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Österreichische Post AG; PZ <strong>18</strong>Z<strong>04</strong>1372 P; Biber Verlagsgesellschaft mbH, Museumsplatz 1, E 1.4, 1070 Wien<br />
www.dasbiber.at<br />
SCHEIDUNG<br />
AUF<br />
SYRISCH<br />
DENIZ YÜCEL<br />
SPRICHT<br />
BOSPORUS<br />
LIEBT<br />
BALKAN<br />
MIT SCHARF<br />
FRÜHLING<br />
20<strong>18</strong><br />
ANTI-PILLE<br />
DER MANN IST DRAN
WIEN MUSEUM<br />
KARLSPLATZ<br />
3<br />
minuten<br />
mit<br />
Saya<br />
Ahmad<br />
Saya Ahmad (SPÖ) wird die<br />
neue Bezirksvorsteherin am<br />
Alsergrund. Damit ist sie<br />
die erste Bezirk-Chefin mit<br />
Migrationshintergrund.<br />
Von Melisa Erkurt, Fotos: Christoph Liebentritt<br />
Cover der Zeitschrift „Friseurjugend“, Dezember 1950 © Wien Museum<br />
<strong>BIBER</strong>: Wohnen Sie eigentlich auch im<br />
Neunten?<br />
SAYA AHMAD: Nicht mehr. Weil wir<br />
aus familiären Gründen eine größere<br />
Wohnung gesucht haben, sind wir in<br />
den zehnten Bezirk gezogen. Jetzt sind<br />
wir aber wieder für eine Wohnung im<br />
Neunten vorgemerkt.<br />
Was ist Ihr Lieblingsort im Neunten?<br />
Unter anderem der Lichtentaler-Park,<br />
weil hier unterschiedliche Bevölkerungsschichten<br />
zusammenkommen.<br />
Sonst haben Jugendliche aus unterschiedlichen<br />
sozialen Gruppen ja kaum<br />
Kontakt miteinander. Das möchte ich<br />
mit der Gründung einer Bezirksjugendvertretung<br />
ändern. Ich möchte generell<br />
mit Grätzeltouren und Sprechstunden<br />
im öffentlichen Raum Begegnungspunkte<br />
für alle schaffen.<br />
Was hat Sie dazu bewegt, in die Politik<br />
zu gehen?<br />
Meine persönliche Geschichte. Als ich<br />
sieben war, mussten wir als Kurden vor<br />
Saddam Husseins Regime aus dem Irak<br />
fliehen. Auf der Flucht habe ich fürchterliche<br />
Dinge gesehen. In Österreich<br />
sind wir erst einmal nach Traiskirchen<br />
gekommen. Diese Fluchterfahrung hat<br />
mich politisiert.<br />
Sie sind in Klagenfurt aufgewachsen.<br />
Wie haben Sie die Zeit in Kärnten<br />
erlebt?<br />
Damals unter Haider war die Stimmung<br />
ähnlich wie sie jetzt gerade in Österreich<br />
ist. Mein Nachbar meinte mal zu<br />
mir, er wünschte Hitler wäre noch da<br />
und hat mir „euch werden wir auch<br />
noch erwischen!“ hinterhergerufen. Als<br />
ich meiner Volksschullehrerin einmal<br />
erzählt habe, dass ich ans Gymnasium<br />
möchte, meinte sie: „Da sehe ich<br />
schwarz für dich.“<br />
Sie sind von Ihrer Herkunft her Muslima.<br />
Welche Rolle spielt Ihr Glaube?<br />
Ich bin keine praktizierende Muslima.<br />
Trotzdem sehen mich die Leute oft in<br />
der Verantwortung, wenn es um den<br />
Islam geht. Die Religion wird auch<br />
dann zum Thema gemacht, wenn mich<br />
jemand persönlich angreifen will.<br />
Wie stehen Sie zum Kopftuchverbot für<br />
SchülerInnen? SPÖ-Parteimanagerin<br />
Novak hat sich ja dafür ausgesprochen.<br />
Ich bin gegen das Kopftuchverbot,<br />
auch an Schulen. Damit drängt man<br />
die Mädchen in die Privatsphäre. In<br />
Österreich herrscht Unterrichts- und<br />
keine Schulpflicht. Wir müssen mit den<br />
Schülerinnen pädagogisch arbeiten,<br />
aber sie nicht ausschließen.<br />
Name: Saya Ahmad<br />
Alter: 33<br />
Geburtsort: Kirkuk (Irak)<br />
Besonderes: Engagiert<br />
sich beim Verein “Liga für<br />
emanziptorische Entwicklungszusammenarbeit”<br />
/ 3 MINUTEN / 3
3 3 MINUTEN MIT<br />
SAYA AHMAD<br />
Die erste migrantische Bezirksvorsteherin<br />
6 FACE OF THE MONTH:<br />
CESAR SAMPSON<br />
Österreichs Hoffnung beim Eurovision<br />
Song Contest<br />
10 IVANAS WELT<br />
Das wäre mal geschafft! Ivana ist Mutter<br />
geworden und glücklich – wäre da nicht ihr<br />
„serbischer Klan“.<br />
POLITIKA<br />
14 SCHEIDEN AUF SYRISCH<br />
Immer mehr syrische Flüchtlinge lassen sich in<br />
Österreich scheiden. Was auffällt: Die Trennung<br />
geht vor allem von den Frauen aus.<br />
20 BILDUNGSMINISTER<br />
HEINZ FASSMANN IN<br />
ZAHLEN<br />
22 PILLE ABSETZEN?<br />
Immer mehr Frauen verzichten auf die<br />
Pille – aufgrund von gesundheitlichen und<br />
feministischen Gründen. Eine Reportage.<br />
28 DAS LEBEN DANACH<br />
Der türkische Journalist Deniz Yücel in seinem<br />
ersten Interview nach seiner Freilassung.<br />
RAMBAZAMBA<br />
34 BUREK LIEBT BÖREK<br />
Könnt ihr den Wind der Liebe spüren?<br />
Er kommt aus dem Südosten und trägt<br />
Balkanesen und Türken auf Wolke 7.<br />
40 JUNG UND OBDACHLOS<br />
Wie wird man mit sechzehn obdachlos?<br />
Eine Reportage aus der Notschlafstelle für<br />
Jugendliche.<br />
KARRIERE<br />
50 ENGAGIERT EUCH!<br />
Andrea fordert mehr Engagement von der<br />
Generation Praktikum, lernt das clevere<br />
Notizbuch kennen und hat Tipps für alle<br />
FOMOS da draußen!<br />
22<br />
MEIN WILLE –<br />
KEINE PILLE<br />
Immer mehr<br />
Frauen setzen<br />
die Antibabypille<br />
ab. Nicht nur aus<br />
gesundheitlichen<br />
Gründen, sondern<br />
auch, weil sie darin<br />
einen feministischen<br />
Akt sehen.<br />
Sie wollen endlich<br />
wieder ihren Körper<br />
und ihre Sexualität<br />
spüren – die Pille<br />
soll doch der Mann<br />
nehmen<br />
14<br />
SYRISCHE SCHEIDUNGEN<br />
Geschiedene Frauen werden in Syrien von der<br />
Gesellschaft ausgeschlossen. In Österreich<br />
entdecken viele Syrerinnen ihre neuen<br />
Freiheiten und trennen sich von ihren Männern.<br />
34<br />
IN HALT MÄRZ<br />
20<strong>18</strong><br />
40<br />
BÖREK LIEBT<br />
BUREK<br />
Warum verlieben<br />
sich Menschen<br />
vom Balkan<br />
besonders häufig<br />
in jene aus der<br />
Türkei? Wir haben<br />
versucht das<br />
Liebesgeheimnis<br />
der Balkan-<br />
Bosporus-<br />
Leidenschaft zu<br />
entschlüsseln.<br />
Über Sultan,<br />
Sarma und<br />
Schwiegermütter.<br />
KEIN PLATZ ZUM<br />
SCHLAFEN<br />
Mit 9 verliert Jelena<br />
ihre Eltern, mit<br />
sechzehn landet sie<br />
auf der Straße. Die<br />
Jugendnotschlafstelle<br />
fängt sie wieder<br />
auf.<br />
Inhalt: Marko Mestrović, Alexandra Stanić, Zoe Opratko, Coverfoto: Alexandra Stanić<br />
52 SELBERMACHER<br />
Chima Rameez Okpalugo rappte zuerst, dann<br />
studierte er Business-Pläne, bevor er seinen<br />
Fitness-Tempel in Wien-Meidling eröffnete.<br />
54 LESEN SIE BITTE DIESE<br />
GESCHICHTE, HERR KURZ.<br />
Die Regierung spart bei den AMS-Geldern<br />
für Flüchtlinge. Damit werden Erfolgstories<br />
wie jene von Ayham und Amro in Zukunft<br />
schwieriger.<br />
TECHNIK<br />
58 DIE MASCHINEN<br />
SCHLAGEN ZURÜCK.<br />
Adam über die Probleme der Robo-Cars<br />
LIFE & STYLE<br />
60 NICHT NUR SÜSSES<br />
Aleks über Kuchen, Cremes und<br />
Selbstvertrauen<br />
61 13% DER MENSCHEN LÜGEN<br />
wenn sie sagen, sie gehen ins Fitnessstudio<br />
62 DIE HOHE KUNST DER<br />
BART-OLOGIE<br />
Männer und ihr Bart – da darf nicht jeder ran.<br />
KULTUR<br />
68 KULTURNEWS<br />
Jelena geht zum Diversity-Ball, lässt sich das<br />
Theaterstück „Lazarus“ mit Musik von David<br />
Bowie nicht entgehen und hasst die Frage:<br />
„Welche Musik hörst du gerne?“<br />
OUT OF AUT<br />
68 GONDELN ÜBER SARAJEVO<br />
1992 wurde die Trebević-Seilbahn in Sarajevo<br />
im Krieg zerstört. Anfang April wurde sie<br />
feierlich wiedereröffnet. biber war dabei.<br />
70 DIE LEIDEN DES<br />
JUNGEN TODOR<br />
In Wien gibt es viele Hunde. Aber wo bitte<br />
bleiben die bulgarischen Streuner?
FACE<br />
OF THE MONTH:<br />
CESAR<br />
SAMPSON<br />
Von Aleksandra Tulej<br />
Bisher ist Cesar Sampson eher weniger im Rampenlicht gestanden,<br />
obwohl er schon lange in der Musikbranche tätig ist. Dieses<br />
Jahr vertritt er Österreich mit dem Lied „Nobody but you“ beim<br />
Eurovision Song Contest in Portugal. Das ist nicht sein erster<br />
Auftritt dort: Er war bereits mehrmals als Backgroundsänger und<br />
Texter für den Song Contest tätig, dieses Jahr steht er aber eben<br />
zum ersten Mal im Mittelpunkt auf der Bühne. Dabei ist es für ihn<br />
nicht das Wichtigste, den ersten Platz zu bekommen. „Gewinnen<br />
heißt nicht, dass man langlebig als Künstler was davon hat.<br />
Man kann aber meiner Meinung nach sehr wohl davon profitieren,<br />
wenn man einen guten Platz beim Song Contest erreicht.<br />
Es kommt darauf an, welchen musikalischen Schwerpunkt<br />
man hat“, sagt der 34-Jährige. Seine Verbundenheit zur Musik<br />
hat Cesar quasi geerbt.<br />
Er kommt aus einem Künstlerhaushalt. Seine Mutter ist Pianistin<br />
und Choreografin, er ist also quasi in Studios und Proberäumen<br />
aufgewachsen. Der gebürtige Linzer war außerdem schon mit<br />
sechs Jahren in einem Musikvideo von Michael Jacksons Schwester<br />
LaToya zu sehen. Die Liebe zur Musik blieb bis heute. Cesar<br />
ist Sänger, Musiker, Produzent, Personal Trainer und Vocal Coach<br />
– also von allem etwas. Passend dazu kündigt er auch für seinen<br />
ESC-Song „Nobody but you“ an, dass dort mehrere Genres<br />
aufeinandertreffen werden. „Je mehr ich probe, desto<br />
weniger nervös bin ich vor meinem Auftritt“. Der<br />
ESC geht am 8. Mai los, Cesar bleibt also<br />
noch genug Zeit zum Proben, bis<br />
er eine super Show abliefern<br />
kann.<br />
ORF<br />
6 / MIT SCHARF /<br />
/ MIT SCHARF / 7
Liebe LeserInnen,<br />
Frühlingsgefühle gibt es wirklich. Das beweisen nicht nur<br />
Wissenschaftler, sondern auch unsere Balkan-Türken-Pärchen. Bei<br />
ihnen machen sich Frühlingsgefühle schon konstant seit 1463 breit.<br />
Wir haben versucht, herauszufinden, warum sich Menschen vom<br />
Balkan oft in jene vom Bosporus verlieben: Über Sultan, Sarma und<br />
Schwiegermütter lest ihr ab S.32.<br />
Doch nicht bei allen Pärchen geht es friedlich und liebevoll zu. –<br />
Wenn die Gefühle verflogen sind und die Ehe nicht mehr zu retten,<br />
lassen sich viele Paare hierzulande scheiden. Was in Österreich<br />
nicht unüblich ist, erweckt in Syrien immer noch große Emotionen<br />
– so kann nach islamischem Recht eine Scheidung nur vom Mann<br />
beantragt werden. Für viele Syrerinnen, die als Flüchtlinge nach<br />
Österreich kamen, ist die Tatsache, dass sie sich hier einfach so<br />
von ihrem Mann trennen können, ein großer Schritt in Richtung<br />
Selbstbestimmung. Welche Herausforderungen sie dabei<br />
bewältigen müssen, könnt ihr ab S.24. lesen.<br />
Während für viele Syrerinnen ihre Emanzipation ein relativ neues<br />
Phänomen ist, waren für Europäerinnen die 1960er Jahre eine<br />
wichtige Zeit für ihre Selbstbestimmung – einen großen Beitrag<br />
dazu leistete die Anti-Baby-Pille, die damals auf den Markt kam. Sie<br />
war lange ein Symbol für Unabhängigkeit und Emanzipation – seit<br />
einigen Jahren setzen allerdings immer mehr Frauen die Pille ab.<br />
Was ihre Gründe dafür sind und wie es um die Pille für den Mann<br />
steht, lest ihr ab Seite 14. Eines vorab: Frauen wollen wieder ihren<br />
Körper und ihr Befinden so spüren, wie es ist. Und eben auch diese<br />
Frühlingsgefühle.<br />
Scharfe Bussis,<br />
die Redaktion<br />
IMPRESSUM<br />
MEDIENINHABER:<br />
Biber Verlagsgesellschaft mbH, Quartier 21,<br />
Musuemsplatz 1, E-1.4, 1070 Wien<br />
HERAUSGEBER & CHEFREDAKTEUR:<br />
Simon Kravagna<br />
STV. CHEFREDAKTEUR/IN:<br />
Amar Rajković<br />
Delna Antia (karenziert)<br />
CHEFIN VOM DIENST:<br />
Melisa Erkurt<br />
Alexandra Stanić<br />
Jelena Pantić-Panić (karenziert)<br />
CHEFREPORTER/INNEN:<br />
Melisa Erkurt<br />
Alexandra Stanić<br />
FOTOCHEF:<br />
Marko Mestrović<br />
KOLUMNIST/IN:<br />
Ivana Cucujkić, Todor Ovtcharov<br />
REDAKTION & FOTOGRAFIE:<br />
Bilal Albeirouti, Lea Bacher, Adam<br />
Bezeczky, Alex Dietrich, Emir<br />
Dizdarević, Susanne Einzenberger,<br />
Nada El-Azar, Martina Gregorova,<br />
Andrea Grman, Mamo Issa, Nour Khelifi,<br />
Sophie Kirchner, Nikolina Knezević,<br />
Christoph Liebentritt, Zoe Opratko,<br />
Julia Peternell, Adis Serifović,<br />
Salme Taha Ali Mohamed, Aleksandra<br />
Tulej, Artur Zolkiewicz<br />
ART DIRECTOR: Dieter Auracher<br />
LEKTORAT: Christina Gaal<br />
CORPORATE SOCIAL INNOVATION:<br />
Andrea Grman<br />
BUSINESS DEVELOPMENT:<br />
Andreas Wiesmüller<br />
GESCHÄFTSFÜHRUNG:<br />
Simon Kravagna<br />
Wilfried Wiesinger<br />
REDAKTIONSHUND:<br />
Tito<br />
KONTAKT: biber Verlagsgesellschaft mbH<br />
Quartier 21, Museumsplatz 1,<br />
E-1.4, 1070 Wien<br />
Tel: +43/1/ 9577528<br />
redaktion@dasbiber.at<br />
marketing@dasbiber.at<br />
abo@dasbiber.at<br />
WEBSITE: www.dasbiber.at<br />
ÖAK GEPRÜFT 1. HJ 2017:<br />
Druckauflage 85.000 Stück<br />
verbreitete Auflage 80.601 Stück<br />
DRUCK: Mediaprint<br />
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Einer von 10.000 neuen Plätzen<br />
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8 / MIT SCHARF /<br />
019815T3 WL 10.000 Plätze Brigitta 207x270 Biber ET14.<strong>04</strong>. NP.indd 1 27.03.<strong>18</strong> 13:43
In Ivanas WELT berichtet die biber-Redakteurin<br />
Ivana Cucujkić über ihr daily life.<br />
IVANAS WELT<br />
OH, IT’S A KIND!<br />
QUALITÄT<br />
die man schmeckt!<br />
RESPEKT<br />
gegenüber den Tieren!<br />
ZUKUNFT<br />
für die regionale Landwirtschaft!<br />
Ich hab’s geschafft. Ich bin nun endlich ein vollwertiges Mitglied der<br />
Gesellschaft. Denn ich habe ein Kind geboren. Konfetti!<br />
Die Baby-News bahnten sich langsam – nein,<br />
Scherz, ziemlich rasant – ihren Weg sogar bis ins<br />
Dorf nach Ostserbien und nahmen den Verschwörungstheoretikern<br />
ganz schön Wind aus den Gossip-Segeln.<br />
Oh, kann ich wohl doch Kinder bekommen.<br />
Ah, passt wohl doch alles zwischen uns und<br />
da unten. Weil, Faustregel: Wenn sich der erste<br />
Erbe nicht nach ca. drei Jahren ankündigt, muss<br />
es wohl einen dramatischen Grund geben, logisch.<br />
ENDLICH BABY-WHATSAPP-GRUPPE!<br />
Nö, kein Fruchtbarkeitsdrama, keine Ehekrise.<br />
Einfach nur keinen Bock gehabt. Jetzt dröhnt natürlich<br />
allgemeine Erleichterung durch die innerfamiliären<br />
Kreise. Hab ich nun die credibility einer<br />
vollwertigen Erwachsenen, zumindest in der Wertewelt<br />
einiger Verwandter und solcher, die das<br />
Leben anderer aus Prinzip ungefragt kommentieren.<br />
Meine Eltern müssen sich nicht mehr wie<br />
enkellose Aussätzige fühlen. Können nun auch im<br />
WhatsApp nervige Babychatgruppen bilden, sich’s<br />
im Wett-Enkelvergleich voll geben und komplett<br />
unnötige Baby-Events planen. Weil die muss man.<br />
Macht jeder. Bringt vielleicht sonst Unglück, dreizehn<br />
Jahre Regen oder whatever....<br />
Dieses Kind war kaum auf der Welt, hatte es bereits<br />
mehr gesellschaftliche Pflichten als Prince<br />
George von England. Während ich bei den Nachwuchs-Basics<br />
hing und versuchte, Mullwindeln<br />
von Spucktüchern zu unterscheiden (es gibt keinen<br />
Unterschied) und die Geburtsaction psychisch<br />
verdaute, wurden anderweitig Festsäle gebucht,<br />
Taufen geplant, ach, und für den ersten Geburtstag<br />
steht die Gästeliste auch halb. Das Kind soll<br />
anständig präsentiert, in die Gesellschaft eingeführt<br />
werden.<br />
SERBISCHER BESUCHER-KLAN<br />
In gesitteten Verhältnissen schickt man ‘nen<br />
Strauß Blumen ins Krankenhaus und Glückwunsch-<br />
Selfies, oder man kündigt sich zaghaft nach einem<br />
Monat zu einem Hausbesuch zum Babygucken an.<br />
Davon halten werdende Balkan-Großeltern und<br />
Tanten aber nicht viel. Also hat mein Mann das<br />
Besucher-Management übernommen, damit das<br />
Personal in der noblen Privatklinik nicht all zu sehr<br />
vom – Originalzitat der Hebamme – „Serbischen<br />
Klan“ überrollt werden konnte.<br />
Das Kind-Präsentier-Happening ist eine große<br />
Sache und macht jeder, der einen Minikredit bewilligt<br />
kriegt und es super findet, dass hundert<br />
Menschen dein Neugeborenes bei Live-Musik und<br />
stickiger Restaurantluft bestaunt. Die anderen<br />
machen sich eine stressfreie Zeit mit dem neuen<br />
Mitbewohner. Ich würde gerne zur zweiten Gruppe<br />
gehören. Aber „es will doch jeder das Kind sehen“.<br />
Als ob es einen allgemeinen Anspruch auf<br />
Babyschauen gibt.<br />
Derzeit scheine ich diesen Kampf um Souveränität<br />
und Selbstbestimmung zum Wohle des großelterlichen<br />
Stolzes zu verlieren. Werden es wohl doch<br />
die gemischte Grillplatte und schweißige Glückwunschschmatzer<br />
werden. So viel zu „vollwertiges<br />
Mitglied der Gesellschaft“.<br />
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Möglichkeit das umzusetzen was ich<br />
für meine Tiere möchte – eine mehr als<br />
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10 / MIT SCHARF /<br />
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POLITIKA<br />
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SCHEIDUNG<br />
AUF SYRISCH<br />
Während einige Syrerinnen<br />
von ihren neuen Freiheiten<br />
und Rechten Gebrauch<br />
machen, wissen viele syrische<br />
Männer nicht, welche Rechte<br />
und Pflichten sie im Falle<br />
einer Scheidung haben.<br />
Immer mehr syrische<br />
Flüchtlinge lassen sich<br />
in Österreich scheiden.<br />
In ihrer Heimat ist die<br />
Scheidung ein Tabu, in<br />
Österreich entdecken<br />
vor allem Syrerinnen<br />
ihre Rechte und Freiheiten<br />
als Frauen.<br />
Text: Melisa Erkurt, Bilal Albeirouti<br />
Fotos: Zoe Opratko<br />
Ranya * schluckt. Ihr fällt es schwer, über die Zeit<br />
zu sprechen, in der sie verheiratet war. „Es war<br />
die schlimmste Zeit meines Lebens“, sagt sie.<br />
Das, obwohl Ranya in ihrem Leben viel durchmachen<br />
musste. Sie ist 2015 vor dem Syrienkrieg nach Österreich<br />
geflohen. Alles war fremd und die Bilder vom Krieg<br />
noch immer so präsent in ihrem Gedächtnis. Als sie Ayhan *<br />
kennenlernt, fühlt sich Wien plötzlich weniger fremd an.<br />
Ayhan ist auch aus Syrien geflüchtet, er weiß, welche Albträume<br />
Ranya nachts heimsuchen, er versteht sie. Deswegen<br />
beschließen beide schon nach wenigen Monaten Beziehung<br />
zu heiraten. „Ayhan war unglaublich nett und weltoffen. Es<br />
fühlte sich an wie die große Liebe“, erzählt die 24-Jährige.<br />
Doch gleich nach der Hochzeit verändert sich Ayhan. Er<br />
fängt an, Ranyas Kleidungsstil zu kritisieren. Ranya trägt zwar<br />
Kopftuch, sie kleidet sich aber gerne modern und in hellen<br />
Farben. Das stört ihren Ex-Mann. „Du bist meine Frau, du<br />
ziehst an, was ich dir sage“, befiehlt er ihr. Nicht nur die Kleidungsvorschriften,<br />
auch seine Familie wird zum Scheidungsgrund:<br />
„Seine Familie lebt ebenfalls in Wien. Wir mussten sie<br />
ständig besuchen und ich musste für alle kochen, obwohl ich<br />
schwanger und müde war.“<br />
Ranya wird nämlich schon wenige Wochen nach<br />
der Hochzeit schwanger. Als ihr Sohn zur Welt kommt,<br />
mischt sich die Familie von Ayhan in die Erziehung ein. Da<br />
beschließt Ranya, dass sie so nicht mehr weitermachen<br />
kann. Sie erkundigt sich im Internet und druckt den Scheidungsantrag<br />
aus. Doch Ayhan weigert sich zwei Monate lang<br />
zu unterzeichnen. Ranya arbeitet in Wien als Buchhalterin,<br />
mit ihrem Gehalt bezieht sie in der Zeit eine neue Wohnung.<br />
Doch erst nachdem Ranyas Bruder mit Ayhan spricht, gibt<br />
er sich einsichtig. „Mein Bruder hat ihm gesagt, dass er<br />
14 / MIT / POLITIKA SCHARF / /<br />
/ POLITIKA / 15
Seit der Flüchtlingswelle 2015<br />
haben die Scheidungsfälle von<br />
Syrern und Syrerinnen laut<br />
Juristin Renua Chadeh erheblich<br />
zugenommen.<br />
20<strong>18</strong><br />
Bei den syrischen Flüchtlingen ist die räumliche Trennung<br />
während der Flucht ein häufiger Scheidungsgrund. Der nachgekommene<br />
Partner kann wenig mit dem neuen westlichen<br />
Lebensstil des anderen anfangen.<br />
Christoph Liebentritt<br />
nichts zahlen muss. Dass ich kein Geld von ihm will, sondern<br />
einfach nur weg von ihm. Daraufhin hat er eingewilligt“, so<br />
Ranya. Seitdem hat sie zu Ayhan keinen Kontakt. Doch frei<br />
ist sie nach der Scheidung noch immer nicht. In Syrien sind<br />
geschiedene Frauen wieder in der Obhut der Eltern, egal wie<br />
alt sie sind. Ranyas Mutter ruft ihre Tochter ständig an, will<br />
wissen, was sie macht und mit wem sie unterwegs ist. Früher<br />
hat Ranya täglich Fotos von sich auf Facebook gepostet,<br />
seit der Scheidung hat sie damit aufgehört. „Was werden die<br />
