAFEN<br />

Mit 9 verliert Jelena<br />

ihre Eltern, mit<br />

sechzehn landet sie<br />

auf der Straße. Die<br />

Jugendnotschlafstelle<br />

fängt sie wieder<br />

auf.<br />

Inhalt: Marko Mestrović, Alexandra Stanić, Zoe Opratko, Coverfoto: Alexandra Stanić<br />

52 SELBERMACHER<br />

Chima Rameez Okpalugo rappte zuerst, dann<br />

studierte er Business-Pläne, bevor er seinen<br />

Fitness-Tempel in Wien-Meidling eröffnete.<br />

54 LESEN SIE BITTE DIESE<br />

GESCHICHTE, HERR KURZ.<br />

Die Regierung spart bei den AMS-Geldern<br />

für Flüchtlinge. Damit werden Erfolgstories<br />

wie jene von Ayham und Amro in Zukunft<br />

schwieriger.<br />

TECHNIK<br />

58 DIE MASCHINEN<br />

SCHLAGEN ZURÜCK.<br />

Adam über die Probleme der Robo-Cars<br />

LIFE & STYLE<br />

60 NICHT NUR SÜSSES<br />

Aleks über Kuchen, Cremes und<br />

Selbstvertrauen<br />

61 13% DER MENSCHEN LÜGEN<br />

wenn sie sagen, sie gehen ins Fitnessstudio<br />

62 DIE HOHE KUNST DER<br />

BART-OLOGIE<br />

Männer und ihr Bart – da darf nicht jeder ran.<br />

KULTUR<br />

68 KULTURNEWS<br />

Jelena geht zum Diversity-Ball, lässt sich das<br />

Theaterstück „Lazarus“ mit Musik von David<br />

Bowie nicht entgehen und hasst die Frage:<br />

„Welche Musik hörst du gerne?“<br />

OUT OF AUT<br />

68 GONDELN ÜBER SARAJEVO<br />

1992 wurde die Trebević-Seilbahn in Sarajevo<br />

im Krieg zerstört. Anfang April wurde sie<br />

feierlich wiedereröffnet. biber war dabei.<br />

70 DIE LEIDEN DES<br />

JUNGEN TODOR<br />

In Wien gibt es viele Hunde. Aber wo bitte<br />

bleiben die bulgarischen Streuner?


FACE<br />

OF THE MONTH:<br />

CESAR<br />

SAMPSON<br />

Von Aleksandra Tulej<br />

Bisher ist Cesar Sampson eher weniger im Rampenlicht gestanden,<br />

obwohl er schon lange in der Musikbranche tätig ist. Dieses<br />

Jahr vertritt er Österreich mit dem Lied „Nobody but you“ beim<br />

Eurovision Song Contest in Portugal. Das ist nicht sein erster<br />

Auftritt dort: Er war bereits mehrmals als Backgroundsänger und<br />

Texter für den Song Contest tätig, dieses Jahr steht er aber eben<br />

zum ersten Mal im Mittelpunkt auf der Bühne. Dabei ist es für ihn<br />

nicht das Wichtigste, den ersten Platz zu bekommen. „Gewinnen<br />

heißt nicht, dass man langlebig als Künstler was davon hat.<br />

Man kann aber meiner Meinung nach sehr wohl davon profitieren,<br />

wenn man einen guten Platz beim Song Contest erreicht.<br />

Es kommt darauf an, welchen musikalischen Schwerpunkt<br />

man hat“, sagt der 34-Jährige. Seine Verbundenheit zur Musik<br />

hat Cesar quasi geerbt.<br />

Er kommt aus einem Künstlerhaushalt. Seine Mutter ist Pianistin<br />

und Choreografin, er ist also quasi in Studios und Proberäumen<br />

aufgewachsen. Der gebürtige Linzer war außerdem schon mit<br />

sechs Jahren in einem Musikvideo von Michael Jacksons Schwester<br />

LaToya zu sehen. Die Liebe zur Musik blieb bis heute. Cesar<br />

ist Sänger, Musiker, Produzent, Personal Trainer und Vocal Coach<br />

– also von allem etwas. Passend dazu kündigt er auch für seinen<br />

ESC-Song „Nobody but you“ an, dass dort mehrere Genres<br />

aufeinandertreffen werden. „Je mehr ich probe, desto<br />

weniger nervös bin ich vor meinem Auftritt“. Der<br />

ESC geht am 8. Mai los, Cesar bleibt also<br />

noch genug Zeit zum Proben, bis<br />

er eine super Show abliefern<br />

kann.<br />

ORF<br />

6 / MIT SCHARF /<br />

/ MIT SCHARF / 7


Liebe LeserInnen,<br />

Frühlingsgefühle gibt es wirklich. Das beweisen nicht nur<br />

Wissenschaftler, sondern auch unsere Balkan-Türken-Pärchen. Bei<br />

ihnen machen sich Frühlingsgefühle schon konstant seit 1463 breit.<br />

Wir haben versucht, herauszufinden, warum sich Menschen vom<br />

Balkan oft in jene vom Bosporus verlieben: Über Sultan, Sarma und<br />

Schwiegermütter lest ihr ab S.32.<br />

Doch nicht bei allen Pärchen geht es friedlich und liebevoll zu. –<br />

Wenn die Gefühle verflogen sind und die Ehe nicht mehr zu retten,<br />

lassen sich viele Paare hierzulande scheiden. Was in Österreich<br />

nicht unüblich ist, erweckt in Syrien immer noch große Emotionen<br />

– so kann nach islamischem Recht eine Scheidung nur vom Mann<br />

beantragt werden. Für viele Syrerinnen, die als Flüchtlinge nach<br />

Österreich kamen, ist die Tatsache, dass sie sich hier einfach so<br />

von ihrem Mann trennen können, ein großer Schritt in Richtung<br />

Selbstbestimmung. Welche Herausforderungen sie dabei<br />

bewältigen müssen, könnt ihr ab S.24. lesen.<br />

Während für viele Syrerinnen ihre Emanzipation ein relativ neues<br />

Phänomen ist, waren für Europäerinnen die 1960er Jahre eine<br />

wichtige Zeit für ihre Selbstbestimmung – einen großen Beitrag<br />

dazu leistete die Anti-Baby-Pille, die damals auf den Markt kam. Sie<br />

war lange ein Symbol für Unabhängigkeit und Emanzipation – seit<br />

einigen Jahren setzen allerdings immer mehr Frauen die Pille ab.<br />

Was ihre Gründe dafür sind und wie es um die Pille für den Mann<br />

steht, lest ihr ab Seite 14. Eines vorab: Frauen wollen wieder ihren<br />

Körper und ihr Befinden so spüren, wie es ist. Und eben auch diese<br />

Frühlingsgefühle.<br />

Scharfe Bussis,<br />

die Redaktion<br />

IMPRESSUM<br />

MEDIENINHABER:<br />

Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />

Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />

HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />

Simon Kravagna<br />

STV. CHEFREDAKTEUR/IN:<br />

Amar Rajković<br />

Delna Antia (karenziert)<br />

CHEFIN VOM DIENST:<br />

Melisa Erkurt<br />

Alexandra Stanić<br />

Jelena Pantić-Panić (karenziert)<br />

CHEFREPORTER/INNEN:<br />

Melisa Erkurt<br />

Alexandra Stanić<br />

FOTOCHEF:<br />

Marko Mestrović<br />

KOLUMNIST/IN:<br />

Ivana Cucujkić, Todor Ovtcharov<br />

REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />

Bilal Albeirouti, Lea Bacher, Adam<br />

Bezeczky, Alex Dietrich, Emir<br />

Dizdarević, Susanne Einzenberger,<br />

Nada El-Azar, Martina Gregorova,<br />

Andrea Grman, Mamo Issa, Nour Khelifi,<br />

Sophie Kirchner, Nikolina Knezević,<br />

Christoph Liebentritt, Zoe Opratko,<br />

Julia Peternell, Adis Serifović,<br />

Salme Taha Ali Mohamed, Aleksandra<br />

Tulej, Artur Zolkiewicz<br />

ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />

LEKTORAT: Christina Gaal<br />

CORPORATE SOCIAL INNOVATION:<br />

Andrea Grman<br />

BUSINESS DEVELOPMENT:<br />

Andreas Wiesmüller<br />

GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />

Simon Kravagna<br />

Wilfried Wiesinger<br />

REDAKTIONSHUND:<br />

Tito<br />

KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />

Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />

E-1.4, 1070 Wien<br />

Tel: +43/1/ 9577528<br />

redaktion@dasbiber.at<br />

marketing@dasbiber.at<br />

abo@dasbiber.at<br />

WEBSITE: www.dasbiber.at<br />

ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2017:<br />

Druckauflage 85.000 Stück<br />

verbreitete Auflage 80.601 Stück<br />

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In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />

Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />

IVANAS WELT<br />

OH, IT’S A KIND!<br />

QUALITÄT<br />

die man schmeckt!<br />

RESPEKT<br />

gegenüber den Tieren!<br />

ZUKUNFT<br />

für die regionale Landwirtschaft!<br />

Ich hab’s geschafft. Ich bin nun endlich ein vollwertiges Mitglied der<br />

Gesellschaft. Denn ich habe ein Kind geboren. Konfetti!<br />

Die Baby-News bahnten sich langsam – nein,<br />

Scherz, ziemlich rasant – ihren Weg sogar bis ins<br />

Dorf nach Ostserbien und nahmen den Verschwörungstheoretikern<br />

ganz schön Wind aus den Gossip-Segeln.<br />

Oh, kann ich wohl doch Kinder bekommen.<br />

Ah, passt wohl doch alles zwischen uns und<br />

da unten. Weil, Faustregel: Wenn sich der erste<br />

Erbe nicht nach ca. drei Jahren ankündigt, muss<br />

es wohl einen dramatischen Grund geben, logisch.<br />

ENDLICH BABY-WHATSAPP-GRUPPE!<br />

Nö, kein Fruchtbarkeitsdrama, keine Ehekrise.<br />

Einfach nur keinen Bock gehabt. Jetzt dröhnt natürlich<br />

allgemeine Erleichterung durch die innerfamiliären<br />

Kreise. Hab ich nun die credibility einer<br />

vollwertigen Erwachsenen, zumindest in der Wertewelt<br />

einiger Verwandter und solcher, die das<br />

Leben anderer aus Prinzip ungefragt kommentieren.<br />

Meine Eltern müssen sich nicht mehr wie<br />

enkellose Aussätzige fühlen. Können nun auch im<br />

WhatsApp nervige Babychatgruppen bilden, sich’s<br />

im Wett-Enkelvergleich voll geben und komplett<br />

unnötige Baby-Events planen. Weil die muss man.<br />

Macht jeder. Bringt vielleicht sonst Unglück, dreizehn<br />

Jahre Regen oder whatever....<br />

Dieses Kind war kaum auf der Welt, hatte es bereits<br />

mehr gesellschaftliche Pflichten als Prince<br />

George von England. Während ich bei den Nachwuchs-Basics<br />

hing und versuchte, Mullwindeln<br />

von Spucktüchern zu unterscheiden (es gibt keinen<br />

Unterschied) und die Geburtsaction psychisch<br />

verdaute, wurden anderweitig Festsäle gebucht,<br />

Taufen geplant, ach, und für den ersten Geburtstag<br />

steht die Gästeliste auch halb. Das Kind soll<br />

anständig präsentiert, in die Gesellschaft eingeführt<br />

werden.<br />

SERBISCHER BESUCHER-KLAN<br />

In gesitteten Verhältnissen schickt man ‘nen<br />

Strauß Blumen ins Krankenhaus und Glückwunsch-<br />

Selfies, oder man kündigt sich zaghaft nach einem<br />

Monat zu einem Hausbesuch zum Babygucken an.<br />

Davon halten werdende Balkan-Großeltern und<br />

Tanten aber nicht viel. Also hat mein Mann das<br />

Besucher-Management übernommen, damit das<br />

Personal in der noblen Privatklinik nicht all zu sehr<br />

vom – Originalzitat der Hebamme – „Serbischen<br />

Klan“ überrollt werden konnte.<br />

Das Kind-Präsentier-Happening ist eine große<br />

Sache und macht jeder, der einen Minikredit bewilligt<br />

kriegt und es super findet, dass hundert<br />

Menschen dein Neugeborenes bei Live-Musik und<br />

stickiger Restaurantluft bestaunt. Die anderen<br />

machen sich eine stressfreie Zeit mit dem neuen<br />

Mitbewohner. Ich würde gerne zur zweiten Gruppe<br />

gehören. Aber „es will doch jeder das Kind sehen“.<br />

Als ob es einen allgemeinen Anspruch auf<br />

Babyschauen gibt.<br />

Derzeit scheine ich diesen Kampf um Souveränität<br />

und Selbstbestimmung zum Wohle des großelterlichen<br />

Stolzes zu verlieren. Werden es wohl doch<br />

die gemischte Grillplatte und schweißige Glückwunschschmatzer<br />

werden. So viel zu „vollwertiges<br />

Mitglied der Gesellschaft“.<br />

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für meine Tiere möchte – eine mehr als<br />

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DIVORCE,<br />

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POLITIKA<br />

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SCHEIDUNG<br />

AUF SYRISCH<br />

Während einige Syrerinnen<br />

von ihren neuen Freiheiten<br />

und Rechten Gebrauch<br />

machen, wissen viele syrische<br />

Männer nicht, welche Rechte<br />

und Pflichten sie im Falle<br />

einer Scheidung haben.<br />

Immer mehr syrische<br />

Flüchtlinge lassen sich<br />

in Österreich scheiden.<br />

In ihrer Heimat ist die<br />

Scheidung ein Tabu, in<br />

Österreich entdecken<br />

vor allem Syrerinnen<br />

ihre Rechte und Freiheiten<br />

als Frauen.<br />

Text: Melisa Erkurt, Bilal Albeirouti<br />

Fotos: Zoe Opratko<br />

Ranya * schluckt. Ihr fällt es schwer, über die Zeit<br />

zu sprechen, in der sie verheiratet war. „Es war<br />

die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt sie.<br />

Das, obwohl Ranya in ihrem Leben viel durchmachen<br />

musste. Sie ist 2015 vor dem Syrienkrieg nach Österreich<br />

geflohen. Alles war fremd und die Bilder vom Krieg<br />

noch immer so präsent in ihrem Gedächtnis. Als sie Ayhan *<br />

kennenlernt, fühlt sich Wien plötzlich weniger fremd an.<br />

Ayhan ist auch aus Syrien geflüchtet, er weiß, welche Albträume<br />

Ranya nachts heimsuchen, er versteht sie. Deswegen<br />

beschließen beide schon nach wenigen Monaten Beziehung<br />

zu heiraten. „Ayhan war unglaublich nett und weltoffen. Es<br />

fühlte sich an wie die große Liebe“, erzählt die 24-Jährige.<br />

Doch gleich nach der Hochzeit verändert sich Ayhan. Er<br />

fängt an, Ranyas Kleidungsstil zu kritisieren. Ranya trägt zwar<br />

Kopftuch, sie kleidet sich aber gerne modern und in hellen<br />

Farben. Das stört ihren Ex-Mann. „Du bist meine Frau, du<br />

ziehst an, was ich dir sage“, befiehlt er ihr. Nicht nur die Kleidungsvorschriften,<br />

auch seine Familie wird zum Scheidungsgrund:<br />

„Seine Familie lebt ebenfalls in Wien. Wir mussten sie<br />

ständig besuchen und ich musste für alle kochen, obwohl ich<br />

schwanger und müde war.“<br />

Ranya wird nämlich schon wenige Wochen nach<br />

der Hochzeit schwanger. Als ihr Sohn zur Welt kommt,<br />

mischt sich die Familie von Ayhan in die Erziehung ein. Da<br />

beschließt Ranya, dass sie so nicht mehr weitermachen<br />

kann. Sie erkundigt sich im Internet und druckt den Scheidungsantrag<br />

aus. Doch Ayhan weigert sich zwei Monate lang<br />

zu unterzeichnen. Ranya arbeitet in Wien als Buchhalterin,<br />

mit ihrem Gehalt bezieht sie in der Zeit eine neue Wohnung.<br />

Doch erst nachdem Ranyas Bruder mit Ayhan spricht, gibt<br />

er sich einsichtig. „Mein Bruder hat ihm gesagt, dass er<br />

14 / MIT / POLITIKA SCHARF / /<br />

/ POLITIKA / 15


Seit der Flüchtlingswelle 2015<br />

haben die Scheidungsfälle von<br />

Syrern und Syrerinnen laut<br />

Juristin Renua Chadeh erheblich<br />

zugenommen.<br />

20<strong>18</strong><br />

Bei den syrischen Flüchtlingen ist die räumliche Trennung<br />

während der Flucht ein häufiger Scheidungsgrund. Der nachgekommene<br />

Partner kann wenig mit dem neuen westlichen<br />

Lebensstil des anderen anfangen.<br />

Christoph Liebentritt<br />

nichts zahlen muss. Dass ich kein Geld von ihm will, sondern<br />

einfach nur weg von ihm. Daraufhin hat er eingewilligt“, so<br />

Ranya. Seitdem hat sie zu Ayhan keinen Kontakt. Doch frei<br />

ist sie nach der Scheidung noch immer nicht. In Syrien sind<br />

geschiedene Frauen wieder in der Obhut der Eltern, egal wie<br />

alt sie sind. Ranyas Mutter ruft ihre Tochter ständig an, will<br />

wissen, was sie macht und mit wem sie unterwegs ist. Früher<br />

hat Ranya täglich Fotos von sich auf Facebook gepostet,<br />

seit der Scheidung hat sie damit aufgehört. „Was werden die<br />

Leute denken?“, fragt sie ihre Mutter immer wieder.<br />

„GESCHIEDENE FRAUEN VERLIEREN IHRE EHRE“<br />

„Geschiedene Frauen werden in Syrien aus der Gesellschaft<br />

ausgeschlossen“, sagt auch Renua Chadeh. Sie kommt<br />

ursprünglich aus Damaskus, hat dort Rechtswissenschaften<br />

studiert und arbeitet seit 16 Jahren in Wien als Juristin<br />

– aktuell in der Kanzlei Marschall & Heinz. „Seit der<br />

Flüchtlingswelle 2015 haben die Scheidungsfälle von Syrern<br />

und Syrerinnen erheblich zugenommen“, sagt sie. „In ihrer<br />

Heimat mussten die Frauen viel runterschlucken. In Österreich<br />

ist das anders, viele Syrerinnen nehmen von ihren Freiheiten<br />

hier Gebrauch.“ In Syrien hätte Ranya als geschiedene<br />

Frau ihre Ehre verloren und kaum eine<br />

Chance, einen neuen Mann zu finden.<br />

„In Österreich gibt es mehr syrische<br />

Männer als Frauen. Für mich wird es<br />

deshalb hier nicht schwer, einen neuen<br />

syrischen Mann zu finden“, sagt Ranya.<br />

Falls sie das überhaupt möchte. Denn die<br />

24-Jährige ist vorsichtig. „Ich habe einen<br />

Aufenthaltstitel und eine gute Arbeit. Es<br />

gibt Syrer, die würden mich jetzt sofort<br />

„Ayhan war unglaublich<br />

nett und weltoffen.<br />

Es fühlte sich an<br />

wie die große Liebe“<br />

nur deswegen heiraten.“ Ranya ist enttäuscht von Männern,<br />

vor allem von ihrem Ex. „Er hat noch immer keinen fixen<br />

Job und möchte keinen Kontakt zu unserem gemeinsamen<br />

Sohn“, erzählt sie. Juristin Chadeh nimmt solche Männer in<br />

Schutz: „Viele syrische Männer wissen nicht, dass auch sie<br />

von ihrer Frau Unterhaltszahlungen verlangen können, wenn<br />

diese mehr verdient. Wenn ich ihnen das sage, reagieren sie<br />

ablehnend und wollen das Geld aus Stolz nicht annehmen.“<br />

Chadehs Klienten sind zudem überrascht, wenn sie erfahren,<br />

wie das mit dem Besuchsrecht in Österreich funktioniert. In<br />

Syrien ist die Besuchsregelung klar: Buben bis zwölf Jahre<br />

und Mädchen bis fünfzehn Jahre leben bei der Mutter.<br />

Ist dieses Alter überschritten, kommen sie zum Vater. „Die<br />

Männer wissen meist auch nicht, dass sie auch dann bei der<br />

Erziehung mitreden dürfen, wenn die Obhut des Kindes bei<br />

der Frau liegt“, erklärt die Juristin.<br />

DIE FLUCHT ALS SCHEIDUNGSGRUND<br />

Es sind scheinbar eher die syrischen Frauen, von denen die<br />

Scheidung ausgeht. Die Scheidungsgründe sind dabei unterschiedlich.<br />

„Der Hauptgrund einer Scheidung ist meistens die<br />

Eheverfehlung, sprich wenn ein Partner den anderen betrügt.<br />

Bei den syrischen Flüchtlingen ist die<br />

räumliche Trennung während der Flucht<br />

ein weiterer Scheidungsgrund. Also<br />

die Zeit, während der eine schon nach<br />

Österreich geflüchtet ist und der andere<br />

noch in Syrien festsaß“, erzählt Chadeh.<br />

Die Partner leben sich in der Zeit oft auseinander.<br />

Der eine ist schon in Österreich<br />

angekommen und halbwegs integriert,<br />

während für den anderen alles neu und<br />

fremd ist. „Oft ist der Nachgekommene nicht einverstanden mit<br />

dem neuen westlichen Lebensstil des Partners und der Kinder“,<br />

so die Juristin.<br />

Bei Alladin * und Mira * sind es mehrere Gründe, die zur Scheidung<br />

führen. In Syrien waren die beiden fünf Jahre verheiratet<br />

und haben einen 3-jährigen Sohn. Als der Krieg ausbricht, flieht<br />

Alladin zunächst alleine nach Österreich. Drei Jahre später holt<br />

er Mira und den gemeinsamen Sohn im Zuge der Familienzusammenführung<br />

nach. In Österreich streiten die beiden nur noch. „Sie<br />

hat mir vorgeworfen, sie in den drei Jahren hier in Wien betrogen<br />

zu haben“, sagt Alladin. Mira gefällt es nicht, dass es für Alladin<br />

plötzlich normal ist, mit Frauen befreundet zu sein, sie wittert<br />

in jeder Freundin eine Affäre. Doch nicht nur der vermeintliche<br />

Betrug ist für Mira ein Scheidungsgrund. Mira und Alladin haben<br />

damals nicht wirklich aus Liebe geheiratet, ihre Eltern haben sie<br />

einander vorgestellt, dann wurde erwartet, dass sie einander<br />

heiraten.<br />

„WAS ER AM TAG MACHT IST EGAL, SOLANGE ER<br />

ABENDS ZU DIR INS BETT KOMMT“<br />

„Ich habe schon in Syrien das Gefühl gehabt, dass Alladin mich<br />

betrügt und wollte mich dort schon scheiden lassen“, sagt die<br />

30-Jährige. Doch ihre Familie redet ihr das aus. „Alle Männer sind<br />

so. Was er am Tag macht ist doch egal, solange er abends zu dir<br />

ins Bett kommt“, sagt ihre Mutter. In Österreich merkt Mira, dass<br />

eine Scheidung kein Tabu ist. In einer Facebook-Gruppe tauschen<br />

sich syrische Frauen zum Thema Scheidung aus. Dort bekommt<br />

Mira die Nummer von einem arabisch-sprachigen Anwalt, der<br />

sie berät. Doch Alladin will von einer Scheidung nichts wissen.<br />

Er gelobt Besserung und möchte alles tun, damit Mira ihn nicht<br />

verlässt. Nach sechs Monaten stimmt er doch zu, die Scheidung<br />

einzureichen. „Ich habe eingesehen, dass vor allem unser Sohn<br />

unter dem Hin und Her leidet“, sagt Alladin. Alladin und seine Frau<br />

leben von Sozialleistungen, also kann er keinen Unterhalt zahlen.<br />

Alladin hat die gemeinsame Wohnung verlassen und darf seinen<br />

Sohn nur am Wochenende sehen. Eigentlich. „Von zehn Wochen-<br />

16 / POLITIKA / / POLITIKA / 17


In Syrien werden geschiedene Frauen aus der Gesellschaft ausgeschlossen. In Österreich ist das anders, weshalb sich viele erst<br />

