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ISSN: 1682-9115 | NR.69 2017| PREIS: 7 EURO<br />

<strong>etcetera</strong><br />

LitArena VIII<br />

L i t e r a t u r u n d s o w e i t e r


2<br />

LitArena VIII|Oktober 2017<br />

Editorial<br />

3 Vorwort/Impressum<br />

4 Wettbewerbsbericht<br />

Heftkünstlerin<br />

5 Linda Partaj<br />

Interviews<br />

8 Sarah Rinderer<br />

9 Jana Volkmann<br />

10 Elisabeth Steinkellner<br />

46 Elisabeth-Joe Harriet<br />

Jugendtexte bekannter Autoren/<br />

Juroren<br />

12 Jana Volkmann: Fortune Teller Miracle Fish<br />

14 Elisabeth Steinkellner: Prinzessinnen<br />

16 Gertraud Klemm: Die braune Couch<br />

17 Eva Schörkhuber: Der Stoff, aus dem<br />

20 Elisabeth-Joe Harriet: Nach dem Sturm<br />

21 Robert Schindel: Wolken<br />

21 Thomas Ballhausen: Abstiege (2000)<br />

Eine Wiederbegegnung (2017)<br />

23 Andreas Gruber: Im Haus meines Vaters<br />

Berichte<br />

50 Kurashiki: West Meets East<br />

Verschränkung von Tradition und Moderne<br />

52 Jazz im Hof St. Pölten<br />

54 21. Philosophicum Lech 20.9.-24.9. 2017<br />

Vereinsleben<br />

56 Präsentation <strong>etcetera</strong> 68 „Köpfe”<br />

57 Litges zum 15. Mal in Drosendorf<br />

Rezensionen<br />

66 Doron Rabinovici: Die Außerirdischen<br />

66 Gertraud Klemm: Erbsenzählen<br />

66 Theodora Bauer: Chikago<br />

67 Marlen Schachinger: Martiniloben<br />

67 Andreas Urs Sommer: Nietzsche und die Folgen<br />

67 Thomas Mulitzer: Tau<br />

Siegertexte<br />

LitArena Siegertext 1. Platz<br />

26 Zarah Weiss : Spot On A Long Road<br />

LitArena Siegertext 2. Platz<br />

28 Katharina J. Ferner: Neulich im Café<br />

LitArena Siegertext 3. Platz<br />

30 Anna Stern (Bischofberger): Karte und Gebiet<br />

Inhalt<br />

Prosa<br />

32 Andrea Krotthammer: Sich annähern<br />

34 Elisabeth Pranter: Ja oder nein<br />

37 Stefan Gruber: Die Ameisenstraße<br />

39 Bernadette Sarman: Kaffeegedanken<br />

40 Sophia Stanger: Zeltfest-Philosophien<br />

42 Maximilian Hauptmann - Hörbart: Ein Mord, den<br />

niemand beging<br />

44 Margret Berger: Alle drei Wochen. Alltagsunterbrechung.<br />

Cover, Rückseite, Innenteil ©Linda Partaj


LitArena VIII|Oktober 2017<br />

3<br />

Liebe Leserinnen, Liebe Leser!<br />

LitArena VIII ist ein spannendes Heft geworden! Hervorragende und facettenreiche Texte der<br />

AutorInnen unter 27 und der so zahlreich wie noch nie zur Verfügung gestellten Jugendtexte<br />

von arrivierten Literaten ergeben ein Generationen-Portrait. Sie können sich wieder Ihre Meinung<br />

anhand der 13 abgedruckten Einsendungen zum Bewerb, unterstützt vom Land NÖ,<br />

bilden, und sich fragen, welche Reihung Sie vorgenommen hätten!<br />

Sie finden eine ganz tolle Auswahl an Primärtexten - dafür bedanke ich mich bei allen AutorInnen<br />

und freue mich über Ihr Kommen zur Preisverleihung und Lesung am 10.10.2017, um<br />

19 Uhr in der Landesbibliothek im Regierungsviertel St.Pölten!<br />

Ihre Eva Riebler-Ü<br />

Impressum<br />

<strong>etcetera</strong> erscheint 4 mal jährlich<br />

ISSN: 1682-9115<br />

Richtung der Zeitschrift: Literarisch-kulturelles<br />

Magazin mit thematischem Schwerpunkt.<br />

Namentlich bezeichnete Beiträge geben<br />

die Meinung der Autorin, bzw. des Autors<br />

wieder und müssen mit der Meinung von<br />

Herausgeberin und Redaktion nicht übereinstimmen!<br />

Herausgeber: Eva Riebler-Übleis<br />

Heftredaktion: Cornelia Stahl<br />

Text und Ilustration © bei den Autoren<br />

Cover/Bilder: Linda Partaj<br />

Gestaltung: G. H. Axmann<br />

Druck: Dockner, Kuffern 87, A-3125<br />

Medieninhaber:<br />

Literarische Gesellschaft St. Pölten<br />

HG Eva Riebler-Übleis<br />

Büro Steinergasse 3, 3100 St. Pölten<br />

Home/Info: www.litges.at<br />

E–Mail: redaktion@litges.at<br />

LeserInnerservice<br />

Werden Sie Mitglied der LitGes und erhalten<br />

Sie vierteljährlich <strong>etcetera</strong>, die<br />

Zeitschrift für Literatur. Mit Prosa- und<br />

Lyrikbeiträgen, Essays, Interviews, Rezensionen<br />

und Künstlerporträts sowie Einladungen<br />

zu unseren Veranstaltungen.<br />

www.litges.at/newsletter<br />

Abonnementspreis:<br />

24 Euro/Jahr = 4 Hefte; Einzelpreis 7 Euro<br />

Bestellung = Überweisung an:<br />

Sparkasse NÖ Mitte-West<br />

BLZ 20256, Konto-Nr. 55137<br />

IBAN: AT422025600000055137<br />

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Verwendungszweck: „<strong>etcetera</strong>-Abo“<br />