Leute denken?“, fragt sie ihre Mutter immer wieder.<br />
„GESCHIEDENE FRAUEN VERLIEREN IHRE EHRE“<br />
„Geschiedene Frauen werden in Syrien aus der Gesellschaft<br />
ausgeschlossen“, sagt auch Renua Chadeh. Sie kommt<br />
ursprünglich aus Damaskus, hat dort Rechtswissenschaften<br />
studiert und arbeitet seit 16 Jahren in Wien als Juristin<br />
– aktuell in der Kanzlei Marschall & Heinz. „Seit der<br />
Flüchtlingswelle 2015 haben die Scheidungsfälle von Syrern<br />
und Syrerinnen erheblich zugenommen“, sagt sie. „In ihrer<br />
Heimat mussten die Frauen viel runterschlucken. In Österreich<br />
ist das anders, viele Syrerinnen nehmen von ihren Freiheiten<br />
hier Gebrauch.“ In Syrien hätte Ranya als geschiedene<br />
Frau ihre Ehre verloren und kaum eine<br />
Chance, einen neuen Mann zu finden.<br />
„In Österreich gibt es mehr syrische<br />
Männer als Frauen. Für mich wird es<br />
deshalb hier nicht schwer, einen neuen<br />
syrischen Mann zu finden“, sagt Ranya.<br />
Falls sie das überhaupt möchte. Denn die<br />
24-Jährige ist vorsichtig. „Ich habe einen<br />
Aufenthaltstitel und eine gute Arbeit. Es<br />
gibt Syrer, die würden mich jetzt sofort<br />
„Ayhan war unglaublich<br />
nett und weltoffen.<br />
Es fühlte sich an<br />
wie die große Liebe“<br />
nur deswegen heiraten.“ Ranya ist enttäuscht von Männern,<br />
vor allem von ihrem Ex. „Er hat noch immer keinen fixen<br />
Job und möchte keinen Kontakt zu unserem gemeinsamen<br />
Sohn“, erzählt sie. Juristin Chadeh nimmt solche Männer in<br />
Schutz: „Viele syrische Männer wissen nicht, dass auch sie<br />
von ihrer Frau Unterhaltszahlungen verlangen können, wenn<br />
diese mehr verdient. Wenn ich ihnen das sage, reagieren sie<br />
ablehnend und wollen das Geld aus Stolz nicht annehmen.“<br />
Chadehs Klienten sind zudem überrascht, wenn sie erfahren,<br />
wie das mit dem Besuchsrecht in Österreich funktioniert. In<br />
Syrien ist die Besuchsregelung klar: Buben bis zwölf Jahre<br />
und Mädchen bis fünfzehn Jahre leben bei der Mutter.<br />
Ist dieses Alter überschritten, kommen sie zum Vater. „Die<br />
Männer wissen meist auch nicht, dass sie auch dann bei der<br />
Erziehung mitreden dürfen, wenn die Obhut des Kindes bei<br />
der Frau liegt“, erklärt die Juristin.<br />
DIE FLUCHT ALS SCHEIDUNGSGRUND<br />
Es sind scheinbar eher die syrischen Frauen, von denen die<br />
Scheidung ausgeht. Die Scheidungsgründe sind dabei unterschiedlich.<br />
„Der Hauptgrund einer Scheidung ist meistens die<br />
Eheverfehlung, sprich wenn ein Partner den anderen betrügt.<br />
Bei den syrischen Flüchtlingen ist die<br />
räumliche Trennung während der Flucht<br />
ein weiterer Scheidungsgrund. Also<br />
die Zeit, während der eine schon nach<br />
Österreich geflüchtet ist und der andere<br />
noch in Syrien festsaß“, erzählt Chadeh.<br />
Die Partner leben sich in der Zeit oft auseinander.<br />
Der eine ist schon in Österreich<br />
angekommen und halbwegs integriert,<br />
während für den anderen alles neu und<br />
fremd ist. „Oft ist der Nachgekommene nicht einverstanden mit<br />
dem neuen westlichen Lebensstil des Partners und der Kinder“,<br />
so die Juristin.<br />
Bei Alladin * und Mira * sind es mehrere Gründe, die zur Scheidung<br />
führen. In Syrien waren die beiden fünf Jahre verheiratet<br />
und haben einen 3-jährigen Sohn. Als der Krieg ausbricht, flieht<br />
Alladin zunächst alleine nach Österreich. Drei Jahre später holt<br />
er Mira und den gemeinsamen Sohn im Zuge der Familienzusammenführung<br />
nach. In Österreich streiten die beiden nur noch. „Sie<br />
hat mir vorgeworfen, sie in den drei Jahren hier in Wien betrogen<br />
zu haben“, sagt Alladin. Mira gefällt es nicht, dass es für Alladin<br />
plötzlich normal ist, mit Frauen befreundet zu sein, sie wittert<br />
in jeder Freundin eine Affäre. Doch nicht nur der vermeintliche<br />
Betrug ist für Mira ein Scheidungsgrund. Mira und Alladin haben<br />
damals nicht wirklich aus Liebe geheiratet, ihre Eltern haben sie<br />
einander vorgestellt, dann wurde erwartet, dass sie einander<br />
heiraten.<br />
„WAS ER AM TAG MACHT IST EGAL, SOLANGE ER<br />
ABENDS ZU DIR INS BETT KOMMT“<br />
„Ich habe schon in Syrien das Gefühl gehabt, dass Alladin mich<br />
betrügt und wollte mich dort schon scheiden lassen“, sagt die<br />
30-Jährige. Doch ihre Familie redet ihr das aus. „Alle Männer sind<br />
so. Was er am Tag macht ist doch egal, solange er abends zu dir<br />
ins Bett kommt“, sagt ihre Mutter. In Österreich merkt Mira, dass<br />
eine Scheidung kein Tabu ist. In einer Facebook-Gruppe tauschen<br />
sich syrische Frauen zum Thema Scheidung aus. Dort bekommt<br />
Mira die Nummer von einem arabisch-sprachigen Anwalt, der<br />
sie berät. Doch Alladin will von einer Scheidung nichts wissen.<br />
Er gelobt Besserung und möchte alles tun, damit Mira ihn nicht<br />
verlässt. Nach sechs Monaten stimmt er doch zu, die Scheidung<br />
einzureichen. „Ich habe eingesehen, dass vor allem unser Sohn<br />
unter dem Hin und Her leidet“, sagt Alladin. Alladin und seine Frau<br />
leben von Sozialleistungen, also kann er keinen Unterhalt zahlen.<br />
Alladin hat die gemeinsame Wohnung verlassen und darf seinen<br />
Sohn nur am Wochenende sehen. Eigentlich. „Von zehn Wochen-<br />
16 / POLITIKA / / POLITIKA / 17
In Syrien werden geschiedene Frauen aus der Gesellschaft ausgeschlossen. In Österreich ist das anders, weshalb sich viele erst<br />
hier trauen, sich von ihrem Partner zu trennen.<br />
enden kann ich meine Ex an fünf nicht erreichen und sehe<br />
meinen Sohn dann nicht“, erzählt Alladin. Juristin Chadeh<br />
kennt dieses Problem: „Für den syrischen Mann ist es in<br />
Österreich komplizierter. Die Frau bekommt in den meisten<br />
Fällen die Kinder und die Wohnung.“ Als Flüchtling eine neue<br />
Wohnung zu finden, ist nicht einfach und auch die Besuchsregelung<br />
funktioniert nicht immer so wie sie sollte. „Es gibt<br />
Frauen, die wollen nicht, dass der Mann das Kind sieht und<br />
geben vor, dass das Kind krank sei und er es deshalb nicht<br />
besuchen kann. Dabei hat auch der Mann Rechte“, so Chadeh.<br />
ENDLICH FREI<br />
Layla * sind die Rechte ihres Mannes egal. Zu lange hat er<br />
ihre mit Füßen getreten. In Syrien hat ihr Mann sie und die<br />
Kinder geschlagen. Ihr verboten, alleine auf die Straße zu<br />
gehen. „Er war wie ein Diktator“, sagt die 48-Jährige. Doch<br />
Layla kommt aus einer sehr konservativen Familie, eine<br />
Scheidung kommt für sie damals nicht in Frage. Als der Krieg<br />
ausbricht, verkauft Laylas Mann Amre* die gemeinsame<br />
Wohnung. Mit dem Geld fliehen Layla und die drei erwachsenen<br />
Kinder über Umwege nach Österreich. Amre bleibt<br />
zurück, er will sich noch um die Wäscherei kümmern und<br />
später per Familienzusammenführung nachkommen. Am<br />
Anfang hört sich Layla mit ihrem Mann täglich über Skype.<br />
Als sie den positiven Asylbescheid bekommt, nehmen die<br />
Telefonate ab. Layla lernt in Österreich andere Frauen kennen,<br />
merkt durch die Gespräche mit ihnen, wie falsch ihre<br />
Ehe läuft. Hier in Österreich hat sie keine Verwandten, keine<br />
Nachbarn oder Bekannten, vor deren Gerede sie sich fürchten<br />
muss. Der Gedanke an eine Scheidung macht ihr auf<br />
einmal keine Angst mehr. Im Gegenteil, sie kann gar nicht<br />
mehr aufhören, daran zu denken. Eines Tages fasst sie ihren<br />
ganzen Mut zusammen und sagt Amre am Telefon, dass sie<br />
die Scheidung will. „Das kannst du nicht machen, ich bin der<br />
Mann“, sagt Amre. Nach islamischem Recht kann nur der<br />
Mann die Scheidung vollziehen und zwar indem er dreimal<br />
das Wort „talaq“ (Verstoßung) zu seiner Frau sagt. Es bedarf<br />
keiner weiteren Begründung oder Rechtfertigung durch den<br />
Ehemann gegenüber seiner Frau. Layla atmet tief ein und<br />
sagt dann die Worte, die ihr ganzes Leben verändern sollen:<br />
„Doch, kann ich: Talaq, talaq, talaq“, dann legt sie auf. Amre<br />
ruft sie tagelang an, versucht, ihr über die Kinder auszurichten,<br />
dass sie einen großen Fehler gemacht hat und es<br />
bereuen wird. Er gibt dem westlichen Lebensstil die Schuld,<br />
der hätte seiner Frau den Kopf verdreht. Doch die Kinder<br />
unterstützen ihre Mutter. Irgendwann gibt Amre auf und<br />
lässt seine Frau in Ruhe. Offiziell geschieden sind die beiden<br />
noch immer nicht. Mittlerweile hat Amre aber eine neue Frau<br />
in Damaskus in der Moschee geheiratet. Das ist erlaubt,<br />
weil der Mann im Islam mit mehreren Frauen verheiratet<br />
sein darf. Layla dagegen will keinen neuen Mann. „Ich gehe<br />
alleine zum Deutschkurs, alleine einkaufen, spaziere alleine<br />
durch die Stadt. Ich bin endlich frei“, sagt sie und lächelt. ●<br />
*Namen von der Redaktion geändert<br />
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<strong>18</strong> / MIT SCHARF /
Herr Minister,<br />
wie teuer wird<br />
Schulschwänzen?<br />
Wie groß<br />
sind Sie in<br />
Zentimetern?<br />
Wie viele<br />
Jahre haben<br />
Sie Basketball<br />
gespielt?<br />
Mit wie<br />
vielen Jahren<br />
wurden Sie<br />
Österreicher?<br />
Mit welchem<br />
Alter kamen<br />
Sie von<br />
Deutschland<br />
nach<br />
Österreich?<br />
Wie oft haben<br />
Sie sich als<br />
Minister bereits<br />
über die FPÖ<br />
geärgert?<br />
Wie oft haben<br />
Sie sich als<br />
Minister bereits<br />
über Kanzler<br />
Kurz geärgert?<br />
Wie oft in der<br />
Woche bereuen<br />
Sie, Politiker<br />
geworden<br />
zu sein?<br />
Wie viele<br />
Spitzenpolitiker<br />
können Sie<br />
gar nicht<br />
ausstehen?<br />
Interview in Zahlen:<br />
In der Politik wird schon genug<br />
geredet. biber fragt in Worten,<br />
Bildungsminister Heinz Faßmann<br />
antwortet in Zahlen.<br />
203<br />
30<br />
40<br />
6<br />
2<br />
0<br />
3<br />
4<br />
Von Simon Kravagna, Fotos: Susanne Einzenberger<br />
Bildungsminister Faßmann will null Lehrerinnen mit Kopftuch in<br />
den Schulen – Religionslehrpersonal ausgenommen.<br />
Dreimal die Woche bereut Faßmann, in die Politik gegangen zu<br />
sein. Ihn ärgern vor allem unsachliche Debatten.<br />
Vier frühere Freunde wollen mit dem Neo-Politiker nichts mehr<br />
zu tun haben, seit er mit der FPÖ in einer Regierung sitzt.<br />
Im Alter von sechs Jahren kam Faßmann nach Österreich,<br />
mit 40 Jahren wurde er auch am Papier Österreicher.<br />
Wie viele Euro<br />
haben Sie für<br />
die Deutschförderklassen<br />
pro Jahr?<br />
Wie viele<br />
Deutschförderklassen<br />
wird es<br />
ab Herbst 20<strong>18</strong><br />
geben?<br />
Wie viele<br />
Freunde haben<br />
Sie verloren,<br />
seit Sie mit der<br />
FPÖ in einer<br />
Regierung<br />
sitzen?<br />
Wie viele<br />
Parteien haben<br />
Sie in ihrem<br />
Leben bereits<br />
gewählt?<br />
Bis zu welchem<br />
Alter sollten<br />
Mädchen in<br />
der Schule<br />
kein Kopftuch<br />
tragen?<br />
Wie viele Euro<br />
wird wiederholtes<br />
Schulschwänzen<br />
ab<br />
Herbst mindestens<br />
kosten?<br />
Wie viel wird<br />
wiederholtes<br />
Schulschwänzen<br />
ab<br />
Herbst maximal<br />
kosten?<br />
Wie viele<br />
Prozent der<br />
Lehrerinnen<br />
sollten maximal<br />
Kopftuch<br />
tragen?<br />
Was war Ihre<br />
schlechteste<br />
Note im<br />
Maturazeugnis?<br />
Um wie viel<br />
Prozent wird<br />
das Uni-Budget<br />
steigen?<br />
30.000.000<br />
1.890<br />
4<br />
3<br />
10<br />
110<br />
440<br />
0<br />
4<br />
13<br />
Lehrpersonal für den Religionsunterricht<br />
ausgenommen<br />
20 / POLITIKA /<br />
/ POLITIKA / 21
ANTI<br />
Immer mehr Frauen setzen<br />
die Antibabypille ab. Nicht<br />
nur aus gesundheitlichen<br />
Gründen, sondern auch, weil<br />
sie darin einen feministischen<br />
Akt sehen. Sie wollen endlich<br />
wieder ihren Körper und ihre<br />
Sexualität spüren – die Pille<br />
soll doch der Mann nehmen.<br />
Text: Melisa Erkurt und Alexandra Stanić, Fotos: Alexandra Stanić<br />
Nicole (23) hat vor<br />
sechs Monaten die<br />
Pile abgesetzt.<br />
PILLE<br />
Ich wollte endlich wieder Herrin über meinen Körper<br />
sein“, sagt Hana * . Die 29-Jährige hat nach über einem<br />
Jahr und drei Pillen-Wechsel die Pille nun endgültig<br />
abgesetzt. Als sie 2017 bei ihrem Frauenarzt den<br />
Wunsch äußert, die Pille zu nehmen, fühlt sie sich zunächst<br />
gut aufgehoben. Ihr Arzt nimmt ihr Blut ab. Doch als die<br />
Befunde da sind, wirft er nur einen kurzen Blick auf die<br />
Thrombose-Werte und sagt dann schon: „Passt, ich verschreibe<br />
Ihnen die Yasminelle.“ Familiär bedingt hat Hana<br />
ein erhöhtes Schlaganfall-Risiko, doch ihr Arzt erfragt diese<br />
Informationen erst gar nicht. Auch Hana macht sich keine<br />
Gedanken. Die Pillen-Packung mit den Blumen-Verzierungen<br />
sieht so harmlos aus und außerdem nehmen alle ihre Freundinnen<br />
schon seit Jahren die Pille. In ihrem Freundeskreis ist<br />
sie die letzte, die mit der Pille beginnt.<br />
Doch schon nach wenigen Wochen merkt Hana erste<br />
Veränderungen. Sie, die Adleraugen hat, sieht auf einmal<br />
verschwommen und doppelt. Hana schiebt es zunächst auf<br />
den Stress. Plötzlich wird ihr immer öfter schwindelig, sie<br />
muss sich auf der Arbeit und beim Einkaufen hinsetzen, weil<br />
sie fast ohnmächtig wird. Lust auf Sex hat sie auch keinen<br />
mehr. Da denkt Hana das erste Mal daran die Pille abzusetzen.<br />
Hana ist eine von vielen Frauen, die sich in letzter Zeit<br />
verstärkt mit den Nebenwirkungen der Pille auseinandersetzen.<br />
Die Pille, die einst maßgeblich zur Selbstbestimmung<br />
der Frauen beigetragen hat, wird heute in Frage gestellt.<br />
Besonders auf sozialen Plattformen zeigt sich das deutlich.<br />
Gibt man „Pille absetzen“ auf YouTube ein, erscheinen über<br />
9.000 Videos. Einzelne dieser Videos haben teilweise über<br />
100.000 Abrufe. Im englischsprachigen Raum finden sich<br />
etwa über zwei Millionen Videos, wenn man „stopped taking<br />
birth control“ auf YouTube eingibt. Instagram- und Blogposts<br />
sind da noch nicht miteingerechnet. Größtenteils junge Frau<br />
sprechen auf den sozialen Plattformen darüber, wieso sie die<br />
Antibabypille abgesetzt haben. Darunter reihen sich tausende<br />
Kommentare von anderen Frauen, die dasselbe berichten,<br />
sich austauschen und sich gegenseitig ermutigen, die Pille<br />
abzusetzen. Was besonders auffällt: In derselben Zeit entdecken<br />
junge Frauen mit den sozialen Plattformen einen neuen<br />
Zugang zum Feminismus. Hashtags wie GRLPWR (Girlpower)<br />
und female force dominieren das Web. Das Absetzen der<br />
Pille erscheint vielen als logische Begleiterscheinung zum<br />
selbstbestimmten, gleichberechtigten Leben als Frau. Wenn<br />
Männer keine Hormone nehmen, wieso sollten das Frauen<br />
tun?<br />
„ES IST WOHL GERADE<br />
IM TREND, DIE PILLE<br />
ABZUSETZEN.“<br />
Hana teilt ihre Skepsis der Pille gegenüber mit ihrem Frauenarzt.<br />
Als sie ihm ihre Symptome schildert, verschreibt er<br />
ihr eine andere Pille, die ist genauso wie die Yasminelle vom<br />
Pharma-Riesen Bayer. Bayer wurde in den letzten Jahren<br />
schon mehrmals von Frauen, die von ihren Antibabypillen<br />
lebensgefährliche Nebenwirkungen wie Lungenembolien<br />
erlitten, vor Gericht gebracht. In den USA hat Bayer in außergerichtlichen<br />
Einigungen bereits rund 1,9 Milliarden Dollar<br />
(1,7 Milliarden Euro) an tausende Klägerinnen gezahlt. Das<br />
weiß Hana zu dem Zeitpunkt alles noch nicht. Sie weiß nur,<br />
dass ihr auch die zweite Pille nicht guttut. Die Schwindelanfälle<br />
setzen wieder ein, sie hat immer öfter Kopfweh. Doch<br />
sie möchte die Pille noch immer nicht aufgeben. Hana und<br />
ihr Partner wollen noch keine Kinder und die Pille ist diesbezüglich<br />
die sicherste Verhütungsmethode. Also recherchiert<br />
Hana auf eigene Faust und sucht eine Pille mit möglichst<br />
niedrigem Hormongehalt.<br />
Mit ihrer selbst verordneten Pille geht es Hana zwar bes-<br />
22 / POLITIKA / / POLITIKA / 23
Die Einführung der Antibabypille<br />
in den Sechzigern gilt als Meilenstein<br />
in der Geschichte der Emanzipation<br />
der Frauen. Heute wird<br />
die Pille, die einst maßgeblich zur<br />
weiblichen Selbstbestimmung beigetragen<br />
hat, vor allem von jungen<br />
Frauen in Frage gestellt.<br />
ser, aber der Libidoverlust bleibt. Die 29-Jährige beschließt<br />
die Pille deswegen ganz abzusetzen. Als sie sich bei ihrem<br />
Frauenarzt nach Alternativen zur Verhütung erkundigt,<br />
winkt der genervt ab: „Es ist wohl grad im Trend die Pille<br />
abzusetzen. Aber die Pille ist das einzig wirklich sichere<br />
Verhütungsmittel“, sagt er und beendet das Gespräch.<br />
Hana ist fassungslos. Sie hat sich in letzter Zeit vermehrt für<br />
feministische Themen interessiert und angefangen gesellschaftliche<br />
Normen zu hinterfragen: „Wieso wird in einer<br />
Partnerschaft von der Frau erwartet, sich um die Verhütung<br />
zu kümmern? Wieso muss ich Tag für Tag Hormone zu mir<br />
nehmen? Wieso bin ich dafür verantwortlich und muss<br />
täglich daran denken, die Pille einzunehmen? Wieso gibt es<br />
keine Pille für den Mann?“, fragt sie sich.<br />
Tatsächlich soll neusten Untersuchungen zu Folge die<br />
Pille für den Mann in fünf bis zehn Jahren auf den Markt<br />
kommen. Die soll hormon- und nebenwirkungsfrei sein.<br />
Indem zeitgleich zwei Proteine (α1A-Adrenozeptor und P2X1-<br />
Purinozeptor) gehemmt werden, wird der Spermientransport<br />
während der Ejakulation verhindert. Sogar die Libido und die<br />
sexuelle Aktivität bleiben laut den australischen Forschern<br />
unbeeinflusst. Aber würden Männer die Pille tatsächlich<br />
nehmen? „Selbstverständlich“, ist sich der Gynäkologe Christian<br />
Fiala sicher. „Männer hätten gerne Kontrolle über ihre<br />
Spermien und wollen entscheiden können, ob die Frau ein<br />
Kind von ihnen bekommt.“<br />
EIN FEMINISTISCHER AKT<br />
Die Frage, die sich Doktor Fiala dabei stellt, ist nur: „Werden<br />
Frauen darauf vertrauen, wenn der Mann plötzlich sagt, dass<br />
er die Pille nimmt und sie sich nicht um die Verhütung kümmern<br />
müssen?“ Hana schüttelt den Kopf. „Wahrscheinlich<br />
nicht, da die Frau die ist, die dann schwanger werden könnte<br />
und das Kind austrägt. Außerdem wird uns Frauen von klein<br />
auf beigebracht, dass wir die Verantwortungsvollen sind und<br />
Männern nicht vertrauen können.“ Hana tauscht sich zu dem<br />
Thema Pille seit Monaten intensiv mit ihren Freundinnen aus.<br />
Sie sind sich sicher, dass die Pille für den Mann schon viel<br />
früher hätte kommen können. „Stattdessen wurde zugesehen,<br />
wie Frauen ihre Gesundheit gefährden, die Lust auf Sex<br />
verlieren und depressiv werden.“ Für Hana ist das Absetzen<br />
der Pille definitiv ein feministischer Akt. „Ich gewinne die<br />
Kontrolle über meinen Körper, meinen Geist und meine Sexualität<br />
zurück“, sagt sie. Dabei war die Einführung der Antibabypille<br />
1960 das Zeichen für weibliche Emanzipation. Frauen<br />
konnten auf einmal selber bestimmen, ob sie schwanger<br />
werden. Doch schon damals gab es Frauenrechtlerinnen,<br />
die kritisierten, dass die Pille ein von Männern entwickeltes<br />
Verhütungsmittel sei.<br />
Dr. Fiala steht dem sehr kritisch gegenüber. Als ärztlicher<br />
Leiter des Gynmed-Ambulatoriums für Schwangerschaftsabbruch<br />
und Familienplanung in Wien ist er auf die Betreuung<br />
und medizinische Behandlung von Frauen mit einer<br />
ungewollten Schwangerschaft spezialisiert. „Entweder die<br />
Frauen kontrollieren ihre Fruchtbarkeit oder die Fruchtbarkeit<br />
kontrolliert ihr “, sagt er. Einen feministischen Akt sieht Fiala<br />
„Ich habe keine Lust, mein Leben lang für die Verhütung zuständig<br />
zu sein“, sagt Márcia. „Frauen lassen sich Spiralen und<br />
Ketten in die Gebärmutter einsetzen und Männer müssen nichts<br />
machen?“, fragt sich die 26-Jährige.<br />
im Absetzen der Pille nicht, im Gegenteil: „Die derzeitige<br />
Pillen-Angst führt dazu, dass Frauen ein schlechtes Gewissen<br />
gemacht wird, wenn sie sich wirksam mit der Pille vor ungewollten<br />
Schwangerschaften schützen“, so Fiala.<br />
DIE PILLE ALS ANTICHRIST<br />
Von schlechtem Gewissen will Hana nichts wissen. Tatsächlich<br />
kennt sie aber mittlerweile in ihrem Umfeld keine<br />
Frau mehr, die noch die Pille nimmt. Auch von Márcias<br />