hier trauen, sich von ihrem Partner zu trennen.<br />

enden kann ich meine Ex an fünf nicht erreichen und sehe<br />

meinen Sohn dann nicht“, erzählt Alladin. Juristin Chadeh<br />

kennt dieses Problem: „Für den syrischen Mann ist es in<br />

Österreich komplizierter. Die Frau bekommt in den meisten<br />

Fällen die Kinder und die Wohnung.“ Als Flüchtling eine neue<br />

Wohnung zu finden, ist nicht einfach und auch die Besuchsregelung<br />

funktioniert nicht immer so wie sie sollte. „Es gibt<br />

Frauen, die wollen nicht, dass der Mann das Kind sieht und<br />

geben vor, dass das Kind krank sei und er es deshalb nicht<br />

besuchen kann. Dabei hat auch der Mann Rechte“, so Chadeh.<br />

ENDLICH FREI<br />

Layla * sind die Rechte ihres Mannes egal. Zu lange hat er<br />

ihre mit Füßen getreten. In Syrien hat ihr Mann sie und die<br />

Kinder geschlagen. Ihr verboten, alleine auf die Straße zu<br />

gehen. „Er war wie ein Diktator“, sagt die 48-Jährige. Doch<br />

Layla kommt aus einer sehr konservativen Familie, eine<br />

Scheidung kommt für sie damals nicht in Frage. Als der Krieg<br />

ausbricht, verkauft Laylas Mann Amre* die gemeinsame<br />

Wohnung. Mit dem Geld fliehen Layla und die drei erwachsenen<br />

Kinder über Umwege nach Österreich. Amre bleibt<br />

zurück, er will sich noch um die Wäscherei kümmern und<br />

später per Familienzusammenführung nachkommen. Am<br />

Anfang hört sich Layla mit ihrem Mann täglich über Skype.<br />

Als sie den positiven Asylbescheid bekommt, nehmen die<br />

Telefonate ab. Layla lernt in Österreich andere Frauen kennen,<br />

merkt durch die Gespräche mit ihnen, wie falsch ihre<br />

Ehe läuft. Hier in Österreich hat sie keine Verwandten, keine<br />

Nachbarn oder Bekannten, vor deren Gerede sie sich fürchten<br />

muss. Der Gedanke an eine Scheidung macht ihr auf<br />

einmal keine Angst mehr. Im Gegenteil, sie kann gar nicht<br />

mehr aufhören, daran zu denken. Eines Tages fasst sie ihren<br />

ganzen Mut zusammen und sagt Amre am Telefon, dass sie<br />

die Scheidung will. „Das kannst du nicht machen, ich bin der<br />

Mann“, sagt Amre. Nach islamischem Recht kann nur der<br />

Mann die Scheidung vollziehen und zwar indem er dreimal<br />

das Wort „talaq“ (Verstoßung) zu seiner Frau sagt. Es bedarf<br />

keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung durch den<br />

Ehemann gegenüber seiner Frau. Layla atmet tief ein und<br />

sagt dann die Worte, die ihr ganzes Leben verändern sollen:<br />

„Doch, kann ich: Talaq, talaq, talaq“, dann legt sie auf. Amre<br />

ruft sie tagelang an, versucht, ihr über die Kinder auszurichten,<br />

dass sie einen großen Fehler gemacht hat und es<br />

bereuen wird. Er gibt dem westlichen Lebensstil die Schuld,<br />

der hätte seiner Frau den Kopf verdreht. Doch die Kinder<br />

unterstützen ihre Mutter. Irgendwann gibt Amre auf und<br />

lässt seine Frau in Ruhe. Offiziell geschieden sind die beiden<br />

noch immer nicht. Mittlerweile hat Amre aber eine neue Frau<br />

in Damaskus in der Moschee geheiratet. Das ist erlaubt,<br />

weil der Mann im Islam mit mehreren Frauen verheiratet<br />

sein darf. Layla dagegen will keinen neuen Mann. „Ich gehe<br />

alleine zum Deutschkurs, alleine einkaufen, spaziere alleine<br />

durch die Stadt. Ich bin endlich frei“, sagt sie und lächelt. ●<br />

*Namen von der Redaktion geändert<br />

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<strong>18</strong> / MIT SCHARF /


Herr Minister,<br />

wie teuer wird<br />

Schulschwänzen?<br />

Wie groß<br />

sind Sie in<br />

Zentimetern?<br />

Wie viele<br />

Jahre haben<br />

Sie Basketball<br />

gespielt?<br />

Mit wie<br />

vielen Jahren<br />

wurden Sie<br />

Österreicher?<br />

Mit welchem<br />

Alter kamen<br />

Sie von<br />

Deutschland<br />

nach<br />

Österreich?<br />

Wie oft haben<br />

Sie sich als<br />

Minister bereits<br />

über die FPÖ<br />

geärgert?<br />

Wie oft haben<br />

Sie sich als<br />

Minister bereits<br />

über Kanzler<br />

Kurz geärgert?<br />

Wie oft in der<br />

Woche bereuen<br />

Sie, Politiker<br />

geworden<br />

zu sein?<br />

Wie viele<br />

Spitzenpolitiker<br />

können Sie<br />

gar nicht<br />

ausstehen?<br />

Interview in Zahlen:<br />

In der Politik wird schon genug<br />

geredet. biber fragt in Worten,<br />

Bildungsminister Heinz Faßmann<br />

antwortet in Zahlen.<br />

203<br />

30<br />

40<br />

6<br />

2<br />

0<br />

3<br />

4<br />

Von Simon Kravagna, Fotos: Susanne Einzenberger<br />

Bildungsminister Faßmann will null Lehrerinnen mit Kopftuch in<br />

den Schulen – Religionslehrpersonal ausgenommen.<br />

Dreimal die Woche bereut Faßmann, in die Politik gegangen zu<br />

sein. Ihn ärgern vor allem unsachliche Debatten.<br />

Vier frühere Freunde wollen mit dem Neo-Politiker nichts mehr<br />

zu tun haben, seit er mit der FPÖ in einer Regierung sitzt.<br />

Im Alter von sechs Jahren kam Faßmann nach Österreich,<br />

mit 40 Jahren wurde er auch am Papier Österreicher.<br />

Wie viele Euro<br />

haben Sie für<br />

die Deutschförderklassen<br />

pro Jahr?<br />

Wie viele<br />

Deutschförderklassen<br />

wird es<br />

ab Herbst 20<strong>18</strong><br />

geben?<br />

Wie viele<br />

Freunde haben<br />

Sie verloren,<br />

seit Sie mit der<br />

FPÖ in einer<br />

Regierung<br />

sitzen?<br />

Wie viele<br />

Parteien haben<br />

Sie in ihrem<br />

Leben bereits<br />

gewählt?<br />

Bis zu welchem<br />

Alter sollten<br />

Mädchen in<br />

der Schule<br />

kein Kopftuch<br />

tragen?<br />

Wie viele Euro<br />

wird wiederholtes<br />

Schulschwänzen<br />

ab<br />

Herbst mindestens<br />

kosten?<br />

Wie viel wird<br />

wiederholtes<br />

Schulschwänzen<br />

ab<br />

Herbst maximal<br />

kosten?<br />

Wie viele<br />

Prozent der<br />

Lehrerinnen<br />

sollten maximal<br />

Kopftuch<br />

tragen?<br />

Was war Ihre<br />

schlechteste<br />

Note im<br />

Maturazeugnis?<br />

Um wie viel<br />

Prozent wird<br />

das Uni-Budget<br />

steigen?<br />

30.000.000<br />

1.890<br />

4<br />

3<br />

10<br />

110<br />

440<br />

0<br />

4<br />

13<br />

Lehrpersonal für den Religionsunterricht<br />

ausgenommen<br />

20 / POLITIKA /<br />

/ POLITIKA / 21


ANTI<br />

Immer mehr Frauen setzen<br />

die Antibabypille ab. Nicht<br />

nur aus gesundheitlichen<br />

Gründen, sondern auch, weil<br />

sie darin einen feministischen<br />

Akt sehen. Sie wollen endlich<br />

wieder ihren Körper und ihre<br />

Sexualität spüren – die Pille<br />

soll doch der Mann nehmen.<br />

Text: Melisa Erkurt und Alexandra Stanić, Fotos: Alexandra Stanić<br />

Nicole (23) hat vor<br />

sechs Monaten die<br />

Pile abgesetzt.<br />

PILLE<br />

Ich wollte endlich wieder Herrin über meinen Körper<br />

sein“, sagt Hana * . Die 29-Jährige hat nach über einem<br />

Jahr und drei Pillen-Wechsel die Pille nun endgültig<br />

abgesetzt. Als sie 2017 bei ihrem Frauenarzt den<br />

Wunsch äußert, die Pille zu nehmen, fühlt sie sich zunächst<br />

gut aufgehoben. Ihr Arzt nimmt ihr Blut ab. Doch als die<br />

Befunde da sind, wirft er nur einen kurzen Blick auf die<br />

Thrombose-Werte und sagt dann schon: „Passt, ich verschreibe<br />

Ihnen die Yasminelle.“ Familiär bedingt hat Hana<br />

ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko, doch ihr Arzt erfragt diese<br />

