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Ernst Känzig<br />
12 <strong>unilink</strong> <strong>September</strong>/2008<br />
Ernst Känzig, Ordinarius für Steuerrecht,<br />
Steuerwirtschaftslehre und spezielle<br />
Gebiete der Finanzwissenschaft an der<br />
Universität Bern (1966–1977), wäre am<br />
17. August 100 Jahre alt geworden. Er<br />
hat das schweizerische Steuerrecht in der<br />
Nachfolge der Berner Professoren Ernst<br />
und Irene Blumenstein mitbegründet.<br />
Seine am gesunden Menschenverstand<br />
orientierte Beurteilung steuerwirtschaftlicher<br />
Tatbestände fusste auf einem Prädikatsexamen<br />
der Jurisprudenz mit dem Dr.<br />
juris, dem Berner Fürsprecherpatent und<br />
solider Praxis. Ab 1938 ist er rasch zum<br />
Leiter des Rechtsdienstes der direkten<br />
Steuern, dann in der Hauptabteilung<br />
«Wehrsteuer» in der Eidgenössischen<br />
Steuerverwaltung avanciert.<br />
Nach der Habilitation mit der Schrift über<br />
«Die Aktiengesellschaft im Einkommenssteuersystem»<br />
erwarb Känzig 1951 die<br />
Venia legendi für Steuerwirtschaftslehre<br />
an der Universität Bern. 1970 bis 1984<br />
war der als «Nestor der betrieblichen<br />
Steuerwirtschaftlehre in der Schweiz»<br />
Bezeichnete Redaktor und Mitherausgeber<br />
des «Archivs für Schweizerisches Abgaberecht»<br />
– stets eine sachgerechte rechtsstaatliche<br />
Ausgestaltung des Steuerrechts<br />
im Blick. Die zweite Auflage seines Hauptwerks,<br />
des dreibändigen Kommentars «Die<br />
direkte Bundessteuer (Wehrsteuer)», hat<br />
er in der zweiten Auflage (Band I 1982,<br />
Band II 1992) noch im hohen Alter ganz<br />
allein besorgt. Der dritte und letzte Band<br />
ist unter Mitwirkung von Prof. Dr. Urs R.<br />
Behnisch 1992 erschienen.<br />
Dem Grundsatz hominum causa omnes<br />
constitutum est folgend – alles Recht wird<br />
um der Menschen willen gesetzt, es sollte<br />
faire Ausgewogenheit spiegeln – setzte<br />
Känzig dem öffentlichen Fiskalinteresse<br />
der Begehrlichkeit sein tief empfundenes<br />
Rechtsempfinden steuerwirtschaftlich<br />
gerechter, massvoller Besteuerung<br />
entgegen. Als Meister des Promologs,<br />
des fortschreitenden Dialogs, um mittels<br />
logisch sich entwickelnder Gesprächsführung<br />
an den Kern der Problemstellung<br />
heranzuführen, motivierte er Studierende<br />
zu eigenständigem Mitdenken. Lizentiaten,<br />
denen er ein erkenntnisträchtiges<br />
Thema für eine Doktorarbeit anvertraute,<br />
konnten seiner persönlichen Betreuung<br />
wie auch ergebnisoffener Argumentation<br />
sicher sein. Känzigs «lucidité de l’esprit»<br />
akzeptierte eigenständig begründete<br />
Forschungsergebnisse selbst dann, wenn<br />
diese nicht unbedingt seinem Vorverständnis<br />
entsprachen. Sein auf gegenseitiges<br />
Einvernehmen setzender Umgang<br />
im privaten wie beruflichen Wirkungskreis<br />
konkretisierte sich in «Festgaben zu Ehren<br />
von Ernst Känzig», die ihm Kollegen,<br />
Schüler und ehemalige Mitarbeiter zum<br />
70., 75., und 80. Geburtstag widmeten.<br />
Professor Känzig hat sich nicht nur um das<br />
Schweizer Steuerrecht verdient gemacht,<br />
sondern besonders auch als Pädagoge:<br />
Er lebte die menschlichen Werte selbst<br />
vorbildlich vor, die verinnerlicht zu haben<br />
von einem Akademiker, aber auch einem<br />
Beamten erwartet wird. Sein Wirken<br />
findet über seinen Tod am 30. Januar<br />
1995 hinaus in der Biblioteca Prof. Dr.<br />
Ernst Känzig im Centro di Studio Bancari<br />
in der Villa Negroni in Lugano seit dem<br />
Jahre 2000 ein würdiges immerwährendes<br />
Andenken. Den Gründungsfundus der<br />
Bibliothek hat Känzigs Tochter, die Berner<br />
Ballettpädagogin Beatrice Känzig, aus<br />
seinem Nachlass gestiftet.<br />
Prof. Dr. Dr. et lic. rer. pol. Bodo<br />
Gemper, Siegen