Freundinnen nimmt niemand mehr die Pille, sie haben alle<br />
gleichzeitig abgesetzt. Márcia selbst nimmt die Pille nur, weil<br />
2017 Endometriose bei ihr diagnostiziert wurde. Es handelt<br />
sich bei der Erkrankung um Ansiedlungen von Gebärmutterschleimhaut<br />
außerhalb der Gebärmutter. Im Februar wurde<br />
die 26-Jährige operiert, eine Endometriose-Zyste sowie<br />
Herde an Magen, Darm, Blase und hinter der Gebärmutter<br />
wurden entfernt. Sie nimmt die Pille, weil sie als Therapie bei<br />
Endometriose eingesetzt wird.<br />
„Die Pille wird jetzt als der Antichrist propagiert“, so<br />
Márcia. Ideal findet sie das Verhütungsmittel nicht, aber die<br />
Pille völlig dämonisieren möchte sie trotzdem nicht. „Seit es<br />
die Pille gibt, haben wir Frauen mehr Freiheiten“, gibt sie zu<br />
Marcia Neves<br />
24 / POLITIKA /<br />
/ POLITIKA / 25
edenken. „Zudem kann sie bei Krankheitsbildern wie etwa<br />
Endometriose effektiv eingesetzt werden.“ Márcia wünscht<br />
sich eine Weiterentwicklung der Forschung, sowohl bei<br />
Endometriose als auch bei Verhütungsmethoden für den<br />
Mann. „Ich habe keine Lust, mein Leben lang für die Verhütung<br />
zuständig zu sein“, so die 26-Jährige. „Frauen lassen<br />
sich Spiralen und Ketten in die Gebärmutter einsetzen und<br />
Männer müssen nichts machen?“<br />
DER MANN IST DRAN!<br />
Auch Claudia fragt sich, wann endlich mehr Alternativen<br />
für den Mann kommen. „Es gibt außer dem Kondom kein<br />
anständiges Verhütungsmittel für den Mann. Alles ist auf<br />
die Frau ausgelegt, nur die Frau soll fürs Kinderkriegen oder<br />
eben nicht kriegen zuständig sein“, so die Rechtsanwaltsgehilfin.<br />
„Dabei sollte ein Mann genauso verantwortlich für die<br />
Verhütung sein.“<br />
Mit 16 beginnt Claudia mit der Einnahme der Pille.<br />
Günstig und unkompliziert: Damals sieht sie kein Problem in<br />
der Verhütungsmethode. Während Claudia die Pille nimmt,<br />
hat sie keine Beschwerden. Ihre Haut bessert sich, außerdem<br />
kann sie ihren Zyklus bei einem anstehenden Urlaub<br />
verschieben, das kommt ihr gelegen. „Ich habe die Pille<br />
sofort verschrieben bekommen und konnte auch problemlos<br />
die Marke wechseln, wenn mir die eine zum Beispiel zu<br />
teuer war.“ Viele ihrer Freundinnen haben damals die Pille<br />
genommen, deshalb denkt Claudia nicht weiter über die<br />
Nebenwirkungen nach. 2015 erfährt Claudia, dass sie an<br />
der chronischen Stoffwechselerkrankung Lipödem leidet.<br />
Diese ist vererbbar, betrifft nur Frauen und zeigt sich<br />
durch Unproportionalität der Gliedmaßen, an der Sport und<br />
Ernährung nur begrenzt etwas ändern können. Forscher<br />
gehen davon aus, dass die Krankheit hormonabhängig sein<br />
kann. „Nach der Diagnose habe ich mich natürlich intensiv<br />
mit der Frage befasst, was ich mir mit den vielen Hormonen<br />
angetan haben könnte“, so die 29-Jährige. „Habe ich mir<br />
aus Bequemlichkeit selbst geschadet und die Krankheit<br />
verschlimmert?“ Welche Rolle die Pille dabei gespielt hat,<br />
wird Claudia nie erfahren. „Aber mein Arzt hat mir erklärt,<br />
dass Lipödeme durch hormonelle Veränderungen verstärkt<br />
werden können“, so die Rechtsanwaltsgehilfin.<br />
Neben ihrer Stoffwechselerkrankung erleidet die 29-Jährige<br />
2016, kurz nachdem sie die Pille abgesetzt hat, eine<br />
Sinusvenenthrombose, ein Blutgerinnsel in einer Vene im<br />
Gehirn. Solche Blutgerinnsel können, bleiben sie unentdeckt,<br />
zu einem Schlaganfall oder zum Tod führen. Ähnlich wie bei<br />
dem Lipödem kann nicht eindeutig festgelegt werden, ob<br />
die Thrombose etwas mit der Pille zu tun hat. Ein direkter<br />
Zusammenhang zwischen Pille und lebensgefährlichen<br />
Nebenwirkungen konnte bis jetzt nicht nachgewiesen werden.<br />
Fiala. Das, obwohl er, wie er sagt, wirtschaftlich gesehen von<br />
dem Diskurs profitiert: „Die seit einigen Jahren zu beobachtende<br />
Hormon-Angst in den Medien führt dazu, dass immer<br />
mehr Frauen mit der Pille aufhören. Da es wenig wirksame<br />
Alternativen gibt, führt dies zu mehr Schwangerschaftsabrüchen.<br />
Dies ist aus anderen Ländern dokumentiert und wir<br />
sehen dies auch bei uns im Gynmed Ambulatorium.“ Nur<br />
wären die Frauen, die zu ihm kommen, eben unglücklich,<br />
weil sie abtreiben müssen.<br />
Nicole und die anderen Frauen möchten aber nicht mehr<br />
zu hormonellen Verhütungsmethoden greifen. Solange es<br />
noch nicht die Pille für den Mann gibt, benutzen sie ein Präservativ.<br />
„Mein Freund und ich verhüten jetzt mit Kondom“,<br />
sagt Nicole. Dazu hat sie sich nach langen Gesprächen mit<br />
ihrer Therapeutin und Internet-Recherchen entschieden.<br />
Endgültig Klick gemacht hat es, als sie vor sechs Monaten<br />
Zusammenhänge zwischen ihrer Depression und der Pille<br />
entdeckt. Schon einige Wochen nach dem Absetzen bemerkt<br />
sie erste Veränderungen. „Ich habe mich plötzlich gespürt“,<br />
so Nicole. Die 23-Jährige entwickelt ein neues Körpergefühl,<br />
hat keine Stimmungsschwankungen mehr und endlich<br />
wieder Lust aufs Leben. „Ich verspüre jetzt auch eine ganz<br />
andere Lust auf Sex“, erklärt die Studentin. „Mein Körper<br />
gehört endlich wieder mir.“ ●<br />
* Name von der Redaktion geändert.<br />
Viele junge Frauen fragen sich: Wenn Männer keine Hormone<br />
nehmen, wieso sollten das Frauen tun?<br />
150 Jahre für Ihre Gesundhei<br />
Seit Nicole die Pille abgesetzt hat, spürt sie sich und ihren Körper<br />
ganz anders. Sie hat auch wieder Lust auf Sex. „Mein Körper<br />
gehört endlich wieder mir“, sagt die 23-Jährige.<br />
26 / POLITIKA /<br />
NEUES LEBENS GEFÜHL<br />
Für Nicole ist mittlerweile klar, was die Pille mit ihr gemacht<br />
hat. Diese Erkenntnis erlangt sie erst nachdem sie die Pille<br />
absetzt. „Ich spüre mich und meinen Körper nach dem<br />
Absetzen der Pille das erste Mal seit Jahren“, sagt Nicole.<br />
Während sie spricht, strahlt sie übers ganze Gesicht und<br />
gestikuliert überschwänglich mit ihren Händen. „Wenn ich<br />
mich bewege, tanze oder Freundinnen treffe, fühle ich mich<br />
endlich wieder“, sagt die 23-Jährige. Der Weg zu diesem<br />
Lebensgefühl war hart. Zeitgleich mit der Pille, die sie mit 15<br />
verschrieben bekommt, erkrankt Nicole an Depressionen.<br />
Die Parallele zwischen ihrer psychischen Erkrankung und<br />
den Nebenwirkungen der Pille wird sie erst Jahre später<br />
erkennen. Nicole wechselt insgesamt sieben verschiedene<br />
Antidepressiva, keines hilft der jungen Frau. Währenddessen<br />
nimmt sie immer noch täglich die Pille. „Es gab Tage, da bin<br />
ich nicht aus dem Bett gekommen, ich hatte das Gefühl,<br />
die ganze Welt ist gegen mich und ich kriege nichts auf die<br />
Reihe“, so die Studentin.<br />
Doktor Fiala relativiert die Nebenwirkungen der Pille.<br />
Er sieht darin eine empörungsgeladene Diskussion ohne<br />
Lösungen. „Für fast alle Frauen gibt es eine Pille, die sie gut<br />
verträgt. Manchmal finden Frauen diese gleich, manchmal<br />
müssen sie erst einige probieren. Wichtig ist, nicht aufzugeben,<br />
weil die Fruchtbarkeit ja unverändert vorhanden ist“, so<br />
Symbolfoto<br />
wgkk.at<br />
WGKK prüft: Damit Sie fair behandelt werden.<br />
Die WGKK prüfte den Betrieb, bei dem<br />
ich seit zwei Jahren arbeite. Ergebnis:<br />
Ich war nicht korrekt angemeldet<br />
und bekam zu wenig Gehalt. Jetzt<br />
kriege ich das Geld, das mir zusteht.<br />
Angelika (28) Angestellte<br />
SO VIEL IST SICHER<br />
Die WGKK prüft Firmen regelmäßig und stellt so<br />
sicher, dass Sie korrekt angemeldet und bezahlt<br />
werden. Mehr Infos unter www.wgkk.at/pruefung<br />
150 JAHRE<br />
150<br />
<strong>18</strong><br />
für Ih
Er wurde in der Türkei eingesperrt und damit<br />
zum weltweiten Symbol gegen die Unterdrückung<br />
der Pressefreiheit. Der Journalist<br />
Deniz Yücel und seine Frau, die Produzentin<br />
Dilek Mayatürk Yücel, die er in der Haft<br />
heiratete, gaben für die deutsche „Welt am<br />
Sonntag“ und die „TAZ“ ihr erstes Interview.<br />
Es gibt tiefe Einblicke in das Seelenleben<br />
eines ohne Anklage festsitzenden Journalisten<br />
in einem türkischen Gefängnis..<br />
„Ich war nicht scharf darauf,<br />
ins Gefängnis zu gehen.“<br />
Ein Jahr lang saß Journalist Deniz Yücel in der<br />
Türkei im Gefängnis, die meiste Zeit davon in<br />
Isolationshaft. Mit seiner Frau Dilek gibt er das<br />
erste Mal ein Interview in Freiheit. Er erzählt von der<br />
Gefangenschaft, seiner Liebe und warum er sich gegen<br />
seine Freilassung zunächst gewehrt hat.<br />
Stefan Boness / Visum / picturedesk.com<br />
Von Martin U. K. Lengemann, Doris Akrap<br />
und Daniel-Dylan Böhmer<br />
Gibt es Dinge, an die du dich in Freiheit<br />
erst wieder gewöhnen musst?<br />
DENIZ YÜCEL: Heute bin ich frühmorgens<br />
in den Ort hier gegangen. Ich war<br />
beim Friseur, habe einen Kaffee getrunken,<br />
bin über den Markt geschlendert<br />
und habe ein paar Sachen gekauft. Auf<br />
dem Weg zurück mit meinen Einkaufstüten<br />
voller Orangen, Erdbeeren und Petersilie<br />
dachte ich: Wie schön das ist, über<br />
einen Markt gehen zu können. Dasselbe<br />
denke ich manchmal, wenn ich in den<br />
Nachthimmel schaue. Nachts war die<br />
Tür zum Innenhof immer verschlossen,<br />
darum habe ich ein Jahr lang keine Sterne<br />
gesehen. Und keinen Himmel ohne<br />
Draht. Ich guck‘ jetzt zwar nicht in den<br />
Himmel und denke: „Oh, da fehlt ja der<br />
Draht! Ich muss mich bei der Anstaltsleitung<br />
beschweren.“ Aber es gibt immer<br />
wieder Momente, in denen ich innehalte<br />
und merke, dass Dinge, die ich vorher für<br />
selbstverständlich hielt, etwas Kostbares<br />
geworden sind. Mit Dilek im Gras zu<br />
liegen beispielsweise.<br />
Im Dezember wurdest du in eine Zelle<br />
verlegt, die über einen kleinen Innenhof<br />
mit der Zelle des türkischen Journalisten<br />
Oguz Usluer verbunden war. Aber wie<br />
waren die Monate davor, in strenger Isolation?<br />
Was macht das mit einem? Wie<br />
beobachtet man das an sich selbst?<br />
DENIZ YÜCEL: Als das Hafturteil gesprochen<br />
wurde, sagte mein Anwalt Veysel<br />
Ok zu mir: „Höchstens fünf Monate!<br />
Länger können sie dich nicht festhalten.“<br />
So habe auch ich das eingeschätzt. So<br />
einen Konflikt mit Deutschland wird sich<br />
die Türkei aus politischen und wirtschaftlichen<br />
Gründen nicht leisten können, nur<br />
wegen eines Journalisten einer großen<br />
deutschen Tageszeitung, dem nichts als<br />
ein paar Artikel vorgeworfen werden. Ich<br />
habe dann am eigenen Leib erfahren,<br />
dass diese Prämissen der türkischen<br />
Außenpolitik nicht mehr gelten. Doch<br />
gegen Ende der fünf Monate, im Juli,<br />
wurde Peter Steudtner mit den anderen<br />
Menschenrechtlern verhaftet, zugleich<br />
wurde eine Liste mit deutschen Großunternehmen<br />
bekannt, die bei türkischen<br />
Behörden unter Terrorverdacht standen.<br />
Dieses Regime hat keine Außenpolitik,<br />
sondern lebt von einem Tag auf den<br />
anderen. Ab Steudtners Festnahme<br />
habe ich mir kein Datum mehr gesetzt.<br />
Ich kam stattdessen auf die Idee,<br />
aus meinen alten Texten, die auf den<br />
Solidaritätslesungen in Deutschland<br />
so gut ankamen, das Buch „Wir sind ja<br />
nicht zum Spaß hier“ zu machen. Daran<br />
habe ich, zusammen mit Doris (Anm.:<br />
Co-Autorin des Interviews), so intensiv<br />
gearbeitet, dass ich keine Zeit mehr<br />
hatte, darüber nachzudenken, was die<br />
Isolationshaft mit mir macht.<br />
Was du jetzt beschreibst, ist ja schon<br />
der zweite Schritt, nämlich wie man das<br />
bekämpft, was da möglicherweise in der<br />
Isolation mit einem passiert. Aber was ist<br />
das, was man da bekämpft?<br />
DENIZ YÜCEL: Verzweiflung, Wut, Angst.<br />
Angst wovor?<br />
DENIZ YÜCEL: Ich hatte immer die<br />
Hoffnung, in absehbarer Zeit freizukommen.<br />
Ich weiß also nicht, wie sich<br />
Knast anfühlt, wenn du zu zehn, zwanzig<br />
Jahren verurteilt wurdest, alle Rechtsmittel<br />
erschöpft sind und du weißt: Es gibt<br />
keine Hoffnung mehr. Und dennoch gab<br />
es gerade anfangs die Angst, in diesem<br />
Loch zu verrotten.<br />
Und hat deine Gegenwehr immer geholfen?<br />
DENIZ YÜCEL: Am schwierigsten waren<br />
die ersten Wochen. Ich hatte Angst,<br />
nach der ersten Aufregung vergessen<br />
zu werden. Und außer meiner Schwester<br />
Ilkay und meinem Vater Ziya, die<br />
mich zweimal für eine Stunde besuchen<br />
kamen, habe ich nur meine Anwälte<br />
gesehen. Erst nachdem Dilek und ich<br />
im April geheiratet hatten, durfte sie<br />
mich besuchen. Wichtig in dieser ersten<br />
Zeit war zu merken, dass ich kämpfen<br />
kann; dass es an mir liegt, ob sie<br />
die totale Kontrolle über mein Leben<br />
bekommen, die sie haben wollen. Das<br />
fing im Polizeigewahrsam an, wo Papier<br />
und Stift verboten waren, ich aber mit<br />
einem geklauten Stift in ein Exemplar des<br />
„Kleinen Prinzen“ einen Bericht über die<br />
Haftbedingungen schrieb und hinausschmuggelte.<br />
Das hat mir Kraft gegeben<br />
für die folgende Isolationshaft. Oder,<br />
eine kleinere Geschichte: Bei der ersten<br />
wöchentlichen Bestellung im Knastladen<br />
habe ich Rasierklingen gekauft, aber<br />
den Rasierstab vergessen. Daraufhin<br />
habe ich die Klinge auf den Stiel einer<br />
Gabel gesteckt und mich rasiert. Solche<br />
Erfahrungen waren ungemein wichtig:<br />
Auch wenn schreiben verboten ist oder<br />
ich nicht einfach im Laden um die Ecke<br />
mir besorgen kann, was gerade fehlt,<br />
oder wenn der Staatspräsident rumquäkt<br />
und mich als Agenten und Terroristen<br />
beschimpft und ich hier ganz allein bin -<br />
ich komme damit klar. Ich schaffe das.<br />
Dilek, wie hast du die Zeit ohne Deniz<br />
erlebt?<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Unsere Beziehung<br />
war ja noch relativ neu, als Deniz<br />
ins Gefängnis kam. Wir haben unsere<br />
Beziehung in einer Situation entwickelt,<br />
in der wir durch eine Scheibe getrennt<br />
waren, in der unsere Gespräche aufgezeichnet<br />
wurden und wir unter Beobachtung<br />
standen. Aber auch in einer<br />
anderen Hinsicht waren wir nie zu zweit:<br />
Wir kannten uns noch nicht so lange,<br />
und plötzlich habe ich lauter Menschen<br />
kennengelernt, die in Deniz‘ Leben eine<br />
Rolle spielen, die ich aber bislang nicht<br />
oder kaum kannte. Jetzt war ich ständig<br />
mit diesen Menschen zusammen und<br />
habe mit ihnen über Deniz gesprochen.<br />
Aber er war nicht da.<br />
Wie übersteht man so eine Situation?<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Mir war klar,<br />
dass es lange dauern würde. Dass wir<br />
einen Marathon laufen, ohne zu wissen,<br />
wie lang die Strecke ist. Das Wichtige<br />
war für mich, wie wir diese Sache erleben<br />
und wie wir sie zu Ende bringen. Das<br />
„Ich hatte Angst, nach der ersten<br />
Aufregung vergessen zu werden.“<br />
/ POLITIKA / 29
Autokorsos und Lesungen - Deniz Yücels Familie, Freunde und Fans sorgten dafür,<br />
dass Deniz im Gefängnis nicht in Vergessenheit gerät.<br />
bedeutete für mich auch, mich körperlich<br />
und mental gesund zu halten und<br />
Deniz in guter Verfassung zu besuchen.<br />
Ich habe ihm immer, bei jedem Besuch<br />
gesagt: „Das hier wird zu Ende gehen.<br />
Wir werden das zu Ende bringen.“ Es<br />
wird ein Leben danach geben. Aber ich<br />
wusste auch: Selbst nach der Freilassung<br />
wird nicht plötzlich alles aufhören. Was<br />
wir erlebt haben, wird uns noch eine<br />
ganze Weile lang beschäftigen.<br />
Was wünschst du dir für deine und eure<br />
Zukunft?<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Dieses<br />
Jahr hat mir sehr viel Lebenserfahrung<br />
gebracht. Aber ich will wieder in meinem<br />
Beruf arbeiten. Ich bin Fernsehproduzentin<br />
und Dokumentarfilmerin. Und<br />
prinzipiell kann ich von jedem Punkt der<br />
Welt über einen anderen Punkt der Welt<br />
arbeiten. Ich wünsche mir ein Leben an<br />
einem schönen Flecken Erde mit Deniz<br />
an meiner Seite.<br />
DENIZ YÜCEL: Dilek schrieb mir ins<br />
Gefängnis, sie würde gern irgendwo<br />
leben, wo unsere Füße die Erde berühren.<br />
Darüber haben wir uns ein paarmal<br />
„Am Ende der offenen Gesellschaft,<br />
knietief in der Diktatur.“<br />
in Briefen ausgetauscht und uns überlegt,<br />
wo wir uns niederlassen können.<br />
Aber ich bin stets davon ausgegangen,<br />
dass wir erst mal in der Türkei bleiben<br />
würden, weil ich angenommen habe,<br />
dass sie den Schein wahren und wie bei<br />
den anderen freigelassenen Kollegen<br />
eine Ausreisesperre verfügen würden.<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Wenn man<br />
versucht, ganz schnell Entscheidungen<br />
für die Zukunft zu treffen, funktioniert<br />
das nicht. Man braucht Zeit, um sich zu<br />
erholen. Vieles geht ja weiter.<br />
Was geht weiter?<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Zum Beispiel,<br />
dass ich ausnahmslos jede Nacht davon<br />
träume, wie Deniz im Gefängnis ist und<br />
dann freigelassen wird. Also die Haft,<br />
die Vorbereitung der Freilassung - jede<br />
Nacht führe ich dieselben Gespräche<br />
mit anderen Beteiligten und kämpfe um<br />
seine Freilassung. Das hört nicht auf.<br />
Wovon träumst du, Deniz?<br />
Ich habe keine Traumgeschichte zu<br />
erzählen. Nur ein einziges Mal sah ich<br />
meinen Zellennachbarn Oguz, mit dem<br />
ich in kurzer Zeit Freundschaft geschlossen<br />
habe. Vielleicht würde der Fachmann<br />
sagen, ich verdränge etwas.<br />
Dilek, Deniz hat aus dem Gefängnis<br />
einige ziemlich meinungsstarke Texte<br />
veröffentlicht und recht pointierte schriftliche<br />
Interviews gegeben. Was hast du<br />
da durchgemacht, wenn das mal wieder<br />
bevorstand?<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: Herzrasen!<br />
In einem Land, in dem Menschen wegen<br />
Tweets verhaftet und Dinge in Texte<br />
reininterpretiert werden, kann alles<br />
passieren. Alles kann Eingang in eine<br />
Anklage finden. Wir haben schon bei<br />
der Verhaftung die Erfahrung gemacht,<br />
dass sie seine Worte böswillig auslegen<br />
und Sachen falsch übersetzen. In einer<br />
Situation, in der die Anklage noch nicht<br />
vorlag, bedeutete jede Wortmeldung ein<br />
Risiko. Aber ich wusste auch, warum das<br />
Deniz wichtig war. Und viele seiner Texte<br />
habe ich abgetippt.<br />
Das Verfahren gegen dich läuft weiter.<br />
Die nächste Sitzung steht im Juni an,<br />
die Staatsanwaltschaft fordert <strong>18</strong> Jahre<br />
Haft. Hast du schon entschieden, ob du<br />
noch mal zurück in die Türkei gehst?<br />
DENIZ YÜCEL: Nein, so weit bin ich, sind<br />
wir noch nicht. Ich habe die Türkei nicht<br />
mit dem Gefühl verlassen: Bloß weg aus<br />
dieser ganzen Scheiße hier, ich will nie<br />
wieder etwas damit zu tun haben. Ich<br />
wusste ja, worauf ich mich einließ, als<br />
ich im Frühjahr 2015 meinen Korrespondentenjob<br />
antrat. Zwar war die Situation<br />
damals weniger dramatisch. Aber ich<br />
wusste, wenn man als Journalist in diesem<br />
Land lebt und seine Sache halbwegs<br />
ordentlich macht, lebt man gefährlich.<br />
Dann können einem schlimmstenfalls<br />
noch ganz andere Sachen passieren, als<br />
dass man seiner Freiheit beraubt wird.<br />
Du hast von Anfang an damit gerechnet,<br />
dass du ins Gefängnis kommen könntest?<br />
DENIZ YÜCEL: Natürlich war das im<br />
Bereich des Denkbaren, aber es schien<br />
mir nicht sehr wahrscheinlich. Sonst hätte<br />
ich das nicht gemacht. Ich war nicht<br />
scharf darauf, ins Gefängnis zu kommen.<br />
Aber es ist was anderes, ob du als Korrespondent<br />
in die Türkei gehst oder nach<br />
Norwegen. Das war auch schon 2015<br />
oder 1995 so. Das weißt du erst recht,<br />
wenn du dieses Land und die Sprache<br />
kennst, auch die Chiffren und die Codes.<br />
Gibt es etwas, von dem du rückblickend<br />
Paul Zinken / dpa / picturedesk.com, Soeren Stache / dpa / picturedesk.com<br />
Als er inhaftiert wurde, war ihre Beziehung noch relativ frisch. Im Gefängnis heiraten Deniz Yücel und die TV-Produzentin<br />
Dilan Mayatürk. Durch die Heirat erhielt Mayatürk Besuchsrecht bei dem inhaftierten Journalisten.<br />
denkst, das hättest du anders machen<br />