Informationen erst gar nicht. Auch Hana macht sich keine<br />

Gedanken. Die Pillen-Packung mit den Blumen-Verzierungen<br />

sieht so harmlos aus und außerdem nehmen alle ihre Freundinnen<br />

schon seit Jahren die Pille. In ihrem Freundeskreis ist<br />

sie die letzte, die mit der Pille beginnt.<br />

Doch schon nach wenigen Wochen merkt Hana erste<br />

Veränderungen. Sie, die Adleraugen hat, sieht auf einmal<br />

verschwommen und doppelt. Hana schiebt es zunächst auf<br />

den Stress. Plötzlich wird ihr immer öfter schwindelig, sie<br />

muss sich auf der Arbeit und beim Einkaufen hinsetzen, weil<br />

sie fast ohnmächtig wird. Lust auf Sex hat sie auch keinen<br />

mehr. Da denkt Hana das erste Mal daran die Pille abzusetzen.<br />

Hana ist eine von vielen Frauen, die sich in letzter Zeit<br />

verstärkt mit den Nebenwirkungen der Pille auseinandersetzen.<br />

Die Pille, die einst maßgeblich zur Selbstbestimmung<br />

der Frauen beigetragen hat, wird heute in Frage gestellt.<br />

Besonders auf sozialen Plattformen zeigt sich das deutlich.<br />

Gibt man „Pille absetzen“ auf YouTube ein, erscheinen über<br />

9.000 Videos. Einzelne dieser Videos haben teilweise über<br />

100.000 Abrufe. Im englischsprachigen Raum finden sich<br />

etwa über zwei Millionen Videos, wenn man „stopped taking<br />

birth control“ auf YouTube eingibt. Instagram- und Blogposts<br />

sind da noch nicht miteingerechnet. Größtenteils junge Frau<br />

sprechen auf den sozialen Plattformen darüber, wieso sie die<br />

Antibabypille abgesetzt haben. Darunter reihen sich tausende<br />

Kommentare von anderen Frauen, die dasselbe berichten,<br />

sich austauschen und sich gegenseitig ermutigen, die Pille<br />

abzusetzen. Was besonders auffällt: In derselben Zeit entdecken<br />

junge Frauen mit den sozialen Plattformen einen neuen<br />

Zugang zum Feminismus. Hashtags wie GRLPWR (Girlpower)<br />

und female force dominieren das Web. Das Absetzen der<br />

Pille erscheint vielen als logische Begleiterscheinung zum<br />

selbstbestimmten, gleichberechtigten Leben als Frau. Wenn<br />

Männer keine Hormone nehmen, wieso sollten das Frauen<br />

tun?<br />

„ES IST WOHL GERADE<br />

IM TREND, DIE PILLE<br />

ABZUSETZEN.“<br />

Hana teilt ihre Skepsis der Pille gegenüber mit ihrem Frauenarzt.<br />

Als sie ihm ihre Symptome schildert, verschreibt er<br />

ihr eine andere Pille, die ist genauso wie die Yasminelle vom<br />

Pharma-Riesen Bayer. Bayer wurde in den letzten Jahren<br />

schon mehrmals von Frauen, die von ihren Antibabypillen<br />

lebensgefährliche Nebenwirkungen wie Lungenembolien<br />

erlitten, vor Gericht gebracht. In den USA hat Bayer in außergerichtlichen<br />

Einigungen bereits rund 1,9 Milliarden Dollar<br />

(1,7 Milliarden Euro) an tausende Klägerinnen gezahlt. Das<br />

weiß Hana zu dem Zeitpunkt alles noch nicht. Sie weiß nur,<br />

dass ihr auch die zweite Pille nicht guttut. Die Schwindelanfälle<br />

setzen wieder ein, sie hat immer öfter Kopfweh. Doch<br />

sie möchte die Pille noch immer nicht aufgeben. Hana und<br />

ihr Partner wollen noch keine Kinder und die Pille ist diesbezüglich<br />

die sicherste Verhütungsmethode. Also recherchiert<br />

Hana auf eigene Faust und sucht eine Pille mit möglichst<br />

niedrigem Hormongehalt.<br />

Mit ihrer selbst verordneten Pille geht es Hana zwar bes-<br />

22 / POLITIKA / / POLITIKA / 23


Die Einführung der Antibabypille<br />

in den Sechzigern gilt als Meilenstein<br />

in der Geschichte der Emanzipation<br />

der Frauen. Heute wird<br />

die Pille, die einst maßgeblich zur<br />

weiblichen Selbstbestimmung beigetragen<br />

hat, vor allem von jungen<br />

Frauen in Frage gestellt.<br />

ser, aber der Libidoverlust bleibt. Die 29-Jährige beschließt<br />

die Pille deswegen ganz abzusetzen. Als sie sich bei ihrem<br />

Frauenarzt nach Alternativen zur Verhütung erkundigt,<br />

winkt der genervt ab: „Es ist wohl grad im Trend die Pille<br />

abzusetzen. Aber die Pille ist das einzig wirklich sichere<br />

Verhütungsmittel“, sagt er und beendet das Gespräch.<br />

Hana ist fassungslos. Sie hat sich in letzter Zeit vermehrt für<br />

feministische Themen interessiert und angefangen gesellschaftliche<br />

Normen zu hinterfragen: „Wieso wird in einer<br />

Partnerschaft von der Frau erwartet, sich um die Verhütung<br />

zu kümmern? Wieso muss ich Tag für Tag Hormone zu mir<br />

nehmen? Wieso bin ich dafür verantwortlich und muss<br />

täglich daran denken, die Pille einzunehmen? Wieso gibt es<br />

keine Pille für den Mann?“, fragt sie sich.<br />

Tatsächlich soll neusten Untersuchungen zu Folge die<br />

Pille für den Mann in fünf bis zehn Jahren auf den Markt<br />

kommen. Die soll hormon- und nebenwirkungsfrei sein.<br />

Indem zeitgleich zwei Proteine (α1A-Adrenozeptor und P2X1-<br />

Purinozeptor) gehemmt werden, wird der Spermientransport<br />

während der Ejakulation verhindert. Sogar die Libido und die<br />

sexuelle Aktivität bleiben laut den australischen Forschern<br />

unbeeinflusst. Aber würden Männer die Pille tatsächlich<br />

nehmen? „Selbstverständlich“, ist sich der Gynäkologe Christian<br />

Fiala sicher. „Männer hätten gerne Kontrolle über ihre<br />

Spermien und wollen entscheiden können, ob die Frau ein<br />

Kind von ihnen bekommt.“<br />

EIN FEMINISTISCHER AKT<br />

Die Frage, die sich Doktor Fiala dabei stellt, ist nur: „Werden<br />

Frauen darauf vertrauen, wenn der Mann plötzlich sagt, dass<br />

er die Pille nimmt und sie sich nicht um die Verhütung kümmern<br />

müssen?“ Hana schüttelt den Kopf. „Wahrscheinlich<br />

nicht, da die Frau die ist, die dann schwanger werden könnte<br />

und das Kind austrägt. Außerdem wird uns Frauen von klein<br />

auf beigebracht, dass wir die Verantwortungsvollen sind und<br />

Männern nicht vertrauen können.“ Hana tauscht sich zu dem<br />

Thema Pille seit Monaten intensiv mit ihren Freundinnen aus.<br />

Sie sind sich sicher, dass die Pille für den Mann schon viel<br />

früher hätte kommen können. „Stattdessen wurde zugesehen,<br />

wie Frauen ihre Gesundheit gefährden, die Lust auf Sex<br />

verlieren und depressiv werden.“ Für Hana ist das Absetzen<br />

der Pille definitiv ein feministischer Akt. „Ich gewinne die<br />

Kontrolle über meinen Körper, meinen Geist und meine Sexualität<br />

zurück“, sagt sie. Dabei war die Einführung der Antibabypille<br />

1960 das Zeichen für weibliche Emanzipation. Frauen<br />

konnten auf einmal selber bestimmen, ob sie schwanger<br />

werden. Doch schon damals gab es Frauenrechtlerinnen,<br />

die kritisierten, dass die Pille ein von Männern entwickeltes<br />

Verhütungsmittel sei.<br />

Dr. Fiala steht dem sehr kritisch gegenüber. Als ärztlicher<br />

Leiter des Gynmed-Ambulatoriums für Schwangerschaftsabbruch<br />

und Familienplanung in Wien ist er auf die Betreuung<br />

und medizinische Behandlung von Frauen mit einer<br />

ungewollten Schwangerschaft spezialisiert. „Entweder die<br />

Frauen kontrollieren ihre Fruchtbarkeit oder die Fruchtbarkeit<br />

kontrolliert ihr “, sagt er. Einen feministischen Akt sieht Fiala<br />

„Ich habe keine Lust, mein Leben lang für die Verhütung zuständig<br />

zu sein“, sagt Márcia. „Frauen lassen sich Spiralen und<br />

Ketten in die Gebärmutter einsetzen und Männer müssen nichts<br />

machen?“, fragt sich die 26-Jährige.<br />

im Absetzen der Pille nicht, im Gegenteil: „Die derzeitige<br />

Pillen-Angst führt dazu, dass Frauen ein schlechtes Gewissen<br />

gemacht wird, wenn sie sich wirksam mit der Pille vor ungewollten<br />

Schwangerschaften schützen“, so Fiala.<br />

DIE PILLE ALS ANTICHRIST<br />

Von schlechtem Gewissen will Hana nichts wissen. Tatsächlich<br />

kennt sie aber mittlerweile in ihrem Umfeld keine<br />

Frau mehr, die noch die Pille nimmt. Auch von Márcias<br />

Freundinnen nimmt niemand mehr die Pille, sie haben alle<br />

gleichzeitig abgesetzt. Márcia selbst nimmt die Pille nur, weil<br />

2017 Endometriose bei ihr diagnostiziert wurde. Es handelt<br />

sich bei der Erkrankung um Ansiedlungen von Gebärmutterschleimhaut<br />

außerhalb der Gebärmutter. Im Februar wurde<br />

die 26-Jährige operiert, eine Endometriose-Zyste sowie<br />

Herde an Magen, Darm, Blase und hinter der Gebärmutter<br />

wurden entfernt. Sie nimmt die Pille, weil sie als Therapie bei<br />

Endometriose eingesetzt wird.<br />

„Die Pille wird jetzt als der Antichrist propagiert“, so<br />

Márcia. Ideal findet sie das Verhütungsmittel nicht, aber die<br />

Pille völlig dämonisieren möchte sie trotzdem nicht. „Seit es<br />

die Pille gibt, haben wir Frauen mehr Freiheiten“, gibt sie zu<br />

Marcia Neves<br />

24 / POLITIKA /<br />

/ POLITIKA / 25


edenken. „Zudem kann sie bei Krankheitsbildern wie etwa<br />

Endometriose effektiv eingesetzt werden.“ Márcia wünscht<br />

sich eine Weiterentwicklung der Forschung, sowohl bei<br />

Endometriose als auch bei Verhütungsmethoden für den<br />

Mann. „Ich habe keine Lust, mein Leben lang für die Verhütung<br />

zuständig zu sein“, so die 26-Jährige. „Frauen lassen<br />

sich Spiralen und Ketten in die Gebärmutter einsetzen und<br />

Männer müssen nichts machen?“<br />

DER MANN IST DRAN!<br />

Auch Claudia fragt sich, wann endlich mehr Alternativen<br />

für den Mann kommen. „Es gibt außer dem Kondom kein<br />

anständiges Verhütungsmittel für den Mann. Alles ist auf<br />

die Frau ausgelegt, nur die Frau soll fürs Kinderkriegen oder<br />

eben nicht kriegen zuständig sein“, so die Rechtsanwaltsgehilfin.<br />

„Dabei sollte ein Mann genauso verantwortlich für die<br />

Verhütung sein.“<br />

Mit 16 beginnt Claudia mit der Einnahme der Pille.<br />

Günstig und unkompliziert: Damals sieht sie kein Problem in<br />

der Verhütungsmethode. Während Claudia die Pille nimmt,<br />

hat sie keine Beschwerden. Ihre Haut bessert sich, außerdem<br />

kann sie ihren Zyklus bei einem anstehenden Urlaub<br />

verschieben, das kommt ihr gelegen. „Ich habe die Pille<br />

sofort verschrieben bekommen und konnte auch problemlos<br />

die Marke wechseln, wenn mir die eine zum Beispiel zu<br />

teuer war.“ Viele ihrer Freundinnen haben damals die Pille<br />

genommen, deshalb denkt Claudia nicht weiter über die<br />

Nebenwirkungen nach. 2015 erfährt Claudia, dass sie an<br />

der chronischen Stoffwechselerkrankung Lipödem leidet.<br />

Diese ist vererbbar, betrifft nur Frauen und zeigt sich<br />

durch Unproportionalität der Gliedmaßen, an der Sport und<br />

Ernährung nur begrenzt etwas ändern können. Forscher<br />

gehen davon aus, dass die Krankheit hormonabhängig sein<br />

kann. „Nach der Diagnose habe ich mich natürlich intensiv<br />

mit der Frage befasst, was ich mir mit den vielen Hormonen<br />

angetan haben könnte“, so die 29-Jährige. „Habe ich mir<br />

aus Bequemlichkeit selbst geschadet und die Krankheit<br />

verschlimmert?“ Welche Rolle die Pille dabei gespielt hat,<br />

wird Claudia nie erfahren. „Aber mein Arzt hat mir erklärt,<br />

dass Lipödeme durch hormonelle Veränderungen verstärkt<br />

werden können“, so die Rechtsanwaltsgehilfin.<br />

Neben ihrer Stoffwechselerkrankung erleidet die 29-Jährige<br />

2016, kurz nachdem sie die Pille abgesetzt hat, eine<br />

Sinusvenenthrombose, ein Blutgerinnsel in einer Vene im<br />

Gehirn. Solche Blutgerinnsel können, bleiben sie unentdeckt,<br />

zu einem Schlaganfall oder zum Tod führen. Ähnlich wie bei<br />

dem Lipödem kann nicht eindeutig festgelegt werden, ob<br />

die Thrombose etwas mit der Pille zu tun hat. Ein direkter<br />

Zusammenhang zwischen Pille und lebensgefährlichen<br />

Nebenwirkungen konnte bis jetzt nicht nachgewiesen werden.<br />

Fiala. Das, obwohl er, wie er sagt, wirtschaftlich gesehen von<br />

dem Diskurs profitiert: „Die seit einigen Jahren zu beobachtende<br />

Hormon-Angst in den Medien führt dazu, dass immer<br />

mehr Frauen mit der Pille aufhören. Da es wenig wirksame<br />

Alternativen gibt, führt dies zu mehr Schwangerschaftsabrüchen.<br />

Dies ist aus anderen Ländern dokumentiert und wir<br />

sehen dies auch bei uns im Gynmed Ambulatorium.“ Nur<br />

wären die Frauen, die zu ihm kommen, eben unglücklich,<br />

weil sie abtreiben müssen.<br />

Nicole und die anderen Frauen möchten aber nicht mehr<br />

zu hormonellen Verhütungsmethoden greifen. Solange es<br />

noch nicht die Pille für den Mann gibt, benutzen sie ein Präservativ.<br />

„Mein Freund und ich verhüten jetzt mit Kondom“,<br />

sagt Nicole. Dazu hat sie sich nach langen Gesprächen mit<br />

ihrer Therapeutin und Internet-Recherchen entschieden.<br />

Endgültig Klick gemacht hat es, als sie vor sechs Monaten<br />

Zusammenhänge zwischen ihrer Depression und der Pille<br />

entdeckt. Schon einige Wochen nach dem Absetzen bemerkt<br />

sie erste Veränderungen. „Ich habe mich plötzlich gespürt“,<br />

so Nicole. Die 23-Jährige entwickelt ein neues Körpergefühl,<br />

hat keine Stimmungsschwankungen mehr und endlich<br />

wieder Lust aufs Leben. „Ich verspüre jetzt auch eine ganz<br />

andere Lust auf Sex“, erklärt die Studentin. „Mein Körper<br />

gehört endlich wieder mir.“ ●<br />

* Name von der Redaktion geändert.<br />

Viele junge Frauen fragen sich: Wenn Männer keine Hormone<br />

nehmen, wieso sollten das Frauen tun?<br />

150 Jahre für Ihre Gesundhei<br />

Seit Nicole die Pille abgesetzt hat, spürt sie sich und ihren Körper<br />

ganz anders. Sie hat auch wieder Lust auf Sex. „Mein Körper<br />

gehört endlich wieder mir“, sagt die 23-Jährige.<br />

26 / POLITIKA /<br />

NEUES LEBENS GEFÜHL<br />

Für Nicole ist mittlerweile klar, was die Pille mit ihr gemacht<br />

hat. Diese Erkenntnis erlangt sie erst nachdem sie die Pille<br />

absetzt. „Ich spüre mich und meinen Körper nach dem<br />

Absetzen der Pille das erste Mal seit Jahren“, sagt Nicole.<br />

Während sie spricht, strahlt sie übers ganze Gesicht und<br />

gestikuliert überschwänglich mit ihren Händen. „Wenn ich<br />

mich bewege, tanze oder Freundinnen treffe, fühle ich mich<br />

endlich wieder“, sagt die 23-Jährige. Der Weg zu diesem<br />

Lebensgefühl war hart. Zeitgleich mit der Pille, die sie mit 15<br />

verschrieben bekommt, erkrankt Nicole an Depressionen.<br />

Die Parallele zwischen ihrer psychischen Erkrankung und<br />

den Nebenwirkungen der Pille wird sie erst Jahre später<br />

erkennen. Nicole wechselt insgesamt sieben verschiedene<br />

Antidepressiva, keines hilft der jungen Frau. Währenddessen<br />

nimmt sie immer noch täglich die Pille. „Es gab Tage, da bin<br />

ich nicht aus dem Bett gekommen, ich hatte das Gefühl,<br />

die ganze Welt ist gegen mich und ich kriege nichts auf die<br />

Reihe“, so die Studentin.<br />

Doktor Fiala relativiert die Nebenwirkungen der Pille.<br />

Er sieht darin eine empörungsgeladene Diskussion ohne<br />

Lösungen. „Für fast alle Frauen gibt es eine Pille, die sie gut<br />

verträgt. Manchmal finden Frauen diese gleich, manchmal<br />

müssen sie erst einige probieren. Wichtig ist, nicht aufzugeben,<br />

weil die Fruchtbarkeit ja unverändert vorhanden ist“, so<br />

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150<br />

<strong>18</strong><br />

für Ih


Er wurde in der Türkei eingesperrt und damit<br />

zum weltweiten Symbol gegen die Unterdrückung<br />

der Pressefreiheit. Der Journalist<br />

Deniz Yücel und seine Frau, die Produzentin<br />

Dilek Mayatürk Yücel, die er in der Haft<br />

heiratete, gaben für die deutsche „Welt am<br />

Sonntag“ und die „TAZ“ ihr erstes Interview.<br />

Es gibt tiefe Einblicke in das Seelenleben<br />

eines ohne Anklage festsitzenden Journalisten<br />

in einem türkischen Gefängnis..<br />

„Ich war nicht scharf darauf,<br />

ins Gefängnis zu gehen.“<br />

Ein Jahr lang saß Journalist Deniz Yücel in der<br />

Türkei im Gefängnis, die meiste Zeit davon in<br />

Isolationshaft. Mit seiner Frau Dilek gibt er das<br />

erste Mal ein Interview in Freiheit. Er erzählt von der<br />

Gefangenschaft, seiner Liebe und warum er sich gegen<br />

seine Freilassung zunächst gewehrt hat.<br />

Stefan Boness / Visum / picturedesk.com<br />

Von Martin U. K. Lengemann, Doris Akrap<br />

und Daniel-Dylan Böhmer<br />

Gibt es Dinge, an die du dich in Freiheit<br />

erst wieder gewöhnen musst?<br />

DENIZ YÜCEL: Heute bin ich frühmorgens<br />

in den Ort hier gegangen. Ich war<br />

beim Friseur, habe einen Kaffee getrunken,<br />

bin über den Markt geschlendert<br />

und habe ein paar Sachen gekauft. Auf<br />

dem Weg zurück mit meinen Einkaufstüten<br />

voller Orangen, Erdbeeren und Petersilie<br />

dachte ich: Wie schön das ist, über<br />

einen Markt gehen zu können. Dasselbe<br />

denke ich manchmal, wenn ich in den<br />

Nachthimmel schaue. Nachts war die<br />

Tür zum Innenhof immer verschlossen,<br />

darum habe ich ein Jahr lang keine Sterne<br />

gesehen. Und keinen Himmel ohne<br />

Draht. Ich guck‘ jetzt zwar nicht in den<br />

Himmel und denke: „Oh, da fehlt ja der<br />

Draht! Ich muss mich bei der Anstaltsleitung<br />

beschweren.“ Aber es gibt immer<br />

wieder Momente, in denen ich innehalte<br />

und merke, dass Dinge, die ich vorher für<br />

selbstverständlich hielt, etwas Kostbares<br />

geworden sind. Mit Dilek im Gras zu<br />

liegen beispielsweise.<br />

Im Dezember wurdest du in eine Zelle<br />

verlegt, die über einen kleinen Innenhof<br />

mit der Zelle des türkischen Journalisten<br />

Oguz Usluer verbunden war. Aber wie<br />

waren die Monate davor, in strenger Isolation?<br />

Was macht das mit einem? Wie<br />

beobachtet man das an sich selbst?<br />

DENIZ YÜCEL: Als das Hafturteil gesprochen<br />

wurde, sagte mein Anwalt Veysel<br />

Ok zu mir: „Höchstens fünf Monate!<br />

Länger können sie dich nicht festhalten.“<br />

So habe auch ich das eingeschätzt. So<br />

einen Konflikt mit Deutschland wird sich<br />

die Türkei aus politischen und wirtschaftlichen<br />

Gründen nicht leisten können, nur<br />

wegen eines Journalisten einer großen<br />

deutschen Tageszeitung, dem nichts als<br />

ein paar Artikel vorgeworfen werden. Ich<br />

habe dann am eigenen Leib erfahren,<br />

dass diese Prämissen der türkischen<br />

Außenpolitik nicht mehr gelten. Doch<br />

gegen Ende der fünf Monate, im Juli,<br />

wurde Peter Steudtner mit den anderen<br />

Menschenrechtlern verhaftet, zugleich<br />

wurde eine Liste mit deutschen Großunternehmen<br />

bekannt, die bei türkischen<br />

Behörden unter Terrorverdacht standen.<br />

Dieses Regime hat keine Außenpolitik,<br />

sondern lebt von einem Tag auf den<br />

anderen. Ab Steudtners Festnahme<br />

habe ich mir kein Datum mehr gesetzt.<br />

Ich kam stattdessen auf die Idee,<br />

aus meinen alten Texten, die auf den<br />

Solidaritätslesungen in Deutschland<br />

so gut ankamen, das Buch „Wir sind ja<br />

nicht zum Spaß hier“ zu machen. Daran<br />

habe ich, zusammen mit Doris (Anm.:<br />

Co-Autorin des Interviews), so intensiv<br />

gearbeitet, dass ich keine Zeit mehr<br />

hatte, darüber nachzudenken, was die<br />

Isolationshaft mit mir macht.<br />

Was du jetzt beschreibst, ist ja schon<br />

der zweite Schritt, nämlich wie man das<br />

bekämpft, was da möglicherweise in der<br />

Isolation mit einem passiert. Aber was ist<br />

das, was man da bekämpft?<br />

DENIZ YÜCEL: Verzweiflung, Wut, Angst.<br />

Angst wovor?<br />

DENIZ YÜCEL: Ich hatte immer die<br />

Hoffnung, in absehbarer Zeit freizukommen.<br />

Ich weiß also nicht, wie sich<br />

Knast anfühlt, wenn du zu zehn, zwanzig<br />

Jahren verurteilt wurdest, alle Rechtsmittel<br />

erschöpft sind und du weißt: Es gibt<br />

keine Hoffnung mehr. Und dennoch gab<br />

es gerade anfangs die Angst, in diesem<br />

Loch zu verrotten.<br />

Und hat deine Gegenwehr immer geholfen?<br />

DENIZ YÜCEL: Am schwierigsten waren<br />

die ersten Wochen. Ich hatte Angst,<br />

nach der ersten Aufregung vergessen<br />

zu werden. Und außer meiner Schwester<br />

Ilkay und meinem Vater Ziya, die<br />

mich zweimal für eine Stunde besuchen<br />

kamen, habe ich nur meine Anwälte<br />

gesehen. Erst nachdem Dilek und ich<br />

im April geheiratet hatten, durfte sie<br />

mich besuchen. Wichtig in dieser ersten<br />

Zeit war zu merken, dass ich kämpfen<br />

kann; dass es an mir liegt, ob sie<br />

die totale Kontrolle über mein Leben<br />

bekommen, die sie haben wollen. Das<br />

fing im Polizeigewahrsam an, wo Papier<br />

und Stift verboten waren, ich aber mit<br />

einem geklauten Stift in ein Exemplar des<br />

„Kleinen Prinzen“ einen Bericht über die<br />

Haftbedingungen schrieb und hinausschmuggelte.<br />

Das hat mir Kraft gegeben<br />

für die folgende Isolationshaft. Oder,<br />

eine kleinere Geschichte: Bei der ersten<br />

wöchentlichen Bestellung im Knastladen<br />

habe ich Rasierklingen gekauft, aber<br />

den Rasierstab vergessen. Daraufhin<br />

habe ich die Klinge auf den Stiel einer<br />

Gabel gesteckt und mich rasiert. Solche<br />

Erfahrungen waren ungemein wichtig:<br />

Auch wenn schreiben verboten ist oder<br />

ich nicht einfach im Laden um die Ecke<br />

mir besorgen kann, was gerade fehlt,<br />

oder wenn der Staatspräsident rumquäkt<br />

und mich als Agenten und Terroristen<br />

beschimpft und ich hier ganz allein bin -<br />

ich komme damit klar. Ich schaffe das.<br />

Dilek, wie hast du die Zeit ohne Deniz<br />

erlebt?<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Unsere Beziehung<br />

war ja noch relativ neu, als Deniz<br />

ins Gefängnis kam. Wir haben unsere<br />

Beziehung in einer Situation entwickelt,<br />

in der wir durch eine Scheibe getrennt<br />

waren, in der unsere Gespräche aufgezeichnet<br />

wurden und wir unter Beobachtung<br />

standen. Aber auch in einer<br />

anderen Hinsicht waren wir nie zu zweit:<br />

Wir kannten uns noch nicht so lange,<br />

und plötzlich habe ich lauter Menschen<br />

kennengelernt, die in Deniz‘ Leben eine<br />

Rolle spielen, die ich aber bislang nicht<br />

oder kaum kannte. Jetzt war ich ständig<br />

mit diesen Menschen zusammen und<br />

habe mit ihnen über Deniz gesprochen.<br />

Aber er war nicht da.<br />

Wie übersteht man so eine Situation?<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Mir war klar,<br />

dass es lange dauern würde. Dass wir<br />

einen Marathon laufen, ohne zu wissen,<br />

wie lang die Strecke ist. Das Wichtige<br />

war für mich, wie wir diese Sache erleben<br />

und wie wir sie zu Ende bringen. Das<br />

„Ich hatte Angst, nach der ersten<br />

Aufregung vergessen zu werden.“<br />

/ POLITIKA / 29


Autokorsos und Lesungen - Deniz Yücels Familie, Freunde und Fans sorgten dafür,<br />

dass Deniz im Gefängnis nicht in Vergessenheit gerät.<br />

bedeutete für mich auch, mich körperlich<br />

und mental gesund zu halten und<br />

Deniz in guter Verfassung zu besuchen.<br />

Ich habe ihm immer, bei jedem Besuch<br />

gesagt: „Das hier wird zu Ende gehen.<br />

Wir werden das zu Ende bringen.“ Es<br />

wird ein Leben danach geben. Aber ich<br />

wusste auch: Selbst nach der Freilassung<br />

wird nicht plötzlich alles aufhören. Was<br />

wir erlebt haben, wird uns noch eine<br />

ganze Weile lang beschäftigen.<br />

Was wünschst du dir für deine und eure<br />

Zukunft?<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Dieses<br />

Jahr hat mir sehr viel Lebenserfahrung<br />

gebracht. Aber ich will wieder in meinem<br />

Beruf arbeiten. Ich bin Fernsehproduzentin<br />

und Dokumentarfilmerin. Und<br />

prinzipiell kann ich von jedem Punkt der<br />

Welt über einen anderen Punkt der Welt<br />

arbeiten. Ich wünsche mir ein Leben an<br />

einem schönen Flecken Erde mit Deniz<br />

an meiner Seite.<br />

DENIZ YÜCEL: Dilek schrieb mir ins<br />

Gefängnis, sie würde gern irgendwo<br />

leben, wo unsere Füße die Erde berühren.<br />

Darüber haben wir uns ein paarmal<br />

„Am Ende der offenen Gesellschaft,<br />

knietief in der Diktatur.“<br />

in Briefen ausgetauscht und uns überlegt,<br />

wo wir uns niederlassen können.<br />

Aber ich bin stets davon ausgegangen,<br />

dass wir erst mal in der Türkei bleiben<br />

würden, weil ich angenommen habe,<br />

dass sie den Schein wahren und wie bei<br />

den anderen freigelassenen Kollegen<br />

eine Ausreisesperre verfügen würden.<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Wenn man<br />

versucht, ganz schnell Entscheidungen<br />

für die Zukunft zu treffen, funktioniert<br />

das nicht. Man braucht Zeit, um sich zu<br />

erholen. Vieles geht ja weiter.<br />

Was geht weiter?<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Zum Beispiel,<br />

dass ich ausnahmslos jede Nacht davon<br />

träume, wie Deniz im Gefängnis ist und<br />

dann freigelassen wird. Also die Haft,<br />

die Vorbereitung der Freilassung - jede<br />

Nacht führe ich dieselben Gespräche<br />

mit anderen Beteiligten und kämpfe um<br />

seine Freilassung. Das hört nicht auf.<br />

Wovon träumst du, Deniz?<br />

Ich habe keine Traumgeschichte zu<br />

erzählen. Nur ein einziges Mal sah ich<br />

meinen Zellennachbarn Oguz, mit dem<br />

ich in kurzer Zeit Freundschaft geschlossen<br />

habe. Vielleicht würde der Fachmann<br />

sagen, ich verdränge etwas.<br />

Dilek, Deniz hat aus dem Gefängnis<br />

einige ziemlich meinungsstarke Texte<br />

veröffentlicht und recht pointierte schriftliche<br />

Interviews gegeben. Was hast du<br />

da durchgemacht, wenn das mal wieder<br />

bevorstand?<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Herzrasen!<br />

In einem Land, in dem Menschen wegen<br />

Tweets verhaftet und Dinge in Texte<br />

reininterpretiert werden, kann alles<br />

passieren. Alles kann Eingang in eine<br />

Anklage finden. Wir haben schon bei<br />

der Verhaftung die Erfahrung gemacht,<br />

dass sie seine Worte böswillig auslegen<br />

und Sachen falsch übersetzen. In einer<br />

Situation, in der die Anklage noch nicht<br />

vorlag, bedeutete jede Wortmeldung ein<br />

Risiko. Aber ich wusste auch, warum das<br />

Deniz wichtig war. Und viele seiner Texte<br />

habe ich abgetippt.<br />

Das Verfahren gegen dich läuft weiter.<br />

Die nächste Sitzung steht im Juni an,<br />

die Staatsanwaltschaft fordert <strong>18</strong> Jahre<br />

Haft. Hast du schon entschieden, ob du<br />

noch mal zurück in die Türkei gehst?<br />

DENIZ YÜCEL: Nein, so weit bin ich, sind<br />

wir noch nicht. Ich habe die Türkei nicht<br />

mit dem Gefühl verlassen: Bloß weg aus<br />

dieser ganzen Scheiße hier, ich will nie<br />

wieder etwas damit zu tun haben. Ich<br />

wusste ja, worauf ich mich einließ, als<br />

ich im Frühjahr 2015 meinen Korrespondentenjob<br />

antrat. Zwar war die Situation<br />

damals weniger dramatisch. Aber ich<br />

wusste, wenn man als Journalist in diesem<br />

Land lebt und seine Sache halbwegs<br />

ordentlich macht, lebt man gefährlich.<br />

Dann können einem schlimmstenfalls<br />

noch ganz andere Sachen passieren, als<br />

dass man seiner Freiheit beraubt wird.<br />

Du hast von Anfang an damit gerechnet,<br />

dass du ins Gefängnis kommen könntest?<br />

DENIZ YÜCEL: Natürlich war das im<br />

Bereich des Denkbaren, aber es schien<br />

mir nicht sehr wahrscheinlich. Sonst hätte<br />

ich das nicht gemacht. Ich war nicht<br />

scharf darauf, ins Gefängnis zu kommen.<br />

Aber es ist was anderes, ob du als Korrespondent<br />

in die Türkei gehst oder nach<br />

Norwegen. Das war auch schon 2015<br />

oder 1995 so. Das weißt du erst recht,<br />

wenn du dieses Land und die Sprache<br />

kennst, auch die Chiffren und die Codes.<br />

Gibt es etwas, von dem du rückblickend<br />

Paul Zinken / dpa / picturedesk.com, Soeren Stache / dpa / picturedesk.com<br />

Als er inhaftiert wurde, war ihre Beziehung noch relativ frisch. Im Gefängnis heiraten Deniz Yücel und die TV-Produzentin<br />

Dilan Mayatürk. Durch die Heirat erhielt Mayatürk Besuchsrecht bei dem inhaftierten Journalisten.<br />

denkst, das hättest du anders machen<br />

sollen, um deine Festnahme zu verhindern?<br />

DENIZ YÜCEL: Nein.<br />

Hättest du etwas unterlassen können,<br />

was zu deiner Verhaftung geführt hat?<br />

DENIZ YÜCEL: Ich denke nicht. Ich wurde<br />

zum Beispiel nicht verhaftet, weil ich<br />

den stellvertretenden PKK-Chef interviewt<br />

habe. Das Interview habe ich im<br />

August 2015, anderthalb Jahre vor meiner<br />

Festnahme, geführt. Noch ein paar<br />

Wochen zuvor hatte auch die türkische<br />

Regierung mit ihm verhandelt. Das Fiese<br />

ist ja, dass sie die Spielregeln - oder besser:<br />

die Freund-Feind-Zuschreibungen<br />

- rückwirkend ändern.<br />

Warum wurdest du dann festgenommen?<br />

DENIZ YÜCEL: Der Anlass war meine<br />

Berichterstattung über die gehackten<br />

E-Mails des Energieministers, der<br />

Erdogans Schwiegersohn ist. Darüber<br />

hatte ich, wie einige andere auch,<br />

berichtet. Aber ab dem Moment, wo du<br />

durch irgendwas in deren Fänge gerätst,<br />

schauen sie: Was können wir dem<br />

andichten? Ich war durch meine gesamte<br />

Arbeit aufgefallen. Ich war einer von<br />

drei deutschen Journalisten, die keinen<br />

Presseausweis bekommen haben. Die<br />

wussten, mit wem sie es zu tun hatten.<br />

Muss man das Risiko, inhaftiert zu<br />

werden, grundsätzlich in Kauf nehmen,<br />

wenn man seinen Job als Journalist<br />

ordentlich macht unter einem Regime,<br />

dem die Meinungs- und Pressefreiheit<br />

egal ist?<br />

DENIZ YÜCEL: Ich glaube ja. Du kannst<br />

einzelne Fragen abwägen. Aber du<br />

kannst nicht deine komplette Arbeit<br />

danach gestalten. Gerade in Ländern, in<br />

denen Journalismus am meisten vonnöten<br />

ist, ist die Risikoabwägung besonders<br />

schwierig. Die Frage „Ist der slowakische<br />

Kollege Ján Kuciak ein Risiko eingegangen,<br />

indem er über Korruption berichtet<br />

hat?“ bedeutet in Wahrheit: War er<br />

selber schuld an seinem Tod? Aber nicht<br />

Ján Kuciak ist schuld an seiner Ermordung,<br />

sondern die Mörder und deren<br />

Auftraggeber. Man erfüllt als Journalist<br />

eine gesellschaftliche Aufgabe. Und der<br />

Mord in der Slowakei sowie kurz davor<br />

die Ermordung von Daphne Caruana<br />

Galizia in Malta und die Situation der<br />

Medien in Polen und Ungarn zeigen, dass<br />

auch in der EU die Rechte und Freiheiten<br />

in einer Weise gefährdet sind, wie wir es<br />

uns vor zehn Jahren nicht hätten vorstellen<br />

können. Im schlimmsten Fall steht<br />

die Türkei heute schon dort, wo Europa<br />

in einigen Jahren ankommen könnte: am<br />

Ende der offenen Gesellschaft, knietief in<br />

der Diktatur.<br />

Ist dir die Türkei durch deine Inhaftierung<br />

fremder geworden?<br />

DENIZ YÜCEL: Ich bin gleichermaßen<br />

deutscher und türkischer geworden. Ich<br />

habe nie so oft Sätze formuliert, die mit<br />

„Bei uns in Deutschland ist das ja so ...“<br />

anfingen, wie im Gefängnis. Zugleich<br />

habe ich in meiner Zelle ständig mit<br />

einer Gebetskette herumgespielt, die<br />

mir Dilek geschenkt hatte. Mehr Traditionstürke<br />

geht nicht. Aber das Leben<br />

draußen ging ja weiter. Ich hatte mit<br />

dem Gezi-Aufstand von 2013 begonnen,<br />

30 / POLITIKA /<br />

/ POLITIKA / 31


Am 28. Juni soll der Prozess gegen Deniz Yücel in Istanbul losgehen. Dort ist<br />

er wegen Terrorpropaganda angeklagt. Die türkischen Behörden können Yücel<br />

aber nicht zwingen, persönlich zu erscheinen, da Deutschland ihn als Staatsangehörigen<br />

