_flip_joker_2018-06
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10 KULTUR JOKER KUNST<br />
Schöne neue Welt<br />
Im Museum für Neue Kunst ist der erste Teil eines deutsch-französischen Kooperationsmodells zu sehen<br />
Es ist kein Fehler, in einer<br />
Institution wie dem Museum<br />
für Neue Kunst Freiburg Angela<br />
Merkels viel verspottetes<br />
Bonmot vom Internet als dem<br />
„Neuland“ zu zitieren. Denn<br />
kann ein regional verortetes<br />
Museum nicht manchmal ebenso<br />
schwerfällig sein wie ein<br />
Regierungsapparat? Man sollte<br />
nur eben nicht die Besucher mit<br />
der Institution verwechseln.<br />
Insbesondere dann nicht, wenn<br />
sich in der näheren Umgebung<br />
mit dem ZKM in Karlsruhe und<br />
dem Haus der elektronischen<br />
Künste Basel gleich zwei Häuser<br />
befinden, die mit den sogenannten<br />
neuen Medien Erfahrungen<br />
gesammelt haben.<br />
„Your North is my South“<br />
ist als Kooperation mit der<br />
Kunsthalle Mulhouse gestartet<br />
und beim Internet gelandet.<br />
Das überall gleich ortlos ist.<br />
Dabei hätten die beiden Häuser,<br />
deren Ausstellungen sich<br />
jetzt lediglich um drei Wochen<br />
überschneiden, sich einiges zu<br />
sagen. Denn der Titel deutet<br />
es an, von Paris aus gesehen,<br />
liegt Mulhouse nur sehr relativ<br />
im Süden. Man hätte sich also<br />
mit der gefühlten gemeinsamen<br />
Randlage auseinander setzen<br />
können. Das kann schnell im<br />
Gutgemeinten und in allzu lokalen<br />
Geschichten enden, doch<br />
im Jahr <strong>2018</strong> eine Ausstellung<br />
darüber zu machen, wie sich<br />
virtuelle Welten auf unsere<br />
Wahrnehmung auswirken,<br />
kann wiederum schnell<br />
etwas Missionarisches haben.<br />
Zudem kann man sich<br />
technische Probleme einhandeln.<br />
Bei der Pressekonferenz<br />
war ein Gutteil<br />
der Arbeiten noch nicht<br />
fertig installiert, manche<br />
befanden sich noch in den<br />
Transportkisten.<br />
Ein bisschen ist es im<br />
Museum für Neue Kunst<br />
mit den virtuellen Welten<br />
vielleicht so wie bei Jon<br />
Rafmans Arbeit „You,<br />
the world and I (com)“, in<br />
der ein junger Mann von<br />
seiner Internetrecherche<br />
nach einem Foto seiner<br />
Ex-Freundin erzählt. Die Vorstellung<br />
bei googlemaps fündig<br />
zu werden, wird zur fixen Idee.<br />
Am Ende wird er Erfolg haben,<br />
gut möglich, dass dies kurzzeitig<br />
den Verlust der Freundin<br />
kompensiert. Tobias Donats<br />
Installation „Departure“ greift<br />
Leitsysteme in Flughäfen auf<br />
und definiert den realen Raum<br />
des Treppenhauses in einen<br />
Shopping-, Gepäck- und EU-<br />
Bürger-Bereich um. Das Internet,<br />
so lässt sich dieses Entree<br />
der Ausstellung wohl verstehen,<br />
ist auch nur ein weiterer Transitraum.<br />
Die Arbeiten von Simon<br />
Denny und auch Louise Drulhe<br />
befassen sich mit Block Chains<br />
Asad J. Malik: „Asad & Assad“, <strong>2018</strong><br />
und Zahlungsverkehr im Internet.<br />
Drulhes „Critical Atlas of<br />
the Internet“ ist geradezu im<br />
klassischen Sinn eine Kritik<br />
des Internets, die sich mit einer<br />
möglichen Formgebung und<br />
einer Analyse des Virtuellen<br />
verbindet, die auf mehreren<br />
Ausdrucken nachzulesen ist.<br />
Eines der Modelle, das Drulhe<br />
dabei heranzieht, ist das Höhlengleichnis<br />
von Platon.<br />
Man könnte auch die Gestalten<br />
von „Asad J. Malik, Asad<br />
& Assad“ als eine derartige<br />
Illusion beschreiben. Asad J.<br />
Malik hat mit amerikanischen<br />
Immigranten, die wie er oft wegen<br />
ihres Aussehens oder ihres<br />
© Courtesy the artist and studio 1RIC<br />
Namens benachteiligt werden,<br />
vor der Kamera Interviews geführt.<br />
Die Filme hat er in Hologramme<br />
umgewandelt. Zieht<br />
man sich eine AR-Brille über,<br />
sieht man die Interviewpartner,<br />
deren Existenz im realen<br />
Raum durch zwei leere Stühle<br />
behauptet wurde, dreidimensional.<br />
Das ist wirkungsvoll –<br />
jedoch gehen die Inhalte dieser<br />
Interviews dabei unter. Das<br />
Formale marginalisiert hier das<br />
Politische der Arbeit.<br />
Die aufmerksamkeitsheischende<br />
Ästhetik und Präsenz<br />