Bitte Namen und genaue Anschrift leserlich<br />

auf dem Erlagschein vermerken!<br />

Heftbestellungen: einzelne Exemplare<br />

an redaktion@litges.at<br />

LitGes Jour-fixe Schreibwerkstätten<br />

für alle Schreibenden und ZuhörerInnen!<br />

Jeden ersten Mittw. im Monat zu vorgegebenen<br />

Themen. Schreibzeit 20 Min.<br />

LitGes Büro, Steinerg. 3, STP, 18 Uhr<br />

Die nächsten <strong>etcetera</strong>-Ausgaben:<br />

Etcetera Heft 71<br />

Zusammenwachsen - zusammen wachsen.<br />

Vom Mehrwert der Integration<br />

Red. Eva Riebler/Johannes Schmid<br />

Einsendeschluss 15.Dez. 2017<br />

Die nächsten LitGes Präsentationen:<br />

Etcetera Heft 69<br />

LitArena VIII für AutorInnen unter 27<br />

Mod. Cornelia Stahl. Lesung Preisträger &<br />

Juroren. Gitarre Gwaël Gauthier, Bildende<br />

Kunst Linda Partaj. Eröff. Gabriele Ecker<br />

Präsentation 10.10.2017, 19 Uhr Landesbibliothek<br />

St.Pölten, Regierungsviertel<br />

LitGes Tagebuchtag 2017<br />

24.10.17, 19Uhr Stadtmuseum,<br />

Prandtauerstraße 2, St. Pölten<br />

Die intimen Aufzeichnungen dreier Lit-<br />

Ges-AutorInnen: Ingrid Messing/Frauenkirchen,<br />

Ernst Punz/St. Pölten, Franz<br />

Jansky/Loosdorf. Musik: Cello & Cello<br />

von und mit Veronika Schmid und Taner<br />

Türker. Buffet und Eintritt frei!<br />

Etcetera Heft 70<br />

RITUALE: Zwischen erstarrter Geste und<br />

lebendiger Struktur<br />

Präsentation 7. Dez. 19 Uhr, Stadtmuseum<br />

St.P., Prandtauerg. 2<br />

Lesende: Althea Müller & Michael Ziegelwagner,<br />

Vernissage Fotograf/Heftkünstler<br />

Chris Saupper. Mod. Thomas Fröhlich<br />

Vorwort/Impressum


4<br />

LitArena VIII|Oktober 2017<br />

LitArena VIII 2017<br />

Wettbewerbsbericht<br />

LitArena ist der alle zwei Jahre stattfindende deutschsprachige<br />

Literaturwettbewerb der LitGes St.P.<br />

Cornelia Stahl ist zum zweiten Male als Schriftführerin<br />

der LitGes die Jurorin und Redakteurin von LitArena, dem<br />

Wettbewerb für Jung-Autoren/Autorinnen unter 27 Jahren.<br />

Die Einsendungen erfolgten anonym.<br />

belanglosen Begegnung im Cafe.<br />

Die Protagonistin reflektiert ihre Rolle im Zweiergespann<br />

Mann und Frau, geht auf Vorlieben des Mannes ein, die sie<br />

genau kennt. Es ist eine Geschichte über Macht und Ohnmacht.<br />

Am Ende zeigt die Protagonistin Widerstand und<br />

Aufbegehren „Ich gehe keinen unserer Wege. Ich stehe auf<br />

und gehe einfach irgendwo anders hin”, und stagniert nicht<br />

in ihrer Ohnmacht.<br />

3. Platz<br />

Die dritte Siegerin ist die Schweizerin Anna Stern (Anna Bischofberger).<br />

Ihr Text „Karte und Gebiet“ erinnert zunächst<br />

an den Autor Hollebeque. Schon der Einstieg macht neugierig:<br />

”Sie kartiert das Land ihrer Träume”. Der Leser wird sofort<br />

in den Text hineingezogen, will wissen, welche Träume<br />

das sind. Er schafft eine Identifikation mit der Protagonistin.<br />

Unweigerlich erinnert man sich an eigene Vorstellungen, Visionen,<br />

Träume. Sie zeichnet Linien zwischen drei Punkten,<br />

zwischen V. und P. und B. Ein Dreieck, Descartes Dreieck.<br />

Anna Stern entwirft Bilder, die sogleich vor unserem Auge<br />

entstehen. Alle Texte sind Skizzen/ Minilandkarten zu Befindlichkeiten<br />

einer heranwachsenden Generation.<br />

Wettbewerbsbericht<br />

Auseinandergesetzt mit den Prosatexten haben sich in diesem<br />

Jahr die Autorin Elisabeth Steinkellner sowie die stellvertretende<br />

Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“<br />

Jana Volkmann. Zu meinem Erstaunen fanden die Themen<br />

Flucht und Migration keinen Eingang in die literarischen<br />

Arbeiten. Es wurden Übergangssituationen, von der Jugend<br />

bis zum Erwachsenenalter, Beziehungs- und Existenzfragen<br />

skizziert. Die Arbeiten überzeugten künstlerisch wie literarisch.<br />

1. Platz<br />

Überragend in seiner Qualität erwies sich „Spot on a long<br />

Road“ von Zarah Weiss, eine Erzählung, die in Australien<br />

spielt. Orte, die der Protagonist bereits vor vielen Jahren bereiste<br />

und nun erneut aufsucht, diesmal in Begleitung. Die<br />

Urlaubsstimmung gerät aus den Fugen, als bei Alex plötzlich<br />

Fragen auftauchen, existenzielle Fragen: die Angst vor<br />

Krieg, Hass, vor dem Alleinsein, vor dem Bedeutungsverlust<br />

der eigenen Person.<br />

2. Platz<br />

Die Salzburgerin Katharina J. Ferner erzählt in „Neulich<br />

im Cafe” von einer Beziehungsgeschichte, einer scheinbar<br />

Cornelia Stahl<br />

Sendungsverantwortliche Radiojournalistin, „Literaturfenster<br />

Österreich“, bei Radio Orange, www.o94.at., schreibt für bn-<br />

Bibliotheksnachrichten Salzburg, „Die Alternative“, „Tarantel“,<br />

„Augustin“, seit 2014 Redaktionsmitglied der „<strong>etcetera</strong>“. 2015<br />