nicht ausliefern darf.<br />

mich journalistisch und persönlich wieder<br />

stärker für die Türkei zu interessieren.<br />

Aber all das, was mit dem Aufbruch von<br />

Gezi begonnen hatte, ist bis auf Weiteres<br />

zerschmettert. Viele meiner Istanbuler<br />

Freunde haben das Land verlassen. Ein<br />

anderes Beispiel: Ich war im Sommer<br />

gern im Maçka-Park, ein paar Schritte<br />

von meiner Wohnung in Beşiktaş entfernt.<br />

Kürzlich wurde ein Teil dieses Parks<br />

für ein Verkehrsvorhaben abgerissen.<br />

Und im Sommer sorgte die Nachricht<br />

für Aufsehen, dass Sicherheitsleute eine<br />

Frau aus dem Park geworfen haben,<br />

weil sie ihr Dekolleté zu tief fanden. In<br />

Beşiktaş wo die AKP bei gerade mal<br />

15 Prozent liegt, wäre so etwas früher<br />

undenkbar gewesen. Also: Ja, dieses<br />

Land ist mir fremder geworden. Aber<br />

nicht durch meine Verhaftung. Die hat<br />

eher das Gegenteil bewirkt.<br />

Wie meinst du das?<br />

DENIZ YÜCEL: Wie könnte man ein<br />

noch intimeres Verhältnis zu einem Land<br />

aufbauen, als in dessen Knast zu sitzen?<br />

Mein Freund Imran Ayata sagte mir<br />

an meinem zweiten Abend in Freiheit:<br />

„Vergiss den Scheiß da! Du bist Deniz<br />

aus Flörsheim.“ Stimmt, das war ich,<br />

als ich als Korrespondent nach Istanbul<br />

gegangen bin und vielleicht auch noch,<br />

als ich verhaftet wurde. Aber ich habe in<br />

der Türkei ein Jahr in einem Gefängnis<br />

verbracht. Und egal, ob ich in absehbarer<br />

Zeit dahin zurückgehe, ich bin so eng mit<br />

diesem Land verbunden, wie ich es nie<br />

zuvor war - obwohl die Regierung dieses<br />

Landes, dessen Staatsbürger ich von<br />

Geburt an bin, mich als Feind behandelt<br />

und als Geisel genommen hat, während<br />

die Regierung jenes Landes, dessen<br />

Staatsbürgerschaft ich erst später erworben<br />

habe, sich für mich eingesetzt hat.<br />

Wann und wie hast du erfahren, dass du<br />

freigelassen wirst?<br />

DENIZ YÜCEL: Am Freitagmittag in meiner<br />

Zelle, als im Nachrichtensender Halk<br />

TV die Eilmeldung kam: „Deniz Yücel ist<br />

frei.“ Da habe ich auf CNN-Türk umgeschaltet,<br />

auch dort hieß es: „Deniz Yücel<br />

„Wie könnte man ein noch intimeres<br />

Verhältnis zu einem Land aufbauen,<br />

als in dessen Knast zu sitzen? “<br />

ist frei.“ Ich sah mich um und dachte:<br />

Na ja, noch nicht so ganz. Dann lief ich<br />

zu meinem Nachbarn, dem Journalisten<br />

Oguz Usluer. Wir haben uns umarmt.<br />

Kurz darauf kamen die Aufseher und<br />

sagten: „Sachen packen, du kommst<br />

frei.“<br />

Als du aus dem Gefängnistor kamst, hattest<br />

du einen Strauß Petersilie für Dilek in<br />

der Hand. Hattest du den schon vorher<br />

in deiner Zelle?<br />

DENIZ YÜCEL: Petersilien habe ich<br />

immer als Raumschmuck im Knastladen<br />

gekauft. Und natürlich, weil sie mich an<br />

Dilek erinnert hat - die „Blume unserer<br />

Liebe“, wie Dilek sie seit unserem ersten<br />

Urlaub nannte, weil wir im Strandkorb<br />

immer so viel Petersilie dabeihatten.<br />

DILEK MAYATÜRK YÜCEL: … dabei war<br />

das nur ein kleiner Witz beim Strandfrühstück.<br />

War euer Hochzeitsstrauß auch aus<br />

Petersilie?<br />

DENIZ YÜCEL: Das hatte ich eigentlich<br />

so geplant. Als Ersatz für Blumen. Also<br />

nahm ich einen Petersilienstängel. Als<br />

ich mich mit der Petersilie in der Hand<br />

aus der Zelle auf den Weg zur Trauung<br />

machte, hieß es: „Nein, das darfst du<br />

nicht.“ Das ist ein System, das darauf<br />

ausgerichtet ist, Lebensfreude zu nehmen.<br />

Wir haben geheiratet, und ich hatte<br />

keine Blumen, nicht mal Petersilie. Deswegen<br />

dachte ich bei meiner Entlassung:<br />

Das schulde ich Dilek. ●<br />

Dieser Abdruck des Interviews mit Deniz Yücel ist<br />

eine von biber gekürzte Fassung.<br />

Das originale und vollständige Interview ist in der<br />

WELT AM SONNTAG am <strong>18</strong>.03.20<strong>18</strong> und in der<br />

tageszeitung (TAZ) am 19.03.20<strong>18</strong> erschienen.<br />

Das Interview ist online nachzulesen unter:<br />

https://www.welt.de/politik/ausland/<br />

article174661050/Interview-Deniz-Yuecel-Es-liegt-an-dir-ob-sie-die-Kontrolle-ueberdich-bekommen.html<br />

und auf https://taz.de/<br />

denizfrei<br />

Zu den Autoren: Martin U. K. Lengemann; Doris<br />

Akrap; Daniel-Dylan Böhmer<br />

DORIS AKRAP (taz-Redakteurin und Mitgründerin<br />

des Freundeskreises #FreeDeniz, der Solidaritätsaktionen<br />

für Deniz organisiert hat)<br />

DANIEL-DYLAN BÖHMER („Welt“ Senior Editor und<br />

zentraler Ansprechpartner für Deniz). Beide waren<br />

bei Deniz‘ Inhaftierung im Justizpalast von Istanbul<br />

und bei seiner Freilassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis<br />

in Silivri dabei. Gemeinsam<br />

haben sie an der Solidarität von taz bis „Welt“<br />

gearbeitet.<br />

Soeren Stache / dpa / picturedesk.com<br />

RAMBAZAMBA<br />

Im Wasser sind wir alle gleich.<br />

Foto von Alex Dietrich<br />

32 / POLITIKA /


BALKAN<br />

BOSPORUS<br />

Warum verlieben sich Menschen vom Balkan<br />

besonders häufig in jene aus der Türkei?<br />

Wir haben versucht das streng gehütete,<br />

Jahrhunderte alte Liebesgeheimnis der Balkan-<br />

Bosporus-Leidenschaft zu entschlüsseln. Über<br />

Sultan, Sarma und Schwiegermütter.<br />

Von Amar Rajković (Text), Marko Mestrović (Fotos)<br />

Name: Lejla Omanović<br />

Alter: 29<br />

Beruf:<br />

Sprachwissenschaftlerin<br />

Geburtsort: Sarajevo, BiH<br />

erstes türkisches Wort:<br />

Ekmek (dt.: Brot)<br />

Lejla<br />

&<br />

Özi<br />

Name: Özgür Atagan<br />

Alter: 35<br />

Beruf: IT Administratior<br />

Geburtsort: Hohenems, Vorarlberg<br />

erstes bosnische Wort: „Moze<br />

pivo!“ (dt.: Ein Bier geht!)<br />

Sie ist introvertiert, er hört<br />

nicht auf zu quatschen.<br />

Trotz offensichtlicher Unterschiede<br />

sind Lejla und Özgür seit<br />

über vier Jahren ein Paar. Kennengelernt<br />

haben sich der gebürtige<br />

Vorarlberger und Lejla in ihrer<br />

Heimatstadt Sarajevo. Özi hat dort<br />

einen Kumpel von der Uni besucht.<br />

Aus einer Bekanntschaft auf der<br />

Mucha-Lucha-Party machte es<br />

schnell Halli-Galli in den Herzen der<br />

beiden. Ob Amor bewusst Pfeile<br />

in Richtung bosnisch-türkischer<br />

Singles schießt, wollen wir von<br />

Lejla wissen: „Wir Bosnierinnen<br />

sind in der Regel etwas liberaler<br />

und weniger traditionell, vielleicht<br />

macht uns gerade das für Türken<br />

attraktiv“, so die 29-jährige<br />

Sprachwissenschaftlerin. Ihr türkischer<br />

Romeo ist kaum zu stoppen,<br />

wenn wir ihn auf seine Frau<br />

und ihre kulturellen Eigenheiten<br />

ansprechen: „Die Liebesformel<br />

liegt im Nähe-Ferne-Paradoxon“,<br />

urteilt Professor Özgür. Wie war<br />

das nochmal? „Leute vom Balkan<br />

und aus der Türkei finden sich deswegen<br />

anziehend, weil sie einander<br />

exotisch sind - aber in Sachen<br />

Familie, Essen und Temperament<br />

ähnlich ticken“, so Özgür.<br />

Verheiratet sind die beiden<br />

Turteltäubchen noch nicht. Als<br />

es darum geht, die Gästeliste der<br />

möglichen Trauung durchzugehen,<br />

bestätigt sich der Verdacht des<br />

Autors, die Partner aus der Türkei<br />

würden den osmanischen Eroberungsgeist<br />

auch auf das Gebiet<br />

der Hochzeitsgästeliste ausweiten.<br />

„Bei 100 Gästen wären mindestens<br />

70 aus meiner Familie“, gibt sich<br />

Özgür großzügig. Dann fragt er<br />

Lejla: „Kennst du überhaupt 30<br />

Leute?“, als würde er hoffen, das<br />

eigene Kontingent zu erweitern. Die<br />

introvertierte Lejla zeigt das erste<br />

Mal Temperament und erinnert Özi<br />

an ihre Familie in Bosnien und der<br />

Schweiz. Wir verlassen unauffällig<br />

die Wohnung. Zur Beruhigung: Die<br />

beiden sind noch ein Paar.<br />

34 / RAMBAZAMBA /<br />

/ RAMBAZAMBA / 35


Als wir Haris und Gülbahar das erste<br />

Mal kontaktieren, sitzen die beiden<br />

im Auto auf dem Rückweg von der<br />

eigenen „kleinen“ Hochzeitsfeier aus Vorarlberg,<br />

wie Gülbahar betont. „Klein“ bedeutet<br />

750 Gäste, da muss der Bräutigam doch<br />

ordentlich ins Schwitzen gekommen sein,<br />

oder? Haris sieht die Sache ganz locker:<br />

„Die Leute gingen ein und aus, die Organisation<br />

war perfekt und selbst ihre Oma, die<br />

kaum Deutsch spricht, hat mir gratuliert.<br />

Es war zwar „Gute Besserung“, statt „Alles<br />

Gute“, aber ich habe sie schon verstanden“,<br />

scherzt der glückliche Ehemann.<br />

Der Architekt aus Sarajevo, der seit zwölf<br />

Jahren in Wien lebt, lernte seine Frühlingsrose<br />

(dt.: für Gülbahar) romantisch in einem<br />

verrauchten Partykeller kennen. Die beiden<br />

wohnten im selben Studentenheim und<br />

Haris‘ Bemühungen um Gülbahar bedeuteten<br />

kurze Nächte für den Architekten:<br />

„Ich hatte damals schon einen Job und<br />

musste früh aufstehen. Gülbahar und ihre<br />

Freundinnen waren trinkfest und ohne Job.“<br />

Haris wollte zeigen, dass er mithalten kann<br />

und musste dafür mit brummendem Schädel<br />

am nächsten Tag im Büro kämpfen. Um<br />

seinen Job zu behalten, übernahm er die<br />

Initiative und nahm sie nach einem Kinobesuch<br />

an der Hand. Gülbahars Augen fangen<br />

bei diesem Teil der Erzählung zu leuchten<br />

an. Der bosnische Bär hat sie mit seinem<br />

unwiderstehlichen Schmäh erobert. Und<br />

er scheint auch in Sachen Kulinarik seine<br />

Hausaufgaben erledigt zu haben: „Ohne<br />

Vegeta wird bei uns nichts gekocht und der<br />

türkische Börek kann niemals mit einem<br />

Balkan-Burek mithalten“, beichtet Gülbahar.<br />

Gibt es irgendetwas, was die Türken besser<br />

können, Haris? Die Frühstückskultur bei<br />

den Türken ist deutlich ausgeprägter als bei<br />

uns. Meine Mutter hat mir zum Frühstück<br />

immer nur eine Semmel mit Poli (Hähnchen-<br />

Extrawurst) in die Hand gedrückt und mich<br />

rausgeschickt“, so Haris. Balkan-Bosporus-<br />

Harmonie, ganz im Sinne des Sultans. Der<br />

frisch verheiratete Bräutigam setzt noch<br />

einen drauf: „Meine Frau ist Türkin und mein<br />

Trauzeuge Österreicher. Die Eroberer haben<br />

mich wieder erobert“, scherzt der gebürtige<br />

Sarajevoer in Anspielung an die Geschichte<br />

Bosniens und die zwei größten Besatzungsmächte<br />

der letzten 500 Jahre. Bevor<br />

wir gehen, will er uns etwas auf den Weg<br />

geben: „Wir feuern Željo und Fenerbahçe<br />

an.“ Ähm, ok, danke für die Info, Haris.<br />

Gülbahar<br />

&<br />

Haris<br />

Name: Gülbahar Duygu Erdemir<br />

Alter: 29<br />

Beruf: Bankangestellte<br />

Geburtsort: Hınıs, Türkei<br />

Erstes bosnisches Wort: „Gdje si,<br />

sta ima?“ (dt.: „Wie geht es dir?“)<br />

Name: Haris Spahić<br />

Alter: 34<br />

Beruf: Architekt<br />

Geburtsort: Sarajevo<br />

erstes türkisches Wort:<br />

„Șerefe!“ (dt.: Prost!)<br />

Zoe Opratko<br />

Name: Elvin Strojil<br />

Alter: 40<br />

Beruf: AHS-Professor<br />

Geburtsort: Priboj, Serbien<br />

Erstes türkische Wort: Aç<br />

ağzini (dt.: „Mach A“)<br />

Dilek<br />

&<br />

Elvin<br />

Name: Dilek Strojil<br />

Alter: 39<br />

Beruf: Volksschullehrerin<br />

Geburtsort: Istanbul<br />

erste B/K/S-Wort: „Dupe“ (dt.:<br />

Popo)<br />

Dilek und Elvin sind kein<br />

prototypisches Balkan-<br />

Bosporus-Paar. Im Urlaub<br />

kennengelernt, im Wiener Club<br />

„Celeste“ Hochzeit gefeiert, keine<br />

Gäste zur standesamtlichen Hochzeit<br />

eingeladen, als Patchwork-Familie<br />

lebend. Mehr alternativ geht nicht.<br />

Die beiden Pädagogen lernten sich im<br />

Partyurlaub in Kroatien kennen und<br />

lieben. Elvin erinnert sich: „Ihre Aura<br />

und Ausstrahlung füllte den ganzen<br />

Dancefloor. Wir wissen, es klingt<br />

kitschig, aber es war Liebe auf den<br />

ersten Blick!“ Mooaah, die Funken<br />

scheinen just in diesem Moment durch<br />

die schicke Altbauwohnung zu sprühen,<br />

bevor sie jäh vom kleinen Wirbelwind<br />

Enna abgefangen werden, die<br />

Papas Schreibtisch elegant leerräumt.<br />

Normaler Alltag bei den Strojils.<br />

Welche Überzeugungskünste<br />

haben wohl Elvin und Dilek angewendet,<br />

um ihren Eltern zu verklickern,<br />

dass sie keine Gäste bei der Trauung<br />

haben wollen? „Für meine Mutter war<br />

es nicht so schlimm, als sie erfahren<br />

hat, dass auch Elvins Mutter nicht<br />

eingeladen war“, scherzt Dilek. Die<br />

Hochzeitsparty im „Celeste“ war eine<br />

explizite „Tanz- und nicht Quatschparty“,<br />

so die Hobby-Dancing-Queen.<br />

„Viele meiner konservativen Verwandten<br />

kamen nicht oder gingen schon<br />

sehr früh nach Hause.“ Die Strojils<br />

lassen sich nicht ins Traditionskorsett<br />

pressen. Elvin glaubt, das hat auch<br />

mit der Reife der Partner zu tun: „In<br />

unserem Alter lässt man sich nicht<br />

mehr von der Familie unter Druck<br />

setzen. Oder man kann es besser<br />

ausblenden“, so der begeisterte<br />

Literaturfan, der in Priboj, Serbien,<br />

geboren wurde. Kulinarisch sprechen<br />

die Strojils eine internationale Sprache.<br />

Die türkische Küche ist leicht<br />

dominant, jedoch immer mit einem<br />

italienischen Twist. Genauso wie der<br />

Kaffee, den wir bei unserem Besuch<br />

serviert bekommen. Der kommt nicht<br />

aus einer Džezva, sondern vom italienischen<br />

Espressokocher „Bialetti“,<br />

genauso ertönt durch die Boxen der<br />

Radiosender Superfly anstatt Dino<br />

Merlin Balladen oder Hadises Tanzhits.<br />

Ganz normaler Alltag bei den Strojils.<br />

36 / RAMBAZAMBA /<br />

/ RAMBAZAMBA / 37


So<br />

oder<br />

so?<br />

Was geht, Ortak?<br />

Laut Sprachwissenschaftlern kennt<br />

das B/K/S (Bosnisch/Kroatisch/<br />

Serbisch) rund 8000 Turzismen<br />

– Begriffe des alltäglichen Sprachgebrauchs,<br />

die aus dem Türkischen<br />

stammen. Ausdrücke wie „jastuk“<br />

(Polster), „podrum“ (Keller), džezva<br />

(Kaffeekanne) „komšija“ (Nachbar),<br />

„majmun“ (Affe) , „čekić“ (Hammer)<br />

oder „kašika“. Vor allem in Serbien<br />

wird oft die Bezeichnung „Ortak“<br />

einem guten Freund gegenüber verwendet,<br />

in Kroatien fährt man in den<br />

letzten „kat“ (Stock), um die beste<br />

Aussicht zu genießen.<br />

Burek oder Börek?<br />

Die meisten am Balkan verwendeten Turzismen<br />

haben die gleiche Bedeutung wie<br />

ihre Vorfahren aus der Türkei. Achtung: Vor<br />

allem auf dem Teller kann es leicht zu Missverständnissen<br />

kommen: Die türkische Pide<br />

kann man mit einer Pizza vergleichen. Erinnert<br />

euch an die gefüllten Schiffchen, die<br />

euch im türkischen Restaurant anlachen.<br />

Am Balkan ist „Pita“ hingegen der Sammelbegriff<br />

für alle Blätterteigspeisen mit<br />

verschiedenen Füllungen. Dort steckt die<br />

Füllung auch gleich im Namen drinnen wie<br />

bei „Krompiruša“ (mit Erdäpfeln), „Sirnica“<br />

(Käse) oder „Zeljanica“ (Spinat). Bei Burek<br />

ist Vorsicht geboten! In der Türkei ist Börek<br />

der Begriff für alle Variationen des gefüllten<br />

Blätterteigs, am Balkan steht er explizit<br />

für die Fleisch-Pita. Wenn du bei einem<br />

türkischen Freund oder einem Kirmesfest<br />

im Park Sarma zum Kosten bekommst, wird<br />

dir auffallen, dass das gefüllte Weinblätter<br />

sind. Wenn ihr am Balkan unterwegs seid,<br />

werdet ihr bei einer Sarma-Bestellung beim<br />

Anblick der üppigen Krautrouladen mit der<br />

Zunge schnalzen.<br />

38 / RAMBAZAMBA /<br />

30 oder 3000 Gäste?<br />

Das Hochzeitsthema wird für viele Balkan-<br />

Türkei-Liebespaare zur ersten richtigen<br />

Zerreißprobe. Und das lange, bevor sie<br />

sich gegenseitig die ewige Treue schwören.<br />

Der Autor dieses Artikels besuchte<br />

eine Hochzeit in seinem Leben – bevor<br />

er mit seiner türkischen Partnerin zusammenkam.<br />

Es blieb bei einer Hochzeit,<br />

allerdings im Wochenrhythmus. Einmal<br />

heiratete die türkische Halbschwester der<br />

ehemaligen Nachbarin, ein anderes Mal<br />

traute sich der ehemalige Arbeitskollege<br />

des Bruders mit seiner Jugendliebe.<br />

Und dann knallten wiederrum die Korken<br />

besonders laut – auf der Verlobungsfeier,<br />

die von drei anderen Feiern gefolgt wird,<br />

bevor richtig geheiratet wird.<br />

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GESCHAFFT!<br />

biber-Schulprojekt „Newcomer“ über Crowdfunding finanziert. Danke Euch!<br />

Die SchülerInnen und biber sagen Danke!<br />

HÄNDE<br />

WEG<br />

von jungen<br />

Wildtieren!<br />

Weißt du, dass es biber-Redakteurinnen gibt, die<br />

viele Wochen im Jahr mehr Zeit in einer Brennpunktschule<br />

verbringen als in der Redaktion? Wir<br />

tun es, weil wir nicht nur über die Welt schreiben,<br />

sondern diese auch verbessern wollen. Wir zeigen<br />

250 SchülerInnen in rund 50 Projekttagen pro Jahr:<br />

„Wenn wir es geschafft haben, könnt ihr das auch“.<br />

Mittels Crowdfunding haben wir für unser „Newcomer“-Projekt<br />

rund 15.000 Euro eingesammelt.<br />

Neben der biber-Community unterstützten uns<br />

unter anderem LUKOIL Holding-Geschäftsführer<br />

Robert Gulla, der Verein Springboard, Finum-Vorstand<br />

Ali Eralp, Whatchado-Gründer Ali Mahlodji,<br />

Pita-Werk-Chef Edin Islamovic, die Kurier-Kolumnisten<br />

Barbara Kaufmann und Niki Glattauer,<br />

Journalist Peter Rabl, Anwalt Christian Mikosch,<br />

Matthias Strolz und Beate Meinl-Reisinger (NEOS),<br />

Christian Oxonitsch und Thomas Drozda (SPÖ),<br />

der Grüne Gemeinderat Christoph Chorherr sowie<br />

150 tolle Supporter des Projekts!<br />

Vielen Dank!<br />

Ein Jungtier allein im Wald?<br />

Hände weg – das Muttertier, das<br />

meist gerade auf Futtersuche ist,<br />

verstößt es sonst. Ihre gut gemeinte<br />

Hilfe wird so zum Todesurteil.<br />

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WILDTIERHOTLINE: +43 1 4000 49090<br />

DEINE HILFE BRAUCHE ICH NICHT!<br />

/ MIT SCHARF / 39


SECHZEHN<br />

Mit 9 verliert Jelena etwas,<br />

das für die meisten in ihrem<br />

Alter selbstverständlich ist:<br />

Eltern und ein Zuhause. Was<br />

folgt, ist ein Leben zwischen<br />

Jugendamt und der Straße -<br />

bis die Jugendnotschlafstelle<br />

a_way sie auffängt und wieder<br />

zurück ins Leben holt.<br />

UND<br />

OBDACHLOS<br />

Von Marija Barišić, Fotos: Marko Meštrović<br />

Jelena M. * ist siebzehn Jahre alt.<br />

Sie trägt einen weiten, schwarzen<br />

Hoody mit blauen Jeans<br />

und Sneakern. Ihre langen, schwarzen<br />

Haare hat sie zu einem hochgesteckten<br />

Pferdeschwanz zusammengebunden.<br />

Ihre Stimme ist ruhig und weich, ihr<br />

Blick aufgeweckt und fröhlich. Wenn sie<br />

lacht, formen sich kleine, sympathische<br />

Grübchen auf ihren Wangen. Ein ganz<br />

normales, junges Mädchen. Würde man<br />

sagen. Aber so ganz stimmt das nicht.<br />

Das merkt man spätestens dann, wenn<br />

Jelena beginnt, aus ihrem Leben zu<br />

erzählen: „Meine Mama ist gestorben,<br />

als ich sieben war. Sie hatte Lungenkrebs,<br />

aber mein Vater war auch schuld<br />

daran, weil der hat sie immer geschlagen.<br />

Und uns auch.“<br />

Mit uns meint Jelena sich und ihre<br />

zwei jüngeren Schwestern. Gemeinsam<br />

mit ihren Eltern wachsen die drei<br />

in Graz auf, wo sie schon sehr früh mit<br />

den gewalttätigen Übergriffen ihres<br />

Vaters fertig werden müssen. Als die<br />

Mutter stirbt, ziehen die drei Mädchen<br />

mit dem Vater nach Wien. Dort kommt<br />

er mit einer neuen Frau zusammen und<br />

der ganze Teufelskreis fängt wieder von<br />

vorne an. Immer wieder „zuckt er aus“,<br />

erzählt Jelena, schlägt seine Frau und<br />

seine drei Töchter. So lange, bis es der<br />

neuen Frau reicht und sie ihn bei der<br />

Polizei anzeigt.<br />

Bus am Wiener Erdberg ankommen,<br />

werden sie nicht von ihren Eltern abgeholt,<br />

sondern vom Jugendamt. Zu dem<br />

Zeitpunkt ist Jelena neun, ihre beiden<br />

Schwestern sechs und vier. Sie haben<br />

keine Ahnung, was passiert ist und wer<br />

diese fremden Menschen sind, die ihnen<br />

klarmachen, dass sie jetzt mit ihnen<br />

mitkommen müssen. An diesem Tag<br />

verlieren die drei Kinder das, was für die<br />

meisten in ihrem Alter selbstverständlich<br />

ist: Eltern und ein Zuhause.<br />

Die Mitarbeiter des Jugendamtes<br />

bringen sie in ein Krisenzentrum in<br />

Amstetten, wo sie in einer WG mit<br />

anderen Kindern leben, die in ähnlichen<br />

Verhältnissen aufgewachsen sind. Doch<br />

lange hält es Jelena dort nicht aus.<br />

Sie kommt in die Pubertät und beginnt<br />

„Scheiße zu bauen“, wie sie selbst sagt:<br />

„Ich habe begonnen, die Schule immer<br />

öfter zu schwänzen, bin zwischen Wien<br />

und Amstetten hin- und hergefahren<br />

und wollte raus aus der WG, weil dort<br />

nur kleine Kinder gelebt haben“. Heute<br />

bereut Jelena das, denn: „Eigentlich ist<br />

es mir dort gut gegangen“.<br />

DIE LANGE ZEIT AUF<br />

DER STRASSE<br />

Doch zu dem Zeitpunkt erkennt sie das<br />

nicht, sie leidet unter schweren Depressionen,<br />

macht drei Jahre lang Therapie<br />

und bricht währenddessen die Schule<br />

ganz ab. Dann lernt sie ihren Freund in<br />

Wien kennen, dem es zu Hause auch<br />

nicht gut geht und gemeinsam beschließen<br />

die beiden Jugendlichen auszubre-<br />

VON ZUHAUSE INS<br />

JUGENDAMT<br />

Jelena und ihre beiden Schwestern sind<br />

zu der Zeit aber nicht in Wien, sondern<br />

auf einem Kindercamp. Als sie mit dem<br />

Tischfußball spielen, kochen oder einfach nur fernsehen: Im Aufenthaltsraum von<br />

a_way können die Jugendlichen kurz vergessen, wieso sie überhaupt hier sind.<br />