der sozialen Netzwerke spiegelt<br />
hingegen die Netz-Installation<br />
„Garden of Error and Delay“<br />
von Michael Bielicky<br />
und Kamila B.<br />
Richter wider. Unzählige<br />
Icons wie<br />
ein Eichhörnchen<br />
für Donald Trump,<br />
ein roter Fuchs für<br />
Fox News bewegen<br />
sich über die Projektionsfläche.<br />
Sie<br />
stehen für Katastrophen<br />
oder politische<br />
Nachrichten, die<br />
aktuell auf Twitter<br />
kommentiert werden.<br />
Schießt man<br />
eines der Symbole<br />
ab, ploppt eine<br />
Textzeile mit dem<br />
Namen einer Firma<br />
oder eines Tweets<br />
auf. Der Betrachter jedoch kann<br />
die Animation nur vermeintlich<br />
beeinflussen, ihre Dynamik<br />
wird über den Aktienkurs<br />
eines Unternehmens gesteuert.<br />
Für Bielicky und Richter ist<br />
das Internet nicht der liberale<br />
Raum, als der es immer noch<br />
oft angesehen wird.<br />
Doch insgesamt hätte man es<br />
in dieser Ausstellung gern ein<br />
bisschen genauer gewusst.<br />
Museum für Neue Kunst,<br />
Marienstr. 10a, Freiburg. Di-<br />
So 10-17 Uhr. Bis 7. Oktober.<br />
Zwischen dem 14. September<br />
und dem 7. Oktober gibt es einen<br />
Shuttle-Service zwischen<br />
Mulhouse und Freiburg. AH<br />
Neun in einer Stadt<br />
Vom 11. bis 17. Juni stehen in Basel alle Zeichen auf Kunst<br />
WEITERE INFOS UNTER:<br />
WWW.BADEN-BADEN-EVENTS.DE<br />
CARO JOSÉE & BAND<br />
„SUMMER’S EASE”<br />
SO/10. JUN <strong>2018</strong>/20 UHR<br />
K URHAUS RUNDER SAAL<br />
BADEN-BADENER<br />
SOMMERNÄCHTE<br />
DO – S0/28. JUN – 1. JUL <strong>2018</strong><br />
KURGARTEN<br />
Basel rüstet sich. Denn ab<br />
Mitte Juni ist die auch sonst an<br />
Kunst nicht arme Stadt wieder<br />
einmal Mittelpunkt des<br />
Kunstmarktes. Neben der Art<br />
Basel, die mittlerweile weltweit<br />
agiert, haben sich mehrere<br />
Messen etabliert. Doch<br />
so sicher im Sattel wie die Art<br />
Basel und die Liste – Art Fair<br />
Basel sitzen nicht alle Kunstmessen<br />
am Rheinknie.<br />
Die Kunstwoche, die am 11.<br />
Juni mit der Eröffnung der<br />
Liste beginnt und bis zum<br />
Sonntag andauert, erfordert<br />
Zeitmanagement. Soll man<br />
sich lediglich die Art Unlimited<br />
ansehen, die Werke,<br />
meist große Installationen und<br />
Videoprojektionen, von Museumsqualität<br />
zeigt oder sich<br />
von Galeriekoje zu Galeriekoje<br />
treiben lassen? Oder eben<br />
den ganzen Marathon auf sich<br />
nehmen. Denn außer Art und<br />
Liste, öffnet auch die Volta<br />
(www.voltashow.com), diesmal<br />
in der Elsässerstraße ihre<br />
Tür sowie die Scope Art Fair<br />
(www.scope-art.com).<br />
Interessanter dürften aber<br />
die Nischen sein, die in den<br />
letzten Jahren besetzt wurden.<br />
So lohnt sich immer ein Besuch<br />
der Design Miami/Basel<br />
(www.designmiami.com), auf<br />
der meist viele ikonische Möbel<br />
bedeutender Designer zu<br />
sehen sind und auch die Photo<br />
Basel (www.photo-basel.com)<br />
mit internationalen auf Fotografie<br />
spezialisierte Galerien<br />
sollte man nicht links liegen<br />
lassen. Wer sich für Kunstbücher,<br />
Fanzines, Drucke aller<br />
Art oder überhaupt für Künstlerbücher<br />
interessiert, ist bei<br />
I never read – Art Book Fair<br />
Basel (www.ineverread.com)<br />
richtig. Ergänzt wird sie in<br />
diesem Jahr erstmals durch<br />
die Paper Positions (www.paperpositions.com),<br />
die in der<br />
St. Johanns-Vorstadt zu finden<br />
sind. Wer jene Schweizer<br />
Künstlerinnen und Künstler im<br />
Blick haben will, die vielleicht<br />
in den kommenden Jahren an<br />
einer der Kojen der Liste oder<br />
Art Basel vertreten sein wird,<br />
sollte sich bei den Swiss Art<br />
Awards umtun (www.journal.<br />
swissartawards.ch). Und wer<br />
keine Lust auf die diversen<br />
Messehallen hat, der kann<br />
rund um den Münsterberg den<br />
Artparcours erkunden und<br />
gleichzeitig ansonsten verschlossene<br />
Räume und Kunst<br />
entdecken.<br />
Liste – Art Fair Basel, Warteck<br />
PP, Burgweg 15, Basel.<br />
11. bis 17 Juni. www.liste.ch<br />
Art Basel, Messe Basel,<br />
Hallen 1 & 2, 14. bis 17. Juni.<br />
www.artbasel.com<br />
Annette Hoffmann