sollen, um deine Festnahme zu verhindern?<br />
DENIZ YÜCEL: Nein.<br />
Hättest du etwas unterlassen können,<br />
was zu deiner Verhaftung geführt hat?<br />
DENIZ YÜCEL: Ich denke nicht. Ich wurde<br />
zum Beispiel nicht verhaftet, weil ich<br />
den stellvertretenden PKK-Chef interviewt<br />
habe. Das Interview habe ich im<br />
August 2015, anderthalb Jahre vor meiner<br />
Festnahme, geführt. Noch ein paar<br />
Wochen zuvor hatte auch die türkische<br />
Regierung mit ihm verhandelt. Das Fiese<br />
ist ja, dass sie die Spielregeln - oder besser:<br />
die Freund-Feind-Zuschreibungen<br />
- rückwirkend ändern.<br />
Warum wurdest du dann festgenommen?<br />
DENIZ YÜCEL: Der Anlass war meine<br />
Berichterstattung über die gehackten<br />
E-Mails des Energieministers, der<br />
Erdogans Schwiegersohn ist. Darüber<br />
hatte ich, wie einige andere auch,<br />
berichtet. Aber ab dem Moment, wo du<br />
durch irgendwas in deren Fänge gerätst,<br />
schauen sie: Was können wir dem<br />
andichten? Ich war durch meine gesamte<br />
Arbeit aufgefallen. Ich war einer von<br />
drei deutschen Journalisten, die keinen<br />
Presseausweis bekommen haben. Die<br />
wussten, mit wem sie es zu tun hatten.<br />
Muss man das Risiko, inhaftiert zu<br />
werden, grundsätzlich in Kauf nehmen,<br />
wenn man seinen Job als Journalist<br />
ordentlich macht unter einem Regime,<br />
dem die Meinungs- und Pressefreiheit<br />
egal ist?<br />
DENIZ YÜCEL: Ich glaube ja. Du kannst<br />
einzelne Fragen abwägen. Aber du<br />
kannst nicht deine komplette Arbeit<br />
danach gestalten. Gerade in Ländern, in<br />
denen Journalismus am meisten vonnöten<br />
ist, ist die Risikoabwägung besonders<br />
schwierig. Die Frage „Ist der slowakische<br />
Kollege Ján Kuciak ein Risiko eingegangen,<br />
indem er über Korruption berichtet<br />
hat?“ bedeutet in Wahrheit: War er<br />
selber schuld an seinem Tod? Aber nicht<br />
Ján Kuciak ist schuld an seiner Ermordung,<br />
sondern die Mörder und deren<br />
Auftraggeber. Man erfüllt als Journalist<br />
eine gesellschaftliche Aufgabe. Und der<br />
Mord in der Slowakei sowie kurz davor<br />
die Ermordung von Daphne Caruana<br />
Galizia in Malta und die Situation der<br />
Medien in Polen und Ungarn zeigen, dass<br />
auch in der EU die Rechte und Freiheiten<br />
in einer Weise gefährdet sind, wie wir es<br />
uns vor zehn Jahren nicht hätten vorstellen<br />
können. Im schlimmsten Fall steht<br />
die Türkei heute schon dort, wo Europa<br />
in einigen Jahren ankommen könnte: am<br />
Ende der offenen Gesellschaft, knietief in<br />
der Diktatur.<br />
Ist dir die Türkei durch deine Inhaftierung<br />
fremder geworden?<br />
DENIZ YÜCEL: Ich bin gleichermaßen<br />
deutscher und türkischer geworden. Ich<br />
habe nie so oft Sätze formuliert, die mit<br />
„Bei uns in Deutschland ist das ja so ...“<br />
anfingen, wie im Gefängnis. Zugleich<br />
habe ich in meiner Zelle ständig mit<br />
einer Gebetskette herumgespielt, die<br />
mir Dilek geschenkt hatte. Mehr Traditionstürke<br />
geht nicht. Aber das Leben<br />
draußen ging ja weiter. Ich hatte mit<br />
dem Gezi-Aufstand von 2013 begonnen,<br />
30 / POLITIKA /<br />
/ POLITIKA / 31
Am 28. Juni soll der Prozess gegen Deniz Yücel in Istanbul losgehen. Dort ist<br />
er wegen Terrorpropaganda angeklagt. Die türkischen Behörden können Yücel<br />
aber nicht zwingen, persönlich zu erscheinen, da Deutschland ihn als Staatsangehörigen<br />
nicht ausliefern darf.<br />
mich journalistisch und persönlich wieder<br />
stärker für die Türkei zu interessieren.<br />
Aber all das, was mit dem Aufbruch von<br />
Gezi begonnen hatte, ist bis auf Weiteres<br />
zerschmettert. Viele meiner Istanbuler<br />
Freunde haben das Land verlassen. Ein<br />
anderes Beispiel: Ich war im Sommer<br />
gern im Maçka-Park, ein paar Schritte<br />
von meiner Wohnung in Beşiktaş entfernt.<br />
Kürzlich wurde ein Teil dieses Parks<br />
für ein Verkehrsvorhaben abgerissen.<br />
Und im Sommer sorgte die Nachricht<br />
für Aufsehen, dass Sicherheitsleute eine<br />
Frau aus dem Park geworfen haben,<br />
weil sie ihr Dekolleté zu tief fanden. In<br />
Beşiktaş wo die AKP bei gerade mal<br />
15 Prozent liegt, wäre so etwas früher<br />
undenkbar gewesen. Also: Ja, dieses<br />
Land ist mir fremder geworden. Aber<br />
nicht durch meine Verhaftung. Die hat<br />
eher das Gegenteil bewirkt.<br />
Wie meinst du das?<br />
DENIZ YÜCEL: Wie könnte man ein<br />
noch intimeres Verhältnis zu einem Land<br />
aufbauen, als in dessen Knast zu sitzen?<br />
Mein Freund Imran Ayata sagte mir<br />
an meinem zweiten Abend in Freiheit:<br />
„Vergiss den Scheiß da! Du bist Deniz<br />
aus Flörsheim.“ Stimmt, das war ich,<br />
als ich als Korrespondent nach Istanbul<br />
gegangen bin und vielleicht auch noch,<br />
als ich verhaftet wurde. Aber ich habe in<br />
der Türkei ein Jahr in einem Gefängnis<br />
verbracht. Und egal, ob ich in absehbarer<br />
Zeit dahin zurückgehe, ich bin so eng mit<br />
diesem Land verbunden, wie ich es nie<br />
zuvor war - obwohl die Regierung dieses<br />
Landes, dessen Staatsbürger ich von<br />
Geburt an bin, mich als Feind behandelt<br />
und als Geisel genommen hat, während<br />
die Regierung jenes Landes, dessen<br />
Staatsbürgerschaft ich erst später erworben<br />
habe, sich für mich eingesetzt hat.<br />
Wann und wie hast du erfahren, dass du<br />
freigelassen wirst?<br />
DENIZ YÜCEL: Am Freitagmittag in meiner<br />
Zelle, als im Nachrichtensender Halk<br />
TV die Eilmeldung kam: „Deniz Yücel ist<br />
frei.“ Da habe ich auf CNN-Türk umgeschaltet,<br />
auch dort hieß es: „Deniz Yücel<br />
„Wie könnte man ein noch intimeres<br />
Verhältnis zu einem Land aufbauen,<br />
als in dessen Knast zu sitzen? “<br />
ist frei.“ Ich sah mich um und dachte:<br />
Na ja, noch nicht so ganz. Dann lief ich<br />
zu meinem Nachbarn, dem Journalisten<br />
Oguz Usluer. Wir haben uns umarmt.<br />
Kurz darauf kamen die Aufseher und<br />
sagten: „Sachen packen, du kommst<br />
frei.“<br />
Als du aus dem Gefängnistor kamst, hattest<br />
du einen Strauß Petersilie für Dilek in<br />
der Hand. Hattest du den schon vorher<br />
in deiner Zelle?<br />
DENIZ YÜCEL: Petersilien habe ich<br />
immer als Raumschmuck im Knastladen<br />
gekauft. Und natürlich, weil sie mich an<br />
Dilek erinnert hat - die „Blume unserer<br />
Liebe“, wie Dilek sie seit unserem ersten<br />
Urlaub nannte, weil wir im Strandkorb<br />
immer so viel Petersilie dabeihatten.<br />
DILEK MAYATÜRK YÜCEL: … dabei war<br />
das nur ein kleiner Witz beim Strandfrühstück.<br />
War euer Hochzeitsstrauß auch aus<br />
Petersilie?<br />
DENIZ YÜCEL: Das hatte ich eigentlich<br />
so geplant. Als Ersatz für Blumen. Also<br />
nahm ich einen Petersilienstängel. Als<br />
ich mich mit der Petersilie in der Hand<br />
aus der Zelle auf den Weg zur Trauung<br />
machte, hieß es: „Nein, das darfst du<br />
nicht.“ Das ist ein System, das darauf<br />
ausgerichtet ist, Lebensfreude zu nehmen.<br />
Wir haben geheiratet, und ich hatte<br />
keine Blumen, nicht mal Petersilie. Deswegen<br />
dachte ich bei meiner Entlassung:<br />
Das schulde ich Dilek. ●<br />
Dieser Abdruck des Interviews mit Deniz Yücel ist<br />
eine von biber gekürzte Fassung.<br />
Das originale und vollständige Interview ist in der<br />
WELT AM SONNTAG am <strong>18</strong>.03.20<strong>18</strong> und in der<br />
tageszeitung (TAZ) am 19.03.20<strong>18</strong> erschienen.<br />
Das Interview ist online nachzulesen unter:<br />
https://www.welt.de/politik/ausland/<br />
article174661050/Interview-Deniz-Yuecel-Es-liegt-an-dir-ob-sie-die-Kontrolle-ueberdich-bekommen.html<br />
und auf https://taz.de/<br />
denizfrei<br />
Zu den Autoren: Martin U. K. Lengemann; Doris<br />
Akrap; Daniel-Dylan Böhmer<br />
DORIS AKRAP (taz-Redakteurin und Mitgründerin<br />
des Freundeskreises #FreeDeniz, der Solidaritätsaktionen<br />
für Deniz organisiert hat)<br />
DANIEL-DYLAN BÖHMER („Welt“ Senior Editor und<br />
zentraler Ansprechpartner für Deniz). Beide waren<br />
bei Deniz‘ Inhaftierung im Justizpalast von Istanbul<br />
und bei seiner Freilassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis<br />
in Silivri dabei. Gemeinsam<br />
haben sie an der Solidarität von taz bis „Welt“<br />
gearbeitet.<br />
Soeren Stache / dpa / picturedesk.com<br />
RAMBAZAMBA<br />
Im Wasser sind wir alle gleich.<br />
Foto von Alex Dietrich<br />
32 / POLITIKA /
BALKAN<br />
BOSPORUS<br />
Warum verlieben sich Menschen vom Balkan<br />
besonders häufig in jene aus der Türkei?<br />
Wir haben versucht das streng gehütete,<br />
Jahrhunderte alte Liebesgeheimnis der Balkan-<br />
Bosporus-Leidenschaft zu entschlüsseln. Über<br />
Sultan, Sarma und Schwiegermütter.<br />
Von Amar Rajković (Text), Marko Mestrović (Fotos)<br />
Name: Lejla Omanović<br />
Alter: 29<br />
Beruf:<br />
Sprachwissenschaftlerin<br />
Geburtsort: Sarajevo, BiH<br />
erstes türkisches Wort:<br />
Ekmek (dt.: Brot)<br />
Lejla<br />
&<br />
Özi<br />
Name: Özgür Atagan<br />
Alter: 35<br />
Beruf: IT Administratior<br />
Geburtsort: Hohenems, Vorarlberg<br />
erstes bosnische Wort: „Moze<br />
pivo!“ (dt.: Ein Bier geht!)<br />
Sie ist introvertiert, er hört<br />
nicht auf zu quatschen.<br />
Trotz offensichtlicher Unterschiede<br />
sind Lejla und Özgür seit<br />
über vier Jahren ein Paar. Kennengelernt<br />
haben sich der gebürtige<br />
Vorarlberger und Lejla in ihrer<br />
Heimatstadt Sarajevo. Özi hat dort<br />
einen Kumpel von der Uni besucht.<br />
Aus einer Bekanntschaft auf der<br />
Mucha-Lucha-Party machte es<br />
schnell Halli-Galli in den Herzen der<br />
beiden. Ob Amor bewusst Pfeile<br />
in Richtung bosnisch-türkischer<br />
Singles schießt, wollen wir von<br />
Lejla wissen: „Wir Bosnierinnen<br />
sind in der Regel etwas liberaler<br />
und weniger traditionell, vielleicht<br />
macht uns gerade das für Türken<br />
attraktiv“, so die 29-jährige<br />
Sprachwissenschaftlerin. Ihr türkischer<br />
Romeo ist kaum zu stoppen,<br />
wenn wir ihn auf seine Frau<br />
und ihre kulturellen Eigenheiten<br />
ansprechen: „Die Liebesformel<br />
liegt im Nähe-Ferne-Paradoxon“,<br />
urteilt Professor Özgür. Wie war<br />
das nochmal? „Leute vom Balkan<br />
und aus der Türkei finden sich deswegen<br />
anziehend, weil sie einander<br />
exotisch sind - aber in Sachen<br />
Familie, Essen und Temperament<br />
ähnlich ticken“, so Özgür.<br />
Verheiratet sind die beiden<br />
Turteltäubchen noch nicht. Als<br />
es darum geht, die Gästeliste der<br />
möglichen Trauung durchzugehen,<br />
bestätigt sich der Verdacht des<br />
Autors, die Partner aus der Türkei<br />
würden den osmanischen Eroberungsgeist<br />
auch auf das Gebiet<br />
der Hochzeitsgästeliste ausweiten.<br />
„Bei 100 Gästen wären mindestens<br />
70 aus meiner Familie“, gibt sich<br />
Özgür großzügig. Dann fragt er<br />
Lejla: „Kennst du überhaupt 30<br />
Leute?“, als würde er hoffen, das<br />
eigene Kontingent zu erweitern. Die<br />
introvertierte Lejla zeigt das erste<br />
Mal Temperament und erinnert Özi<br />
an ihre Familie in Bosnien und der<br />
Schweiz. Wir verlassen unauffällig<br />
die Wohnung. Zur Beruhigung: Die<br />
beiden sind noch ein Paar.<br />
34 / RAMBAZAMBA /<br />
/ RAMBAZAMBA / 35
Als wir Haris und Gülbahar das erste<br />
Mal kontaktieren, sitzen die beiden<br />
im Auto auf dem Rückweg von der<br />
eigenen „kleinen“ Hochzeitsfeier aus Vorarlberg,<br />
wie Gülbahar betont. „Klein“ bedeutet<br />
750 Gäste, da muss der Bräutigam doch<br />
ordentlich ins Schwitzen gekommen sein,<br />
oder? Haris sieht die Sache ganz locker:<br />
„Die Leute gingen ein und aus, die Organisation<br />
war perfekt und selbst ihre Oma, die<br />
kaum Deutsch spricht, hat mir gratuliert.<br />
Es war zwar „Gute Besserung“, statt „Alles<br />
Gute“, aber ich habe sie schon verstanden“,<br />
scherzt der glückliche Ehemann.<br />
Der Architekt aus Sarajevo, der seit zwölf<br />
Jahren in Wien lebt, lernte seine Frühlingsrose<br />
(dt.: für Gülbahar) romantisch in einem<br />
verrauchten Partykeller kennen. Die beiden<br />
wohnten im selben Studentenheim und<br />
Haris‘ Bemühungen um Gülbahar bedeuteten<br />
kurze Nächte für den Architekten:<br />
„Ich hatte damals schon einen Job und<br />
musste früh aufstehen. Gülbahar und ihre<br />
Freundinnen waren trinkfest und ohne Job.“<br />
Haris wollte zeigen, dass er mithalten kann<br />
und musste dafür mit brummendem Schädel<br />
am nächsten Tag im Büro kämpfen. Um<br />
seinen Job zu behalten, übernahm er die<br />
Initiative und nahm sie nach einem Kinobesuch<br />
an der Hand. Gülbahars Augen fangen<br />
bei diesem Teil der Erzählung zu leuchten<br />
an. Der bosnische Bär hat sie mit seinem<br />
unwiderstehlichen Schmäh erobert. Und<br />
er scheint auch in Sachen Kulinarik seine<br />
Hausaufgaben erledigt zu haben: „Ohne<br />
Vegeta wird bei uns nichts gekocht und der<br />
türkische Börek kann niemals mit einem<br />
Balkan-Burek mithalten“, beichtet Gülbahar.<br />
Gibt es irgendetwas, was die Türken besser<br />
können, Haris? Die Frühstückskultur bei<br />
den Türken ist deutlich ausgeprägter als bei<br />
uns. Meine Mutter hat mir zum Frühstück<br />
immer nur eine Semmel mit Poli (Hähnchen-<br />
Extrawurst) in die Hand gedrückt und mich<br />
rausgeschickt“, so Haris. Balkan-Bosporus-<br />
Harmonie, ganz im Sinne des Sultans. Der<br />
frisch verheiratete Bräutigam setzt noch<br />
einen drauf: „Meine Frau ist Türkin und mein<br />
Trauzeuge Österreicher. Die Eroberer haben<br />
mich wieder erobert“, scherzt der gebürtige<br />
Sarajevoer in Anspielung an die Geschichte<br />
Bosniens und die zwei größten Besatzungsmächte<br />
der letzten 500 Jahre. Bevor<br />
wir gehen, will er uns etwas auf den Weg<br />
geben: „Wir feuern Željo und Fenerbahçe<br />
an.“ Ähm, ok, danke für die Info, Haris.<br />
Gülbahar<br />
&<br />
Haris<br />
Name: Gülbahar Duygu Erdemir<br />
Alter: 29<br />
Beruf: Bankangestellte<br />
Geburtsort: Hınıs, Türkei<br />
Erstes bosnisches Wort: „Gdje si,<br />
sta ima?“ (dt.: „Wie geht es dir?“)<br />
Name: Haris Spahić<br />
Alter: 34<br />
Beruf: Architekt<br />
Geburtsort: Sarajevo<br />
erstes türkisches Wort:<br />
„Șerefe!“ (dt.: Prost!)<br />
Zoe Opratko<br />
Name: Elvin Strojil<br />
Alter: 40<br />
Beruf: AHS-Professor<br />
Geburtsort: Priboj, Serbien<br />
Erstes türkische Wort: Aç<br />
ağzini (dt.: „Mach A“)<br />
Dilek<br />
&<br />
Elvin<br />
Name: Dilek Strojil<br />
Alter: 39<br />
Beruf: Volksschullehrerin<br />
Geburtsort: Istanbul<br />
erste B/K/S-Wort: „Dupe“ (dt.:<br />
Popo)<br />
Dilek und Elvin sind kein<br />
prototypisches Balkan-<br />
Bosporus-Paar. Im Urlaub<br />
kennengelernt, im Wiener Club<br />
„Celeste“ Hochzeit gefeiert, keine<br />
Gäste zur standesamtlichen Hochzeit<br />
eingeladen, als Patchwork-Familie<br />
lebend. Mehr alternativ geht nicht.<br />
Die beiden Pädagogen lernten sich im<br />
Partyurlaub in Kroatien kennen und<br />
lieben. Elvin erinnert sich: „Ihre Aura<br />
und Ausstrahlung füllte den ganzen<br />
Dancefloor. Wir wissen, es klingt<br />
kitschig, aber es war Liebe auf den<br />
ersten Blick!“ Mooaah, die Funken<br />
scheinen just in diesem Moment durch<br />
die schicke Altbauwohnung zu sprühen,<br />
bevor sie jäh vom kleinen Wirbelwind<br />
Enna abgefangen werden, die<br />
Papas Schreibtisch elegant leerräumt.<br />
Normaler Alltag bei den Strojils.<br />
Welche Überzeugungskünste<br />
haben wohl Elvin und Dilek angewendet,<br />
um ihren Eltern zu verklickern,<br />
dass sie keine Gäste bei der Trauung<br />
haben wollen? „Für meine Mutter war<br />
es nicht so schlimm, als sie erfahren<br />
hat, dass auch Elvins Mutter nicht<br />
eingeladen war“, scherzt Dilek. Die<br />
Hochzeitsparty im „Celeste“ war eine<br />
explizite „Tanz- und nicht Quatschparty“,<br />
so die Hobby-Dancing-Queen.<br />
„Viele meiner konservativen Verwandten<br />
kamen nicht oder gingen schon<br />
sehr früh nach Hause.“ Die Strojils<br />
lassen sich nicht ins Traditionskorsett<br />
pressen. Elvin glaubt, das hat auch<br />
mit der Reife der Partner zu tun: „In<br />
unserem Alter lässt man sich nicht<br />
mehr von der Familie unter Druck<br />
setzen. Oder man kann es besser<br />
ausblenden“, so der begeisterte<br />
Literaturfan, der in Priboj, Serbien,<br />
geboren wurde. Kulinarisch sprechen<br />
die Strojils eine internationale Sprache.<br />
Die türkische Küche ist leicht<br />
dominant, jedoch immer mit einem<br />
italienischen Twist. Genauso wie der<br />
Kaffee, den wir bei unserem Besuch<br />
serviert bekommen. Der kommt nicht<br />
aus einer Džezva, sondern vom italienischen<br />
Espressokocher „Bialetti“,<br />
genauso ertönt durch die Boxen der<br />
Radiosender Superfly anstatt Dino<br />
Merlin Balladen oder Hadises Tanzhits.<br />
Ganz normaler Alltag bei den Strojils.<br />
36 / RAMBAZAMBA /<br />
/ RAMBAZAMBA / 37
So<br />
oder<br />
so?<br />
Was geht, Ortak?<br />
Laut Sprachwissenschaftlern kennt<br />
das B/K/S (Bosnisch/Kroatisch/<br />
Serbisch) rund 8000 Turzismen<br />
– Begriffe des alltäglichen Sprachgebrauchs,<br />
die aus dem Türkischen<br />
stammen. Ausdrücke wie „jastuk“<br />
(Polster), „podrum“ (Keller), džezva<br />
(Kaffeekanne) „komšija“ (Nachbar),<br />
„majmun“ (Affe) , „čekić“ (Hammer)<br />
oder „kašika“. Vor allem in Serbien<br />
wird oft die Bezeichnung „Ortak“<br />
einem guten Freund gegenüber verwendet,<br />
in Kroatien fährt man in den<br />
letzten „kat“ (Stock), um die beste<br />
Aussicht zu genießen.<br />
Burek oder Börek?<br />
Die meisten am Balkan verwendeten Turzismen<br />
haben die gleiche Bedeutung wie<br />
ihre Vorfahren aus der Türkei. Achtung: Vor<br />
allem auf dem Teller kann es leicht zu Missverständnissen<br />
kommen: Die türkische Pide<br />
kann man mit einer Pizza vergleichen. Erinnert<br />
euch an die gefüllten Schiffchen, die<br />
euch im türkischen Restaurant anlachen.<br />
Am Balkan ist „Pita“ hingegen der Sammelbegriff<br />
für alle Blätterteigspeisen mit<br />
verschiedenen Füllungen. Dort steckt die<br />
Füllung auch gleich im Namen drinnen wie<br />
bei „Krompiruša“ (mit Erdäpfeln), „Sirnica“<br />
(Käse) oder „Zeljanica“ (Spinat). Bei Burek<br />
ist Vorsicht geboten! In der Türkei ist Börek<br />
der Begriff für alle Variationen des gefüllten<br />
Blätterteigs, am Balkan steht er explizit<br />
für die Fleisch-Pita. Wenn du bei einem<br />
türkischen Freund oder einem Kirmesfest<br />
im Park Sarma zum Kosten bekommst, wird<br />
dir auffallen, dass das gefüllte Weinblätter<br />
sind. Wenn ihr am Balkan unterwegs seid,<br />
werdet ihr bei einer Sarma-Bestellung beim<br />
Anblick der üppigen Krautrouladen mit der<br />
Zunge schnalzen.<br />
38 / RAMBAZAMBA /<br />
30 oder 3000 Gäste?<br />
Das Hochzeitsthema wird für viele Balkan-<br />
Türkei-Liebespaare zur ersten richtigen<br />
Zerreißprobe. Und das lange, bevor sie<br />
sich gegenseitig die ewige Treue schwören.<br />
Der Autor dieses Artikels besuchte<br />
eine Hochzeit in seinem Leben – bevor<br />
er mit seiner türkischen Partnerin zusammenkam.<br />
Es blieb bei einer Hochzeit,<br />
allerdings im Wochenrhythmus. Einmal<br />
heiratete die türkische Halbschwester der<br />
ehemaligen Nachbarin, ein anderes Mal<br />
traute sich der ehemalige Arbeitskollege<br />
des Bruders mit seiner Jugendliebe.<br />
Und dann knallten wiederrum die Korken<br />
besonders laut – auf der Verlobungsfeier,<br />
die von drei anderen Feiern gefolgt wird,<br />
bevor richtig geheiratet wird.<br />
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GESCHAFFT!<br />
biber-Schulprojekt „Newcomer“ über Crowdfunding finanziert. Danke Euch!<br />
Die SchülerInnen und biber sagen Danke!<br />
HÄNDE<br />
WEG<br />
von jungen<br />
Wildtieren!<br />
Weißt du, dass es biber-Redakteurinnen gibt, die<br />
viele Wochen im Jahr mehr Zeit in einer Brennpunktschule<br />
verbringen als in der Redaktion? Wir<br />
tun es, weil wir nicht nur über die Welt schreiben,<br />
sondern diese auch verbessern wollen. Wir zeigen<br />
250 SchülerInnen in rund 50 Projekttagen pro Jahr:<br />
„Wenn wir es geschafft haben, könnt ihr das auch“.<br />
Mittels Crowdfunding haben wir für unser „Newcomer“-Projekt<br />
rund 15.000 Euro eingesammelt.<br />
Neben der biber-Community unterstützten uns<br />