40 / RAMBAZAMBA /<br />

/ RAMBAZAMBA / 41


chen. Sie aus ihrer WG in Amstetten<br />

und er aus der Wohnung seiner Eltern.<br />

Was dann folgt, beschreibt Jelena als<br />

„die lange Zeit auf der Straße“. Jelena,<br />

damals sechzehn Jahre alt, und ihr<br />

Freund sind auf einmal obdachlos. Mal<br />

übernachten sie bei diesen Freunden,<br />

dann bei den anderen. Weil das aber<br />

nicht ewig so weitergehen kann, zeigt<br />

Jelenas Freund ihr die Jugendnotschlafstelle<br />

a_way. Er war schon öfters hier, für<br />

sie soll es in Zukunft die erste Anlaufstelle<br />

werden, wenn einfach gar nichts<br />

mehr geht.<br />

A_WAY VON DER STRASSE<br />

Die Notschlafstelle a_way gehört zur<br />

Caritas und kümmert sich um obdachlose<br />

Jugendliche zwischen 14 und 20<br />

Jahren. Um Jugendliche wie Jelena<br />

und ihren Freund eben. Sie gibt einem<br />

genau das, was man braucht, wenn<br />

man jung ist und auf der Straße landet:<br />

einen Schlafplatz, Essen, Kleidung, eine<br />

Dusche und ein offenes Ohr. Ganz ohne<br />

Anmeldung und kostenlos.<br />

Alles, was man tun muss, ist, bei der<br />

weißen Tür in der Neumayrgasse 4 im<br />

16. Bezirk anzuläuten und zu warten, bis<br />

eine/r der elf Sozialarbeiter*innen einem<br />

aufmacht. In einem kurzen Erstgespräch<br />

klärt man dann die wichtigsten Fragen<br />

ab: Wie geht’s dir gerade? Wieso bist<br />

du da? Willst du etwas mit uns teilen?<br />

Was können wir dir bieten? Die<br />

Jugendlichen können auf diese Fragen<br />

antworten, müssen aber nicht. Einige<br />

von ihnen geben am Anfang lieber einen<br />

falschen Namen an und das ist auch ok<br />

so. Denn a_way ist anonym. Und das ist<br />

auch das Besondere daran. Nirgendwo<br />

sonst in Wien kann man als Jugendlicher<br />

anonym schlafen. „Der Sinn und Zweck<br />

dieser Auskunftsverschwiegenheit ist,<br />

dass wir ein sicherer Rückzugsort sein<br />

wollen, denn wenn die Jugendlichen aus<br />

der Familiensituation ausbrechen, hat<br />

das ja immer Gründe. Wir wollen nicht,<br />

dass die Eltern hier Sturm läuten oder<br />

die Jugendlichen vor der Tür abpassen“,<br />

sagt David Neusteurer. Er ist einer, der<br />

es wissen muss.<br />

FAMILIENSTREIT, GEWALT<br />

ODER DROGEN<br />

Denn David arbeitet seit vier Jahren<br />

als Sozialarbeiter bei a_way und ist<br />

Hier am großen Tisch vor der Küche kommen die Jugendlichen miteinander ins<br />

Gespräch. Manchmal können dabei sogar Romanzen entstehen, erzählt der Sozialarbeiter<br />

David Neusteurer.<br />

einer von elf, die sich hier jeden Abend<br />

abwechseln, um obdachlosen Jugendlichen<br />

in Wien die Tür aufzumachen,<br />

wenn sie in der Nacht anklopfen und<br />

einfach nur schlafen wollen. David ist ein<br />

großgewachsener, dunkelblonder Mann.<br />

Er ist 28 Jahre alt, hat helle Augen und<br />

einen freundlichen, warmen Blick. Wenn<br />

er erzählt, kann man die jahrelange<br />

Erfahrung heraushören: „Meistens sind<br />

es Konflikte im Familienverband. Das<br />

reicht von eher harmlosen Streitereien<br />

wie „Ich hab‘ den Geschirrspüler nicht<br />

ausgeräumt“ bis hin zu Sätzen wie „Die<br />

Ohrfeige halt‘ ich nicht mehr aus“.“<br />

Meistens kommen die Jugendlichen<br />

wegen physischer und psychischer<br />

Gewalt, wegen Drogenmissbrauchs<br />

oder Streit. Sie alle haben gemeinsam,<br />

dass sie eine kurze Verschnaufpause<br />

brauchen. Einen Ort, an dem sie<br />

durchatmen können. Hier bei a_way<br />

können sie das. Fünf Tage im Monat,<br />

ganz anonym. Danach versuchen<br />

die Sozialarbeiter*innen ihnen neue<br />

Perspektiven aufzuzeigen, sie über<br />

ihre Rechte als Jugendliche aufzuklären<br />

und so gut es geht individuell zu<br />

unterstützen. Sie beraten, begleiten<br />

und informieren die Jugendlichen also,<br />

ganz egal, worum es geht. Im letzten<br />

Jahr haben neben Jelena und ihrem<br />

Gleich beim Eingang stehen viele blaue<br />

Spinde, in die die Jugendlichen<br />

erstmals ihre Sachen ablegen und versperren<br />

können.<br />

Freund 446 andere Jugendliche dieses<br />

Angebot genützt. Die meisten von ihnen<br />

waren männlich und durchschnittlich 17<br />

Jahre alt. Gründe dafür könnten sein,<br />

dass „Mädchen in unserer Gesellschaft<br />

eher als verletzlicher und schützenswerter<br />

angesehen werden. Sie werden<br />

schneller mal von Familien von Freunden<br />

aufgenommen als Burschen, denen die<br />

Selbstschuld schneller zugeschrieben<br />

wird“, sagt David.<br />

A_WAY: ZWISCHEN<br />

TEENAGERN UND<br />

JUGENDAMT<br />

Wenn die Jugendlichen nach den fünf<br />

Tagen immer noch nicht nach Hause<br />

wollen oder können, bietet a_way<br />

ihnen eine Begleitung zum Jugendamt<br />

an. Davor klären sie mit ihnen, welche<br />

Rechte sie haben, was sie beim<br />

Jugendamt preisgeben sollten und<br />

was sie verschweigen können, wenn<br />

sie wollen. Manche von ihnen haben<br />

schon Erfahrungen mit dem Jugendamt<br />

gemacht und vielleicht Probleme mit<br />

ihren zuständigen Sozialarbeiter*innen.<br />

In diesen Fällen versucht a_way zwischen<br />

den Jugendlichen und den<br />

Sozialarbeiter*innen zu vermitteln.<br />

„VOR EIN PAAR TAGEN<br />

HABE ICH MICH MIT EINEM<br />

MÄDCHEN GESCHLAGEN“<br />

Genau das ist im Moment bei Jelena der<br />

Fall. Eigentlich lebt sie mittlerweile in<br />

einer WG, die dem Jugendamt untersteht<br />

und ihr vor einem Jahr vermittelt<br />

wurde, nachdem sie zum ersten Mal bei<br />

a_way war. Mit der WG ist Jelena aber<br />

nicht glücklich. Sie möchte weg, am liebsten<br />

mit ihrem Freund zusammenziehen,<br />

aber bis zu ihrem <strong>18</strong>. Lebensjahr kann<br />

sie das nicht bestimmen, denn bis dahin<br />

obliegt die Obsorge dem Jugendamt.<br />

„Vor ein paar Tagen habe ich mich dort<br />

mit einem Mädchen geschlagen, das<br />

mein ganzes Zimmer, meinen Kasten,<br />

mein Fenster, einfach alles kaputt<br />

gemacht hat. Ich wollte sie zuerst lieb<br />

und nett darauf ansprechen, aber das<br />

hat nicht geklappt und dann wurde ich<br />

rausgeschmissen“, sagt Jelena.<br />

Rausgeschmissen wurde Jelena<br />

eigentlich nicht. Im Moment darf sie<br />

allerdings erst am Abend zum Schlafen<br />

in die WG kommen, „als Strafe sozusagen“,<br />

erklärt Jelena. Während sie all das<br />

erzählt, sitzt sie neben David am großen<br />

Tisch im Aufenthaltsraum von a_way.<br />

David schaut kurz verwirrt, er hört zum<br />

ersten Mal von dieser Regelung und<br />

fragt ein paar Mal verwundert nach.<br />

Heute Nachmittag soll sich das Problem<br />

aber klären, denn Jelena hat ein Treffen<br />

mit ihrer „Chefin“ vereinbart, das „Reflexionsgespräch“<br />

genannt wird. In diesem<br />

will sie versuchen, sich von ihrer WG<br />

abmelden zu lassen und eine neue Bleibe<br />

zu finden. Kurz nach dem Reflexionsgespräch<br />

telefoniert David noch einmal<br />

mit der WG-Leitung und der Konflikt legt<br />

sich wieder.<br />

„ICH WILL EINFACH EIN<br />

NORMALES LEBEN“<br />

Fragt man Jelena, was sie sich für ihre<br />

Zukunft wünscht, sagt sie, sie habe<br />

„nicht recht viele Wünsche.“ Eigentlich<br />

wolle sie einfach nur ein ruhiges und<br />

glückliches Leben führen: „Wirklich. Ein<br />

normales Leben einfach.“ Abgesehen<br />

von dem Streit in der WG, stehen die<br />

Chancen dafür gar nicht mal so schlecht.<br />

Seit zwei Monaten macht Jelena<br />

nun eine Lehre beim AMS - als Friseurin.<br />

Zu ihrem Vater hat sie seit ungefähr<br />

einem Jahr gar keinen Kontakt mehr. Der<br />

habe sie zwar immer wieder terrorisiert,<br />

sie angerufen und ihr Nachrichten<br />

geschrieben, aber mittlerweile sitze er im<br />

Gefängnis. Warum, das weiß sie nicht.<br />

Viele Worte hat Jelena für ihren Vater<br />

nicht übrig: „Ich glaube, er ist ein psychisch<br />

kranker Mensch“, sagt sie. Ihre<br />

Schwestern leben im Moment beide in<br />

WGs, allerdings jeweils in einer anderen,<br />

getrennt voneinander. Zur jüngsten hat<br />

Jelena noch regelmäßig Kontakt: „Ich bin<br />

für sie da, sie kann immer zu mir kommen,<br />

wenn sie was braucht.“ Der Kontakt<br />

zur mittleren Schwester ist abgebrochen:<br />

„Sie hat begonnen, ganz schlimme<br />

Sachen zu machen, Drogen zu nehmen.<br />

Ich habe versucht, sie da rauszuziehen<br />

und dann hat sie sich distanziert.“<br />

Hört man Jelena zu, kann man fast<br />

nicht glauben, dass sie erst 17 Jahre<br />

alt ist. Man würde vielleicht meinen,<br />

dass sie jeder Optimismus verlassen<br />

hat, aber sie sagt dazu nur: „Da gibts<br />

viel schlimmere Geschichten. Ich hab‘ ja<br />

einen Schlafplatz.“ Was sie rückblickend<br />

am meisten bereut, ist, aus ihrer ersten<br />

WG in Amstetten ausgebrochen zu sein<br />

und vor allem die Schule abgebrochen<br />

zu haben. Deswegen würde sie Jugendlichen<br />

in ähnlichen Situationen diesen<br />

Ratschlag geben: „Hab Geduld. Zuck<br />

nicht aus. Denk lieber zwei-, dreimal<br />

nach, bevor du etwas machst. Das wäre<br />

vielleicht gut.“ ●<br />

* Name von der Redaktion geändert<br />

Mit den Plüschtieren auf den Betten und<br />

den Wattepads, die über den Spiegeln in<br />

den Zimmern hängen, fühlt man sich ein<br />

bisschen wie Zuhause.<br />

42 / RAMBAZAMBA /<br />

/ RAMBAZAMBA / 43


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DIE WIENER<br />

MODERNE<br />

IST ZURÜCK<br />

Wie hat das Leben in Wien<br />

vor rund hundert Jahren<br />

ausgesehen? Wer hat hier<br />

gelebt, wie hat man gelebt und was<br />

ist uns aus der Zeit der Jahrhundertwende<br />

noch geblieben? Wie stand es<br />

um Literatur, Architektur, Musik und<br />

Kunst? Das Kulturgeschehen der Stadt<br />

wurde damals von der Wiener Moderne<br />

geprägt – und dieses Jahr lässt die<br />

Stadt Wien diese Zeit wieder aufleben.<br />

20<strong>18</strong> jähren sich zum hundertsten<br />

Mal die Todestage einiger wichtiger<br />

Vertreter dieser Kunstströmung, wie<br />

Egon Schiele, Gustav Klimt, Koloman<br />

Moser und vor allem Otto Wagner.<br />

Aus diesem Anlass drehen sich 20<strong>18</strong><br />

zahlreiche Ausstellungen um diese<br />

Protagonisten und ihr Schaffen. Die<br />

Wiener Postsparkasse ist das wohl<br />

berühmteste Gebäude der Wiener<br />

Moderne – aber was sich noch alles<br />

hinter dieser Strömung verbirgt, kann<br />

man dieses Jahr an unterschiedlichen<br />

Kunst-Stationen in Wien herausfinden.<br />

↑ Koloman Moser, Firmenschild für<br />

den Modesalon Schwestern Flöge,<br />

Wien, 19<strong>04</strong>, Ausführung: Wiener<br />

Mosaikwerkstätte; Glasmosaik; © MAK<br />

← Wiener Werkstätte, Postkarte Nr. 251<br />

mit Porträt Otto Wagners, Wien, 1911;<br />

© MAK<br />

Fotos: Hagen Stier / MAK<br />

WIEN<br />

Stadt der<br />

Kultur<br />

Das Juwel der Wiener Moderne – Otto Wagners Postsparkasse in<br />

1010 Wien. Die Stadt Wien lässt 20<strong>18</strong> die Wiener Moderne und ihre<br />

Protagonisten wieder aufleben – mit Ausstellungen und Kultur-Events.<br />

Noch bis zum 7. Oktober 20<strong>18</strong> präsentiert<br />

das Wien Museum Karlsplatz<br />

das Leben und Gesamtwerk des<br />

„Weltstadtarchitekten“ Otto Wagner.<br />

Seine Zeichnungen, Möbel, Modelle,<br />

Gemälde und persönlichen Gegenstände<br />

sind dort zu bestaunen – einige<br />

der 500 Exponate sind zum ersten Mal<br />

für die Öffentlichkeit zugänglich.<br />

Infos unter: www.wienmuseum.at<br />

Im MAK (Museum für angewandte<br />

Kunst) kann man von 30. Mai bis<br />

30. September 20<strong>18</strong> die Ausstellung<br />

„POST OTTO WAGNER. Von der Postsparkasse<br />

zur Postmoderne“ ansehen.<br />

Mit einem Vollpreis-Ticket aus dem<br />

Wien Museum erhält man im Ausstellungszeitraum<br />

ermäßigten Eintritt ins<br />

MAK.<br />

Infos unter www.MAK.at<br />

Im Hofmobiliendepot Möbel Museum<br />

Wien ist bis 7. Oktober 20<strong>18</strong> die<br />

Ausstellung „Wagner, Hoffmann, Loos<br />

und das Möbeldesign der Wiener<br />

Moderne. Künstler, Auftraggeber, Produzenten“<br />

zu sehen.<br />

Infos unter: www.hofmobiliendepot.at<br />

Das Leopold Museum zeigt bis<br />

10. Juni 20<strong>18</strong> in der Ausstellung<br />

„Wien um 1900! Klimt – Moser –<br />

Gerstl – Kokoschka“ eine einzigartige<br />

Kollektion an Meisterwerken der Kunst<br />

Wiens um 1900.<br />

Das ist nur ein ganz kleiner Auszug<br />

aus über tausend Kultur-Veranstaltungen,<br />

die Wien dieses Jahr zu bieten<br />

hat. Damit man nicht den Überblick<br />

verliert, sind alle Events online zu finden<br />

– gegliedert nach Interessen und<br />

Schwerpunkten. Wer sich also Fragen<br />

stellt wie „Wohin am Wochenende?<br />

Welche Ausstellungen sollte ich unbedingt<br />

sehen? Welcher Ausflug eignet<br />

sich für die ganze Familie?“, ist hier<br />

richtig. Einfach online reinklicken unter<br />

www.veranstaltungen.wien.at<br />

MUSEEN & AUSSTELLUNGEN<br />

GÜRTEL<br />

2<br />

MARIAHILFER STRASSE<br />

RING<br />

4<br />

1 „Das Leben und Schaffen von<br />

Otto Wagner“ im Wien Museum<br />

Karlspaltz, www.wienmuseum.at<br />

2 Wagner, Hoffmann, Loos und<br />

Möbel der Wiener Moderne im<br />

Hofmobiliendepot<br />

www.hofmobiliendepot.at<br />

3 Post Otto Wagner – Von der<br />

Postsparkasse zur Postmoderne<br />

im MAK. www.mak.at<br />

4 Klimt, Moser, Gerstl, Kokoschka<br />

– Kunst in Wien um 1900.<br />

www.leopoldmuseum.org<br />

www.museen.wien.at<br />

1<br />

3


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WANDERBARES<br />

5<br />

WIEN<br />

WANDERN<br />

WIEN<br />

Wer<br />

eine Auszeit vom<br />

urbanen Leben möchte,<br />

ohne dafür extra<br />

wegfahren zu müssen,<br />

für den sind die Wiener<br />

Stadtwanderwege genau<br />

das Richtige.<br />

VON NADA EL-AZAR<br />

8<br />

4<br />

6<br />

2<br />

1a<br />

1<br />

3<br />

9<br />

4a<br />

7<br />

Stadtwanderweg 1 - Kahlenberg<br />

Stadtwanderweg 1a - Leopoldsberg<br />

Stadtwanderweg 2 - Hermannskogel<br />

Stadtwanderweg 3 - Hameau<br />

Stadtwanderweg 4 - Jubiläumswarte<br />

Stadtwanderweg 4a - Ottakring<br />

Stadtwanderweg 5 - Bisamberg<br />

Stadtwanderweg 6 - Zugberg-Maurer Wald<br />

Stadtwanderweg 7 - Laaer Berg<br />

Stadtwanderweg 8 - Sophienalpe<br />

Stadtwanderweg 9 - Prater<br />

Meine Begleiter auf der<br />

Sophienalpe: Nur eine<br />

Flasche Wasser, Obst und<br />

Musik. Wann immer ich eine Auszeit<br />

von der Stadt brauche, komme ich hier<br />

her, öfter alleine als mit FreundInnen.<br />

Sophienalpe klingt zwar nach Gebirge<br />

irgendwo in Österreich, ist aber eine<br />

kleine, feine Anhöhe im Westen von<br />

Wien. Schon zu Kaiserzeiten wurde<br />

der idyllische Hügel als Ausflugsziel<br />

geschätzt. Wenn es diesen tollen<br />

Ausblick auf die Stadt vom Hochplateau<br />

aus nicht gäbe, könnte man<br />

meinen, man wäre wirklich weit weg<br />

auf Urlaub. Wien wirkt so nah und fern<br />

zugleich, wenn man hier oben steht.<br />

In regelmäßigen Abständen markieren<br />

Holzschilder den richtigen Weg auf<br />

allen elf Wiener Stadtwanderwegen.<br />

Der Forst- und Landwirtschaftsbetrieb<br />

(MA 49) der Stadt Wien sorgt dafür,<br />

dass die Wege gepflegt und deutlich<br />

ausgeschildert sind.<br />

Fotos: Susanne Einzenberger<br />

SANFTER SPORT FÜR ALLE<br />

Vor etwa zwei Jahren begann ich, die<br />

Wiener Stadtwanderwege für mich zu<br />

entdecken. Das Praktische an ihnen<br />

ist, dass die Anfangs- und Endpunkte<br />

mit den Öffis gut erreichbar sind. Perfekt<br />

für alle, die kein Auto oder keine<br />

Zeit haben, um zum Wandern aufs<br />

Land hinauszufahren. Man kann sich<br />

gut mit FreundInnen an den Stationen<br />

verabreden und auf einer dreistündigen<br />

Wanderung plaudern. Gleichzeitig<br />

tut man auch etwas für die Fitness:<br />

Wandern verbrennt ungefähr genauso<br />

viele Kalorien wie Joggen. Beim Wandern<br />

trainiert man Ausdauer, Muskeln<br />

und Knochen und das alles an der<br />

frischen Luft. Weil Bewegung hungrig<br />

macht, gibt es auf allen Wanderwegen<br />

Gaststätten, in die man für einen<br />

Snack einkehren kann.