und 2017 kuratierte sie den Jugend-Literaturwettbewerb LitArena.<br />

Sie ist Bereichsleiterin der Bibliotheken NÖ.<br />

©Linda Partaj: bebe


LitArena VIII|Oktober 2017<br />

5<br />

Linda Partaj<br />

Anlässlich der gemeinsamen Ausstellung „Frauen, die auf<br />

Männer schauen“ im Juni im DOK Stadtmuseum St.P. kam<br />

Eva Riebler ins Gespräch mit Linda Partaj aus St.Pölten.<br />

und beteiligtest Dich an einer Ausstellung zu diesem<br />

Thema in Villach. Ist für Dich Kunst bereits Kommunikation?<br />

Ich denke, Kunst ist immer Kommunikation, sobald sie betrachtet<br />

wird. Durch den persönlichen künstlerischen Ausdruck<br />

ist es wie eine eigene Sprache, welche man entwickelt.<br />

Die Bildsprache ist aber verständlicherweise mal verschlüsselter,<br />

mal verständlicher. Ich denke, das ist auch eine Frage<br />

von Geschmack, Bezug und Zugang, aber auch ein Thema<br />

des kulturellen Verständnisses.<br />

Hat Kunst Unterhaltungswert? Ist sie ein Konsumprodukt?<br />

Kunst kann sehr unterhaltsam sein und das gefällt mir<br />

auch, wenn Ironie und Witz darin steckt. Unterhaltsam<br />

auf eine andere Art und Weise ist es aber doch genauso<br />

wenn es dich berührt, in dem es irritiert, erstaunt, Fragen<br />

aufwirft, dich traurig stimmt, erfreut, verärgert oder<br />

auch verstört. Ich finde, Kunst unterhält insofern, weil<br />

es dir auf so unterschiedlicher Art nahe gehen kann.<br />

Als Konsumprodukt würde ich sie auf jeden Fall auch bezeichnen,<br />

obwohl das Wort keinen guten Beigeschmack<br />

hat, aber Kunst wird natürlich konsumiert, vorrangig weil<br />

sie schlicht und einfach betrachtet wird. Sicher wird Kunst<br />

oft allein deshalb produziert, um konsumiert und vor allem<br />

verkauft zu werden und in weiterer Folge irgendwann als<br />

Wertanlage gehandelt zu werden. Das ist Teil des Kunstmarkts.<br />

Dein Vater unterrichtete Bildnerische Erziehung im<br />

BORG, in der Schule, in der Du maturiertest. Inwieweit<br />

hatte er Einfluss auf Deinen künstlerischen Lebensweg?<br />

Die Begeisterung für Kunst wurde natürlich durch meinen<br />

Papa sehr früh geweckt. Vieles, was ich von ihm im Laufe der<br />

Jahre gelernt habe, beeinflusst mit Sicherheit auch grundsätzlich<br />

meinen Zugang zu Kunst & Kultur und in weiterer<br />

Folge auch meinen künstlerischen Ausdruck. Auch von dem<br />

ganz besonderen fotografischen Blick meiner Mama habe<br />

ich viel gelernt. In ihren Fotos steckt unfassbar viel Inspiration<br />

für mich. Grundsätzlich sind meine Eltern, was meine Arbeiten<br />

anbelangt, fördernd und kritisch zugleich, was meiner<br />

Meinung nach eine gesunde Balance ist.<br />

Seit Deinem 20. Lebensjahr studierst Du „Kunst und<br />

kommunikative Praxis“ an der Angewandten in Wien<br />

Soll St. Pölten sich als „Europäische Kulturhauptstadt<br />

2024“ bewerben?<br />

Ich finde es gut und wichtig, dass sich St.Pölten als Kulturhauptstadt<br />

bewirbt. Die Stadt hat viel Potenzial, aber auch<br />

noch einige Lücken. Ich wohne zwar schon seit einigen Jahren<br />

in Wien um zu studieren, komme aber gerne und oft<br />

nach Hause und schätze sehr vieles an St.Pölten. Ich weiß<br />

nicht, warum man gegen die Bewerbung sein sollte, denn<br />

ganz unabhängig vom Ergebnis, kann die Stadt doch nur<br />

davon profitieren. Das Engagement und die Motivation mit<br />

welcher dieses „Projekt” angegangen wird, bringen viele<br />

Ideen und Umsetzungen mit sich- somit sehe ich darin eine<br />

wichtige Dynamik und auch ein starkes Fundament für die<br />

Zukunft der Stadt!<br />

Wie politisch ist Deine Kunst? Welches sind Deine Anliegen?<br />

Heftküstlerin


6<br />

LitArena VIII|Oktober 2017<br />

Heftküstlerin<br />

Ich befasse mich oft mit der irrsinnigen Reizüberflutung der<br />

heutigen Zeit, welche einem einen kompletten Overload an<br />

den Kopf wirft, mit dem man tagtäglich konfrontiert wird,<br />

egal ob im Internet, im Fernsehen oder auf der Straße.<br />

Eine Bilderflut, welche auf uns niederbrasselt. Ich finde,<br />

dass man für sich selbst ein Ventil finden muss, um diesen<br />

Wahnsinn zu filtern. Ich mache das durch Zeichnungen<br />

oder Malerei, in dem ich meine subjektive Wahrnehmung<br />

reflektiere und der medialen Reizüberflutung kritisch gegenüberstehe.<br />

Das, was dabei rauskommt, ist ein Bruchteil<br />

dieser Fülle. Die Malerei entschleunigt und hält fest, was<br />

in Realität oft nur mehr oberflächlich und kurzlebig überflogen<br />