unter anderem LUKOIL Holding-Geschäftsführer<br />
Robert Gulla, der Verein Springboard, Finum-Vorstand<br />
Ali Eralp, Whatchado-Gründer Ali Mahlodji,<br />
Pita-Werk-Chef Edin Islamovic, die Kurier-Kolumnisten<br />
Barbara Kaufmann und Niki Glattauer,<br />
Journalist Peter Rabl, Anwalt Christian Mikosch,<br />
Matthias Strolz und Beate Meinl-Reisinger (NEOS),<br />
Christian Oxonitsch und Thomas Drozda (SPÖ),<br />
der Grüne Gemeinderat Christoph Chorherr sowie<br />
150 tolle Supporter des Projekts!<br />
Vielen Dank!<br />
Ein Jungtier allein im Wald?<br />
Hände weg – das Muttertier, das<br />
meist gerade auf Futtersuche ist,<br />
verstößt es sonst. Ihre gut gemeinte<br />
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/ MIT SCHARF / 39
SECHZEHN<br />
Mit 9 verliert Jelena etwas,<br />
das für die meisten in ihrem<br />
Alter selbstverständlich ist:<br />
Eltern und ein Zuhause. Was<br />
folgt, ist ein Leben zwischen<br />
Jugendamt und der Straße -<br />
bis die Jugendnotschlafstelle<br />
a_way sie auffängt und wieder<br />
zurück ins Leben holt.<br />
UND<br />
OBDACHLOS<br />
Von Marija Barišić, Fotos: Marko Meštrović<br />
Jelena M. * ist siebzehn Jahre alt.<br />
Sie trägt einen weiten, schwarzen<br />
Hoody mit blauen Jeans<br />
und Sneakern. Ihre langen, schwarzen<br />
Haare hat sie zu einem hochgesteckten<br />
Pferdeschwanz zusammengebunden.<br />
Ihre Stimme ist ruhig und weich, ihr<br />
Blick aufgeweckt und fröhlich. Wenn sie<br />
lacht, formen sich kleine, sympathische<br />
Grübchen auf ihren Wangen. Ein ganz<br />
normales, junges Mädchen. Würde man<br />
sagen. Aber so ganz stimmt das nicht.<br />
Das merkt man spätestens dann, wenn<br />
Jelena beginnt, aus ihrem Leben zu<br />
erzählen: „Meine Mama ist gestorben,<br />
als ich sieben war. Sie hatte Lungenkrebs,<br />
aber mein Vater war auch schuld<br />
daran, weil der hat sie immer geschlagen.<br />
Und uns auch.“<br />
Mit uns meint Jelena sich und ihre<br />
zwei jüngeren Schwestern. Gemeinsam<br />
mit ihren Eltern wachsen die drei<br />
in Graz auf, wo sie schon sehr früh mit<br />
den gewalttätigen Übergriffen ihres<br />
Vaters fertig werden müssen. Als die<br />
Mutter stirbt, ziehen die drei Mädchen<br />
mit dem Vater nach Wien. Dort kommt<br />
er mit einer neuen Frau zusammen und<br />
der ganze Teufelskreis fängt wieder von<br />
vorne an. Immer wieder „zuckt er aus“,<br />
erzählt Jelena, schlägt seine Frau und<br />
seine drei Töchter. So lange, bis es der<br />
neuen Frau reicht und sie ihn bei der<br />
Polizei anzeigt.<br />
Bus am Wiener Erdberg ankommen,<br />
werden sie nicht von ihren Eltern abgeholt,<br />
sondern vom Jugendamt. Zu dem<br />
Zeitpunkt ist Jelena neun, ihre beiden<br />
Schwestern sechs und vier. Sie haben<br />
keine Ahnung, was passiert ist und wer<br />
diese fremden Menschen sind, die ihnen<br />
klarmachen, dass sie jetzt mit ihnen<br />
mitkommen müssen. An diesem Tag<br />
verlieren die drei Kinder das, was für die<br />
meisten in ihrem Alter selbstverständlich<br />
ist: Eltern und ein Zuhause.<br />
Die Mitarbeiter des Jugendamtes<br />
bringen sie in ein Krisenzentrum in<br />
Amstetten, wo sie in einer WG mit<br />
anderen Kindern leben, die in ähnlichen<br />
Verhältnissen aufgewachsen sind. Doch<br />
lange hält es Jelena dort nicht aus.<br />
Sie kommt in die Pubertät und beginnt<br />
„Scheiße zu bauen“, wie sie selbst sagt:<br />
„Ich habe begonnen, die Schule immer<br />
öfter zu schwänzen, bin zwischen Wien<br />
und Amstetten hin- und hergefahren<br />
und wollte raus aus der WG, weil dort<br />
nur kleine Kinder gelebt haben“. Heute<br />
bereut Jelena das, denn: „Eigentlich ist<br />
es mir dort gut gegangen“.<br />
DIE LANGE ZEIT AUF<br />
DER STRASSE<br />
Doch zu dem Zeitpunkt erkennt sie das<br />
nicht, sie leidet unter schweren Depressionen,<br />
macht drei Jahre lang Therapie<br />
und bricht währenddessen die Schule<br />
ganz ab. Dann lernt sie ihren Freund in<br />
Wien kennen, dem es zu Hause auch<br />
nicht gut geht und gemeinsam beschließen<br />
die beiden Jugendlichen auszubre-<br />
VON ZUHAUSE INS<br />
JUGENDAMT<br />
Jelena und ihre beiden Schwestern sind<br />
zu der Zeit aber nicht in Wien, sondern<br />
auf einem Kindercamp. Als sie mit dem<br />
Tischfußball spielen, kochen oder einfach nur fernsehen: Im Aufenthaltsraum von<br />
a_way können die Jugendlichen kurz vergessen, wieso sie überhaupt hier sind.<br />
40 / RAMBAZAMBA /<br />
/ RAMBAZAMBA / 41
chen. Sie aus ihrer WG in Amstetten<br />
und er aus der Wohnung seiner Eltern.<br />
Was dann folgt, beschreibt Jelena als<br />
„die lange Zeit auf der Straße“. Jelena,<br />
damals sechzehn Jahre alt, und ihr<br />
Freund sind auf einmal obdachlos. Mal<br />
übernachten sie bei diesen Freunden,<br />
dann bei den anderen. Weil das aber<br />
nicht ewig so weitergehen kann, zeigt<br />
Jelenas Freund ihr die Jugendnotschlafstelle<br />
a_way. Er war schon öfters hier, für<br />
sie soll es in Zukunft die erste Anlaufstelle<br />
werden, wenn einfach gar nichts<br />
mehr geht.<br />
A_WAY VON DER STRASSE<br />
Die Notschlafstelle a_way gehört zur<br />
Caritas und kümmert sich um obdachlose<br />
Jugendliche zwischen 14 und 20<br />
Jahren. Um Jugendliche wie Jelena<br />
und ihren Freund eben. Sie gibt einem<br />
genau das, was man braucht, wenn<br />
man jung ist und auf der Straße landet:<br />
einen Schlafplatz, Essen, Kleidung, eine<br />
Dusche und ein offenes Ohr. Ganz ohne<br />
Anmeldung und kostenlos.<br />
Alles, was man tun muss, ist, bei der<br />
weißen Tür in der Neumayrgasse 4 im<br />
16. Bezirk anzuläuten und zu warten, bis<br />
eine/r der elf Sozialarbeiter*innen einem<br />
aufmacht. In einem kurzen Erstgespräch<br />
klärt man dann die wichtigsten Fragen<br />
ab: Wie geht’s dir gerade? Wieso bist<br />
du da? Willst du etwas mit uns teilen?<br />
Was können wir dir bieten? Die<br />
Jugendlichen können auf diese Fragen<br />
antworten, müssen aber nicht. Einige<br />
von ihnen geben am Anfang lieber einen<br />
falschen Namen an und das ist auch ok<br />
so. Denn a_way ist anonym. Und das ist<br />
auch das Besondere daran. Nirgendwo<br />
sonst in Wien kann man als Jugendlicher<br />
anonym schlafen. „Der Sinn und Zweck<br />
dieser Auskunftsverschwiegenheit ist,<br />
dass wir ein sicherer Rückzugsort sein<br />
wollen, denn wenn die Jugendlichen aus<br />
der Familiensituation ausbrechen, hat<br />
das ja immer Gründe. Wir wollen nicht,<br />
dass die Eltern hier Sturm läuten oder<br />
die Jugendlichen vor der Tür abpassen“,<br />
sagt David Neusteurer. Er ist einer, der<br />
es wissen muss.<br />
FAMILIENSTREIT, GEWALT<br />
ODER DROGEN<br />
Denn David arbeitet seit vier Jahren<br />
als Sozialarbeiter bei a_way und ist<br />
Hier am großen Tisch vor der Küche kommen die Jugendlichen miteinander ins<br />
Gespräch. Manchmal können dabei sogar Romanzen entstehen, erzählt der Sozialarbeiter<br />
David Neusteurer.<br />
einer von elf, die sich hier jeden Abend<br />
abwechseln, um obdachlosen Jugendlichen<br />
in Wien die Tür aufzumachen,<br />
wenn sie in der Nacht anklopfen und<br />
einfach nur schlafen wollen. David ist ein<br />
großgewachsener, dunkelblonder Mann.<br />
Er ist 28 Jahre alt, hat helle Augen und<br />
einen freundlichen, warmen Blick. Wenn<br />
er erzählt, kann man die jahrelange<br />
Erfahrung heraushören: „Meistens sind<br />
es Konflikte im Familienverband. Das<br />
reicht von eher harmlosen Streitereien<br />
wie „Ich hab‘ den Geschirrspüler nicht<br />
ausgeräumt“ bis hin zu Sätzen wie „Die<br />
Ohrfeige halt‘ ich nicht mehr aus“.“<br />
Meistens kommen die Jugendlichen<br />
wegen physischer und psychischer<br />
Gewalt, wegen Drogenmissbrauchs<br />
oder Streit. Sie alle haben gemeinsam,<br />
dass sie eine kurze Verschnaufpause<br />
brauchen. Einen Ort, an dem sie<br />
durchatmen können. Hier bei a_way<br />
können sie das. Fünf Tage im Monat,<br />
ganz anonym. Danach versuchen<br />
die Sozialarbeiter*innen ihnen neue<br />
Perspektiven aufzuzeigen, sie über<br />
ihre Rechte als Jugendliche aufzuklären<br />
und so gut es geht individuell zu<br />
unterstützen. Sie beraten, begleiten<br />
und informieren die Jugendlichen also,<br />
ganz egal, worum es geht. Im letzten<br />
Jahr haben neben Jelena und ihrem<br />
Gleich beim Eingang stehen viele blaue<br />
Spinde, in die die Jugendlichen<br />
erstmals ihre Sachen ablegen und versperren<br />
können.<br />
Freund 446 andere Jugendliche dieses<br />
Angebot genützt. Die meisten von ihnen<br />
waren männlich und durchschnittlich 17<br />
Jahre alt. Gründe dafür könnten sein,<br />
dass „Mädchen in unserer Gesellschaft<br />
eher als verletzlicher und schützenswerter<br />
angesehen werden. Sie werden<br />
schneller mal von Familien von Freunden<br />
aufgenommen als Burschen, denen die<br />
Selbstschuld schneller zugeschrieben<br />
wird“, sagt David.<br />
A_WAY: ZWISCHEN<br />
TEENAGERN UND<br />
JUGENDAMT<br />
Wenn die Jugendlichen nach den fünf<br />
Tagen immer noch nicht nach Hause<br />
wollen oder können, bietet a_way<br />
ihnen eine Begleitung zum Jugendamt<br />
an. Davor klären sie mit ihnen, welche<br />
Rechte sie haben, was sie beim<br />
Jugendamt preisgeben sollten und<br />
was sie verschweigen können, wenn<br />
sie wollen. Manche von ihnen haben<br />
schon Erfahrungen mit dem Jugendamt<br />
gemacht und vielleicht Probleme mit<br />
ihren zuständigen Sozialarbeiter*innen.<br />
In diesen Fällen versucht a_way zwischen<br />
den Jugendlichen und den<br />
Sozialarbeiter*innen zu vermitteln.<br />
„VOR EIN PAAR TAGEN<br />
HABE ICH MICH MIT EINEM<br />
MÄDCHEN GESCHLAGEN“<br />
Genau das ist im Moment bei Jelena der<br />
Fall. Eigentlich lebt sie mittlerweile in<br />
einer WG, die dem Jugendamt untersteht<br />
und ihr vor einem Jahr vermittelt<br />
wurde, nachdem sie zum ersten Mal bei<br />
a_way war. Mit der WG ist Jelena aber<br />
nicht glücklich. Sie möchte weg, am liebsten<br />
mit ihrem Freund zusammenziehen,<br />
aber bis zu ihrem <strong>18</strong>. Lebensjahr kann<br />
sie das nicht bestimmen, denn bis dahin<br />
obliegt die Obsorge dem Jugendamt.<br />
„Vor ein paar Tagen habe ich mich dort<br />
mit einem Mädchen geschlagen, das<br />
mein ganzes Zimmer, meinen Kasten,<br />
mein Fenster, einfach alles kaputt<br />
gemacht hat. Ich wollte sie zuerst lieb<br />
und nett darauf ansprechen, aber das<br />
hat nicht geklappt und dann wurde ich<br />
rausgeschmissen“, sagt Jelena.<br />
Rausgeschmissen wurde Jelena<br />
eigentlich nicht. Im Moment darf sie<br />
allerdings erst am Abend zum Schlafen<br />
in die WG kommen, „als Strafe sozusagen“,<br />
erklärt Jelena. Während sie all das<br />
erzählt, sitzt sie neben David am großen<br />
Tisch im Aufenthaltsraum von a_way.<br />
David schaut kurz verwirrt, er hört zum<br />
ersten Mal von dieser Regelung und<br />
fragt ein paar Mal verwundert nach.<br />
Heute Nachmittag soll sich das Problem<br />
aber klären, denn Jelena hat ein Treffen<br />
mit ihrer „Chefin“ vereinbart, das „Reflexionsgespräch“<br />
genannt wird. In diesem<br />
will sie versuchen, sich von ihrer WG<br />
abmelden zu lassen und eine neue Bleibe<br />
zu finden. Kurz nach dem Reflexionsgespräch<br />
telefoniert David noch einmal<br />
mit der WG-Leitung und der Konflikt legt<br />
sich wieder.<br />
„ICH WILL EINFACH EIN<br />
NORMALES LEBEN“<br />
Fragt man Jelena, was sie sich für ihre<br />
Zukunft wünscht, sagt sie, sie habe<br />
„nicht recht viele Wünsche.“ Eigentlich<br />
wolle sie einfach nur ein ruhiges und<br />
glückliches Leben führen: „Wirklich. Ein<br />
normales Leben einfach.“ Abgesehen<br />
von dem Streit in der WG, stehen die<br />
Chancen dafür gar nicht mal so schlecht.<br />
Seit zwei Monaten macht Jelena<br />
nun eine Lehre beim AMS - als Friseurin.<br />
Zu ihrem Vater hat sie seit ungefähr<br />
einem Jahr gar keinen Kontakt mehr. Der<br />
habe sie zwar immer wieder terrorisiert,<br />
sie angerufen und ihr Nachrichten<br />
geschrieben, aber mittlerweile sitze er im<br />
Gefängnis. Warum, das weiß sie nicht.<br />
Viele Worte hat Jelena für ihren Vater<br />
nicht übrig: „Ich glaube, er ist ein psychisch<br />
kranker Mensch“, sagt sie. Ihre<br />
Schwestern leben im Moment beide in<br />
WGs, allerdings jeweils in einer anderen,<br />
getrennt voneinander. Zur jüngsten hat<br />
Jelena noch regelmäßig Kontakt: „Ich bin<br />
für sie da, sie kann immer zu mir kommen,<br />
wenn sie was braucht.“ Der Kontakt<br />
zur mittleren Schwester ist abgebrochen:<br />
„Sie hat begonnen, ganz schlimme<br />
Sachen zu machen, Drogen zu nehmen.<br />
Ich habe versucht, sie da rauszuziehen<br />
und dann hat sie sich distanziert.“<br />
Hört man Jelena zu, kann man fast<br />
nicht glauben, dass sie erst 17 Jahre<br />
alt ist. Man würde vielleicht meinen,<br />
dass sie jeder Optimismus verlassen<br />
hat, aber sie sagt dazu nur: „Da gibts<br />
viel schlimmere Geschichten. Ich hab‘ ja<br />
einen Schlafplatz.“ Was sie rückblickend<br />
am meisten bereut, ist, aus ihrer ersten<br />
WG in Amstetten ausgebrochen zu sein<br />
und vor allem die Schule abgebrochen<br />
zu haben. Deswegen würde sie Jugendlichen<br />
in ähnlichen Situationen diesen<br />
Ratschlag geben: „Hab Geduld. Zuck<br />
nicht aus. Denk lieber zwei-, dreimal<br />
nach, bevor du etwas machst. Das wäre<br />
vielleicht gut.“ ●<br />
* Name von der Redaktion geändert<br />
Mit den Plüschtieren auf den Betten und<br />
den Wattepads, die über den Spiegeln in<br />
den Zimmern hängen, fühlt man sich ein<br />
bisschen wie Zuhause.<br />
42 / RAMBAZAMBA /<br />
/ RAMBAZAMBA / 43
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DIE WIENER<br />
MODERNE<br />
IST ZURÜCK<br />
Wie hat das Leben in Wien<br />
vor rund hundert Jahren<br />
ausgesehen? Wer hat hier<br />
gelebt, wie hat man gelebt und was<br />
ist uns aus der Zeit der Jahrhundertwende<br />
noch geblieben? Wie stand es<br />
um Literatur, Architektur, Musik und<br />
Kunst? Das Kulturgeschehen der Stadt<br />
wurde damals von der Wiener Moderne<br />
geprägt – und dieses Jahr lässt die<br />
Stadt Wien diese Zeit wieder aufleben.<br />
20<strong>18</strong> jähren sich zum hundertsten<br />
Mal die Todestage einiger wichtiger<br />
Vertreter dieser Kunstströmung, wie<br />
Egon Schiele, Gustav Klimt, Koloman<br />
Moser und vor allem Otto Wagner.<br />
Aus diesem Anlass drehen sich 20<strong>18</strong><br />
zahlreiche Ausstellungen um diese<br />
Protagonisten und ihr Schaffen. Die<br />
Wiener Postsparkasse ist das wohl<br />
berühmteste Gebäude der Wiener<br />
Moderne – aber was sich noch alles<br />
hinter dieser Strömung verbirgt, kann<br />
man dieses Jahr an unterschiedlichen<br />
Kunst-Stationen in Wien herausfinden.<br />
↑ Koloman Moser, Firmenschild für<br />
den Modesalon Schwestern Flöge,<br />
Wien, 19<strong>04</strong>, Ausführung: Wiener<br />
Mosaikwerkstätte; Glasmosaik; © MAK<br />
← Wiener Werkstätte, Postkarte Nr. 251<br />
mit Porträt Otto Wagners, Wien, 1911;<br />
© MAK<br />
Fotos: Hagen Stier / MAK<br />
WIEN<br />
Stadt der<br />
Kultur<br />
Das Juwel der Wiener Moderne – Otto Wagners Postsparkasse in<br />
1010 Wien. Die Stadt Wien lässt 20<strong>18</strong> die Wiener Moderne und ihre<br />
Protagonisten wieder aufleben – mit Ausstellungen und Kultur-Events.<br />
Noch bis zum 7. Oktober 20<strong>18</strong> präsentiert<br />
das Wien Museum Karlsplatz<br />
das Leben und Gesamtwerk des<br />
„Weltstadtarchitekten“ Otto Wagner.<br />
Seine Zeichnungen, Möbel, Modelle,<br />
Gemälde und persönlichen Gegenstände<br />
sind dort zu bestaunen – einige<br />
der 500 Exponate sind zum ersten Mal<br />
für die Öffentlichkeit zugänglich.<br />
Infos unter: www.wienmuseum.at<br />
Im MAK (Museum für angewandte<br />
Kunst) kann man von 30. Mai bis<br />
30. September 20<strong>18</strong> die Ausstellung<br />
„POST OTTO WAGNER. Von der Postsparkasse<br />
zur Postmoderne“ ansehen.<br />
Mit einem Vollpreis-Ticket aus dem<br />
Wien Museum erhält man im Ausstellungszeitraum<br />
ermäßigten Eintritt ins<br />
MAK.<br />
Infos unter www.MAK.at<br />
Im Hofmobiliendepot Möbel Museum<br />
Wien ist bis 7. Oktober 20<strong>18</strong> die<br />
Ausstellung „Wagner, Hoffmann, Loos<br />
und das Möbeldesign der Wiener<br />
Moderne. Künstler, Auftraggeber, Produzenten“<br />
zu sehen.<br />
Infos unter: www.hofmobiliendepot.at<br />
Das Leopold Museum zeigt bis<br />
10. Juni 20<strong>18</strong> in der Ausstellung<br />
„Wien um 1900! Klimt – Moser –<br />
Gerstl – Kokoschka“ eine einzigartige<br />
Kollektion an Meisterwerken der Kunst<br />
Wiens um 1900.<br />
Das ist nur ein ganz kleiner Auszug<br />
aus über tausend Kultur-Veranstaltungen,<br />
die Wien dieses Jahr zu bieten<br />
hat. Damit man nicht den Überblick<br />
verliert, sind alle Events online zu finden<br />
– gegliedert nach Interessen und<br />
Schwerpunkten. Wer sich also Fragen<br />
stellt wie „Wohin am Wochenende?<br />
Welche Ausstellungen sollte ich unbedingt<br />
sehen? Welcher Ausflug eignet<br />
sich für die ganze Familie?“, ist hier<br />
richtig. Einfach online reinklicken unter<br />
www.veranstaltungen.wien.at<br />
MUSEEN & AUSSTELLUNGEN<br />
GÜRTEL<br />
2<br />
MARIAHILFER STRASSE<br />
RING<br />
4<br />
1 „Das Leben und Schaffen von<br />
Otto Wagner“ im Wien Museum<br />
Karlspaltz, www.wienmuseum.at<br />
2 Wagner, Hoffmann, Loos und<br />
Möbel der Wiener Moderne im<br />
Hofmobiliendepot<br />
www.hofmobiliendepot.at<br />
3 Post Otto Wagner – Von der<br />
Postsparkasse zur Postmoderne<br />
im MAK. www.mak.at<br />
4 Klimt, Moser, Gerstl, Kokoschka<br />
– Kunst in Wien um 1900.<br />
www.leopoldmuseum.org<br />
www.museen.wien.at<br />
1<br />
3
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5<br />
WIEN<br />
WANDERN<br />
WIEN<br />
Wer<br />
eine Auszeit vom<br />
urbanen Leben möchte,<br />
ohne dafür extra<br />
wegfahren zu müssen,<br />
für den sind die Wiener<br />
Stadtwanderwege genau<br />
das Richtige.<br />
VON NADA EL-AZAR<br />
8<br />
4<br />
6<br />
2<br />
1a<br />
1<br />
3<br />
9<br />
4a<br />
7<br />
Stadtwanderweg 1 - Kahlenberg<br />
Stadtwanderweg 1a - Leopoldsberg<br />
Stadtwanderweg 2 - Hermannskogel<br />
Stadtwanderweg 3 - Hameau<br />
Stadtwanderweg 4 - Jubiläumswarte<br />
Stadtwanderweg 4a - Ottakring<br />
Stadtwanderweg 5 - Bisamberg<br />
Stadtwanderweg 6 - Zugberg-Maurer Wald<br />
Stadtwanderweg 7 - Laaer Berg<br />
Stadtwanderweg 8 - Sophienalpe<br />
Stadtwanderweg 9 - Prater<br />
Meine Begleiter auf der<br />
Sophienalpe: Nur eine<br />
Flasche Wasser, Obst und<br />
Musik. Wann immer ich eine Auszeit<br />
von der Stadt brauche, komme ich hier<br />
her, öfter alleine als mit FreundInnen.<br />
Sophienalpe klingt zwar nach Gebirge<br />
irgendwo in Österreich, ist aber eine<br />
kleine, feine Anhöhe im Westen von<br />
Wien. Schon zu Kaiserzeiten wurde<br />
der idyllische Hügel als Ausflugsziel<br />
geschätzt. Wenn es diesen tollen<br />
Ausblick auf die Stadt vom Hochplateau<br />
aus nicht gäbe, könnte man<br />
meinen, man wäre wirklich weit weg<br />
auf Urlaub. Wien wirkt so nah und fern<br />
zugleich, wenn man hier oben steht.<br />
In regelmäßigen Abständen markieren<br />
Holzschilder den richtigen Weg auf<br />
allen elf Wiener Stadtwanderwegen.<br />
Der Forst- und Landwirtschaftsbetrieb<br />
(MA 49) der Stadt Wien sorgt dafür,<br />
dass die Wege gepflegt und deutlich<br />
ausgeschildert sind.<br />
Fotos: Susanne Einzenberger<br />
SANFTER SPORT FÜR ALLE<br />
Vor etwa zwei Jahren begann ich, die<br />
Wiener Stadtwanderwege für mich zu<br />
entdecken. Das Praktische an ihnen<br />
ist, dass die Anfangs- und Endpunkte<br />
mit den Öffis gut erreichbar sind. Perfekt<br />
für alle, die kein Auto oder keine<br />
Zeit haben, um zum Wandern aufs<br />
Land hinauszufahren. Man kann sich<br />
gut mit FreundInnen an den Stationen<br />
verabreden und auf einer dreistündigen<br />
Wanderung plaudern. Gleichzeitig<br />
tut man auch etwas für die Fitness:<br />
Wandern verbrennt ungefähr genauso<br />
viele Kalorien wie Joggen. Beim Wandern<br />
trainiert man Ausdauer, Muskeln<br />
und Knochen und das alles an der<br />
frischen Luft. Weil Bewegung hungrig<br />
macht, gibt es auf allen Wanderwegen<br />
Gaststätten, in die man für einen<br />
Snack einkehren kann.