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WIEN<br />

№1<br />

Rasten mit guten Aussichten auf der Sophienalpe. Die Gehzeit dafür beträgt etwa 4 bis 4,5 Stunden.“<br />

Fotos: Susanne Einzenberger<br />

Ob für Naturverbundene, Sportmuffel<br />

oder WeinliebhaberInnen – Wiens<br />

Stadtwanderwege haben für alle etwas<br />

zu bieten:<br />

FÜR ANFÄNGERINNEN<br />

Der Stadtwanderweg im Prater (13km,<br />

Ausgangspunkt Praterstern) liegt im<br />

Herzen der Stadt und ist besonders<br />

geeignet für Familien, da der Weg<br />

über ein flaches Gebiet verläuft. Ein<br />

besonderes Highlight kann eine Bootsfahrt<br />

über das Heustadlwasser sein.<br />

Gehzeit: 3–4 Stunden<br />

FÜR WALDFREUNDINNEN<br />

An der Endstation Neuwaldegg der<br />

Straßenbahnlinie 43 beginnt der Stadtwanderweg<br />

Hameau (10,5 km, Ausgangspunkt<br />

Neuwaldegg). Diese Route<br />

ist in den heißen Sommermonaten<br />

besonders angenehm, da unter den<br />

Bäumen des Wienerwalds ein angenehm<br />

kühles Wanderklima herrscht.<br />

Auch für Mountainbiker geeignet.<br />

Gehzeit: 3,5 Stunden<br />

FÜR ARCHITEKTURFANS<br />

Im Stadtteil Mauer in Wien Liesing<br />

befindet sich der Stadtwanderweg<br />

Zugberg – Maurer Wald (12,5 km, Ausgangspunkt<br />

Rodaun), auf dem man die<br />

eindrucksvolle Wotrubakirche besichtigen<br />

kann. Die Gehzeit dafür beträgt<br />

etwa 4 bis 4,5 Stunden.<br />

Die berühmte Otto Wagner-Kirche<br />

auf den Steinhofgründen kann man<br />

auf dem Wanderweg Ottakring (10 km,<br />

Ausgangspunkt Ottakring) sehen.<br />

Gehzeit: 3 Stunden<br />

FÜR WEINFREUNDINNEN<br />

Ein bekannter Wanderweg verläuft auf<br />

den Kahlenberg (10,9 km, Ausgangspunkt<br />

Nußdorf), wo man im Sommer<br />

die Möglichkeit hat, auf einen Spritzer<br />

in Heurigenbetriebe und Buschenschanken<br />

einzukehren.<br />

Gehzeit: 3,5 Stunden<br />

FÜR SPORTLERINNEN<br />

Der sogenannte „rundumadum“-<br />

Wanderweg ist die Königsdisziplin. Er<br />

führt in 120 km um ganz Wien, und<br />

ist „mundgerecht“ in 24 Etappen aufgeteilt<br />

und nach Belieben kombinierbar.<br />

Die ersten zwei Etappen führen<br />

beispielsweise von Nußdorf über den<br />

Cobenzl bis zum Häuserl am Roan in<br />

12,5 km.<br />

Für die Jause zwischendurch sorgt die Natur. Wildkräuter wie Bärlauch gibt es<br />

von März bis April. Erkennbar am Knoblauchgeruch im Vergleich zu Maiglöckchen.<br />

Fotos: Stadt Wien<br />

WIEN, WIEN,<br />

NUR DU ALLEIN …<br />

… sollst stets die Stadt meiner Träume sein. So heißt es in einem bekannten Wiener<br />

Lied. Tatsächlich belegt Wien laut einer aktuellen Studie bereits zum neunten Mal in<br />

Folge Platz Eins, im Ranking der Städte mit der höchsten Lebensqualität.<br />

Zum 20. Mal vergleicht die Beratungsgesellschaft<br />

Mercer 231<br />

Großstädte auf der ganzen Welt in<br />

Hinblick auf Sicherheit, soziales Umfeld,<br />

Infrastruktur und Gesundheitsversorgung,<br />

um nur ein paar der 39 Kriterien<br />

zu nennen. Im internationalen Vergleich<br />

führt Wien – gefolgt von Zürich auf Platz 2<br />

sowie Auckland und München auf Platz 3.<br />

LEBENSWERTE<br />

KULTUR<br />

Wien hat auf europäischer und internationaler<br />

Ebene daher einen ausgezeichneten<br />

Ruf. Zahlreiche Studien und Rankings attestieren<br />

Wien laufend eine ausgezeichnete<br />

Positionierung im globalen Wettbewerb<br />

und beste Voraussetzungen für eine<br />

weitere dynamische Entwicklung. Wien<br />

ist im Vergleich zu vielen Städten sauber<br />

und sicher, beliebt, um hier zu leben und<br />

zu wohnen, einzukaufen, Kaffeehaus- und<br />

Weinkultur zu genießen, sich in Parks und<br />

Gärten zu erholen, die unzähligen Kulturund<br />

Freizeitangebote zu nutzen (www.<br />

freizeit.wien.at). Übrigens: Die Wiener<br />

Kaffeehauskultur wurde im Jahr 2011 offiziell<br />

ein nationales immaterielles Kulturerbe<br />

im Verzeichnis der UNESCO, genau so<br />

wie die Wiener Ballkultur und das Wiener<br />

„Dudeln“ ( Heurigengesang).<br />

INTERNATIONALES<br />

VERTRAUEN<br />

Alle Faktoren gemeinsam spielen auch<br />

eine nicht unwesentliche Rolle für die<br />

Ansiedlung internationaler Firmen in Wien.<br />

2017 verzeichnete Wien laut Wirtschaftskammer<br />

9.035 Unternehmensneugründungen,<br />

also etwa 26 neue Firmen jeden<br />

Tag. Junge Unternehmerinnen und<br />

Unternehmer haben über die Wirtschaftsagentur<br />

Wien ein reiches Beratungs- und<br />

Förderangebot.<br />

Nähere Infos unter www.wirtschaft.wien.at<br />

MERCER RANKING<br />

20<strong>18</strong><br />

1 Wien<br />

2 Zürich<br />

3 Auckland<br />

3 München<br />

5 Vancouver<br />

6 Düsseldorf<br />

7 Frankfurt<br />

8 Genf<br />

9 Kopenhagen<br />

10 Basel<br />

VIRTUELLES AMT<br />

Um sich den einen oder<br />

anderen Amtsweg zu ersparen,<br />

bietet die Stadt Wien<br />

eine Liste aller Services<br />

rund um Amtswege an! Hier<br />

lässt sich etwa bequem das<br />

Parkpickerl online bestellen.<br />

www.amtshelfer.wien.at


MEINUNG<br />

Engagiert euch!<br />

„Wir suchen eine junge, motivierte Person,<br />

die unser dynamisches Team vervollständigt.<br />

Einzige Voraussetzung: Drei Doktor-Abschlüsse,<br />

zehn Jahre einschlägige Berufserfahrung sowie<br />

Klingonisch fließend in Wort und Schrift.“<br />

Achtung, Sarkasmus! Das ist sehr überspitzt<br />

dargestellt, doch wenn ich mir manche Stellenanzeigen<br />

durchlese, stelle ich mir oft die Frage:<br />

Wovon träumen Personalbeschaffer nachts?<br />

Das mit der Berufserfahrung ist so eine Sache.<br />

Wo soll ich Berufserfahrung sammeln, wenn ich<br />

überall nur mit Berufserfahrung reinkomme?<br />

Die Antwort: Praktika und Ehrenamt. Beide sind<br />

unbezahlt (oder zumindest schlecht entlohnt).<br />

Doch ehrenamtliches Engagement bringt sehr<br />

viel mehr Vorteile mit sich: Ich kann mir konkret<br />

aussuchen, in welchem Bereich ich mich einbringen<br />

möchte. Ich kann mich ausprobieren,<br />

neue Strategien entwickeln, neue Strukturen<br />

kennenlernen und wenn etwas schiefgeht, ist<br />

das auch kein Drama. Außerdem bekomme ich<br />

Verantwortung und Schaffungsspielraum. Ich<br />

habe wohl noch nirgends so viel gelernt wie<br />

in meiner Vereinstätigkeit. Ganz zu schweigen<br />

vom gesellschaftlichen Mehrwert, der Vernetzung<br />

mit den vielen motivierten Menschen und<br />

all den Freundschaften, die dadurch entstehen.<br />

Ehrenamt ist die beste Vorbereitung auf die<br />

Berufswelt und zeigt eurer zukünftigen ArbeitgeberIn,<br />

dass ihr selbst die Initiative ergreift<br />

und auch mal ein bisschen mehr tut als von<br />

euch verlangt. Worauf wartet ihr noch? Engagiert<br />

euch!<br />

grman@dasbiber.at<br />

KARRIERE & KOHLE<br />

Studieren statt Saunieren<br />

Von Andrea Grman<br />

Woher kommt deine<br />

Leidenschaft für<br />

Notizbücher??<br />

Ich habe einen<br />

unglaublichen Papierfetisch.<br />

Mit zehn<br />

Jahren schenkte mir<br />

meine Schwester<br />

mein erstes Notizbuch.<br />

Das habe ich<br />

überall hin mitgetragen<br />

und habe es noch<br />

heute.<br />

Was können eure<br />

Notizbücher, was<br />

andere nicht können?<br />

Abgesehen von der<br />

durchdachten Struktur<br />

ist die Qualität des<br />

Papiers auf einem<br />

anderen Level. Bei<br />

unseren Büchern<br />

kannst du machen,<br />

was du willst. Es<br />

gehört wirklich<br />

g‘scheit durchdacht,<br />

Frauen<br />

für<br />

Frauen<br />

Du bist weiblich, zwischen<br />

14 und 25 Jahren<br />

und willst Projekte für<br />

junge Frauen mitgestalten?<br />

Dann bewirb<br />

dich bis zum 31.07.20<strong>18</strong><br />

für den Mädchenbeirat.<br />

Infos dazu bekommst du<br />

bei ruth.mayr@hil-foundation.org.<br />

3<br />

FRAGEN AN:<br />

Oliver Ottner<br />

Gründer von<br />

„There’s a book for that“<br />

Aufgepasst, Bullet Points<br />

Liebhaber und Listenersteller!<br />

Hier gibt es euer<br />

individuelles Notizbuch.<br />

Von Jelena Pantić-Panić<br />

damit es ein gutes<br />

Produkt wird. Und<br />

das ist uns ganz gut<br />

gelungen.<br />

Wie entsteht ein<br />

„There’s a book for<br />

that“-Buch?<br />

Zuerst wird mal<br />

ordentlich gesurft. Ich<br />

versuche immer, in<br />

der Gestaltung etwas<br />

Liebevolles drin zu<br />

haben. Das entsteht<br />

erst, wenn ich mich<br />

richtig damit auseinandersetze,<br />

was<br />

die Leute brauchen.<br />

Dann schicke ich das<br />

jemandem, der das<br />

tatsächlich beruflich<br />

macht und frage „Hab<br />

ich‘s getroffen?“<br />

Das ganze Interview<br />

findest du auf<br />

dasbiber.at<br />

Web-Tipp<br />

WO KANN<br />

ICH HELFEN?<br />

Wenn ihr wissen wollt, wo eine helfende<br />

Hand gebraucht wird: Einfach<br />

bei Where2Help registrieren. Die<br />

Plattform verbindet Freiwillige mit<br />

Flüchtlingsorganisationen.<br />

FOMO (fear of missing out)?!<br />

Nicht mit uns! Du weißt zwischen all<br />

deinen Verpflichtungen manchmal gar nicht,<br />

wo dir der Kopf steht? Dann power dich<br />

so richtig aus. Schüttel deinen Stress raus,<br />

zum Beispiel beim Piloxing ® oder Hawaiianischem<br />

Hula-Tanz. Die beiden VHS-Kurse<br />

starten Anfang bzw. Mitte Mai – nicht verpassen<br />

und gleich anmelden!<br />

Marko Mestrović, Jelena Pantić-Panić<br />

Fotos: © Ludwig Schedl<br />

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KARRIERE MIT<br />

VERSICHERUNGSLEHRE<br />

Mit einer Lehre bei der Wiener Städtischen Versicherung wird der Grundstein<br />

für einen Beruf mit Zukunft gelegt. Krisen sicherheit, gute Verdienstmöglich<br />

keiten und Zukunft s perspektiven sind nur einige Gründe für die<br />

Ent scheidung zu einer Lehre als Versicherungskauffrau oder –mann.<br />

DEINE AUSBILDUNG<br />

Neben der Berufsschule wird dir<br />

eine fundierte praxisorientierte Ausbildung<br />

mit nach oben hin offenen<br />

Karrierechancen geboten. Ein Mentor<br />

begleitet und unterstützt dich während<br />

der gesamten Ausbildung. Nach<br />

erfolgreichem Lehrabschluss gibt es<br />

zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterbildung,<br />

wie etwa die BÖV-Prüfung bei der<br />

Bildungsakademie der österreichischen<br />

Versicherungswirtschaft. Auch einer<br />

Ausbildung zum Finanz- oder Businessprofi<br />

steht bei hoher Leistungsbereitschaft<br />

nichts im Wege.<br />

DEINE VERDIENST­<br />

MÖGLICHKEITEN<br />

Als Versicherungsberaterin genießt du<br />

ein fixes Angestelltenverhältnis und<br />

eine hohe soziale Absicherung. Wie<br />

hoch das tatsächliche Einkommen nach<br />

Abschluss der Ausbildung ist, hängt von<br />

deinem persönlichen Engagement ab.<br />

DEINE VORAUS­<br />

SETZUNGEN<br />

Unbedingt erforderlich ist die Freude<br />

am Umgang mit Menschen. Wer<br />

kommunikativ und kontaktfreudig ist,<br />

Abwechslung liebt, Engagement und<br />

Eigenverantwortung zeigt, gerne im<br />

Team arbeitet und Ausdauer und Zielstrebigkeit<br />

mitbringt, hat die optimalen<br />

Voraussetzungen für eine Versicherungslehre.<br />

„Besonders gut gefällt mir an meinem<br />

Job die Vielfalt. Ich berate Kundinnen<br />

und Kunden aller Gesellschaftsschichten<br />

zu breit gefächerten Themen – und das<br />

bei freier Zeiteinteilung und leistungsbezogenem<br />

Einkommen.“<br />

Helena Camic, Lehrling in Wien<br />

INFORMATION & KONTAKT<br />

Die Wiener Städtische sucht österreichweit<br />

engagierte und kommunikative<br />

Persönlichkeiten zwischen 17 und 20<br />

Jahren, die an einer umfassenden<br />

Ausbildung zum Versicherungskaufmann<br />

oder zur Versicherungskauffrau<br />

interessiert sind, gerne auch<br />

Schulabbrecher. Geboten wird eine<br />

praxisorientierte Ausbildung mit ausgezeichneten<br />

Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten.<br />

JETZT BEWERBEN!<br />

Unter www.wienerstaedtische.at<br />

oder per E-Mail an<br />

lehrling@wienerstaedtische.at<br />

TOP<br />

I E B<br />

L E H R B E T R<br />

Aus- und Weiterbildung<br />

wird bei der Wiener<br />

Städtischen groß<br />

geschrieben und nimmt<br />

als einer der größten<br />

Lehrlingsausbildner der<br />

Branche jährlich rund<br />

100 junge Menschen<br />

zwischen 17 und 20<br />

Jahren als Lehrling auf.<br />

Für herausragendes<br />

Engagement in der Lehrlingsausbildung<br />

wurde<br />

die Wiener Städtische<br />

mit dem Qualitätssiegel<br />

„TOP-Lehrbetrieb“ der<br />

Stadt Wien, der Wirtschaftskammer<br />

Wien,<br />

der Industriellenvereinigung<br />

Wien, dem<br />

Gewerkschaftsbund und<br />

der Arbeiterkammer<br />

Wien ausgezeichnet.<br />

50 / KARRIERE /


Selbermacher<br />

Die<br />

„DIE KUNDEN KOMMEN GROSSTEILS<br />

ÜBER MUNDPROPAGANDA“<br />

Gymclub Fitness ist das einzige Fitnessstudio<br />

in Wien mit Clubatmosphäre. Fitness<br />

soll Spaß machen“ – davon ist Chima überzeugt.<br />

Sein Ziel: Die Intensität während des<br />

Trainings zu steigern. „Bei uns trainieren<br />

maximal 10 Leute auf einmal. Jeder<br />

Teilnehmer kriegt Sensoren und seine Pulswerte<br />

werden in Echtzeit gemessen. Somit<br />

haben wir jederzeit die „Fitnessdaten“ von<br />

jedem, der trainiert und können in Echtzeit<br />

die Trainierenden in ihren optimalen<br />

Bereich steuern.“ Das kleine Studio ist von<br />

außen kaum zu erkennen, man betritt es<br />

durch den Eingang zu einem Sonnenstudio<br />

und geht dann eine Treppe rauf. Im Gymclub<br />

ist es dunkel – wie in einem Nachtclub<br />

eben. An den Wänden stehen coole Moti-<br />

Fitnessparty<br />

Chima Rameez Okpalaugo<br />

ist eigentlich<br />

Musiker. Jetzt leitet<br />

er Wiens erstes Herzfrequenz-Basiertes<br />

Bootcamp Gym mit<br />

Clubatmosphäre.<br />

Über seinen Leitfaden<br />

zum Erfolg:<br />

Von Aleksandra Tulej, Foto: Susanne Einzenberger<br />

Eigentlich wollte Chima Rameez<br />

Okpalaugo ja ein Restaurant eröffnen.<br />

„Aber dann habe ich mir den<br />

Markt angeschaut und gemerkt, dass die<br />

Gastronomie ein zu unsicheres Gewerbe<br />

ist“, sagt er lachend. Heute ist er der Besitzer<br />

von Gymclub Fitness in der Schönbrunnerstraße<br />

in Wien. Die Entscheidung, ein<br />

Fitnessstudio aufzumachen, fällte er nicht<br />

einfach so: „Ich bin nicht einfach so All<br />

In gegangen. Ich habe mir auch hier den<br />

Markt angeschaut, Statistiken angeschaut,<br />

best cases, Fitnessreports und so weiter“,<br />

sagt Chima, der davor als Rapper in der<br />

Musik-Branche erfolgreich war. Daher hatte<br />

er auch sein Startkapital, um 2016 gemeinsam<br />

mit seinem Parnter Sasa Mikulovic das<br />

Fitnesscenter zu eröffnen.<br />

vations-Sprüche. „Es ist schon ein bisschen<br />

so ein Secret Studio – unsere Kunden<br />

kommen Großteils über Mundpropaganda.“<br />

– Die familiäre Atmosphäre zeigt sich auch<br />

in der Mitarbeiterzahl: Alle Trainings werden<br />

von Chima oder seinem Partner Sasa<br />

geleitet. Pro Woche trainieren hier bis zu<br />

150 Leute. „Aber es werden immer mehr“,<br />

sagt Chima. Dass er so erfolgreich ist, liegt<br />

an seinem durchdachten Konzept.<br />

„ES GIBT KEINEN LEITFADEN<br />

ZUM ERFOLG.“<br />

„Es gibt keinen Leitfaden zum Erfolg,<br />

man muss immer testen, was ankommt.<br />

Das Produkt, das man im Kopf hat, wird<br />

nie das Endprodukt sein. Man muss sich<br />

fragen, was für Leute kommen und wie du<br />

sie ansprechen kannst.“ So dachte Chima<br />

am Anfang, dass fast nur Männer in sein<br />

Fitnessstudio kommen werden und hat<br />

auch so die Trainings ausgelegt – jetzt sind<br />

fast 90 % seiner Kunden Frauen. „So spart<br />

man am Equipment, leichtere Hanteln sind<br />

ja billiger“, lacht er. „Du musst wissen, wer<br />

deine Zielgruppe ist – auf der Zielgruppenanalyse<br />

baut man dann die Kommunikation<br />

und Strategie auf. “<br />

Neben dem Wissen, das Chima sich selbst<br />

angeeignet hat, hat er auch viel Unterstützung<br />

von der WKO bekommen. „Wir nehmen<br />

Beratungsleistungen und Förderungen<br />

von der WKO in Anspruch. Vor allem wenn<br />

es um Standardanalysen und demographische<br />

Statistiken geht. Wir waren beim<br />

Gründerworkshop und sind jetzt auch bei<br />

der Rocket Science Reihe (Anm.: die neue<br />

Startup-Akademie der WKO) dabei. Wir<br />

hatten auch schon Schwerpunktberatung<br />

im Bereich Franchise und Expansion – Das<br />

KMU Digital Programm (Anm.: Ein Förderprogramm<br />

zur Digitalisierung von Unternehmen)<br />

der WKO nutzen wir auch. Die<br />

WKO ist uns also eine große Hilfe“, fasst er<br />

zusammen.<br />

Chimas Tipps für junge Unternehmer?<br />

„Weiterbilden, weiterbilden, weiterbilden.<br />

Und viel lesen. Viele Probleme, auf<br />

die man trifft, hat schon jemand anderes<br />

gelöst.“<br />

Habt ihr Lust auf ein Training im Gymclub<br />

bekommen? Schreibt eine Mail an office@<br />

gymclub.fitness und sichert euch mit<br />

dem Betreff „bibergoesgymclub“ euren<br />

Wochenpass für drei Gratis-Einheiten.<br />

ZEIGEN SIE<br />

WAS SIE<br />

KÖNNEN<br />

Sie wollen Ihre Produkte und<br />

Dienstleistungen online präsentieren?<br />

Mit wenigen Klicks und ohne Kosten?<br />

Das WKO Firmen A–Z macht's<br />

möglich und bietet zusätzlich<br />

wertvolle Services.<br />

WKO-WIEN HILFT<br />

Im Gründerservice der WKO-<br />

Wien kann man bei einem<br />

Beratungsgespräch alle Fragen<br />

stellen, die die Gründung eines<br />

Unternehmens betreffen. Im<br />

Vorhinein kann man sich auch<br />

schon eigenständig online<br />

informieren. Ob generelle<br />

Tipps zur Selbstständigkeit,<br />

rechtliche Voraussetzungen,<br />

Amtswege oder Finanzierungsund<br />

Förderungsmöglichkeiten:<br />

Auf der Website kommt man<br />

mit wenigen Klicks zu allen<br />

wichtigen Informationen.<br />

wko.at/wien<br />

www.gruenderservice.at<br />

Die Selbermacherw-Serie ist eine<br />

redaktionelle Kooperation von das<br />

biber mit der Wirtschaftskammer<br />

Wien.<br />

» WKO FIRMEN A–Z –<br />

IHRE INDIVIDUELLE VISITENKARTE IM WEB<br />

52 / KARRIERE /<br />

W wko.at/firmen T +43 1 514 50-3900


LIES DAS MAL, SEBASTIAN!<br />

Die Regierung spart bei den AMS-Geldern für Flüchtlinge. Damit werden Erfolgsstories<br />

wie jene von Ayham Youssef und Amro Albaghdadi in Zukunft schwieriger. Die beiden<br />

Syrer haben ihren Jobeinstieg in Österreich geschafft – auch über einen Kurs, der vom<br />

Arbeitsmarktservice unterstützt wurde. Von Simon Kravagna und Susanne Einzenberger (Fotos)<br />