wird. Das sind für mich Prozesse, welche wohl eher<br />

den gesellschaftskritischen Teil meiner Arbeit ausmachen.<br />

Wie ist das Verhältnis von Anliegen und Durchsetzung?<br />

Wenn Du das Verhältnis von Vorstellung und Umsetzung<br />

meinst, würde ich sagen, je konkreter meine Bilder im Kopf<br />

sind, ich Komposition und Skizzen anfertige, umso präziser<br />

wird natürlich die Umsetzung. Um aber intuitiver und<br />

spontaner zu arbeiten, braucht es eine andere Haltung. Die<br />

eigene Erwartungshaltung muss man manchmal etwas zurückschrauben,<br />

um Neues zuzulassen und auszuprobieren.<br />

Manchmal braucht`s eben auch gar keine Anliegen oder<br />

Vorstellungen, sondern nur den Prozess des Tuns.<br />

Rollenspiel und Kunst: Wie siehst Du es, wenn ein<br />

Künstler sich stets in eine bestimmte Rolle oder ein<br />

künstlerisches Outfit zwängt? (Kopfbedeckung von<br />

Ernst Fuchs …?)<br />

Bei solch Markenzeichen, welche ja auch sehr extrem sein<br />

können, geht es eher um eine Inszenierung der Person als<br />

Künstler. Erfolgreich verkaufte Kunst kommt von Künstlern,<br />

die wie eine Marke funktionieren und einen unverwechselbaren<br />

Wiedererkennungswert haben. Dieser kann in<br />

den Werken des Künstlers liegen oder in dessen Person.<br />

Um heute aufzufallen, muss der Künstler extremere Wege<br />

gehen als seine Vorgänger, darum denke ich, wird das Corporate<br />

Design als Inszenierung und Abgrenzung immer präsenter.<br />

Ich stehe dem dahingehend eher skeptisch gegenüber,<br />

da dies am ersten Blick zwar mehr Aufmerksamkeit auf<br />

sich zieht, aber in Wahrheit auch von der eigenen künstlerischen<br />

Arbeit gleichzeitig ablenkt.<br />

Ist eine äußerliche Zuordnung, Markenzeichen etc.<br />

wichtig/von Vorteil?)<br />

Zwecks Wiedererkennungswert und Vermarktung wohl von<br />

Vorteil, da der Kunstmarkt mittlerweile sehr stark nach solchen<br />

Prinzipien funktioniert, aber wie gesagt, Fokus ist in<br />

solch Fällen die Person als Kunstfigur und nicht die Qualität<br />

der Arbeiten.<br />

Dein Logo-Pickerl (siehe Seite 4) sieht wie ein buddaähnliches<br />

Baby mit Palmzweigen statt Haaren am Kopf<br />

aus. Da denke ich an Chagall. Woran dachtest Du?<br />

Ich verwende gerne verschiedene Dinge, die ich aus dem<br />

Kontext reiße und neu kombiniere. In dem Fall ist es ein<br />

altes Portrait von meiner Schwester, als kleines Bébé und<br />

ihr wachsen statt Haare Palmenblätter aus dem Kopf. Ich<br />

dachte auch an einen schönen, alten Blumentopf - ein Kopf<br />

aus Ton, welchen wir, seit ich denken kann, zuhause stehen<br />

haben. Oft sind es Kindheitserinnerungen oder auch altes<br />

Fotomaterial, woraus dann eigene, neue Bilder im Kopf entstehen,<br />

welche ich dann zeichnerisch oder malerisch umsetze.<br />

Außerdem gehören Mensch und Natur zusammen,<br />

zurück zum Ursprung, das frischgeborene Menschenkind<br />

und die Natur in ihm, die muss bewahrt werden.<br />

Wieweit ist „Try and Error“, so hieß Deine Ausstellung<br />

2015 in Amsterdam, ein Arbeitsweg/Arbeitsprogramm<br />

bei Deiner grafischen oder malerischen Tätigkeit?<br />

Eigentlich spielt diese Haltung jedes Mal aufs Neue eine<br />

Rolle. Vor allem wenn ich eher prozessorientiert statt resultatorientiert<br />

arbeite. Das Scheitern ist oft Thema und ein<br />

schwieriger aber ganz wichtiger Punkt, an dem man häufig<br />

ansteht. Ohne den Versuch, das Experiment und das Scheitern<br />

kann man sich auch schwer weiterentwickeln. Manchmal<br />

braucht es aber auch eine Zeit, bis man Fehlversuche<br />

oder neue Herangehensweisen, ob technisch oder thematisch,<br />

für sich annehmen und damit arbeiten kann!<br />

Du hast sehr oft Köpfe als Thema. Sie fließen ineinander<br />

statt hinter- oder nebeneinander angeordnet zu<br />

sein. Was ist der Gedanke dabei/dahinter?<br />

Gesichter können sehr viel Ausdruck vermitteln. Auch<br />

wenn es oftmals eher leere Gesichtsausdrücke sind- trotzdem<br />

sind sie oft eine schöne Projektionsfläche für Emotionen<br />

des Betrachters. Das übereinander gelegte Spiel<br />

vieler meiner Figuren sehe ich vor allem als Form, die Konstellationen<br />

zwischen Menschen zu verbildlichen oder erst<br />

selbst zu verstehen.<br />

Thematisch sind die Überschneidung auch ein wichtiger As-


LitArena VIII|Oktober 2017<br />

7<br />

pekt, da sie in meinen Arbeiten als Schnittstellen auftreten,<br />

meistens eben zwischen zweien oder mehreren Figuren.<br />

Diese Überlagerung sehe ich im übertragenen Sinn auch<br />

