2018/20 - unternehmen Mai
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[finanzieren] Ausgabe 62 | <strong>Mai</strong> <strong><strong>20</strong>18</strong> <strong>unternehmen</strong> [!]<br />
stuhls für<br />
Bankwirtschaft<br />
und Finanzdienstleistungen<br />
an der<br />
Universität Hohenheim.<br />
„Vielleicht<br />
liegt ihr Betrieb<br />
in einem<br />
Viertel, in dem es<br />
häufig zu Pleiten<br />
Oliver Wenzler,<br />
kommt oder sie<br />
Commerzbank Ulm. haben einen merkwürdig<br />
klingenden<br />
Nachnamen. Dafür können sie nichts,<br />
aber es drückt ihre Ratingnote, weil die Statistik<br />
dagegen spricht. Die Banken, die diese Systeme<br />
verwenden, haben dadurch eine geringere<br />
Ausfallquote. Aber am Ende können<br />
weder sie selbst noch die Bank konkret nachvollziehen,<br />
warum ihr Antrag abgelehnt wurde,<br />
und sie können nicht dagegen angehen.“<br />
SCHNELLERE ENTSCHEIDUNG<br />
Für Oliver Wenzler, Niederlassungsleiter Firmenkunden<br />
der Commerzbank Ulm, haben<br />
moderne Ratingsysteme indes für beide Seiten<br />
Vorteile: „Von der Digitalisierung des Ratings<br />
profitieren auch unsere Kunden immens.<br />
Zum einen weil sie aufgrund der<br />
schnellen Kreditentscheidung besser planen<br />
können, zum anderen, weil die Analyse der<br />
vorliegenden Daten sehr treffgenau ist“, hebt<br />
der Commerzbanker hervor. „Und durch die<br />
Digitalisierung ist die Ratingerstellung und<br />
damit die Kreditentscheidung sehr viel<br />
schneller geworden. Früher hat dieses Procedere<br />
zwei bis vier Wochen in Anspruch genommen.<br />
Heute reicht oftmals ein Tag.“ Dem<br />
Eindruck, dass es in dem standardisierten Verfahren<br />
keinen Platz gibt für menschliches Eingreifen,<br />
widerspricht der Firmenkundenchef:<br />
„Kreditkunden, bei denen im Rahmen des Ratingprozesses,<br />
zum Beispiel aufgrund fehlender<br />
Zahlen noch weitere Fragen offen sind,<br />
werden dann von ihrem Firmenkundenbetreuer<br />
kontaktiert“, beschreibt Wenzler den<br />
hausinternen Prozess. „In diesem Gespräch<br />
erklärt der Betreuer seinem Kunden auch genau,<br />
an welchen Faktoren der Unternehmer<br />
gezielt arbeiten kann, um sein Rating zu verbessern.<br />
Diese Transparenz zwischen Berater<br />
und Kunde in Bezug auf die Rating-Faktoren<br />
halte ich für enorm wichtig.“ Auch Heimo<br />
Koch, stellvertretendes Vorstandsmitglied der<br />
Sparkasse Ulm, sagt: „Es gibt zwar für viele<br />
Faktoren hinterlegte Ratingeinschätzungen<br />
Fit für den Kreditcheck?<br />
Die Rating-Vorbereitung ist komplex. Firmen tun gut daran, sich an eine Checkliste zu halten.<br />
Zur Ermittlung eines Ratings fragen die<br />
Banken eine Fülle von Informationen ab.<br />
Dazu gehören zum einen quantitative Daten<br />
etwa zur laufenden Geschäftsentwicklung,<br />
Investitionsplanung und der Hausbankbeziehung,<br />
zum anderen gehören<br />
auch qualitative Merkmale dazu, wie zum<br />
Beispiel Managementerfahrung des Inhabers,<br />
Produkte, Unternehmenskonzept,<br />
aber auch allgemeine Daten wie etwa die<br />
geografische Lage des Geschäftsbetriebes<br />
und die Entwicklung der Branche.<br />
im System, aber das Rating ist nur ein Faktor<br />
von mehreren bei der Kreditvergabe. Der Betreuer<br />
entscheidet auch am Ende aus dem Gesamtzusammenhang<br />
heraus – gegebenenfalls<br />
zusammen mit dem Abteilungsleiter oder<br />
dem Vorstand – über die Genehmigung eines<br />
Kreditantrags.“<br />
Die Handwerkskammer Koblenz hat eine<br />
Broschüre zusammengestellt, die Unternehmen<br />
dabei hilft, sich auf diese Prüfung<br />
und die Gespräche mit dem Bankberater<br />
im Zuge eines Kreditantrags vorzubereiten.<br />
Eine Checkliste hilft dabei, systematisch<br />
vorzugehen und keinen Punkt zu vergessen.<br />
Die Broschüre steht im Internet<br />
zum Download bereit unter der Adresse:<br />
https://hwk-koblenz.de/fileadmin/dateien/formulare/betriebsfuehrung/merkblatt_basel_3_und_rating.pdf.<br />
TLU<br />
DIGITAL-STRATEGIE IM BLICK<br />
Eine andere Seite der Digitalisierung beim Ratingprozess<br />
ist, dass die digitale Strategie der<br />
Kreditkunden immer stärkeren Eingang in<br />
den Bewertungsprozess findet. „Aus Sicht der<br />
Bank ist es selbstverständlich, dass die Validierung<br />
des Geschäftsmodells auch die Frage<br />
nach einer digitalen Anpassung oder gar Änderung<br />
beinhaltet. Darüber sollte kein Firmenkunde<br />
überrascht sein, dass sein Rating<br />
schlechter ausfällt, wenn er hierzu keine<br />
überzeugenden Antworten liefern kann“, erläutert<br />
Bankexperte Burghof. Aber auch hier<br />
liegt die Tücke im Detail. Für Christian Groschupp,<br />
Leiter Kompetenzzentrum Finanzierung<br />
bei der Unternehmensberatung Dr.<br />
Wieslhuber & Partner, haben viele Institute<br />
bei ihrem Ratingprozess keine ausreichenden<br />
Antworten auf die Herausforderungen durch<br />
die Digitalisierung bei ihren Unternehmenskunden.<br />
„Die traditionellen Ratingsysteme<br />
können Digitalisierungsinvestitionen nur<br />
unzureichend bewerten“, sagt Groschupp.<br />
„Häufig liegt der Fokus zu stark auf der Vergangenheit<br />
und es mangelt an einer ganzheitlichen<br />
Sicht auf das Geschäftsmodell“. Auch<br />
Illustration: © DrAfter123/Getty Images<br />
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