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WIEN<br />
№1<br />
Rasten mit guten Aussichten auf der Sophienalpe. Die Gehzeit dafür beträgt etwa 4 bis 4,5 Stunden.“<br />
Fotos: Susanne Einzenberger<br />
Ob für Naturverbundene, Sportmuffel<br />
oder WeinliebhaberInnen – Wiens<br />
Stadtwanderwege haben für alle etwas<br />
zu bieten:<br />
FÜR ANFÄNGERINNEN<br />
Der Stadtwanderweg im Prater (13km,<br />
Ausgangspunkt Praterstern) liegt im<br />
Herzen der Stadt und ist besonders<br />
geeignet für Familien, da der Weg<br />
über ein flaches Gebiet verläuft. Ein<br />
besonderes Highlight kann eine Bootsfahrt<br />
über das Heustadlwasser sein.<br />
Gehzeit: 3–4 Stunden<br />
FÜR WALDFREUNDINNEN<br />
An der Endstation Neuwaldegg der<br />
Straßenbahnlinie 43 beginnt der Stadtwanderweg<br />
Hameau (10,5 km, Ausgangspunkt<br />
Neuwaldegg). Diese Route<br />
ist in den heißen Sommermonaten<br />
besonders angenehm, da unter den<br />
Bäumen des Wienerwalds ein angenehm<br />
kühles Wanderklima herrscht.<br />
Auch für Mountainbiker geeignet.<br />
Gehzeit: 3,5 Stunden<br />
FÜR ARCHITEKTURFANS<br />
Im Stadtteil Mauer in Wien Liesing<br />
befindet sich der Stadtwanderweg<br />
Zugberg – Maurer Wald (12,5 km, Ausgangspunkt<br />
Rodaun), auf dem man die<br />
eindrucksvolle Wotrubakirche besichtigen<br />
kann. Die Gehzeit dafür beträgt<br />
etwa 4 bis 4,5 Stunden.<br />
Die berühmte Otto Wagner-Kirche<br />
auf den Steinhofgründen kann man<br />
auf dem Wanderweg Ottakring (10 km,<br />
Ausgangspunkt Ottakring) sehen.<br />
Gehzeit: 3 Stunden<br />
FÜR WEINFREUNDINNEN<br />
Ein bekannter Wanderweg verläuft auf<br />
den Kahlenberg (10,9 km, Ausgangspunkt<br />
Nußdorf), wo man im Sommer<br />
die Möglichkeit hat, auf einen Spritzer<br />
in Heurigenbetriebe und Buschenschanken<br />
einzukehren.<br />
Gehzeit: 3,5 Stunden<br />
FÜR SPORTLERINNEN<br />
Der sogenannte „rundumadum“-<br />
Wanderweg ist die Königsdisziplin. Er<br />
führt in 120 km um ganz Wien, und<br />
ist „mundgerecht“ in 24 Etappen aufgeteilt<br />
und nach Belieben kombinierbar.<br />
Die ersten zwei Etappen führen<br />
beispielsweise von Nußdorf über den<br />
Cobenzl bis zum Häuserl am Roan in<br />
12,5 km.<br />
Für die Jause zwischendurch sorgt die Natur. Wildkräuter wie Bärlauch gibt es<br />
von März bis April. Erkennbar am Knoblauchgeruch im Vergleich zu Maiglöckchen.<br />
Fotos: Stadt Wien<br />
WIEN, WIEN,<br />
NUR DU ALLEIN …<br />
… sollst stets die Stadt meiner Träume sein. So heißt es in einem bekannten Wiener<br />
Lied. Tatsächlich belegt Wien laut einer aktuellen Studie bereits zum neunten Mal in<br />
Folge Platz Eins, im Ranking der Städte mit der höchsten Lebensqualität.<br />
Zum 20. Mal vergleicht die Beratungsgesellschaft<br />
Mercer 231<br />
Großstädte auf der ganzen Welt in<br />
Hinblick auf Sicherheit, soziales Umfeld,<br />
Infrastruktur und Gesundheitsversorgung,<br />
um nur ein paar der 39 Kriterien<br />
zu nennen. Im internationalen Vergleich<br />
führt Wien – gefolgt von Zürich auf Platz 2<br />
sowie Auckland und München auf Platz 3.<br />
LEBENSWERTE<br />
KULTUR<br />
Wien hat auf europäischer und internationaler<br />
Ebene daher einen ausgezeichneten<br />
Ruf. Zahlreiche Studien und Rankings attestieren<br />
Wien laufend eine ausgezeichnete<br />
Positionierung im globalen Wettbewerb<br />
und beste Voraussetzungen für eine<br />
weitere dynamische Entwicklung. Wien<br />
ist im Vergleich zu vielen Städten sauber<br />
und sicher, beliebt, um hier zu leben und<br />
zu wohnen, einzukaufen, Kaffeehaus- und<br />
Weinkultur zu genießen, sich in Parks und<br />
Gärten zu erholen, die unzähligen Kulturund<br />
Freizeitangebote zu nutzen (www.<br />
freizeit.wien.at). Übrigens: Die Wiener<br />
Kaffeehauskultur wurde im Jahr 2011 offiziell<br />
ein nationales immaterielles Kulturerbe<br />
im Verzeichnis der UNESCO, genau so<br />
wie die Wiener Ballkultur und das Wiener<br />
„Dudeln“ ( Heurigengesang).<br />
INTERNATIONALES<br />
VERTRAUEN<br />
Alle Faktoren gemeinsam spielen auch<br />
eine nicht unwesentliche Rolle für die<br />
Ansiedlung internationaler Firmen in Wien.<br />
2017 verzeichnete Wien laut Wirtschaftskammer<br />
9.035 Unternehmensneugründungen,<br />
also etwa 26 neue Firmen jeden<br />
Tag. Junge Unternehmerinnen und<br />
Unternehmer haben über die Wirtschaftsagentur<br />
Wien ein reiches Beratungs- und<br />
Förderangebot.<br />
Nähere Infos unter www.wirtschaft.wien.at<br />
MERCER RANKING<br />
20<strong>18</strong><br />
1 Wien<br />
2 Zürich<br />
3 Auckland<br />
3 München<br />
5 Vancouver<br />
6 Düsseldorf<br />
7 Frankfurt<br />
8 Genf<br />
9 Kopenhagen<br />
10 Basel<br />
VIRTUELLES AMT<br />
Um sich den einen oder<br />
anderen Amtsweg zu ersparen,<br />
bietet die Stadt Wien<br />
eine Liste aller Services<br />
rund um Amtswege an! Hier<br />
lässt sich etwa bequem das<br />
Parkpickerl online bestellen.<br />
www.amtshelfer.wien.at
MEINUNG<br />
Engagiert euch!<br />
„Wir suchen eine junge, motivierte Person,<br />
die unser dynamisches Team vervollständigt.<br />
Einzige Voraussetzung: Drei Doktor-Abschlüsse,<br />
zehn Jahre einschlägige Berufserfahrung sowie<br />
Klingonisch fließend in Wort und Schrift.“<br />
Achtung, Sarkasmus! Das ist sehr überspitzt<br />
dargestellt, doch wenn ich mir manche Stellenanzeigen<br />
durchlese, stelle ich mir oft die Frage:<br />
Wovon träumen Personalbeschaffer nachts?<br />
Das mit der Berufserfahrung ist so eine Sache.<br />
Wo soll ich Berufserfahrung sammeln, wenn ich<br />
überall nur mit Berufserfahrung reinkomme?<br />
Die Antwort: Praktika und Ehrenamt. Beide sind<br />
unbezahlt (oder zumindest schlecht entlohnt).<br />
Doch ehrenamtliches Engagement bringt sehr<br />
viel mehr Vorteile mit sich: Ich kann mir konkret<br />
aussuchen, in welchem Bereich ich mich einbringen<br />
möchte. Ich kann mich ausprobieren,<br />
neue Strategien entwickeln, neue Strukturen<br />
kennenlernen und wenn etwas schiefgeht, ist<br />
das auch kein Drama. Außerdem bekomme ich<br />
Verantwortung und Schaffungsspielraum. Ich<br />
habe wohl noch nirgends so viel gelernt wie<br />
in meiner Vereinstätigkeit. Ganz zu schweigen<br />
vom gesellschaftlichen Mehrwert, der Vernetzung<br />
mit den vielen motivierten Menschen und<br />
all den Freundschaften, die dadurch entstehen.<br />
Ehrenamt ist die beste Vorbereitung auf die<br />
Berufswelt und zeigt eurer zukünftigen ArbeitgeberIn,<br />
dass ihr selbst die Initiative ergreift<br />
und auch mal ein bisschen mehr tut als von<br />
euch verlangt. Worauf wartet ihr noch? Engagiert<br />
euch!<br />
grman@dasbiber.at<br />
KARRIERE & KOHLE<br />
Studieren statt Saunieren<br />
Von Andrea Grman<br />
Woher kommt deine<br />
Leidenschaft für<br />
Notizbücher??<br />
Ich habe einen<br />
unglaublichen Papierfetisch.<br />
Mit zehn<br />
Jahren schenkte mir<br />
meine Schwester<br />
mein erstes Notizbuch.<br />
Das habe ich<br />
überall hin mitgetragen<br />
und habe es noch<br />
heute.<br />
Was können eure<br />
Notizbücher, was<br />
andere nicht können?<br />
Abgesehen von der<br />
durchdachten Struktur<br />
ist die Qualität des<br />
Papiers auf einem<br />
anderen Level. Bei<br />
unseren Büchern<br />
kannst du machen,<br />
was du willst. Es<br />
gehört wirklich<br />
g‘scheit durchdacht,<br />
Frauen<br />
für<br />
Frauen<br />
Du bist weiblich, zwischen<br />
14 und 25 Jahren<br />
und willst Projekte für<br />
junge Frauen mitgestalten?<br />
Dann bewirb<br />
dich bis zum 31.07.20<strong>18</strong><br />
für den Mädchenbeirat.<br />
Infos dazu bekommst du<br />
bei ruth.mayr@hil-foundation.org.<br />
3<br />
FRAGEN AN:<br />
Oliver Ottner<br />
Gründer von<br />
„There’s a book for that“<br />
Aufgepasst, Bullet Points<br />
Liebhaber und Listenersteller!<br />
Hier gibt es euer<br />
individuelles Notizbuch.<br />
Von Jelena Pantić-Panić<br />
damit es ein gutes<br />
Produkt wird. Und<br />
das ist uns ganz gut<br />
gelungen.<br />
Wie entsteht ein<br />
„There’s a book for<br />
that“-Buch?<br />
Zuerst wird mal<br />
ordentlich gesurft. Ich<br />
versuche immer, in<br />
der Gestaltung etwas<br />
Liebevolles drin zu<br />
haben. Das entsteht<br />
erst, wenn ich mich<br />
richtig damit auseinandersetze,<br />
was<br />
die Leute brauchen.<br />
Dann schicke ich das<br />
jemandem, der das<br />
tatsächlich beruflich<br />
macht und frage „Hab<br />
ich‘s getroffen?“<br />
Das ganze Interview<br />
findest du auf<br />
dasbiber.at<br />
Web-Tipp<br />
WO KANN<br />
ICH HELFEN?<br />
Wenn ihr wissen wollt, wo eine helfende<br />
Hand gebraucht wird: Einfach<br />
bei Where2Help registrieren. Die<br />
Plattform verbindet Freiwillige mit<br />
Flüchtlingsorganisationen.<br />
FOMO (fear of missing out)?!<br />
Nicht mit uns! Du weißt zwischen all<br />
deinen Verpflichtungen manchmal gar nicht,<br />
wo dir der Kopf steht? Dann power dich<br />
so richtig aus. Schüttel deinen Stress raus,<br />
zum Beispiel beim Piloxing ® oder Hawaiianischem<br />
Hula-Tanz. Die beiden VHS-Kurse<br />
starten Anfang bzw. Mitte Mai – nicht verpassen<br />
und gleich anmelden!<br />
Marko Mestrović, Jelena Pantić-Panić<br />
Fotos: © Ludwig Schedl<br />
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KARRIERE MIT<br />
VERSICHERUNGSLEHRE<br />
Mit einer Lehre bei der Wiener Städtischen Versicherung wird der Grundstein<br />
für einen Beruf mit Zukunft gelegt. Krisen sicherheit, gute Verdienstmöglich<br />
keiten und Zukunft s perspektiven sind nur einige Gründe für die<br />
Ent scheidung zu einer Lehre als Versicherungskauffrau oder –mann.<br />
DEINE AUSBILDUNG<br />
Neben der Berufsschule wird dir<br />
eine fundierte praxisorientierte Ausbildung<br />
mit nach oben hin offenen<br />
Karrierechancen geboten. Ein Mentor<br />
begleitet und unterstützt dich während<br />
der gesamten Ausbildung. Nach<br />
erfolgreichem Lehrabschluss gibt es<br />
zahlreiche Möglichkeiten zur Weiterbildung,<br />
wie etwa die BÖV-Prüfung bei der<br />
Bildungsakademie der österreichischen<br />
Versicherungswirtschaft. Auch einer<br />
Ausbildung zum Finanz- oder Businessprofi<br />
steht bei hoher Leistungsbereitschaft<br />
nichts im Wege.<br />
DEINE VERDIENST<br />
MÖGLICHKEITEN<br />
Als Versicherungsberaterin genießt du<br />
ein fixes Angestelltenverhältnis und<br />
eine hohe soziale Absicherung. Wie<br />
hoch das tatsächliche Einkommen nach<br />
Abschluss der Ausbildung ist, hängt von<br />
deinem persönlichen Engagement ab.<br />
DEINE VORAUS<br />
SETZUNGEN<br />
Unbedingt erforderlich ist die Freude<br />
am Umgang mit Menschen. Wer<br />
kommunikativ und kontaktfreudig ist,<br />
Abwechslung liebt, Engagement und<br />
Eigenverantwortung zeigt, gerne im<br />
Team arbeitet und Ausdauer und Zielstrebigkeit<br />
mitbringt, hat die optimalen<br />
Voraussetzungen für eine Versicherungslehre.<br />
„Besonders gut gefällt mir an meinem<br />
Job die Vielfalt. Ich berate Kundinnen<br />
und Kunden aller Gesellschaftsschichten<br />
zu breit gefächerten Themen – und das<br />
bei freier Zeiteinteilung und leistungsbezogenem<br />
Einkommen.“<br />
Helena Camic, Lehrling in Wien<br />
INFORMATION & KONTAKT<br />
Die Wiener Städtische sucht österreichweit<br />
engagierte und kommunikative<br />
Persönlichkeiten zwischen 17 und 20<br />
Jahren, die an einer umfassenden<br />
Ausbildung zum Versicherungskaufmann<br />
oder zur Versicherungskauffrau<br />
interessiert sind, gerne auch<br />
Schulabbrecher. Geboten wird eine<br />
praxisorientierte Ausbildung mit ausgezeichneten<br />
Karriere- und Entwicklungsmöglichkeiten.<br />
JETZT BEWERBEN!<br />
Unter www.wienerstaedtische.at<br />
oder per E-Mail an<br />
lehrling@wienerstaedtische.at<br />
TOP<br />
I E B<br />
L E H R B E T R<br />
Aus- und Weiterbildung<br />
wird bei der Wiener<br />
Städtischen groß<br />
geschrieben und nimmt<br />
als einer der größten<br />
Lehrlingsausbildner der<br />
Branche jährlich rund<br />
100 junge Menschen<br />
zwischen 17 und 20<br />
Jahren als Lehrling auf.<br />
Für herausragendes<br />
Engagement in der Lehrlingsausbildung<br />
wurde<br />
die Wiener Städtische<br />
mit dem Qualitätssiegel<br />
„TOP-Lehrbetrieb“ der<br />
Stadt Wien, der Wirtschaftskammer<br />
Wien,<br />
der Industriellenvereinigung<br />
Wien, dem<br />
Gewerkschaftsbund und<br />
der Arbeiterkammer<br />
Wien ausgezeichnet.<br />
50 / KARRIERE /
Selbermacher<br />
Die<br />
„DIE KUNDEN KOMMEN GROSSTEILS<br />
ÜBER MUNDPROPAGANDA“<br />
Gymclub Fitness ist das einzige Fitnessstudio<br />
in Wien mit Clubatmosphäre. Fitness<br />
soll Spaß machen“ – davon ist Chima überzeugt.<br />
Sein Ziel: Die Intensität während des<br />
Trainings zu steigern. „Bei uns trainieren<br />
maximal 10 Leute auf einmal. Jeder<br />
Teilnehmer kriegt Sensoren und seine Pulswerte<br />
werden in Echtzeit gemessen. Somit<br />
haben wir jederzeit die „Fitnessdaten“ von<br />
jedem, der trainiert und können in Echtzeit<br />
die Trainierenden in ihren optimalen<br />
Bereich steuern.“ Das kleine Studio ist von<br />
außen kaum zu erkennen, man betritt es<br />
durch den Eingang zu einem Sonnenstudio<br />
und geht dann eine Treppe rauf. Im Gymclub<br />
ist es dunkel – wie in einem Nachtclub<br />
eben. An den Wänden stehen coole Moti-<br />
Fitnessparty<br />
Chima Rameez Okpalaugo<br />
ist eigentlich<br />
Musiker. Jetzt leitet<br />
er Wiens erstes Herzfrequenz-Basiertes<br />
Bootcamp Gym mit<br />
Clubatmosphäre.<br />
Über seinen Leitfaden<br />
zum Erfolg:<br />
Von Aleksandra Tulej, Foto: Susanne Einzenberger<br />
Eigentlich wollte Chima Rameez<br />
Okpalaugo ja ein Restaurant eröffnen.<br />
„Aber dann habe ich mir den<br />
Markt angeschaut und gemerkt, dass die<br />
Gastronomie ein zu unsicheres Gewerbe<br />
ist“, sagt er lachend. Heute ist er der Besitzer<br />
von Gymclub Fitness in der Schönbrunnerstraße<br />
in Wien. Die Entscheidung, ein<br />
Fitnessstudio aufzumachen, fällte er nicht<br />
einfach so: „Ich bin nicht einfach so All<br />
In gegangen. Ich habe mir auch hier den<br />
Markt angeschaut, Statistiken angeschaut,<br />
best cases, Fitnessreports und so weiter“,<br />
sagt Chima, der davor als Rapper in der<br />
Musik-Branche erfolgreich war. Daher hatte<br />
er auch sein Startkapital, um 2016 gemeinsam<br />
mit seinem Parnter Sasa Mikulovic das<br />
Fitnesscenter zu eröffnen.<br />
vations-Sprüche. „Es ist schon ein bisschen<br />
so ein Secret Studio – unsere Kunden<br />
kommen Großteils über Mundpropaganda.“<br />
– Die familiäre Atmosphäre zeigt sich auch<br />
in der Mitarbeiterzahl: Alle Trainings werden<br />
von Chima oder seinem Partner Sasa<br />
geleitet. Pro Woche trainieren hier bis zu<br />
150 Leute. „Aber es werden immer mehr“,<br />
sagt Chima. Dass er so erfolgreich ist, liegt<br />
an seinem durchdachten Konzept.<br />
„ES GIBT KEINEN LEITFADEN<br />
ZUM ERFOLG.“<br />
„Es gibt keinen Leitfaden zum Erfolg,<br />
man muss immer testen, was ankommt.<br />
Das Produkt, das man im Kopf hat, wird<br />
nie das Endprodukt sein. Man muss sich<br />
fragen, was für Leute kommen und wie du<br />
sie ansprechen kannst.“ So dachte Chima<br />
am Anfang, dass fast nur Männer in sein<br />
Fitnessstudio kommen werden und hat<br />
auch so die Trainings ausgelegt – jetzt sind<br />
fast 90 % seiner Kunden Frauen. „So spart<br />
man am Equipment, leichtere Hanteln sind<br />
ja billiger“, lacht er. „Du musst wissen, wer<br />
deine Zielgruppe ist – auf der Zielgruppenanalyse<br />
baut man dann die Kommunikation<br />
und Strategie auf. “<br />
Neben dem Wissen, das Chima sich selbst<br />
angeeignet hat, hat er auch viel Unterstützung<br />
von der WKO bekommen. „Wir nehmen<br />
Beratungsleistungen und Förderungen<br />
von der WKO in Anspruch. Vor allem wenn<br />
es um Standardanalysen und demographische<br />
Statistiken geht. Wir waren beim<br />
Gründerworkshop und sind jetzt auch bei<br />
der Rocket Science Reihe (Anm.: die neue<br />
Startup-Akademie der WKO) dabei. Wir<br />
hatten auch schon Schwerpunktberatung<br />
im Bereich Franchise und Expansion – Das<br />
KMU Digital Programm (Anm.: Ein Förderprogramm<br />
zur Digitalisierung von Unternehmen)<br />
der WKO nutzen wir auch. Die<br />
WKO ist uns also eine große Hilfe“, fasst er<br />
zusammen.<br />
Chimas Tipps für junge Unternehmer?<br />
„Weiterbilden, weiterbilden, weiterbilden.<br />
Und viel lesen. Viele Probleme, auf<br />
die man trifft, hat schon jemand anderes<br />
gelöst.“<br />
Habt ihr Lust auf ein Training im Gymclub<br />
bekommen? Schreibt eine Mail an office@<br />
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dem Betreff „bibergoesgymclub“ euren<br />
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Im Gründerservice der WKO-<br />
Wien kann man bei einem<br />
Beratungsgespräch alle Fragen<br />
stellen, die die Gründung eines<br />
Unternehmens betreffen. Im<br />
Vorhinein kann man sich auch<br />
schon eigenständig online<br />
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Tipps zur Selbstständigkeit,<br />
rechtliche Voraussetzungen,<br />
Amtswege oder Finanzierungsund<br />
Förderungsmöglichkeiten:<br />
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wichtigen Informationen.<br />
wko.at/wien<br />
www.gruenderservice.at<br />
Die Selbermacherw-Serie ist eine<br />
redaktionelle Kooperation von das<br />
biber mit der Wirtschaftskammer<br />
Wien.<br />
» WKO FIRMEN A–Z –<br />
IHRE INDIVIDUELLE VISITENKARTE IM WEB<br />
52 / KARRIERE /<br />
W wko.at/firmen T +43 1 514 50-3900
LIES DAS MAL, SEBASTIAN!<br />
Die Regierung spart bei den AMS-Geldern für Flüchtlinge. Damit werden Erfolgsstories<br />
wie jene von Ayham Youssef und Amro Albaghdadi in Zukunft schwieriger. Die beiden<br />
Syrer haben ihren Jobeinstieg in Österreich geschafft – auch über einen Kurs, der vom<br />
Arbeitsmarktservice unterstützt wurde. Von Simon Kravagna und Susanne Einzenberger (Fotos)<br />
Was machst du in<br />
deinem Job?<br />
Ich optimiere für<br />
Kunden ihren Werbeauftritt,<br />
damit die<br />
richtige Werbung online<br />
der richtigen Person<br />
ausgespielt wird. Konkret<br />
erstelle ich digitale Kampagnen<br />
(Programmatic, Social und Native),<br />
setze die richtige Trackings und plane<br />
die Mediapläne. Derzeit bin ich noch im<br />
Traineeprogramm und gehe alle Abteilungen<br />
durch von Search Programmatic<br />
über Social Advertising bis hin zu Affiliate<br />
Marketing und Client Services.<br />
Was magst du an deinem Job?<br />
Erstens die Leute hier: Alle sind wirklich<br />
super und sehr hilfsbereit. Zweitens<br />
lerne ich jeden Tag dazu. Vier mal<br />
im Jahr fahre ich auf Fortbildung zu<br />
unserem Headquarter nach Deutschland.<br />
Im April besuche ich eine Marketing-<br />
Konferenz in München.<br />
Wie bist du zu Netzeffekt gekommen?<br />
Wir hatten im biber-Kurs einen Workshop<br />
mit der Journalistin Livia Klingl. Sie<br />
hat eine tolle Facebook-Community, hat<br />
dort ein paar Infos von mir gepostet und<br />
gefragt, ob jemand für mich ein Praktikum<br />
hätte. Zuerst habe ich ein Unternehmenstraining<br />
bei Trending Topics<br />
gemacht. Über einen anderen Kontakt<br />
habe ich diesen Job gefunden.<br />
War es für dich leicht in Österreich?<br />
Nein. Die anderen Flüchtlinge haben mir<br />
gesagt, dass ich keinen Job in Österreich<br />
finden werde. Aber ich wollte immer<br />
arbeiten. Ich hatte vor der Flucht ein<br />
gutes Leben: Freunde, einen Job, ein<br />
Auto und so ... Ich wollte das wieder<br />
haben. Jetzt ist es soweit!<br />
„<br />
Ich wollte<br />
mein gutes<br />
Leben<br />
zurück!<br />
“<br />
Amro Albaghdadi (26)<br />
arbeitet bei der Digitalagentur<br />
Netzeffekt. Der Syrer<br />
erwarb vor seiner Flucht<br />
nach Österreich im September<br />
2015 einen akademischen<br />
Abschluss in „Mass<br />
Communication“. Amro<br />
absolvierte das biber-Praxistraining<br />
„Medien, Journalismus<br />
und Kommunikation“<br />