als das Zwischenmenschliche. Die Summe der einzelnen<br />

Teile umfasst ein breites, oft sehr persönliches Spektrum.<br />

Siehst Du Dich als eine gute Beobachterin und machst<br />

daher Momentaufnahmen von Menschen/ Gesichtern?<br />

Ich beobachte gern und viel. Ja, meine Bilder sind meist<br />

gefühlte Momentaufnahmen und transportieren für mich<br />

Stimmungen, Zustände, Gefühle und Umstände. Oft wird<br />

Erlebtes auf Figuren projiziert, ohne konkret eine bestimmte<br />

Person darstellen zu wollen. Für mich steht also<br />

nicht der Wiedererkennungswert der Figuren im Vordergrund,<br />

sondern ich sehe die Figuren eher als Darsteller und<br />

Allegorien des Lebens.<br />

Dazu finde ich den Witz, der in der Broschüre der Ausstellung<br />

„Frauen, die auf Männer schauen“ nach Deiner<br />

Biografie abgedruckt ist, über die 3 Bratheringe<br />

auf einem Baum sitzend herrlich „saßen 3 Bratheringe<br />

auf einem Baum und kämmten sich. Flog ein Pferd vorbei-<br />

sagte der eine Brathering: „Ich wär` gern ein Pferd,<br />

dann könnt` ich fliegen“. Sagte der zweite Brathering:<br />

„Ich wär` gern zwei Pferde, dann könnt` ich hinter mir<br />

herfliegen.“ Daraufhin meldete sich der dritte zu Wort:<br />

„Ich wär` gern drei Pferde, dann könnt ich seh`n, wie<br />

ich hinter mir herfliege.“<br />

Ist er von Dir? Heißt Dein Bild aus der Ausstellung<br />

2017 im Stadtmuseum St. Pölten deshalb „Drei Bratheringe“?<br />

(Die Menschen am Bild sehen sich nicht<br />

gegenseitig, aber der Betrachter hat ein Spektrum an<br />

Gesichtsansichten und –drehungen vor sich.)<br />

Dieser schöne Spruch ist nicht von mir, ich hatte ihn nur<br />

grob aus meiner Kindheit in Erinnerung und habe nie herausgefunden,<br />

von wem er stammt. Jedenfalls habe ich ihn<br />

passend gefunden zu meinen zwei Bildern, welche ich für<br />

diese Ausstellung im Stadtmuseum gemalt habe. Ich wollte<br />

das Thema nicht genderspezifisch behandeln, sondern<br />

habe mich auf die Betrachtung des Menschen im Allgemeinen<br />

bezogen. Ich zeige nicht nur eine Person, welche ich<br />

eigentlich beobachte, sondern es wurde zu einer Symbiose<br />

mehrerer Figuren. Ich finde, vor allem die Körpersprache,<br />

die Mimik und die Interaktion mit den Menschen im Umfeld<br />

gibt Aufschluss, wie ein Mensch ist.<br />

Welche Perspektive man im Betrachten der Bilder und der<br />

Charaktere auch einnimmt, man befindet sich auf Identitätssuche.<br />

Ein spannender Moment ist es, Personen zu beobachten,<br />

welche sich selbst als passive Betrachter verstehen.<br />

Wird man als Beobachter selbst beobachtet, spannt<br />

sich der Kreis immer weiter. In diesem Zusammenhang<br />

musste ich oft an die drei Bratheringe denken, außerdem<br />

wäre ich auch gern ein Pferd, dann könnt ich fliegen…<br />

Danke, liebe Linda, ich wünsche Dir viel Erfolg bei Deiner<br />

nächsten Ausstellung im Hyppolit Haus St.P., die<br />

leider am selben Tag, dem 10.10.2017 wie die Präsentation<br />

des Heftes „<strong>etcetera</strong>“ ist.<br />

Linda Partaj<br />

Geb.1992 in Tulln, wohnhaft in St. Pölten. 2010-11: Auslandsaufenthalt<br />

in Bordeaux, Frankreich, seit 2012 Studium ´Kunst<br />

und kommunikative Praxis´ und ´Design, Architecture and<br />

Environment´unter der Leitung von Prof. Barbara Putz- Plecko an<br />

der Universität für angewandte Kunst, Wien.<br />

Seit 2015 in der Klasse ´Gegenständliche Malerei´ unter der<br />

Leitung von Prof. Kirsi Mikkola an der Akademie der bildenden<br />

Künste, Wien. www.lindapartaj.at<br />

Letzte Ausstellungen:<br />

April 2017: Gruppenausstellung, Stadtmuseum, St.Pölten<br />

März 2017: „Frauenbilder”, Redpoint, St.Pölten<br />

Jän. 2017: „Rundgang” der Akademie der bildenden Künste, Wien<br />

Dez. 2016: „Kunst als kommunikative Praxis” Gruppenausstellung<br />

mit Studierenden der Universität für angewandte Kunst, Galerie<br />

Freihausgasse, Villach<br />

Nov. 2016: „ÜBER EINANDER”Einzelausstellung, Lames / SWK,<br />

St.Pölten<br />

Okt. 2016: „150 Years of Spin” Gruppenausstellung, Weselyhaus,<br />

St.Pölten<br />

Aug. 2016: „Babylove” Druckgrafik, Gruppenausstellung, Hohe<br />

Festung, Salzburg<br />

Nov. 2016 : „10071986” Gruppenausstellung, Kunst:werk, St.Pölten<br />

März. 2016 : „Kunst und Käse” Gruppenausstellung, Galerie „die<br />

Schöne”, Wien<br />

Jän. 2016 : „Rundgang” der Akademie der bildenden Künste, Wien<br />

Dez. 2015 : „Signed and Numbered”, Druckgrafik, Jan Arnold Gallery,<br />