Was machst du in<br />

deinem Job?<br />

Ich optimiere für<br />

Kunden ihren Werbeauftritt,<br />

damit die<br />

richtige Werbung online<br />

der richtigen Person<br />

ausgespielt wird. Konkret<br />

erstelle ich digitale Kampagnen<br />

(Programmatic, Social und Native),<br />

setze die richtige Trackings und plane<br />

die Mediapläne. Derzeit bin ich noch im<br />

Traineeprogramm und gehe alle Abteilungen<br />

durch von Search Programmatic<br />

über Social Advertising bis hin zu Affiliate<br />

Marketing und Client Services.<br />

Was magst du an deinem Job?<br />

Erstens die Leute hier: Alle sind wirklich<br />

super und sehr hilfsbereit. Zweitens<br />

lerne ich jeden Tag dazu. Vier mal<br />

im Jahr fahre ich auf Fortbildung zu<br />

unserem Headquarter nach Deutschland.<br />

Im April besuche ich eine Marketing-<br />

Konferenz in München.<br />

Wie bist du zu Netzeffekt gekommen?<br />

Wir hatten im biber-Kurs einen Workshop<br />

mit der Journalistin Livia Klingl. Sie<br />

hat eine tolle Facebook-Community, hat<br />

dort ein paar Infos von mir gepostet und<br />

gefragt, ob jemand für mich ein Praktikum<br />

hätte. Zuerst habe ich ein Unternehmenstraining<br />

bei Trending Topics<br />

gemacht. Über einen anderen Kontakt<br />

habe ich diesen Job gefunden.<br />

War es für dich leicht in Österreich?<br />

Nein. Die anderen Flüchtlinge haben mir<br />

gesagt, dass ich keinen Job in Österreich<br />

finden werde. Aber ich wollte immer<br />

arbeiten. Ich hatte vor der Flucht ein<br />

gutes Leben: Freunde, einen Job, ein<br />

Auto und so ... Ich wollte das wieder<br />

haben. Jetzt ist es soweit!<br />

„<br />

Ich wollte<br />

mein gutes<br />

Leben<br />

zurück!<br />

“<br />

Amro Albaghdadi (26)<br />

arbeitet bei der Digitalagentur<br />

Netzeffekt. Der Syrer<br />

erwarb vor seiner Flucht<br />

nach Österreich im September<br />

2015 einen akademischen<br />

Abschluss in „Mass<br />

Communication“. Amro<br />

absolvierte das biber-Praxistraining<br />

„Medien, Journalismus<br />

und Kommunikation“<br />

im Frühling 2017.<br />

Marko Mestrović<br />

Dr. Roland_ Anzeige Biber_207x66mm<br />

Integration war gestern<br />

Der neue Stil von Sebastian Kurz ist politisch erfolgreich<br />

aber ökonomisch daneben. biber-Chefredakteur Simon<br />

Kravagna über die Kürzung der AMS-Gelder für Flüchtlinge.<br />

Wenn man selbst erlebt hat, wie Integration<br />

funktioniert, dann lässt einen der<br />

„neue Stil“ von Kanzler Kurz ratlos zurück.<br />

War es nicht der junge Kurz, der Politik<br />

abseits der Scheuklappen und Ideologien<br />

betreiben wollte? Dem es – so betonte er<br />

immer wieder - darum ging, Probleme zu analysieren,<br />

um diese dann pragmatisch zu lösen? Oder galt<br />

dies nur bis zur Kanzlerschaft?<br />

Anders sind zumindest die Kürzungen der AMS-<br />

Gelder für Flüchtlinge kaum zu deuten. Wie der<br />

bürgerliche AMS-Chef Johannes Kopf zu Recht argumentiert,<br />

geht es bei der Integration von Flüchtlingen<br />

am Arbeitsmarkt um eine rein ökonomische Rechnung.<br />

Jeder Flüchtling, der einen Job hat, ist ein Gewinn.<br />

Und jeder eingesetzte Euro, der beschäftigungslose<br />

Flüchtlinge aus der Mindestsicherung raus holt, ist<br />

daher eine sinnvolle Investition.<br />

DIE WAHRHEIT IST<br />

Die Regierung unter Kurz tut das Gegenteil. Es wird bei<br />

Integration gespart, nicht investiert. Die Mittel für das<br />

gerade erst eingeführte Integrationsjahr werden um<br />

die Hälfte gekürzt. Anders als behauptet ist es schlichtweg<br />

falsch, dies mit sinkenden Flüchtlingszahlen zu<br />

rechtfertigen. Die Wahrheit ist: Es kommen zwar immer<br />

weniger Flüchtlinge nach Österreich. Aber es kommen<br />

immer mehr Flüchtlinge zum AMS. Ganz einfach<br />

• AHS-Matura<br />

• Berufsreifeprüfung<br />

• Studienberechtigungsprüfung<br />

• Sprachkurse, Latinum<br />

• Fernunterricht<br />

(Beginn jederzeit)<br />

Beginn: Frühjahr & Herbst<br />

aufgrund der Tatsache, dass immer mehr<br />

Asylberechtigte gut genug Deutsch<br />

sprechen, um überhaupt eine Chance<br />

auf einen Job zu haben. Konkret waren<br />

im März 2015 rund 15.000 Flüchtlinge<br />

beim AMS gemeldet, im März 20<strong>18</strong> waren<br />

es mehr als 32.000.<br />

Rund 30 Prozent aller Flüchtlinge, die 2015 nach<br />

Österreich gekommen sind, haben bereits einen Job.<br />

Für viele ist das eine erschreckend niedrige Zahl.<br />

International gesehen ist es aber ein echter Erfolg,<br />

der auch durch sinnvolle Projekte, Unterstützungsleistungen<br />

und Trainingsprogramme des AMS erreicht<br />

wurde. Auch biber hat dazu ein bisschen etwas beigetragen<br />

– durch einen Kurs für geflüchtete Menschen<br />

aus dem Medienbereich.<br />

GESCHWÄTZ VON GESTERN<br />

Wir wissen daher ganz genau, wie schwierig es ist,<br />

Flüchtlinge am Arbeitsmarkt zu integrieren. Aber<br />

es geht, wie Ayham Youssef, Amro Albaghdadi und<br />

andere TeilnehmerInnen des biber-Programms gezeigt<br />

haben. Und es zahlt sich unterm Strich für Österreich<br />

aus. Aber offenbar zählen ökonomische Überlegungen<br />

weniger als populistischer Aktionismus. Politisch wird<br />

das sicher erfolgreich sein. Da mache ich mir keine<br />

Illusionen. Aber war das mit der Integration nur das<br />

Geschwätz von gestern, Herr Kurz? ●<br />

HÖCHSTE<br />

ERFOLGSZAHL<br />

ÖSTERREICHS<br />

54 / KARRIERE /<br />

Tel.: 01/523 14 88, Neubaugasse 43, 1070 Wien, www.roland.at


Was machst du in deinem<br />

Job?<br />

Ich mache Videos und<br />

fotografiere auch.<br />

Was magst du an deinem<br />

Job?<br />

Jeder Tag ist anders. Man muss auch<br />

schnell sein. Beides ist gut. Ich mag<br />

keine Routine und bin ungeduldig.<br />

Was hast du vorher gemacht?<br />

Vor meiner Flucht habe ich Jus studiert<br />

und als Video-Reporter und Fotograf<br />

gearbeitet.<br />

Wie bist du zum Standard gekommen?<br />

Im biber-Kurs habe ich mich bei mehreren<br />

Medien für ein Arbeitstraining<br />

als Fotograf beworben. Ich hatte viele<br />

Zusagen und bin dann im Sommer 2017<br />

zum Standard. Dort wurden einige Fotos<br />

von mir für Stories verwendet. Auch zwei<br />

Videos habe ich gemacht. Offenbar habe<br />

ich damals gute Sachen gemacht, weil<br />

ich jetzt den Job bekommen habe.<br />

Das klingt, also ob es nicht so schwer<br />

wäre?<br />

In Österreich ist es einfacher als in<br />

Syrien einen Job zu finden. Es geht<br />

darum, dass du etwas kannst und<br />

nicht nur darum, wen du kennst. Glück<br />

braucht man natürlich überall.<br />

Was sagen andere Flüchtlinge zu deiner<br />

Story?<br />

Viele sind überrascht. Sie glauben nicht<br />

daran, dass man einen Job bekommen<br />

kann und sitzen nur zu Hause. Am wichtigsten<br />

ist es, immer aktiv und unterwegs<br />

zu sein, um Arbeit zu suchen. Ich<br />

habe im arabischen Supermarkt gehakelt<br />

und sogar einmal am Weihnachtsmarkt<br />

Marmelade verkauft.<br />

„<br />

Ich<br />

habe auch<br />

Marmelade<br />

verkauft.<br />

“<br />

Ayham Youssef (26) arbeitet als<br />

Cutter, Videomacher und Fotograf<br />

bei „Der Standard“. Der Syrer<br />

studierte vor seiner Flucht im Jahr<br />

2015 Jus und arbeitete bereits als<br />

Fotograf in Syrien. Im Frühling 2017<br />

absolvierte Ayham das biber-Praxistraining<br />

„Medien, Journalismus und<br />

Kommunikation“.<br />

Tesla Motors, Steven Hoskins—AP/REX/Shutterstock, microsoft, MA33/Stadt Wien<br />

MEINUNG<br />

Rebellion der<br />

Maschinen<br />

Nun ist es passiert. Der erste Mensch<br />

ist durch einen Unfall mit einem<br />

selbstfahrenden Auto gestorben.<br />

Doch das markiert nicht den Beginn<br />

des Aufstands und die Versklavung<br />

durch die Maschinen. Es zeigt lediglich<br />

auf tragische Weise, dass die<br />

hochgepriesene Künstliche Intelligenz<br />

dem Menschen (noch) nicht überlegen<br />

ist. Egal, ob Tesla oder Mercedes:<br />

Hände aufs Lenkrad, Augen auf die<br />

Straße – ein Fahrzeug lenken ist<br />

immer noch eine Verantwortung,<br />

egal wie viele technische Hilfen<br />

aktiv sind. Spurhalt-, Notbrems- und<br />

Einpark-Assistenz ersetzen nicht die<br />

Aufmerksamkeit und das berühmte<br />

„Gefühl“, das man im<br />

Straßenverkehr häufig<br />

braucht. Wer meint,<br />

bei Tempo 130 km/h<br />

seinen Social-Media<br />

Feed checken zu müssen,<br />

hat nichts hinter<br />

dem Lenkrad verloren.<br />

bezeczky@dasbiber.at<br />

TECHNIK & MOBIL<br />

Alt+F4 und der Tag gehört dir.<br />

Von Adam Bezeczky<br />

Xbox<br />

auf dem<br />

U-Boot<br />

Die USS Colorado, das neueste U-Boot der<br />

Virginia-Klasse der US Marine, hat offiziell<br />

einen Xbox-Controller an Board. Wozu?<br />

Damit wird der brandneue „Opto-Elektronische<br />

Mast“ - also das Periskop - des<br />

Bootes gesteuert. Zunächst hat man mit<br />

einem Helikopter-Joystick herumexperimentiert,<br />

aber die Nutzung des Controllers, mit<br />

dem sich die junge Generation auskennt<br />

und nicht erst erlernt werden muss, bringt<br />

Vorteile - man kann nur hoffen, dass die<br />

Matrosen nicht vergessen, dass sie nicht in<br />

einem Spiel sind...<br />

1200<br />

SENSOREN<br />

AN WIENER<br />

AMPELN<br />

Bald können Verkehrsampeln<br />

mehr als nur Rot-Gelb-<br />

Grün anzeigen. Die Stadt<br />

Wien verbaut, zusammen<br />

mit Zentralanstalt für<br />

Meteorologie und Geodynamik<br />

(ZAMG) an 1200<br />

Verkehrsampeln Sensoren,<br />

mit denen Wetterdaten<br />

und weiter Umweltdaten<br />

gesammelt werden. Ziel ist<br />

es, mit den gewonnenen<br />

Daten Hitzeinseln aufzuspüren<br />

und die Ökologie einer<br />

Metropole noch besser zu<br />

verstehen.<br />

DAUMENSCHRAUBEN<br />

GEGEN WERBUNG<br />

Google macht ernst. Im Vorjahr<br />

wurden mehr als 3,2 Milliarden<br />

Werbeanzeigen, die böses im Schild<br />

führten oder sonst gegen die Werberichtlinien<br />

verstießen, aus dem<br />

Werbenetzwerk von Google entfernt.<br />

Zum Vergleich: das entspricht<br />

mehr als 100 Werbeanzeigen pro<br />

Sekunde. Das geschieht mit Hilfe<br />

von Algorithmen und soll Nutzer vor<br />

schädlichen Inhalten schützen.<br />

56 / KARRIERE /<br />

/ TECHNIK / 57


MEINUNG<br />

Smash the<br />

Patriarchy With Me<br />

Es ist an der Zeit für einen kurzen und schmerzhaften<br />

Real Talk. Männer überschätzen sich<br />

selbst am laufenden Band – wir Frauen tun<br />

oft das Gegenteil. Es nervt mich, dass ich mir<br />

Fragen wie: „Bin ich gut? Bin ich gut genug?“<br />

stelle. Wie selbstkritisch ich bin. Wie schwer es<br />

mir manchmal fällt, mit mir selbst zufrieden zu<br />

sein. Dabei will ich niemandem etwas beweisen.<br />

Außer mir selbst. Und trotzdem: Ich höre<br />

von Frauen aus meinem Umfeld Aussagen wie<br />

„Aber dann hab’ ich mich doch nicht getraut.“,<br />

„Ich weiß’ nicht, ob ich das kann.“, „Ich glaube<br />

das war mein Fehler.“ – während die Männer um<br />

mich herum nur so vor Selbstbewusstsein zu<br />

strotzen scheinen, und nicht ihre Klappe darüber<br />

halten können, wie toll sie doch sind. Nicht<br />

böse gemeint – ihr könnt nichts dafür. Schuld<br />

sind gesellschaftliche Konstrukte. Uns Frauen<br />

wird von klein auf beigebracht, es jedem Recht<br />

machen zu wollen. Bloß nicht zu viele Umstände<br />

bereiten, nicht zu aufdringlich sein, bloß nicht<br />

zu viel Platz einfordern. Platz, der dann von<br />

Männern eingenommen wird. Weil sie gelehrt<br />

bekommen, dass sie sich alles holen, was sie<br />

wollen. Ist ein Mann selbstbewusst, wird das<br />

allgemein als attraktiv betrachtet – strahlt eine<br />

Frau ein hohes Selbstwertgefühl aus, fällt das<br />

schnell in die Arroganz-Schublade. Deshalb gehe<br />

ich mit arrogantem Beispiel voran: Mädels, ihr<br />

seid gut genug. Und zwar nicht für Männer, nicht<br />

für andere Frauen, sondern für euch selbst.<br />

tulej@dasbiber.at<br />

LIFE & STYLE<br />

Mache mir die Welt, wie sie<br />

mir gefällt<br />

Aleksandra Tulej<br />

BEAUTY TIPP<br />

WENN DIE HAUT STRESST<br />

Ich habe zwar fast nie Pickel, trotzdem fühlt sich meine<br />

Haut nach einem langen Tag wie die einer alternden<br />

Schildkröte an. Also, ich weiß ja nicht, wie es alternden<br />

Schildkröten geht, aber meine ist dann einfach<br />

grindig. Ur-Trocken, fleckig und ich würde sie mir<br />

am liebsten einfach abziehen. Das hat das Leben<br />

in der Stadt halt so an sich – es stresst die Haut:<br />

Für das ganze Make-Up, den Staub und Schmutz<br />

rächt sich unsere Haut dann eben. Kennt ihr dieses<br />

Gefühl? Dann habe ich für euch den Jackpot. Die<br />

neue Urban Skin Linie von Nivea ist genau für die<br />

Auswirkungen des urbanen Lebens gemacht: Mit<br />

Antioxidantien, Grüntee und Hylauronsäure macht<br />

sie die Haut wieder frisch<br />

und schön. – Sogar meine<br />

schlimme Schildkrötenhaut<br />

hat ihren Panzer abgelegt.<br />

Was macht deine<br />

Cakes so besonders?<br />

Alle Torten sind<br />

absolute Einzelstücke,<br />

jeder<br />

Kuchen wird<br />

komplett individuell<br />

gefertigt<br />

und erzählt seine<br />

eigene Geschichte<br />

– es geht<br />

nicht nur um das<br />

geschmackliche,<br />

sondern auch<br />

um das optische<br />

Erlebnis. Ich will<br />

Torten aus diesem<br />

Old School<br />

Eck holen: „Es<br />

gibt halt einen<br />

Anlass und dafür<br />

braucht man halt eine Torte.“-<br />

NEIN! The Cake brings the party.<br />

Meine Cakes sollen die Menschen<br />

zum Staunen<br />

bringen.<br />

3<br />

In welcher Preisrange<br />

FRAGEN AN: liegen deine Cakes?<br />

Um das herauszufinden,<br />

muss man<br />

Sophia Stolz mir einen Liebesbrief<br />

Cake-Artistin aus Wien<br />

schreiben. Wäre sonst<br />

ja langweilig.<br />

Wo bekommt man<br />

deine Kunstwerke?<br />

Nachdem jede Torte<br />

durch einen innigen,<br />

lustigen oder verrückten<br />

Austausch<br />

(E-Mail) mit einem<br />

Cakeeater entsteht,<br />

gibt es mein Cakeporn<br />

nur auf Bestellung.<br />

Sophias Torten könnt<br />

ihr auf ihrem Instagramprofil<br />

@stolzes oder unter<br />

www.cakeporntime.com bestaunen<br />

Marko Mestrović, Nivea, bereitgestellt<br />

Marko Mestrović<br />

MEINUNG<br />

Der perfekte<br />

Kalorienzähler<br />

MANN & BODY<br />

Du bist,<br />

was du isst<br />

Von Artur Zolkiewicz<br />

Wer schon mal Kalorien gezählt hat, der<br />

weiß, wie anstrengend und deprimierend<br />

es sein kann. Wie kann man die<br />

Portionsgröße kontrollieren ohne dabei<br />

einen Kalorienzähler verwenden zu<br />

müssen? Die Lösung liegt wortwörtlich<br />

auf der Hand. Eine balancierte Mahlzeit<br />

sollte aus Proteinen (z.B. Fleisch,<br />

Fisch), Kohlenhydraten (z.B. Reis,<br />

Süßkartoffeln) und Fetten (z.B. Nüsse,<br />

Avocado) bestehen. Dazu ist es wichtig,<br />

dass man mit jeder Mahlzeit genügend<br />

Gemüse isst. Deine eigene Handfläche<br />

stellt dabei das perfekte Maß dar,<br />

welches Dir dabei helfen kann, die<br />

richtige Portionsgröße zu bestimmen.<br />

Eine Portion Eiweiß entspricht in etwa<br />

der Größe des Handtellers, eine Portion<br />

von Kohlenhydraten sollte nicht größer<br />

als eine zu Schale gehaltene Hand sein,<br />

die Daumengröße entspricht einer Portion<br />

vom Fett und das Gemüse auf dem<br />

Teller sollte so groß wie die Faust sein.<br />

4-6 Portionen (ca. 1500-2100 Kalorien)<br />

für aktive Frauen und 6-8 Portionen (ca.<br />

2300 -3000 Kalorien) pro Tag für aktive<br />

Männer von jedem dieser Lebensmittel<br />

gelten als optimal. Natürlich muss man<br />

dabei auf die Ergebnisse achten und die<br />

Portionsgröße je nach Bedarf anpassen.<br />

zolkiewicz@dasbiber.at<br />

Tipp<br />

Wasser mit Salz<br />

in der Früh<br />

Trinke gleich nach dem<br />

Aufwachen ein Glas Zitronen-<br />

oder Limettenwasser<br />

mit Salz. Dieses Getränk<br />

kann positive Auswirkungen<br />

auf die Verdauung haben,<br />

es aktiviert die Nebenniere<br />

und hilft bei der Entgiftung.<br />

Das Salz sorgt für einen extra<br />

Mineralien-Boost. Wichtig:<br />

Tafelsalz sollte nicht verwendet<br />

werden. Wähle Farbenfrohe<br />

Salze wie z.B. Himalaya<br />

Salz, “fleur del sel” oder<br />

hawaiisches Salz, da diese<br />

die Hauptelektrolyte (Magnesium,<br />

Kalium, Kalzium und<br />

Natrium) liefern und somit<br />

Salzabsorption erleichtern.<br />

Zahl<br />

des Monats<br />

13%<br />

Laut einer Umfrage lügen<br />

13% der Menschen, dass sie<br />

ins Fitnessstudio gehen. Sie<br />

sagen zwar, dass sie trainieren<br />

gehen, dabei gehen sie ganz<br />

woanders hin.<br />

FUN FACT<br />

Je mehr man schläft,<br />

desto effektiver kann der<br />

Körper das Körperfett<br />

verbrennen.<br />

58 / LIFESTYLE /<br />

/ LIFESTYLE /


Wer denkt, dass Männer<br />

zum türkischen Friseur<br />

gehen, sich schnell die<br />

Haare schneiden lassen<br />

und wieder rausgehen,<br />

irrt sich gewaltig. Das<br />

Dejawu im 16. Bezirk ist<br />

einer der Orte, an denen<br />

sich Männer ihr kleines<br />

Spa-Treatment gönnen.<br />

Super männlich, versteht<br />

sich.<br />

Von Jelena Pantić-Panić,<br />

Fotos: Marko Mestrović<br />

WO MÄNNER<br />

SCHÖN SEIN<br />

DÜRFEN<br />

60 / LIFESTYLE / / LIFESTYLE / 61


BART MACHT HART<br />

Bei den Haaren wird geschnitten, was<br />

gerade in ist. Aber Bärte sind eine Kunst für<br />

sich. Mit eigenem Fachjargon, versteht sich.<br />

Der Bart wird entweder in derselben Länge<br />

oder mit Verlauf gestutzt. Besitzer Şenol<br />

verteilt den Rasierschaum auf dem Gesicht<br />

und entfernt mit einer Klinge Schaum und<br />

unerwünschte Haare. Um das Ergebnis<br />

abzurunden, kommt noch ein spezielles Öl<br />

in den Bart.<br />

WER SCHÖN SEIN WILL,<br />

MUSS LEIDEN<br />

Davon bleiben auch Şenols Kunden nicht<br />

verschont. In einem Behälter wird schwarzes<br />

Wachs aufgewärmt und schließlich an<br />

Stäbchen befestigt. Diese Stäbchen kommen<br />

in die Nase und werden mit einem heftigen<br />

Ruck aus der Nase gezogen, mit ihnen<br />

die lästigen Nasenhaare. Kein angenehmes<br />

Unterfangen – was tut man nicht alles für<br />

die Schönheit.<br />

GISÈLE<br />

VIENNE<br />

CROWD<br />

Mix, Edits, Playlist Peter Rehberg<br />

31. 5. – 2. 6. 20<strong>18</strong><br />

Gösserhallen Wien<br />

WAS NICHT PASST, WIRD<br />

PASSEND GEMACHT<br />

Şenol packt ein neues Instrument aus: Die<br />

„Feder“ zupft Haare vom Gesicht, die die<br />

Klinge nicht erwischt hat. „Tut weniger weh<br />

als Faden“, versichert Şenol. Danach kommt<br />

eine Lotion drauf, um die Haut zu beruhigen.<br />

Eine kurze Gesichtsmassage rundet<br />

das Spa-Feeling ab. Um die Augenbrauen<br />

perfekt zu fassonieren, kommt man aber<br />

am Faden nicht vorbei. Ein Baumwollfaden<br />

wird so gespannt, dass die Härchen in der<br />

Mitte zusammenkommen und beim Zwirbeln<br />

ausgezupft werden. Mit einem Feuerzeug<br />

wird mit den letzten lästigen Härchen in und<br />

um die Ohren kurzer Prozess gemacht – sie<br />

werden beinhart abgefackelt.<br />

WEICH WIE EIN BABYPOPO<br />

Zur Belohnung kommt eine „Black Mask“<br />

und/oder eine Gesichtsmaske mit Tonerde<br />

gegen Unreinheiten aufs Gesicht. Wer<br />

es eilig hat, bekommt die Maske geföhnt,<br />

damit diese schneller trocknet. Die Gemütlichen<br />

vertreiben sich die Zeit damit, sich<br />

türkische Musikvideos auf den Monitoren an<br />

den Wänden anzusehen. Danach pflegt eine<br />

Feuchtigkeitscreme das Gesicht.<br />

SCHÖNE MÄNNER<br />

Warum hat Schönheit überhaupt so einen<br />

großen Stellenwert in der Community? Na<br />

ja, man könnte es dadurch erklären, dass<br />

allgemein Aussehen im letzten Jahrzehnt<br />

massiv an Bedeutung gewonnen hat und<br />

Eitelkeit keineswegs verpönt ist. Oder<br />

auch damit, dass Männer mit den vielen<br />

wunderschönen Frauen mithalten wollen.<br />

Der Hauptgrund ist aber, dass der Friseur<br />

ein sozialer Treffpunkt ist. Hier werden<br />

Ratschläge eingeholt, es wird über Politik<br />

diskutiert, und Freundschaften werden<br />

gepflegt und geschlossen. Dafür erträgt<br />

man gern auch ein bisschen Schmerz.●<br />

Diese Strecke entstand im Rahmen einer Kulturkooperation<br />

mit dem Wien Museum.<br />

FRÜHER SISSI,<br />

HEUTE KYLIE JENNER:<br />

Das Wien Museum zeigt in seiner Ausstellung „Mit<br />

Haut und Haar. Frisieren, Rasieren, Verschönern.“<br />

von 19. April 20<strong>18</strong> bis 6. Januar 2019 wie wichtig<br />

Körperpflege immer schon war und wie sie kulturell<br />

geformt wird und historisch wandelbar ist. Die<br />

Vorbilder ändern sich konstant und auch die<br />

Situation in Wien machte viele Modetrends mit.<br />

Wiener Festwochen<br />

www.festwochen.at<br />

62 / LIFESTYLE /<br />

Foto: © Estelle Hanania<br />

WFW<strong>18</strong>_Biber_103x270abf_20<strong>18</strong><strong>04</strong><strong>04</strong>_rz.indd 1 <strong>04</strong>.<strong>04</strong>.<strong>18</strong> <strong>18</strong>:<strong>18</strong>