im Frühling 2017.<br />
Marko Mestrović<br />
Dr. Roland_ Anzeige Biber_207x66mm<br />
Integration war gestern<br />
Der neue Stil von Sebastian Kurz ist politisch erfolgreich<br />
aber ökonomisch daneben. biber-Chefredakteur Simon<br />
Kravagna über die Kürzung der AMS-Gelder für Flüchtlinge.<br />
Wenn man selbst erlebt hat, wie Integration<br />
funktioniert, dann lässt einen der<br />
„neue Stil“ von Kanzler Kurz ratlos zurück.<br />
War es nicht der junge Kurz, der Politik<br />
abseits der Scheuklappen und Ideologien<br />
betreiben wollte? Dem es – so betonte er<br />
immer wieder - darum ging, Probleme zu analysieren,<br />
um diese dann pragmatisch zu lösen? Oder galt<br />
dies nur bis zur Kanzlerschaft?<br />
Anders sind zumindest die Kürzungen der AMS-<br />
Gelder für Flüchtlinge kaum zu deuten. Wie der<br />
bürgerliche AMS-Chef Johannes Kopf zu Recht argumentiert,<br />
geht es bei der Integration von Flüchtlingen<br />
am Arbeitsmarkt um eine rein ökonomische Rechnung.<br />
Jeder Flüchtling, der einen Job hat, ist ein Gewinn.<br />
Und jeder eingesetzte Euro, der beschäftigungslose<br />
Flüchtlinge aus der Mindestsicherung raus holt, ist<br />
daher eine sinnvolle Investition.<br />
DIE WAHRHEIT IST<br />
Die Regierung unter Kurz tut das Gegenteil. Es wird bei<br />
Integration gespart, nicht investiert. Die Mittel für das<br />
gerade erst eingeführte Integrationsjahr werden um<br />
die Hälfte gekürzt. Anders als behauptet ist es schlichtweg<br />
falsch, dies mit sinkenden Flüchtlingszahlen zu<br />
rechtfertigen. Die Wahrheit ist: Es kommen zwar immer<br />
weniger Flüchtlinge nach Österreich. Aber es kommen<br />
immer mehr Flüchtlinge zum AMS. Ganz einfach<br />
• AHS-Matura<br />
• Berufsreifeprüfung<br />
• Studienberechtigungsprüfung<br />
• Sprachkurse, Latinum<br />
• Fernunterricht<br />
(Beginn jederzeit)<br />
Beginn: Frühjahr & Herbst<br />
aufgrund der Tatsache, dass immer mehr<br />
Asylberechtigte gut genug Deutsch<br />
sprechen, um überhaupt eine Chance<br />
auf einen Job zu haben. Konkret waren<br />
im März 2015 rund 15.000 Flüchtlinge<br />
beim AMS gemeldet, im März 20<strong>18</strong> waren<br />
es mehr als 32.000.<br />
Rund 30 Prozent aller Flüchtlinge, die 2015 nach<br />
Österreich gekommen sind, haben bereits einen Job.<br />
Für viele ist das eine erschreckend niedrige Zahl.<br />
International gesehen ist es aber ein echter Erfolg,<br />
der auch durch sinnvolle Projekte, Unterstützungsleistungen<br />
und Trainingsprogramme des AMS erreicht<br />
wurde. Auch biber hat dazu ein bisschen etwas beigetragen<br />
– durch einen Kurs für geflüchtete Menschen<br />
aus dem Medienbereich.<br />
GESCHWÄTZ VON GESTERN<br />
Wir wissen daher ganz genau, wie schwierig es ist,<br />
Flüchtlinge am Arbeitsmarkt zu integrieren. Aber<br />
es geht, wie Ayham Youssef, Amro Albaghdadi und<br />
andere TeilnehmerInnen des biber-Programms gezeigt<br />
haben. Und es zahlt sich unterm Strich für Österreich<br />
aus. Aber offenbar zählen ökonomische Überlegungen<br />
weniger als populistischer Aktionismus. Politisch wird<br />
das sicher erfolgreich sein. Da mache ich mir keine<br />
Illusionen. Aber war das mit der Integration nur das<br />
Geschwätz von gestern, Herr Kurz? ●<br />
HÖCHSTE<br />
ERFOLGSZAHL<br />
ÖSTERREICHS<br />
54 / KARRIERE /<br />
Tel.: 01/523 14 88, Neubaugasse 43, 1070 Wien, www.roland.at
Was machst du in deinem<br />
Job?<br />
Ich mache Videos und<br />
fotografiere auch.<br />
Was magst du an deinem<br />
Job?<br />
Jeder Tag ist anders. Man muss auch<br />
schnell sein. Beides ist gut. Ich mag<br />
keine Routine und bin ungeduldig.<br />
Was hast du vorher gemacht?<br />
Vor meiner Flucht habe ich Jus studiert<br />
und als Video-Reporter und Fotograf<br />
gearbeitet.<br />
Wie bist du zum Standard gekommen?<br />
Im biber-Kurs habe ich mich bei mehreren<br />
Medien für ein Arbeitstraining<br />
als Fotograf beworben. Ich hatte viele<br />
Zusagen und bin dann im Sommer 2017<br />
zum Standard. Dort wurden einige Fotos<br />
von mir für Stories verwendet. Auch zwei<br />
Videos habe ich gemacht. Offenbar habe<br />
ich damals gute Sachen gemacht, weil<br />
ich jetzt den Job bekommen habe.<br />
Das klingt, also ob es nicht so schwer<br />
wäre?<br />
In Österreich ist es einfacher als in<br />
Syrien einen Job zu finden. Es geht<br />
darum, dass du etwas kannst und<br />
nicht nur darum, wen du kennst. Glück<br />
braucht man natürlich überall.<br />
Was sagen andere Flüchtlinge zu deiner<br />
Story?<br />
Viele sind überrascht. Sie glauben nicht<br />
daran, dass man einen Job bekommen<br />
kann und sitzen nur zu Hause. Am wichtigsten<br />
ist es, immer aktiv und unterwegs<br />
zu sein, um Arbeit zu suchen. Ich<br />
habe im arabischen Supermarkt gehakelt<br />
und sogar einmal am Weihnachtsmarkt<br />
Marmelade verkauft.<br />
„<br />
Ich<br />
habe auch<br />
Marmelade<br />
verkauft.<br />
“<br />
Ayham Youssef (26) arbeitet als<br />
Cutter, Videomacher und Fotograf<br />
bei „Der Standard“. Der Syrer<br />
studierte vor seiner Flucht im Jahr<br />
2015 Jus und arbeitete bereits als<br />
Fotograf in Syrien. Im Frühling 2017<br />
absolvierte Ayham das biber-Praxistraining<br />
„Medien, Journalismus und<br />
Kommunikation“.<br />
Tesla Motors, Steven Hoskins—AP/REX/Shutterstock, microsoft, MA33/Stadt Wien<br />
MEINUNG<br />
Rebellion der<br />
Maschinen<br />
Nun ist es passiert. Der erste Mensch<br />
ist durch einen Unfall mit einem<br />
selbstfahrenden Auto gestorben.<br />
Doch das markiert nicht den Beginn<br />
des Aufstands und die Versklavung<br />
durch die Maschinen. Es zeigt lediglich<br />
auf tragische Weise, dass die<br />
hochgepriesene Künstliche Intelligenz<br />
dem Menschen (noch) nicht überlegen<br />
ist. Egal, ob Tesla oder Mercedes:<br />
Hände aufs Lenkrad, Augen auf die<br />
Straße – ein Fahrzeug lenken ist<br />
immer noch eine Verantwortung,<br />
egal wie viele technische Hilfen<br />
aktiv sind. Spurhalt-, Notbrems- und<br />
Einpark-Assistenz ersetzen nicht die<br />
Aufmerksamkeit und das berühmte<br />
„Gefühl“, das man im<br />
Straßenverkehr häufig<br />
braucht. Wer meint,<br />
bei Tempo 130 km/h<br />
seinen Social-Media<br />
Feed checken zu müssen,<br />
hat nichts hinter<br />
dem Lenkrad verloren.<br />
bezeczky@dasbiber.at<br />
TECHNIK & MOBIL<br />
Alt+F4 und der Tag gehört dir.<br />
Von Adam Bezeczky<br />
Xbox<br />
auf dem<br />
U-Boot<br />
Die USS Colorado, das neueste U-Boot der<br />
Virginia-Klasse der US Marine, hat offiziell<br />
einen Xbox-Controller an Board. Wozu?<br />
Damit wird der brandneue „Opto-Elektronische<br />
Mast“ - also das Periskop - des<br />
Bootes gesteuert. Zunächst hat man mit<br />
einem Helikopter-Joystick herumexperimentiert,<br />
aber die Nutzung des Controllers, mit<br />
dem sich die junge Generation auskennt<br />
und nicht erst erlernt werden muss, bringt<br />
Vorteile - man kann nur hoffen, dass die<br />
Matrosen nicht vergessen, dass sie nicht in<br />
einem Spiel sind...<br />
1200<br />
SENSOREN<br />
AN WIENER<br />
AMPELN<br />
Bald können Verkehrsampeln<br />
mehr als nur Rot-Gelb-<br />
Grün anzeigen. Die Stadt<br />
Wien verbaut, zusammen<br />
mit Zentralanstalt für<br />
Meteorologie und Geodynamik<br />
(ZAMG) an 1200<br />
Verkehrsampeln Sensoren,<br />
mit denen Wetterdaten<br />
und weiter Umweltdaten<br />
gesammelt werden. Ziel ist<br />
es, mit den gewonnenen<br />
Daten Hitzeinseln aufzuspüren<br />
und die Ökologie einer<br />
Metropole noch besser zu<br />
verstehen.<br />
DAUMENSCHRAUBEN<br />
GEGEN WERBUNG<br />
Google macht ernst. Im Vorjahr<br />
wurden mehr als 3,2 Milliarden<br />
Werbeanzeigen, die böses im Schild<br />
führten oder sonst gegen die Werberichtlinien<br />
verstießen, aus dem<br />
Werbenetzwerk von Google entfernt.<br />
Zum Vergleich: das entspricht<br />
mehr als 100 Werbeanzeigen pro<br />
Sekunde. Das geschieht mit Hilfe<br />
von Algorithmen und soll Nutzer vor<br />
schädlichen Inhalten schützen.<br />
56 / KARRIERE /<br />
/ TECHNIK / 57
MEINUNG<br />
Smash the<br />
Patriarchy With Me<br />
Es ist an der Zeit für einen kurzen und schmerzhaften<br />
Real Talk. Männer überschätzen sich<br />
selbst am laufenden Band – wir Frauen tun<br />
oft das Gegenteil. Es nervt mich, dass ich mir<br />
Fragen wie: „Bin ich gut? Bin ich gut genug?“<br />
stelle. Wie selbstkritisch ich bin. Wie schwer es<br />
mir manchmal fällt, mit mir selbst zufrieden zu<br />
sein. Dabei will ich niemandem etwas beweisen.<br />
Außer mir selbst. Und trotzdem: Ich höre<br />
von Frauen aus meinem Umfeld Aussagen wie<br />
„Aber dann hab’ ich mich doch nicht getraut.“,<br />
„Ich weiß’ nicht, ob ich das kann.“, „Ich glaube<br />
das war mein Fehler.“ – während die Männer um<br />
mich herum nur so vor Selbstbewusstsein zu<br />
strotzen scheinen, und nicht ihre Klappe darüber<br />
halten können, wie toll sie doch sind. Nicht<br />
böse gemeint – ihr könnt nichts dafür. Schuld<br />
sind gesellschaftliche Konstrukte. Uns Frauen<br />
wird von klein auf beigebracht, es jedem Recht<br />
machen zu wollen. Bloß nicht zu viele Umstände<br />
bereiten, nicht zu aufdringlich sein, bloß nicht<br />
zu viel Platz einfordern. Platz, der dann von<br />
Männern eingenommen wird. Weil sie gelehrt<br />
bekommen, dass sie sich alles holen, was sie<br />
wollen. Ist ein Mann selbstbewusst, wird das<br />
allgemein als attraktiv betrachtet – strahlt eine<br />
Frau ein hohes Selbstwertgefühl aus, fällt das<br />
schnell in die Arroganz-Schublade. Deshalb gehe<br />
ich mit arrogantem Beispiel voran: Mädels, ihr<br />
seid gut genug. Und zwar nicht für Männer, nicht<br />
für andere Frauen, sondern für euch selbst.<br />
tulej@dasbiber.at<br />
LIFE & STYLE<br />
Mache mir die Welt, wie sie<br />
mir gefällt<br />
Aleksandra Tulej<br />
BEAUTY TIPP<br />
WENN DIE HAUT STRESST<br />
Ich habe zwar fast nie Pickel, trotzdem fühlt sich meine<br />
Haut nach einem langen Tag wie die einer alternden<br />
Schildkröte an. Also, ich weiß ja nicht, wie es alternden<br />
Schildkröten geht, aber meine ist dann einfach<br />
grindig. Ur-Trocken, fleckig und ich würde sie mir<br />
am liebsten einfach abziehen. Das hat das Leben<br />
in der Stadt halt so an sich – es stresst die Haut:<br />
Für das ganze Make-Up, den Staub und Schmutz<br />
rächt sich unsere Haut dann eben. Kennt ihr dieses<br />
Gefühl? Dann habe ich für euch den Jackpot. Die<br />
neue Urban Skin Linie von Nivea ist genau für die<br />
Auswirkungen des urbanen Lebens gemacht: Mit<br />
Antioxidantien, Grüntee und Hylauronsäure macht<br />
sie die Haut wieder frisch<br />
und schön. – Sogar meine<br />
schlimme Schildkrötenhaut<br />
hat ihren Panzer abgelegt.<br />
Was macht deine<br />
Cakes so besonders?<br />
Alle Torten sind<br />
absolute Einzelstücke,<br />
jeder<br />
Kuchen wird<br />
komplett individuell<br />
gefertigt<br />
und erzählt seine<br />
eigene Geschichte<br />
– es geht<br />
nicht nur um das<br />
geschmackliche,<br />
sondern auch<br />
um das optische<br />
Erlebnis. Ich will<br />
Torten aus diesem<br />
Old School<br />
Eck holen: „Es<br />
gibt halt einen<br />
Anlass und dafür<br />
braucht man halt eine Torte.“-<br />
NEIN! The Cake brings the party.<br />
Meine Cakes sollen die Menschen<br />
zum Staunen<br />
bringen.<br />
3<br />
In welcher Preisrange<br />
FRAGEN AN: liegen deine Cakes?<br />
Um das herauszufinden,<br />
muss man<br />
Sophia Stolz mir einen Liebesbrief<br />
Cake-Artistin aus Wien<br />
schreiben. Wäre sonst<br />
ja langweilig.<br />
Wo bekommt man<br />
deine Kunstwerke?<br />
Nachdem jede Torte<br />
durch einen innigen,<br />
lustigen oder verrückten<br />
Austausch<br />
(E-Mail) mit einem<br />
Cakeeater entsteht,<br />
gibt es mein Cakeporn<br />
nur auf Bestellung.<br />
Sophias Torten könnt<br />
ihr auf ihrem Instagramprofil<br />
@stolzes oder unter<br />
www.cakeporntime.com bestaunen<br />
Marko Mestrović, Nivea, bereitgestellt<br />
Marko Mestrović<br />
MEINUNG<br />
Der perfekte<br />
Kalorienzähler<br />
MANN & BODY<br />
Du bist,<br />
was du isst<br />
Von Artur Zolkiewicz<br />
Wer schon mal Kalorien gezählt hat, der<br />
weiß, wie anstrengend und deprimierend<br />
es sein kann. Wie kann man die<br />
Portionsgröße kontrollieren ohne dabei<br />
einen Kalorienzähler verwenden zu<br />
müssen? Die Lösung liegt wortwörtlich<br />
auf der Hand. Eine balancierte Mahlzeit<br />
sollte aus Proteinen (z.B. Fleisch,<br />
Fisch), Kohlenhydraten (z.B. Reis,<br />
Süßkartoffeln) und Fetten (z.B. Nüsse,<br />
Avocado) bestehen. Dazu ist es wichtig,<br />
dass man mit jeder Mahlzeit genügend<br />
Gemüse isst. Deine eigene Handfläche<br />
stellt dabei das perfekte Maß dar,<br />
welches Dir dabei helfen kann, die<br />
richtige Portionsgröße zu bestimmen.<br />
Eine Portion Eiweiß entspricht in etwa<br />
der Größe des Handtellers, eine Portion<br />
von Kohlenhydraten sollte nicht größer<br />
als eine zu Schale gehaltene Hand sein,<br />
die Daumengröße entspricht einer Portion<br />
vom Fett und das Gemüse auf dem<br />
Teller sollte so groß wie die Faust sein.<br />
4-6 Portionen (ca. 1500-2100 Kalorien)<br />
für aktive Frauen und 6-8 Portionen (ca.<br />
2300 -3000 Kalorien) pro Tag für aktive<br />
Männer von jedem dieser Lebensmittel<br />
gelten als optimal. Natürlich muss man<br />
dabei auf die Ergebnisse achten und die<br />
Portionsgröße je nach Bedarf anpassen.<br />
zolkiewicz@dasbiber.at<br />
Tipp<br />
Wasser mit Salz<br />
in der Früh<br />
Trinke gleich nach dem<br />
Aufwachen ein Glas Zitronen-<br />
oder Limettenwasser<br />
mit Salz. Dieses Getränk<br />
kann positive Auswirkungen<br />
auf die Verdauung haben,<br />
es aktiviert die Nebenniere<br />
und hilft bei der Entgiftung.<br />
Das Salz sorgt für einen extra<br />
Mineralien-Boost. Wichtig:<br />
Tafelsalz sollte nicht verwendet<br />
werden. Wähle Farbenfrohe<br />
Salze wie z.B. Himalaya<br />
Salz, “fleur del sel” oder<br />
hawaiisches Salz, da diese<br />
die Hauptelektrolyte (Magnesium,<br />
Kalium, Kalzium und<br />
Natrium) liefern und somit<br />
Salzabsorption erleichtern.<br />
Zahl<br />
des Monats<br />
13%<br />
Laut einer Umfrage lügen<br />
13% der Menschen, dass sie<br />
ins Fitnessstudio gehen. Sie<br />
sagen zwar, dass sie trainieren<br />
gehen, dabei gehen sie ganz<br />
woanders hin.<br />
FUN FACT<br />
Je mehr man schläft,<br />
desto effektiver kann der<br />
Körper das Körperfett<br />
verbrennen.<br />
58 / LIFESTYLE /<br />
/ LIFESTYLE /
Wer denkt, dass Männer<br />
zum türkischen Friseur<br />
gehen, sich schnell die<br />
Haare schneiden lassen<br />
und wieder rausgehen,<br />
irrt sich gewaltig. Das<br />
Dejawu im 16. Bezirk ist<br />
einer der Orte, an denen<br />
sich Männer ihr kleines<br />
Spa-Treatment gönnen.<br />
Super männlich, versteht<br />
sich.<br />
Von Jelena Pantić-Panić,<br />
Fotos: Marko Mestrović<br />
WO MÄNNER<br />
SCHÖN SEIN<br />
DÜRFEN<br />
60 / LIFESTYLE / / LIFESTYLE / 61
BART MACHT HART<br />
Bei den Haaren wird geschnitten, was<br />
gerade in ist. Aber Bärte sind eine Kunst für<br />
sich. Mit eigenem Fachjargon, versteht sich.<br />
Der Bart wird entweder in derselben Länge<br />
oder mit Verlauf gestutzt. Besitzer Şenol<br />
verteilt den Rasierschaum auf dem Gesicht<br />
und entfernt mit einer Klinge Schaum und<br />
unerwünschte Haare. Um das Ergebnis<br />
abzurunden, kommt noch ein spezielles Öl<br />
in den Bart.<br />
WER SCHÖN SEIN WILL,<br />
MUSS LEIDEN<br />
Davon bleiben auch Şenols Kunden nicht<br />
verschont. In einem Behälter wird schwarzes<br />
Wachs aufgewärmt und schließlich an<br />
Stäbchen befestigt. Diese Stäbchen kommen<br />
in die Nase und werden mit einem heftigen<br />
Ruck aus der Nase gezogen, mit ihnen<br />
die lästigen Nasenhaare. Kein angenehmes<br />
Unterfangen – was tut man nicht alles für<br />
die Schönheit.<br />
GISÈLE<br />
VIENNE<br />
CROWD<br />
Mix, Edits, Playlist Peter Rehberg<br />
31. 5. – 2. 6. 20<strong>18</strong><br />
Gösserhallen Wien<br />
WAS NICHT PASST, WIRD<br />
PASSEND GEMACHT<br />
Şenol packt ein neues Instrument aus: Die<br />
„Feder“ zupft Haare vom Gesicht, die die<br />
Klinge nicht erwischt hat. „Tut weniger weh<br />
als Faden“, versichert Şenol. Danach kommt<br />
eine Lotion drauf, um die Haut zu beruhigen.<br />
Eine kurze Gesichtsmassage rundet<br />
das Spa-Feeling ab. Um die Augenbrauen<br />
perfekt zu fassonieren, kommt man aber<br />
am Faden nicht vorbei. Ein Baumwollfaden<br />
wird so gespannt, dass die Härchen in der<br />
Mitte zusammenkommen und beim Zwirbeln<br />
ausgezupft werden. Mit einem Feuerzeug<br />
wird mit den letzten lästigen Härchen in und<br />
um die Ohren kurzer Prozess gemacht – sie<br />
werden beinhart abgefackelt.<br />
WEICH WIE EIN BABYPOPO<br />
Zur Belohnung kommt eine „Black Mask“<br />
und/oder eine Gesichtsmaske mit Tonerde<br />
gegen Unreinheiten aufs Gesicht. Wer<br />
es eilig hat, bekommt die Maske geföhnt,<br />
damit diese schneller trocknet. Die Gemütlichen<br />
vertreiben sich die Zeit damit, sich<br />
türkische Musikvideos auf den Monitoren an<br />
den Wänden anzusehen. Danach pflegt eine<br />
Feuchtigkeitscreme das Gesicht.<br />
SCHÖNE MÄNNER<br />
Warum hat Schönheit überhaupt so einen<br />
großen Stellenwert in der Community? Na<br />
ja, man könnte es dadurch erklären, dass<br />
allgemein Aussehen im letzten Jahrzehnt<br />
massiv an Bedeutung gewonnen hat und<br />
Eitelkeit keineswegs verpönt ist. Oder<br />
auch damit, dass Männer mit den vielen<br />
wunderschönen Frauen mithalten wollen.<br />
Der Hauptgrund ist aber, dass der Friseur<br />
ein sozialer Treffpunkt ist. Hier werden<br />
Ratschläge eingeholt, es wird über Politik<br />
diskutiert, und Freundschaften werden<br />
gepflegt und geschlossen. Dafür erträgt<br />
man gern auch ein bisschen Schmerz.●<br />
Diese Strecke entstand im Rahmen einer Kulturkooperation<br />
mit dem Wien Museum.<br />
FRÜHER SISSI,<br />
HEUTE KYLIE JENNER:<br />
Das Wien Museum zeigt in seiner Ausstellung „Mit<br />
Haut und Haar. Frisieren, Rasieren, Verschönern.“<br />
von 19. April 20<strong>18</strong> bis 6. Januar 2019 wie wichtig<br />
Körperpflege immer schon war und wie sie kulturell<br />
geformt wird und historisch wandelbar ist. Die<br />
Vorbilder ändern sich konstant und auch die<br />
Situation in Wien machte viele Modetrends mit.<br />
Wiener Festwochen<br />
www.festwochen.at<br />
62 / LIFESTYLE /<br />
Foto: © Estelle Hanania<br />
WFW<strong>18</strong>_Biber_103x270abf_20<strong>18</strong><strong>04</strong><strong>04</strong>_rz.indd 1 <strong>04</strong>.<strong>04</strong>.<strong>18</strong> <strong>18</strong>:<strong>18</strong>
MEINUNG<br />
Migos & Mozart<br />
Wenn mich wer fragt, welche Musik<br />
ich gerne höre, krieg ich einen<br />
kleinen Schweißausbruch. Mit “Naja,<br />
alles, hehe” will man nicht dumm<br />
wirken, mit einem fixen Genre wirkt<br />
man zu unflexibel, mit “je nach Lust<br />
und Laune” hat man irgendwie nix<br />
gesagt. Tatsache ist: Ja, du wirst<br />
nach deinem Musikgeschmack<br />
bewertet. Will ich in einem alternativen,<br />
elitären Kreis zugeben,<br />
dass mein Go-To-Bad-Bitch-Song<br />
“Anaconda” von Nicki Minaj ist?<br />
Will ich vor einer Gruppe Azzlacks<br />
zugeben, dass ich gerne Opern<br />
höre und bei “Vesti la giubba”<br />
jedes Mal bissi weinen muss? Mein<br />
Musikgeschmack richtet sich nach<br />
der Phase, in der ich mich gerade<br />
befinde. Will ich abschalten, abshaken<br />
oder abheulen? Wenn man sich<br />
nicht beanspruchen will, eignet sich<br />
Gangsterrap ganz gut, zum Feiern<br />
ist Mainstream oder Jugo King und<br />
zum Nachdenken und Traurigsein<br />
hat jede ihre eigene Emo-Playlist.<br />
Ich antworte in Zukunft auf die Frage<br />
“Was hörst du gerne?” einfach<br />
“Migos bis Mozart”, je nachdem, ob<br />
ich mich hart oder intelligent fühlen<br />
will. Was hörst du gerne?<br />
pantic@dasbiber.at<br />