MQ , Wien<br />

März 2015 : „Try and Error” Grafiken, „Home of Art”, Amsterdam,<br />

Holland<br />

Heftküstlerin


8<br />

LitArena VIII|Oktober 2017<br />

Interview<br />

Sarah Rinderer<br />

Sarah Rinderer aus Hard gewann 2015 den 1.Platz der LitArena<br />

VII mit dem Siegertext „das blinken der windräder<br />

vor paris“. Cornelia Stahl interviewte sie im August 2017<br />

per Mail:<br />

Sarah, in deinem Siegertext der LitArena VII 2015<br />

„das blinken der windräder vor paris“ ging es um<br />

ein älteres Ehepaar, das während einer Zugfahrt die<br />

gemeinsam verbrachte Zeit noch einmal Revue passieren<br />

lässt.<br />

Worum geht es im Text „Mutterschrauben“, für den<br />

du 2017 den Vorarlberger Literaturpreis erhalten<br />

hast?<br />

In meiner Erzählung „Mutterschrauben“ geht es ebenfalls<br />

um eine Reise, die Vergangenes und Gegenwärtiges<br />

in einen Dialog treten lässt – jedoch wird diese vom Küchentisch<br />

aus unternommen. Mittels Street View bewegen<br />

sich Enkelin und Großmutter am Laptop durch deren<br />

Geburtsort.<br />

Inwieweit sind biograhische und fiktive Elemente in<br />

deinem Text miteinander verwoben?<br />

Als Grundlage für den Text dienten mehrere Gespräche,<br />

die ich mit meiner Großmutter über ihre Erinnerungen<br />

an die Vetreibung aus ihrem Geburtsort, dem<br />

tschechischen Planá, geführt habe. Ich habe jedoch<br />

weggelassen, hinzugefügt, verändert, montiert, konstruiert,<br />

um das abrupte und frühe Ende einer Kindheit<br />

herauszuarbeiten, von dem die digitale Erinnerungsreise<br />

in „Mutterschrauben“ letztendlich erzählt.<br />

2015 hast du das START-Stipendium für Literatur des<br />

Bundeskanzleramtes und das Leistungsstipendium<br />

der Kunstuniversität Linz erhalten. Siehst du dich<br />

selbst als Literatin oder als Bildende Künstlerin?<br />

Ich kann Literatur und Bildende Kunst für mich gar nicht<br />

so sehr voneinander trennen, vor allem zu Beginn meiner<br />

Arbeitsprozesse. Meist gehe ich von einem thematischen<br />

Impuls aus, einer Assoziation, einer kleinen Idee und recherchiere<br />

erst einmal dazu. Im Rechercheprozess stellt<br />

sich dann oft für mich heraus, nach welcher Form der<br />

Umsetzung meine Idee verlangt: nach jener einer künstlerischen<br />

oder einer literarischen Arbeit. Und selbst<br />

dann sind die beiden Sparten noch stark ineinander enthalten.<br />

In meiner Kunst arbeite ich beispielsweise sehr<br />

konzeptorientiert, häufig geht es um Sprachsysteme. In<br />

meinen Texten wiederum wird der künstlerische Zugang<br />

vor allem durch meine Komposition von Sprachbildern<br />

spürbar.<br />

Ich versuche aber auch gezielt, die beiden Sparten miteinander<br />

zu verbinden. So habe ich beispielsweise im letzten<br />

Semester das Künstlerbuch „Von Blaugrau bis Rosa“<br />

geschrieben, typografisch gestaltet sowie gebunden und<br />

produziert.<br />

Du bist noch sehr jung und dir stehen zahlreiche<br />

Möglichkeiten offen. Was planst du nach deinem<br />

Studienabschluss?<br />

Ich möchte auf jeden Fall vielfältig bleiben, die Möglichkeiten<br />

von Arbeitsaufenthalten im Ausland nutzen, an<br />

meiner ersten eigenständigen Buchveröffentlichung arbeiten,<br />

neue Werke für Ausstellungen entwickeln.<br />

Und mein berufliches Ziel ist es, mir mit meiner Tätigkeit<br />

in den Bereichen Grafik-Design und Kulturvermittlung diese<br />

Art der künstlerischen und literarischen Produktion<br />

zu ermöglichen.<br />

Was würdest du jungen Autoren/Autorinnen raten,<br />

die noch am Anfang stehen?<br />

Ich denke, das Wichtigste, um sich weiterzuentwickeln<br />

ist, sich zu trauen, mit den eigenen Texten nach außen<br />

zu gehen; beispielsweise bei Workshops teilzunehmen,<br />

bei Literaturzeitschriften und Wettbewerben einzureichen<br />

und sich einem Publikum zu präsentieren. Zudem<br />

ist es ganz wesentlich, sich gute Kritik zu holen. Für<br />

mich waren da die Literatur Vorarlberg und die Jugend-<br />

Literatur-Werkstatt Graz immer gute Anlaufstellen.<br />

Mir war und ist es auch wichtig, viel auszuprobieren, sei<br />

es im Umgang mit Inhalten oder mit der Sprache selbst,<br />

und mich stets auf Neues einzulassen.<br />

Danke für das Interview und weiterhin viel Erfolg!<br />

Sarah Rinderer<br />

Geb.1994, seit 2014 Studium Bildende Kunst - Experimentelle<br />

Gestaltung und Kulturwissenschaften in Linz.Veröffentlichungen:<br />

Unsere Fabrik, Bucher-Verlag 2015 sowie in Kunstmagazinen.