MEINUNG<br />

Migos & Mozart<br />

Wenn mich wer fragt, welche Musik<br />

ich gerne höre, krieg ich einen<br />

kleinen Schweißausbruch. Mit “Naja,<br />

alles, hehe” will man nicht dumm<br />

wirken, mit einem fixen Genre wirkt<br />

man zu unflexibel, mit “je nach Lust<br />

und Laune” hat man irgendwie nix<br />

gesagt. Tatsache ist: Ja, du wirst<br />

nach deinem Musikgeschmack<br />

bewertet. Will ich in einem alternativen,<br />

elitären Kreis zugeben,<br />

dass mein Go-To-Bad-Bitch-Song<br />

“Anaconda” von Nicki Minaj ist?<br />

Will ich vor einer Gruppe Azzlacks<br />

zugeben, dass ich gerne Opern<br />

höre und bei “Vesti la giubba”<br />

jedes Mal bissi weinen muss? Mein<br />

Musikgeschmack richtet sich nach<br />

der Phase, in der ich mich gerade<br />

befinde. Will ich abschalten, abshaken<br />

oder abheulen? Wenn man sich<br />

nicht beanspruchen will, eignet sich<br />

Gangsterrap ganz gut, zum Feiern<br />

ist Mainstream oder Jugo King und<br />

zum Nachdenken und Traurigsein<br />

hat jede ihre eigene Emo-Playlist.<br />

Ich antworte in Zukunft auf die Frage<br />

“Was hörst du gerne?” einfach<br />

“Migos bis Mozart”, je nachdem, ob<br />

ich mich hart oder intelligent fühlen<br />

will. Was hörst du gerne?<br />

pantic@dasbiber.at<br />

KULTURA NEWS<br />

Verstaubte Museen sind<br />

Schnee von gestern.<br />

Von Jelena Pantić-Panicć<br />

Bowie-<br />

Fieber<br />

Thomas Jerome Newton<br />

sitzt in seinem Apartment in<br />

Manhattan und betäubt sich<br />

mit Gin. Vor vierzig Jahren<br />

kam er als strahlender Alien<br />

auf die Erde, jetzt will er nur<br />

noch eins: in Ruhe sterben.<br />

Unter die Dämonen und<br />

Bekannten, die ihn davon<br />

abhalten, mischt sich ein<br />

Mädchen, das Erlösung<br />

verspricht. Zu zweit greifen<br />

sie nach den Sternen. Miloš<br />

Lolić führt Regie in “Lazarus”,<br />

dem neuen Musical am<br />

Volkstheater mit 17 Songs<br />

von David Bowie. Nach<br />

gefeierten Aufführungen in<br />

New York und London wird<br />

Lazarus erstmals mit deutschen<br />

Dialogtexten produziert,<br />

in Österreich exklusiv<br />

vom Volkstheater. Termine<br />

von 9. – 20. Mai 20<strong>18</strong>, weitere<br />

Infos unter<br />

www.volkstheater.at<br />

Film-Tipp<br />

PIO<br />

Der 14-jährige Pio wächst in einer italienischen<br />

Küstenstadt zwischen italienischen<br />

Dorfbewohnern, Geflüchteten<br />

aus Afrika und der Roma-Community<br />

auf. Als sein großer Bruder Cosimo<br />

spurlos verschwindet, wird Pios<br />

Leben auf eine harte Probe gestellt.<br />

“PIO“, der zweite Spielfilm von Jonas<br />

Carpignano ist ab 13. April 20<strong>18</strong><br />

in den Kinos.<br />

Der vielfältigste<br />

Ball des Jahres<br />

Unter dem Motto “Your time is now” findet<br />

am 5. Mai 20<strong>18</strong> der elfte Diversity Ball statt.<br />

Als Statement gegen Ausgrenzung steht im<br />

Mittelpunkt der Partynacht ein Lebensgefühl<br />

des Zusammenhalts. Alles ist erlaubt<br />

und jede_r ist willkommen, ohne Frage<br />

nach Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung,<br />

Behinderung, Herkunft oder Religion.<br />

Auf Barrierefreiheit wird besonders viel<br />

Wert gelegt: Rollstuhlzugänglichkeit sowieso,<br />

Getränkekarten in Brailleschrift sowie<br />

Moderation und Mitternachtsquadrille in<br />

Gebärdensprache gibt es auch. Außerdem<br />

unterstützen Communication Angels Gehörlose<br />

und Hörende bei der Unterhaltung. Ein<br />

3D-Modell hilft Blinden bei der Orientierung<br />

und PickUp-Tänzer_innen sorgen dafür, dass<br />

auch wirklich alle diese Ballnacht genießen<br />

können. Alle Infos und Tickets unter<br />

www.diversityball.at<br />

Marko Mestrović, Diversity Ball, Volkstheater, bereitgestellt<br />

Klaus Pichler, Jelena Pantić-Panić<br />

East Side vs. West Side<br />

Mit ihrer neuen Ausstellung „Byzanz und<br />

der Westen – 1000 vergessene Jahre“<br />

wird die Schallaburg ihrem Anspruch, ein<br />

Begegnungsort zu sein, einmal wieder gerecht.<br />

Wie Missverständnisse zwischen Brüdern im<br />

Mittelmeerraum blutig endeten und was das<br />

mit dem heutigen Österreich zu tun hat.<br />

Wenn ihr jünger seid, stehen<br />

die Chancen hoch, dass ihr<br />

noch nie etwas von Byzanz<br />

gehört habt. Weil wir kaum<br />

etwas darüber lernen. Dabei<br />

kommt ein großer Teil der<br />

neuen ÖsterreicherInnen aus<br />

diesem Kulturkreis. Also Kurzfassung:<br />

Im 4. Jahrhundert<br />

teilte sich das Römische Reich<br />

in Ost und West. Der byzantinische<br />

Osten ist orthodox,<br />

der Westen katholisch. Der<br />

Osten spricht Griechisch, der<br />

Westen Latein. Im heutigen<br />

Osten sind Türkei, Balkan,<br />

Arabische Halbinsel und Nordafrika.<br />

Im heutigen Westen<br />

zum Beispiel Italien und<br />

Österreich. Mit „Byzanz und<br />

der Westen – 1000 vergessene<br />

Jahre“ setzt die Schallaburg<br />

bis 11. November 20<strong>18</strong><br />

den Fokus auf vergessene<br />

Geschichte, die heute nicht<br />

aktueller sein könnte.<br />

(MISS-)VERSTÄNDIGUNG<br />

Über Exponate wie Ikonen,<br />

Münzen, Reliquien und vielem<br />

mehr lernen wir, wie die beiden<br />

Seiten miteinander kommunizierten,<br />

was sie verbunden,<br />

was sie getrennt hat. Der<br />

Handel blühte, Byzanz war<br />

eine absolute Supermacht und<br />

man tauschte sich aus: Kunst,<br />

Seide, Edelsteine. Und wenn<br />

etwas noch begehrter war als<br />

Seide und Gold zusammen,<br />

dann waren das byzantinische<br />

Prinzessinnen. Doch die Erfolgsstory<br />

beginnt zu knacksen:<br />

Konkurrenz, Machtgier und<br />

Misstrauen sind zu groß.<br />

Besonders spannend ist der<br />

Raum „Gemischte Gefühle“.<br />

Ein Raum voller Schubladen,<br />

die mit „Vorsicht, Misstrauen,<br />

Anerkennung oder Verachtung“<br />

beschriftet sind. Vorurteile, die<br />

so stark behaftet sind, dass sie<br />

teilweise bis heute anhalten.<br />

Schlussendlich spalten die<br />

Vorurteile und die misslungene<br />

Kommunikation Ost und West<br />

mehr als die tatsächliche Teilung:<br />

das Mittelmeer.<br />

WAS HAT DAS MIT<br />

UNS ZU TUN?<br />

Byzanz ist ein europäisches<br />

Thema, obwohl es aus dem<br />

Bewusstsein der westlichen<br />

Kultur gedrängt wurde. Auch<br />

heute spielt das Mittelmeer<br />

eine bedeutende Rolle, auch<br />

heute sind Krieg und religiöse<br />

Konflikte nicht überwunden.<br />

Ängste, Sehnsüchte, Macht und<br />

Einfluss sind zeitlose Themen.<br />

„Jene Mechanismen, die<br />

Konstantinopel zu Fall gebracht<br />

haben, wiederholen sich heute<br />

in den Medien“, sagt der künstlerische<br />

Leiter Kurt Farasin.<br />

Keine gemeinsame Sprache<br />

sowie fehlende Menschlichkeit<br />

und Augenhöhe, führen<br />

unweigerlich zur Katastrophe.<br />

Mit sechs Jahren ist das die in<br />

der Schallaburg am längsten<br />

vorbereitete Ausstellung, mit<br />

einer erfolgreichen Verbindung<br />

von wissenschaftlichem<br />

Anspruch und Vermittlung mit<br />

fantastischen Illustrationen,<br />

interaktiven Elemente und<br />

ausgebildeten VermittlerInnen.<br />

Man kann „Byzanz und der<br />

Westen“ als Wochenendausflug,<br />

Information oder Mahnmal<br />

verstehen, früher begangene<br />

Fehler nicht zu wiederholen.<br />

Dieser Artikel ist eine entgeltliche Schaltung in Form einer Kulturkooperation mit der Schallaburg. Die redaktionelle Verantwortung liegt allein bei biber.<br />

64 / KULTURA / / KULTURA / 65


GEFÄHRLICH<br />

GUTE FILME!<br />

„Mutig ist, wer<br />

sich seinen<br />

Ängsten stellt.“<br />

Der 25-jährige Belgrader Milan<br />

Marić über #MeToo in der<br />

serbischen Filmszene, Ängste als<br />

Schauspieler und wie ihn seine<br />

erste Hauptrolle als russischer<br />

Schriftsteller Dovlatov zum<br />

Mann gemacht hat.<br />

Von Jelena Pantić-Panić<br />

<strong>BIBER</strong>: Du musstest für deine Rolle als<br />

russischer Schriftsteller Sergei Dovlatov<br />

15kg zunehmen, Russisch lernen und<br />

monatelang alleine in einer Wohnung in St.<br />

Petersburg verbringen. Wie hast du diesen<br />

Zeitraum überstanden?<br />

MILAN MARIĆ: Mein Aufenthalt in<br />

Russland hat mich zum Mann gemacht.<br />

Ich musste mich sehr viel mit mir selbst<br />

beschäftigen. Nach der anfänglichen<br />

Euphorie packten mich Zweifel: „Bin ich<br />

gut genug? Was, wenn ich den Regisseur<br />

enttäusche?“ Aber ich wusste, jetzt gibt<br />

es kein Zurück. Meine Familie und der<br />

Regisseur Aleksei German haben mich sehr<br />

unterstützt. Sein Mut und bedingungsloses<br />

Vertrauen haben mich mehr motiviert,<br />

mein Bestes zu geben, als es ein Vertrag je<br />

könnte.<br />

Generell hast du eine angsteinflößende<br />

Branche gewählt, wie gehst du mit deinen<br />

Ängsten um?<br />

So sehr ich meinen Job genieße, so sehr<br />

flößt er mir Angst ein. Das ist wohl mit allen<br />

Dingen so, die einem etwas bedeuten. Und<br />

kaum hat man eine Angst überwunden,<br />

kommen schon neue dazu. Man muss<br />

manchmal sagen: „Ich kann jetzt nicht, ich<br />

muss mal durchatmen.“ Mutig ist, wer sich<br />

seinen Ängsten stellt. Als Schauspieler<br />

wirst du konstant in deinem ganzen Wesen<br />

bewertet. Aber gerade als Künstler musst<br />

du dich einfach immerzu hinterfragen und<br />

mit dir ringen. Aber nicht durch Ego, sondern<br />

mithilfe verschiedener Blickwinkel.<br />

Die #MeToo-Bewegung betraf die Filmindustrie<br />

stark. Wie ist die Situation in Serbien?<br />

In Serbien gab es bisher keinen Fall, der an<br />

die Öffentlichkeit geraten ist. Das bedeutet<br />

aber sicher nicht, dass nichts dergleichen<br />

vorgefallen ist. Erschwerend kommt dazu,<br />

dass es eine kleine Szene ist und die Angst<br />

vor Verurteilung und Ohnmacht enorm ist.<br />

Deshalb bin ich Teil der UN-Aktion #heforshe,<br />

weil sich so viele Leute wie nur möglich<br />

für dieses Thema engagieren müssen. Ein<br />

Social Media Status reicht aber noch lange<br />

nicht. All diese Frauen waren so mutig,<br />

ihre Traumata zu teilen. Ich hoffe nur sehr,<br />

dass dieses monströse System tiefgreifend<br />

verändert wird. Die #metoo Bewegung war<br />

leider nur der erste Schritt. Es erwartet uns<br />

jahrelange, harte Arbeit an der Aufarbeitung<br />

dieses Themas.<br />

Nikita Mihaylov<br />

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66 / KULTURA /<br />

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Die Seilbahn war besonderes 1984 von großer Bedeutung, als die Olympischen Winterspiele in Sarajevo stattfanden.<br />

Im Krieg wurde sie zerstört, seit April fährt sie wieder.<br />

Eine<br />

Seilbahn als<br />

Liebesbeweis<br />

Sie galt lange Zeit als eines der Symbole Sarajevos und<br />

war nach dem Jugoslawienkrieg eine schmerzhafte<br />

Erinnerung an vergangene Tage: die Trebević-Seilbahn.<br />

Seit April ist sie wieder in Gang, eine Schlüsselrolle<br />

spielt bei dem Wiederaufbau ein holländischer Millionär<br />

und die Liebe zu seiner Frau und Sarajevo.<br />

Text und Fotos: Alexandra Stanić<br />

Ich werde nie vergessen, wie meine<br />

Frau Maja und ich 1991 auf den<br />

Trebević gefahren sind“, erinnert sich<br />

Edmond „Eddy“ Offermann. „Es war das<br />

erste und für lange Zeit das letzte Mal,<br />

dass wir die Seilbahn genutzt haben.“<br />

Kurz darauf erreicht der Krieg auch Sarajevo.<br />

1425 Tage - so lange wird die Stadt<br />

belagert. Am 5. April 1992 marschieren<br />

serbische Truppen in die bosnischherzegowinische<br />

Hauptstadt ein. Mit<br />

der Einnahme des Flughafens beginnen<br />

vier lange Jahre Krieg in Sarajevo, die<br />

Bewohner*innen sind von der Außenwelt<br />

abgeschnitten. Mehr als 11.000 sterben,<br />

tausende Gebäude wurden zerstört,<br />

Kulturgut für immer ausradiert. Auch die<br />

Seilbahn zu Sarajevos Hausberg Trebević<br />

fällt den Auseinandersetzungen zum<br />

Opfer. Als die Belagerung beginnt, wird<br />

das Seil abgetrennt, damit keine Bomben<br />

von Serben damit nach unten gebracht<br />

werden können. Später wird die Anlage<br />

vollständig zerstört, das Gebiet rund um<br />

die Seilbahn wurde vermint.<br />

Erst 1998, nach dem Krieg und dem<br />

Abschluss des Daytoner Friedensabkommens,<br />

besucht Eddy Offermann Sarajevo<br />

wieder. Der 58-Jährige ist Kernphysiker.<br />

Als er ins Finanzgeschäft wechselt, wird<br />

er mit Hedgefonds zum Millionär. Auch<br />

seine Frau Amra Serdarović ist Kernphysikerin,<br />

ihren Spitznamen „Maja“ hat sie<br />

bekommen, weil sie im Mai Geburtstag<br />

hat. Sie ist in demselben Jahr geboren,<br />

in dem die alte Seilbahn eröffnet wurde:<br />

1959. Maja stammt aus Sarajevo und<br />

hat eine enge Bindung zu ihrer Heimatstadt.<br />

Obwohl sie schon als Studentin<br />

auswandert, ist sie mindestens einmal<br />

im Jahr zu Besuch. „Nur zwischen 1992<br />

und 1997 war ich nicht hier“, erzählt die<br />

Kernphysikerin. Als sie das erste Mal von<br />

Eddys Idee, die Seilbahn wieder aufzubauen,<br />

hört, kann sie sich eine Realisierung<br />

nicht vorstellen. „Ich habe mich nur<br />

gefragt: Was tut sich Eddy da an?“, sagt<br />

sie und bezieht sich damit auf die bosnische<br />

Bürokratie, die das Projekt Seilbahn<br />

um ein Haar verhindert hätte. „Aber Eddy<br />

ist sehr konsequent, viele Jahre später<br />

hat er sein Ziel erreicht und ich könnte<br />

nicht glücklicher darüber sein.“ Fragt<br />

man Eddy Offermann, was die Beweggründe<br />

für seine großzügige Spende von<br />

3,8 Millionen Schweizer Franken sind, hat<br />

er schnell eine Antwort parat. „Ich habe<br />

es für die alte Generation von Sarajevo<br />

gemacht“, so der Millionär. „Die Seilbahn<br />

hat gefehlt, damit die Stadt wieder die<br />

alte ist.“<br />

26 JAHRE SPÄTER<br />

Am 6. April 20<strong>18</strong>, am Tag der Stadt<br />

Sarajevo, wird das Wahrzeichen feierlich<br />

in Betrieb genommen. Es ist ein<br />

sonniger Tag, Bürgermeister Abdulah<br />

Skaka begrüßt 15 Bürgermeister*innen<br />

und 50 Delegationen aus aller Welt.<br />

Die Stimmung ist aufgeregt, Menschen<br />

drängen um die Gondel herum und<br />

fahren zur Bergstation nach oben, die<br />

nach dem Seilbahn-Mitarbeiter Ramo<br />

Biber benannt ist. Er wurde während des<br />

Krieges erschossen, die Täter wurden<br />

nie identifiziert. Die Eröffnung ist ein<br />

besonderer Tag für die Einwohner*innen<br />

der Stadt, auch Abdulah Skaka wird<br />

emotional, während er über die Seilbahn<br />

spricht. Er selbst ist 50 Meter von<br />

ihr aufgewachsen: „Als die Seilbahn im<br />

Krieg zerstört wurde, haben wir Kinder<br />

immer davon geträumt, dass die Anlage<br />

eines Tages wieder in Betrieb genommen<br />

wird.“ Morgen erfüllt sich einer seiner<br />

Kindheitsträume, so Skaka, aber er sieht<br />

die Wiederaufnahme auch als politischen<br />

Akt. „Wir werden nicht vergessen, was<br />

passiert ist, aber wir wollen mit der Seilbahn<br />

zwei Ethnien einen.“ Der Trebević-<br />

Berg befindet sich an der Grenze<br />

zwischen den zwei Entitäten des Staates<br />

Bosnien-Herzegowina: der Föderation<br />

und der Republika Srpska.<br />

EIN SYMBOL<br />

DES FRIEDENS<br />

Die Seilbahn war besonders 1984<br />

von großer Bedeutung, als die Olympischen<br />

Winterspiele in Sarajevo<br />

stattfanden. Eddy Offermann vertraut<br />

darauf, dass die Wiedereröffnung den<br />

Stadteinwohner*innen wieder Mut<br />

macht. Der Kernpysiker sieht Sarajevo<br />

als Beirut von Europa. „Außerdem ist die<br />

Stadt genauso schmutzig wie New York,<br />

das mag ich sehr gern“, so der 58-Jährige.<br />

„Sarajevo ist eine weltoffene Stadt<br />

und wenn ich hier zu Besuch bin und die<br />

Seilbahn sehe, dann weiß ich, dass ich<br />

etwas dazu beitragen konnte.“<br />

Die Sarajlije, so werden die Bewohner<br />

Sarajevos genannt, sehen die Eröffnung<br />

als Schritt in die Zukunft – auch wenn<br />

nicht alle den gleichen emotionalen<br />

Bezug zu ihr haben. Die 26-jährige Nada<br />

etwa empfindet keine so große Aufregung,<br />

wenn sie an die Seilbahn denkt.<br />

„Ich bin 1991 geboren, ich kannte die<br />

alten Gondeln also gar nicht“, so die<br />

Grafikdesignerin. „Aber wenn ich in das<br />

Gesicht meiner Eltern blicke, realisiere<br />

ich, welche Bedeutung die Seilbahn<br />

für sie hat. Nicht, weil sie damit zum<br />

Trebević fahren können, sondern weil<br />

sie ein wichtiger Teil Sarajevos war.“<br />

Viele Einwohner*innen hoffen darauf,<br />

ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit<br />

mit dem Wiederaufbau abschließen zu<br />

können, auch wenn die Wunden nicht<br />

ganz verheilt sind. „Ich habe niemanden<br />

15 Bürgermeister*innen aus aller Welt<br />

waren eingeladen, einer davon war der<br />

Wiener Bürgermeister Michael Häupl.<br />

mehr, mit dem ich auf den Trebević<br />

fahren könnte“, erzählt ein älterer Herr<br />

im Stadtzentrum. „Alle meine Freunde<br />

von früher sind verstorben.“ Er holt eine<br />

Zigarette aus seiner Jackentasche, blickt<br />

nachdenklich in Richtung des Trebević–<br />

Bergs. „Aber die Seilbahn ist ein Symbol<br />

für Frieden und es ist wichtig für Sarajevo,<br />

dass sie wieder zurück ist.“ ●<br />

Maja Serdarović und Edmond Offermann besuchen Sarajevo mehrmals im Jahr. Die<br />

Wiedereröffnung der Trebević-Seilbahn ist für die beiden ein emotionaler Moment.<br />

Der Südtiroler Seilbahnhersteller Leitner ropeways hat die<br />

Kabinenbahn in Sarajevo gebaut, das Projektvolumen beträgt<br />

insgesamt – inklusive Seilbahn, Bauarbeiten und einem neuen<br />

Hotel an der Bergstation – neun Millionen Euro. Die neue 10er-<br />

Kabinenbahn bringt Tourist*innen und Bewohner*innen direkt aus<br />

dem Zentrum auf den 1.160 Meter hohen Hausberg Sarajevos. Die<br />

33 Kabinen können stündlich bis zu 1200 Personen transportieren,<br />

die Fahrtzeit beträgt sieben Minuten und 15 Sekunden. Leitner<br />

ropeways hat biber zur Eröffnung der Seilbahn eingeladen.<br />

68 / OUT OF AUT /<br />

/ OUT OF AUT / 69


„Die Leiden des jungen Todor“<br />

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Von Todor Ovtcharov<br />

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Ich bin an streunende Hunde gewöhnt. Ich<br />

habe sie immer als einen Teil der bulgarischen<br />

Wirklichkeit wahrgenommen. Es war irgendwie<br />

natürlich, die Rudel im Winter um den Mistkübel<br />

oder im Sommer in der Sonne liegend zu sehen.<br />

Meine Eltern erzogen mich tierlieb zu sein und die<br />

Streuner gehörten dazu. In unserem Block wohnte<br />

der Hund Seelchen. Das war der hässlichste Hund,<br />

den ihr euch vorstellen könnt. Klein, dürr, mit kahlen<br />

Stellen im Fell und ein ewig hängender Bauch.<br />

Seelchen brachte immer wieder neue Welpen zur<br />

Welt. Wir, die Kinder aus dem Block, versammelten<br />

uns regelmäßig um die Welpen herum und stellten<br />

uns vor, was aus ihnen werden wird. Eines sollte ein<br />

Wachhund werden, ein anderes ein Polizeihung, ein<br />

drittes – wie Leika im Weltall fliegen. Eines Tages<br />

verschwand Seelchen mit ihren Welpen. Man sagte<br />

uns, dass sie von der Behörde zur Bekämpfung der<br />

streunenden Hunde weggebracht worden ist. Eine<br />

Oma vom Block ging zu ihrem Keller und traf dort auf<br />

Seelchen. Der Hund sah in der Oma eine Gefahr für<br />

ihre Welpen und biss sie. So verschwand Seelchen.<br />

Die anderen Kinder und ich hassten die Oma und alle<br />

Behörden. Am Abend sammelten wir uns und stellten<br />

uns vor, was man mit den Streunern macht, wenn<br />

man sie aufsammelt. Wir glaubten an böse Wächter<br />

mit Stöcken, eine Hundesklaverei und Menschen, die<br />

die Hunde häuten, um Mäntel daraus zu machen. Ich<br />

hörte in jedem Pelzmantel das Bellen von Seelchen.<br />

In den letzten zehn Jahren wurden die Straßenhunde<br />

in Bulgarien deutlich weniger, in Österreich<br />

gibt es sie eh gar nicht. Ich hatte sie vergessen, bis<br />

ich auf Urlaub in die asiatischen Tropen fuhr. Hier<br />

waren die streunenden Hunde überall. Genau die<br />

gleichen Hunde, die in der Sonne lagen und sich<br />

um die Mistkübel versammelten. Außer den streunenden<br />

Hunden, gab es auch streunende Pfaue und<br />

streunende Varane. Einmal gingen wir spazieren. Ein<br />

Varan verfolgte uns. Bald wurden sie zwei, danach<br />

drei und vier. Einige Pfaue kamen dazu. Egal, wo wir<br />

hinggingen, die Varane und die Pfaue kamen uns<br />

nach. Das war anfangs lustig, dann wurde es nervig<br />

und am Ende hatten wir Angst. Ich suchte nach<br />

einem Stock, um sie zu vertreiben. Eigentlich hatte<br />

ich keine Ahnung, wie man mit einem Rudel Varane<br />

und Pfaue klarkommt. Dann auf einmal kam uns ein<br />

Hund entgegen. Er bellte die Varane und die Pfaue<br />

an und vetrieb sie in einer Minute. Dann kam er zu<br />

uns und wedelte mit seinem Schwanz. Ich schaute<br />

ihn genau an – es war Seelchen! Der gleiche Hund<br />

aus meiner Kindheit, mit dem gleichen hängenden<br />

Bauch und hässlichem Fell. Der gleiche liebe Hundeblick.<br />

Bis ich „Seelchen!“ zu ihr rufen konnte, war<br />

sie verschwunden im tropischen Gras nebenan. Ich<br />

dachte mir, dass Wiedergeburt möglich ist. Wie sonst<br />

konnte ich mir das erklären? Es gibt vielleicht keinen<br />

besseren Ort für einen Streuner als hier. Es ist ewiger<br />

Sommer, man findet immer was zu essen und es gibt<br />

keine Behörde zur Straßenhundebekämpfung. Ich<br />

war im Hundenparadies! ●<br />

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