KULTURA NEWS<br />
Verstaubte Museen sind<br />
Schnee von gestern.<br />
Von Jelena Pantić-Panicć<br />
Bowie-<br />
Fieber<br />
Thomas Jerome Newton<br />
sitzt in seinem Apartment in<br />
Manhattan und betäubt sich<br />
mit Gin. Vor vierzig Jahren<br />
kam er als strahlender Alien<br />
auf die Erde, jetzt will er nur<br />
noch eins: in Ruhe sterben.<br />
Unter die Dämonen und<br />
Bekannten, die ihn davon<br />
abhalten, mischt sich ein<br />
Mädchen, das Erlösung<br />
verspricht. Zu zweit greifen<br />
sie nach den Sternen. Miloš<br />
Lolić führt Regie in “Lazarus”,<br />
dem neuen Musical am<br />
Volkstheater mit 17 Songs<br />
von David Bowie. Nach<br />
gefeierten Aufführungen in<br />
New York und London wird<br />
Lazarus erstmals mit deutschen<br />
Dialogtexten produziert,<br />
in Österreich exklusiv<br />
vom Volkstheater. Termine<br />
von 9. – 20. Mai 20<strong>18</strong>, weitere<br />
Infos unter<br />
www.volkstheater.at<br />
Film-Tipp<br />
PIO<br />
Der 14-jährige Pio wächst in einer italienischen<br />
Küstenstadt zwischen italienischen<br />
Dorfbewohnern, Geflüchteten<br />
aus Afrika und der Roma-Community<br />
auf. Als sein großer Bruder Cosimo<br />
spurlos verschwindet, wird Pios<br />
Leben auf eine harte Probe gestellt.<br />
“PIO“, der zweite Spielfilm von Jonas<br />
Carpignano ist ab 13. April 20<strong>18</strong><br />
in den Kinos.<br />
Der vielfältigste<br />
Ball des Jahres<br />
Unter dem Motto “Your time is now” findet<br />
am 5. Mai 20<strong>18</strong> der elfte Diversity Ball statt.<br />
Als Statement gegen Ausgrenzung steht im<br />
Mittelpunkt der Partynacht ein Lebensgefühl<br />
des Zusammenhalts. Alles ist erlaubt<br />
und jede_r ist willkommen, ohne Frage<br />
nach Geschlecht, Alter, sexueller Orientierung,<br />
Behinderung, Herkunft oder Religion.<br />
Auf Barrierefreiheit wird besonders viel<br />
Wert gelegt: Rollstuhlzugänglichkeit sowieso,<br />
Getränkekarten in Brailleschrift sowie<br />
Moderation und Mitternachtsquadrille in<br />
Gebärdensprache gibt es auch. Außerdem<br />
unterstützen Communication Angels Gehörlose<br />
und Hörende bei der Unterhaltung. Ein<br />
3D-Modell hilft Blinden bei der Orientierung<br />
und PickUp-Tänzer_innen sorgen dafür, dass<br />
auch wirklich alle diese Ballnacht genießen<br />
können. Alle Infos und Tickets unter<br />
www.diversityball.at<br />
Marko Mestrović, Diversity Ball, Volkstheater, bereitgestellt<br />
Klaus Pichler, Jelena Pantić-Panić<br />
East Side vs. West Side<br />
Mit ihrer neuen Ausstellung „Byzanz und<br />
der Westen – 1000 vergessene Jahre“<br />
wird die Schallaburg ihrem Anspruch, ein<br />
Begegnungsort zu sein, einmal wieder gerecht.<br />
Wie Missverständnisse zwischen Brüdern im<br />
Mittelmeerraum blutig endeten und was das<br />
mit dem heutigen Österreich zu tun hat.<br />
Wenn ihr jünger seid, stehen<br />
die Chancen hoch, dass ihr<br />
noch nie etwas von Byzanz<br />
gehört habt. Weil wir kaum<br />
etwas darüber lernen. Dabei<br />
kommt ein großer Teil der<br />
neuen ÖsterreicherInnen aus<br />
diesem Kulturkreis. Also Kurzfassung:<br />
Im 4. Jahrhundert<br />
teilte sich das Römische Reich<br />
in Ost und West. Der byzantinische<br />
Osten ist orthodox,<br />
der Westen katholisch. Der<br />
Osten spricht Griechisch, der<br />
Westen Latein. Im heutigen<br />
Osten sind Türkei, Balkan,<br />
Arabische Halbinsel und Nordafrika.<br />
Im heutigen Westen<br />
zum Beispiel Italien und<br />
Österreich. Mit „Byzanz und<br />
der Westen – 1000 vergessene<br />
Jahre“ setzt die Schallaburg<br />
bis 11. November 20<strong>18</strong><br />
den Fokus auf vergessene<br />
Geschichte, die heute nicht<br />
aktueller sein könnte.<br />
(MISS-)VERSTÄNDIGUNG<br />
Über Exponate wie Ikonen,<br />
Münzen, Reliquien und vielem<br />
mehr lernen wir, wie die beiden<br />
Seiten miteinander kommunizierten,<br />
was sie verbunden,<br />
was sie getrennt hat. Der<br />
Handel blühte, Byzanz war<br />
eine absolute Supermacht und<br />
man tauschte sich aus: Kunst,<br />
Seide, Edelsteine. Und wenn<br />
etwas noch begehrter war als<br />
Seide und Gold zusammen,<br />
dann waren das byzantinische<br />
Prinzessinnen. Doch die Erfolgsstory<br />
beginnt zu knacksen:<br />
Konkurrenz, Machtgier und<br />
Misstrauen sind zu groß.<br />
Besonders spannend ist der<br />
Raum „Gemischte Gefühle“.<br />
Ein Raum voller Schubladen,<br />
die mit „Vorsicht, Misstrauen,<br />
Anerkennung oder Verachtung“<br />
beschriftet sind. Vorurteile, die<br />
so stark behaftet sind, dass sie<br />
teilweise bis heute anhalten.<br />
Schlussendlich spalten die<br />
Vorurteile und die misslungene<br />
Kommunikation Ost und West<br />
mehr als die tatsächliche Teilung:<br />
das Mittelmeer.<br />
WAS HAT DAS MIT<br />
UNS ZU TUN?<br />
Byzanz ist ein europäisches<br />
Thema, obwohl es aus dem<br />
Bewusstsein der westlichen<br />
Kultur gedrängt wurde. Auch<br />
heute spielt das Mittelmeer<br />
eine bedeutende Rolle, auch<br />
heute sind Krieg und religiöse<br />
Konflikte nicht überwunden.<br />
Ängste, Sehnsüchte, Macht und<br />
Einfluss sind zeitlose Themen.<br />
„Jene Mechanismen, die<br />
Konstantinopel zu Fall gebracht<br />
haben, wiederholen sich heute<br />
in den Medien“, sagt der künstlerische<br />
Leiter Kurt Farasin.<br />
Keine gemeinsame Sprache<br />
sowie fehlende Menschlichkeit<br />
und Augenhöhe, führen<br />
unweigerlich zur Katastrophe.<br />
Mit sechs Jahren ist das die in<br />
der Schallaburg am längsten<br />
vorbereitete Ausstellung, mit<br />
einer erfolgreichen Verbindung<br />
von wissenschaftlichem<br />
Anspruch und Vermittlung mit<br />
fantastischen Illustrationen,<br />
interaktiven Elemente und<br />
ausgebildeten VermittlerInnen.<br />
Man kann „Byzanz und der<br />
Westen“ als Wochenendausflug,<br />
Information oder Mahnmal<br />
verstehen, früher begangene<br />
Fehler nicht zu wiederholen.<br />
Dieser Artikel ist eine entgeltliche Schaltung in Form einer Kulturkooperation mit der Schallaburg. Die redaktionelle Verantwortung liegt allein bei biber.<br />
64 / KULTURA / / KULTURA / 65
GEFÄHRLICH<br />
GUTE FILME!<br />
„Mutig ist, wer<br />
sich seinen<br />
Ängsten stellt.“<br />
Der 25-jährige Belgrader Milan<br />
Marić über #MeToo in der<br />
serbischen Filmszene, Ängste als<br />
Schauspieler und wie ihn seine<br />
erste Hauptrolle als russischer<br />
Schriftsteller Dovlatov zum<br />
Mann gemacht hat.<br />
Von Jelena Pantić-Panić<br />
<strong>BIBER</strong>: Du musstest für deine Rolle als<br />
russischer Schriftsteller Sergei Dovlatov<br />
15kg zunehmen, Russisch lernen und<br />
monatelang alleine in einer Wohnung in St.<br />
Petersburg verbringen. Wie hast du diesen<br />
Zeitraum überstanden?<br />
MILAN MARIĆ: Mein Aufenthalt in<br />
Russland hat mich zum Mann gemacht.<br />
Ich musste mich sehr viel mit mir selbst<br />
beschäftigen. Nach der anfänglichen<br />
Euphorie packten mich Zweifel: „Bin ich<br />
gut genug? Was, wenn ich den Regisseur<br />
enttäusche?“ Aber ich wusste, jetzt gibt<br />
es kein Zurück. Meine Familie und der<br />
Regisseur Aleksei German haben mich sehr<br />
unterstützt. Sein Mut und bedingungsloses<br />
Vertrauen haben mich mehr motiviert,<br />
mein Bestes zu geben, als es ein Vertrag je<br />
könnte.<br />
Generell hast du eine angsteinflößende<br />
Branche gewählt, wie gehst du mit deinen<br />
Ängsten um?<br />
So sehr ich meinen Job genieße, so sehr<br />
flößt er mir Angst ein. Das ist wohl mit allen<br />
Dingen so, die einem etwas bedeuten. Und<br />
kaum hat man eine Angst überwunden,<br />
kommen schon neue dazu. Man muss<br />
manchmal sagen: „Ich kann jetzt nicht, ich<br />
muss mal durchatmen.“ Mutig ist, wer sich<br />
seinen Ängsten stellt. Als Schauspieler<br />
wirst du konstant in deinem ganzen Wesen<br />
bewertet. Aber gerade als Künstler musst<br />
du dich einfach immerzu hinterfragen und<br />
mit dir ringen. Aber nicht durch Ego, sondern<br />
mithilfe verschiedener Blickwinkel.<br />
Die #MeToo-Bewegung betraf die Filmindustrie<br />
stark. Wie ist die Situation in Serbien?<br />
In Serbien gab es bisher keinen Fall, der an<br />
die Öffentlichkeit geraten ist. Das bedeutet<br />
aber sicher nicht, dass nichts dergleichen<br />
vorgefallen ist. Erschwerend kommt dazu,<br />
dass es eine kleine Szene ist und die Angst<br />
vor Verurteilung und Ohnmacht enorm ist.<br />
Deshalb bin ich Teil der UN-Aktion #heforshe,<br />
weil sich so viele Leute wie nur möglich<br />
für dieses Thema engagieren müssen. Ein<br />
Social Media Status reicht aber noch lange<br />
nicht. All diese Frauen waren so mutig,<br />
ihre Traumata zu teilen. Ich hoffe nur sehr,<br />
dass dieses monströse System tiefgreifend<br />
verändert wird. Die #metoo Bewegung war<br />
leider nur der erste Schritt. Es erwartet uns<br />
jahrelange, harte Arbeit an der Aufarbeitung<br />
dieses Themas.<br />
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Die Seilbahn war besonderes 1984 von großer Bedeutung, als die Olympischen Winterspiele in Sarajevo stattfanden.<br />
Im Krieg wurde sie zerstört, seit April fährt sie wieder.<br />
Eine<br />
Seilbahn als<br />
Liebesbeweis<br />
Sie galt lange Zeit als eines der Symbole Sarajevos und<br />
war nach dem Jugoslawienkrieg eine schmerzhafte<br />
Erinnerung an vergangene Tage: die Trebević-Seilbahn.<br />
Seit April ist sie wieder in Gang, eine Schlüsselrolle<br />
spielt bei dem Wiederaufbau ein holländischer Millionär<br />
und die Liebe zu seiner Frau und Sarajevo.<br />
Text und Fotos: Alexandra Stanić<br />
Ich werde nie vergessen, wie meine<br />
Frau Maja und ich 1991 auf den<br />
Trebević gefahren sind“, erinnert sich<br />
Edmond „Eddy“ Offermann. „Es war das<br />
erste und für lange Zeit das letzte Mal,<br />
dass wir die Seilbahn genutzt haben.“<br />
Kurz darauf erreicht der Krieg auch Sarajevo.<br />
1425 Tage - so lange wird die Stadt<br />
belagert. Am 5. April 1992 marschieren<br />
serbische Truppen in die bosnischherzegowinische<br />
Hauptstadt ein. Mit<br />
der Einnahme des Flughafens beginnen<br />
vier lange Jahre Krieg in Sarajevo, die<br />
Bewohner*innen sind von der Außenwelt<br />
abgeschnitten. Mehr als 11.000 sterben,<br />
tausende Gebäude wurden zerstört,<br />
Kulturgut für immer ausradiert. Auch die<br />
Seilbahn zu Sarajevos Hausberg Trebević<br />
fällt den Auseinandersetzungen zum<br />
Opfer. Als die Belagerung beginnt, wird<br />
das Seil abgetrennt, damit keine Bomben<br />
von Serben damit nach unten gebracht<br />
werden können. Später wird die Anlage<br />
vollständig zerstört, das Gebiet rund um<br />
die Seilbahn wurde vermint.<br />
Erst 1998, nach dem Krieg und dem<br />
Abschluss des Daytoner Friedensabkommens,<br />
besucht Eddy Offermann Sarajevo<br />
wieder. Der 58-Jährige ist Kernphysiker.<br />
Als er ins Finanzgeschäft wechselt, wird<br />
er mit Hedgefonds zum Millionär. Auch<br />
seine Frau Amra Serdarović ist Kernphysikerin,<br />
ihren Spitznamen „Maja“ hat sie<br />
bekommen, weil sie im Mai Geburtstag<br />
hat. Sie ist in demselben Jahr geboren,<br />
in dem die alte Seilbahn eröffnet wurde:<br />
1959. Maja stammt aus Sarajevo und<br />
hat eine enge Bindung zu ihrer Heimatstadt.<br />
Obwohl sie schon als Studentin<br />
auswandert, ist sie mindestens einmal<br />
im Jahr zu Besuch. „Nur zwischen 1992<br />
und 1997 war ich nicht hier“, erzählt die<br />
Kernphysikerin. Als sie das erste Mal von<br />
Eddys Idee, die Seilbahn wieder aufzubauen,<br />
hört, kann sie sich eine Realisierung<br />
nicht vorstellen. „Ich habe mich nur<br />
gefragt: Was tut sich Eddy da an?“, sagt<br />
sie und bezieht sich damit auf die bosnische<br />
Bürokratie, die das Projekt Seilbahn<br />
um ein Haar verhindert hätte. „Aber Eddy<br />
ist sehr konsequent, viele Jahre später<br />
hat er sein Ziel erreicht und ich könnte<br />
nicht glücklicher darüber sein.“ Fragt<br />
man Eddy Offermann, was die Beweggründe<br />
für seine großzügige Spende von<br />
3,8 Millionen Schweizer Franken sind, hat<br />
er schnell eine Antwort parat. „Ich habe<br />
es für die alte Generation von Sarajevo<br />
gemacht“, so der Millionär. „Die Seilbahn<br />
hat gefehlt, damit die Stadt wieder die<br />
alte ist.“<br />
26 JAHRE SPÄTER<br />
Am 6. April 20<strong>18</strong>, am Tag der Stadt<br />
Sarajevo, wird das Wahrzeichen feierlich<br />
in Betrieb genommen. Es ist ein<br />
sonniger Tag, Bürgermeister Abdulah<br />
Skaka begrüßt 15 Bürgermeister*innen<br />
und 50 Delegationen aus aller Welt.<br />
Die Stimmung ist aufgeregt, Menschen<br />
drängen um die Gondel herum und<br />
fahren zur Bergstation nach oben, die<br />
nach dem Seilbahn-Mitarbeiter Ramo<br />
Biber benannt ist. Er wurde während des<br />
Krieges erschossen, die Täter wurden<br />
nie identifiziert. Die Eröffnung ist ein<br />
besonderer Tag für die Einwohner*innen<br />
der Stadt, auch Abdulah Skaka wird<br />
emotional, während er über die Seilbahn<br />
spricht. Er selbst ist 50 Meter von<br />
ihr aufgewachsen: „Als die Seilbahn im<br />
Krieg zerstört wurde, haben wir Kinder<br />
immer davon geträumt, dass die Anlage<br />
eines Tages wieder in Betrieb genommen<br />
wird.“ Morgen erfüllt sich einer seiner<br />
Kindheitsträume, so Skaka, aber er sieht<br />
die Wiederaufnahme auch als politischen<br />
Akt. „Wir werden nicht vergessen, was<br />
passiert ist, aber wir wollen mit der Seilbahn<br />
zwei Ethnien einen.“ Der Trebević-<br />
Berg befindet sich an der Grenze<br />
zwischen den zwei Entitäten des Staates<br />
Bosnien-Herzegowina: der Föderation<br />
und der Republika Srpska.<br />
EIN SYMBOL<br />
DES FRIEDENS<br />
Die Seilbahn war besonders 1984<br />
von großer Bedeutung, als die Olympischen<br />
Winterspiele in Sarajevo<br />
stattfanden. Eddy Offermann vertraut<br />
darauf, dass die Wiedereröffnung den<br />
Stadteinwohner*innen wieder Mut<br />
macht. Der Kernpysiker sieht Sarajevo<br />
als Beirut von Europa. „Außerdem ist die<br />
Stadt genauso schmutzig wie New York,<br />
das mag ich sehr gern“, so der 58-Jährige.<br />
„Sarajevo ist eine weltoffene Stadt<br />
und wenn ich hier zu Besuch bin und die<br />
Seilbahn sehe, dann weiß ich, dass ich<br />
etwas dazu beitragen konnte.“<br />
Die Sarajlije, so werden die Bewohner<br />
Sarajevos genannt, sehen die Eröffnung<br />
als Schritt in die Zukunft – auch wenn<br />
nicht alle den gleichen emotionalen<br />
Bezug zu ihr haben. Die 26-jährige Nada<br />
etwa empfindet keine so große Aufregung,<br />
wenn sie an die Seilbahn denkt.<br />
„Ich bin 1991 geboren, ich kannte die<br />
alten Gondeln also gar nicht“, so die<br />
Grafikdesignerin. „Aber wenn ich in das<br />
Gesicht meiner Eltern blicke, realisiere<br />
ich, welche Bedeutung die Seilbahn<br />
für sie hat. Nicht, weil sie damit zum<br />
Trebević fahren können, sondern weil<br />
sie ein wichtiger Teil Sarajevos war.“<br />
Viele Einwohner*innen hoffen darauf,<br />
ein dunkles Kapitel ihrer Vergangenheit<br />
mit dem Wiederaufbau abschließen zu<br />
können, auch wenn die Wunden nicht<br />
ganz verheilt sind. „Ich habe niemanden<br />
15 Bürgermeister*innen aus aller Welt<br />
waren eingeladen, einer davon war der<br />
Wiener Bürgermeister Michael Häupl.<br />
mehr, mit dem ich auf den Trebević<br />
fahren könnte“, erzählt ein älterer Herr<br />
im Stadtzentrum. „Alle meine Freunde<br />
von früher sind verstorben.“ Er holt eine<br />
Zigarette aus seiner Jackentasche, blickt<br />
nachdenklich in Richtung des Trebević–<br />
Bergs. „Aber die Seilbahn ist ein Symbol<br />
für Frieden und es ist wichtig für Sarajevo,<br />
dass sie wieder zurück ist.“ ●<br />
Maja Serdarović und Edmond Offermann besuchen Sarajevo mehrmals im Jahr. Die<br />
Wiedereröffnung der Trebević-Seilbahn ist für die beiden ein emotionaler Moment.<br />
Der Südtiroler Seilbahnhersteller Leitner ropeways hat die<br />
Kabinenbahn in Sarajevo gebaut, das Projektvolumen beträgt<br />
insgesamt – inklusive Seilbahn, Bauarbeiten und einem neuen<br />
Hotel an der Bergstation – neun Millionen Euro. Die neue 10er-<br />
Kabinenbahn bringt Tourist*innen und Bewohner*innen direkt aus<br />
dem Zentrum auf den 1.160 Meter hohen Hausberg Sarajevos. Die<br />
33 Kabinen können stündlich bis zu 1200 Personen transportieren,<br />
die Fahrtzeit beträgt sieben Minuten und 15 Sekunden. Leitner<br />
ropeways hat biber zur Eröffnung der Seilbahn eingeladen.<br />
68 / OUT OF AUT /<br />
/ OUT OF AUT / 69
„Die Leiden des jungen Todor“<br />
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Von Todor Ovtcharov<br />
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Ich bin an streunende Hunde gewöhnt. Ich<br />
habe sie immer als einen Teil der bulgarischen<br />
Wirklichkeit wahrgenommen. Es war irgendwie<br />
natürlich, die Rudel im Winter um den Mistkübel<br />
oder im Sommer in der Sonne liegend zu sehen.<br />
Meine Eltern erzogen mich tierlieb zu sein und die<br />
Streuner gehörten dazu. In unserem Block wohnte<br />
der Hund Seelchen. Das war der hässlichste Hund,<br />
den ihr euch vorstellen könnt. Klein, dürr, mit kahlen<br />
Stellen im Fell und ein ewig hängender Bauch.<br />
Seelchen brachte immer wieder neue Welpen zur<br />
Welt. Wir, die Kinder aus dem Block, versammelten<br />
uns regelmäßig um die Welpen herum und stellten<br />
uns vor, was aus ihnen werden wird. Eines sollte ein<br />
Wachhund werden, ein anderes ein Polizeihung, ein<br />
drittes – wie Leika im Weltall fliegen. Eines Tages<br />
verschwand Seelchen mit ihren Welpen. Man sagte<br />
uns, dass sie von der Behörde zur Bekämpfung der<br />
streunenden Hunde weggebracht worden ist. Eine<br />
Oma vom Block ging zu ihrem Keller und traf dort auf<br />
Seelchen. Der Hund sah in der Oma eine Gefahr für<br />
ihre Welpen und biss sie. So verschwand Seelchen.<br />
Die anderen Kinder und ich hassten die Oma und alle<br />
Behörden. Am Abend sammelten wir uns und stellten<br />
uns vor, was man mit den Streunern macht, wenn<br />
man sie aufsammelt. Wir glaubten an böse Wächter<br />
mit Stöcken, eine Hundesklaverei und Menschen, die<br />
die Hunde häuten, um Mäntel daraus zu machen. Ich<br />
hörte in jedem Pelzmantel das Bellen von Seelchen.<br />
In den letzten zehn Jahren wurden die Straßenhunde<br />
in Bulgarien deutlich weniger, in Österreich<br />
gibt es sie eh gar nicht. Ich hatte sie vergessen, bis<br />
ich auf Urlaub in die asiatischen Tropen fuhr. Hier<br />
waren die streunenden Hunde überall. Genau die<br />
gleichen Hunde, die in der Sonne lagen und sich<br />
um die Mistkübel versammelten. Außer den streunenden<br />
Hunden, gab es auch streunende Pfaue und<br />
streunende Varane. Einmal gingen wir spazieren. Ein<br />
Varan verfolgte uns. Bald wurden sie zwei, danach<br />
drei und vier. Einige Pfaue kamen dazu. Egal, wo wir<br />
hinggingen, die Varane und die Pfaue kamen uns<br />
nach. Das war anfangs lustig, dann wurde es nervig<br />
und am Ende hatten wir Angst. Ich suchte nach<br />
einem Stock, um sie zu vertreiben. Eigentlich hatte<br />
ich keine Ahnung, wie man mit einem Rudel Varane<br />
und Pfaue klarkommt. Dann auf einmal kam uns ein<br />
Hund entgegen. Er bellte die Varane und die Pfaue<br />
an und vetrieb sie in einer Minute. Dann kam er zu<br />
uns und wedelte mit seinem Schwanz. Ich schaute<br />
ihn genau an – es war Seelchen! Der gleiche Hund<br />
aus meiner Kindheit, mit dem gleichen hängenden<br />
Bauch und hässlichem Fell. Der gleiche liebe Hundeblick.<br />
Bis ich „Seelchen!“ zu ihr rufen konnte, war<br />
sie verschwunden im tropischen Gras nebenan. Ich<br />
dachte mir, dass Wiedergeburt möglich ist. Wie sonst<br />
konnte ich mir das erklären? Es gibt vielleicht keinen<br />
besseren Ort für einen Streuner als hier. Es ist ewiger<br />
Sommer, man findet immer was zu essen und es gibt<br />
keine Behörde zur Straßenhundebekämpfung. Ich<br />
war im Hundenparadies! ●<br />
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