LitArena VIII|Oktober 2017<br />

9<br />

Jana Volkmann<br />

Jana Volkmann, Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“,<br />

war heuer Jurorin der LitArena VIII. Cornelia Stahl stellte<br />

ihr ein paar Fragen:<br />

Jana Volkmann, Sie sind heuer eine von drei Jurorinnen<br />

der LitArena VIII, der Literarischen Gesellschaft<br />

St.Pölten? Was war Ihr erster Eindruck beim<br />

Lesen der Texte?<br />

Ich finde, man merkt vielen Einsendungen an, dass die<br />

Autorinnen und Autoren sich auf einer Schwelle befinden:<br />

zwischen Jugend und Erwachsensein, Arbeit und<br />

Studium oder auch Schule und Universität. Diese aufregende<br />

und instabile Zeit haben einige unmittelbar, sehr<br />

präzise und in tollen Bildern, festgehalten. Die Erzählung<br />

„Festzelt-Philosophien“ etwa bringt dieses Dazwischensein<br />

sehr anschaulich auf den Punkt: Die Erzählerin<br />

kehrt an den Ort zurück, wo sie aufgewachsen ist, aber<br />

sie weiß nicht, ob das ein Heimkommen oder doch eher<br />

ein Wegfahren ist. Ich konnte diese Entfremdung sofort<br />

nachfühlen. Es sind oft Fragen der Zugehörigkeit, die da<br />

berührt werden.<br />

Wann haben Sie Ihren ersten Text veröffentlicht und<br />

wovon handelte dieser?<br />

Ich hatte die Erzählung „Fortune Teller Miracle Fish“,<br />

die hier (Seite 12) auch nachzulesen ist, an eine Literaturzeitschrift<br />

geschickt – die wollte sie auch prompt<br />

drucken, baten mich allerdings, hier und da ein paar<br />

Dinge zu ändern. Zum Beispiel sollte das Mädchen nicht<br />

mit einem Gameboy spielen, sondern mit einer zeitgemäßeren<br />

Konsole. Ich war außer mir! Auch den angemessenen<br />

Umgang mit LektorInnen muss man lernen. Nicht<br />

viel später, mit 26, habe ich einer anderen Literaturzeitschrift<br />

meine Kurzgeschichte „Sturmzeit“ veröffentlicht.<br />

Eine surreale und aus heutiger Sicht viel zu dick aufgetragene<br />

Geschichte über eine Frau, die zwischen ihren<br />

Hautschichten einen Sturm zu spüren glaubt. Obwohl<br />

mir dieser Text heute nicht mehr viel bedeutet, kann ich<br />

mich gut daran erinnern, wie er in der Zeitschrift aussah.<br />

Das war eindeutig ein Initationsritus, zum ersten Mal einen<br />

Text gedruckt zu sehen – von da an war ich wohl<br />

Schriftstellerin, vorher habe ich nur geschrieben.<br />

Foto©Jorghi Poll<br />

Japan beschreiben Sie als einen Sehnsuchtsort?<br />

Welche Assoziationen verbinden Sie mit diesem<br />

Land?<br />

Zuerst fällt mir eine beruhigende und zugleich verstörende<br />

Ordnung ein:, viele unausgesprochene Regeln,<br />

die rücksichtsvolle Stille in einer vollen U-Bahn. Dann<br />

noch Tempel, Tee und Traubensaft. Die Schönheit der<br />

Schriftzeichen und Tatamimatten unter den Füßen. Sehr<br />

subjektive Schlaglichter also.<br />

Als Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“<br />

bekommen Sie einen guten Einblick in die gegenwärtige<br />

Literaturszene. Welche Themenfelder und<br />

Aspekte sind Ihrer Meinung nach in der aktuellen<br />

zeitgenössischen Literatur oder im literarischen<br />

Diskurs unterrepräsentiert?<br />

Oh, schwierige Frage! Auf den ersten Blick erscheint mir<br />

die heutige Literatur doch sehr divers, es erscheinen ja<br />

auch einfach Jahr für Jahr unglaublich viele neue Bücher.<br />

Mich stört, dass die Literaturkritik sich selbst stark einschränkt,<br />

indem fast ausschließlich die neuesten Titel<br />

besprochen werden. Das hat natürlich Auswirkungen<br />

auf die Buchhandlungen, die sich zweimal überlegen, ob<br />

sie die Bücher aus dem letzten Jahr noch in die Auslage<br />

nehmen. Manche Texte rutschen dadurch völlig zu Unrecht<br />

unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung<br />

hindurch – dabei sind die, die man auf den ersten Blick<br />

übersieht, auf den zweiten oft interessanter. Und Stichwort<br />

unterrepräsentiert: Wenn es nach mir ginge, würde<br />

Interview


10 LitArena VIII|Oktober 2017<br />

viel mehr Lyrik gelesen. Auch die vom vorletzten Jahr.<br />

Elisabeth Steinkellner<br />

Interviw<br />

Die Autorin Lydia Mischkulnig plädierte im Symposium<br />

„Bedingungen weiblichen Schreibens“ für ein<br />

bedingungsloses Grundeinkommen. Welche Folgewirkungen<br />

hätte das Einlösen dieser Forderung für<br />

Sie als Autorin?<br />

Erst einmal möchte ich mich Lydia Mischkulnigs Forderung<br />

anschließen. Für mich persönlich würde ein festes<br />

Grundeinkommen ganz einfach bedeuten, dass ich die<br />

anderen, rein dem Geldverdienen gewidmeten Tätigkeiten<br />

zurückschrauben könnte und mehr Zeit für das<br />

Schreiben zur Verfügung hätte. Natürlich würde ich mich<br />

freuen, wenn ich ein Grundeinkommen gewinnen würde,<br />

und habe an der Verlosung, die neulich kursierte,<br />

teilgenommen. Aber das Beste an der Vision ist, dass<br />

das Grundeinkommen bedingungslos für alle eingeführt<br />

werden muss, damit das mit der Egalität wirklich<br />

funktioniert. Insofern finde ich die Auswirkung auf mein<br />

persönliches Schaffen gar nicht so ausschlaggebend,<br />

sondern vielmehr die Idee einer grundlegenden gesellschaftlichen<br />

Veränderung.<br />

2017 schreibt die Stadt Linz erneut den Marianne von<br />

Willemer-Preis aus, der sich explizit an Frauen richtet.<br />

Müssen Frauen an allen Fronten für Gleichberechtigung<br />

kämpfen: sowohl in der Arbeitswelt, als auch im<br />

Literaturbetrieb? Wie sehen Sie das?<br />

Ja, solange es keine Lohngleichheit gibt und Ressourcen<br />

ungleich verteilt werden, geht es überhaupt nicht anders.<br />

Ich würde gern sehen, dass dieser Kampf gemeinsam ausgefochten<br />

wird. Literatur entsteht ja nicht im luftleeren<br />

Raum, und ich würde den Literaturbetrieb gar nicht aus der<br />

Arbeitswelt ausklammern wollen. Idealerweise brauchen<br />

wir irgendwann keine Preise mehr, die sich ausschließlich<br />

an Autorinnen richten.<br />

Vielen Dank für das Interview!<br />

Jana Volkmann<br />

Geb. 1983 in Kassel, hat in Berlin Literaturwissenschaften studiert<br />

und lebt seit 2012 als Autorin, Journalistin und Literaturvermittlerin<br />

in Wien. Sie ist Co-Chefredakteurin der Zeitschrift „Buchkultur“.<br />

2012 erschien „Schwimmhäute“, 2014 „Fremde Worte“ und<br />

2015 „Das Zeichen für Regen“. Sie arbeitet an einer Dissertation<br />

über Hotels in der Gegenwartsliteratur.<br />

Elisabeth Steinkellner, Kinder- und Jugendbuchautorin aus<br />

Baden/Niederösterreich war eine der drei Jurorinnen der LitArena<br />

VIII, 2017. Cornelia Stahl traf sie zum Interview.<br />

2017 waren Sie Jurorin der LitArena VIII. Was war das<br />

Besondere an den ausgewählten Texten?<br />

Manche Texte haben uns stärker thematisch, andere stärker<br />

aufgrund ihres Schreibstils und wieder andere aufgrund<br />

ihres atmosphärischen Gehalts angesprochen. Die Auswahl<br />

der Texte weist eine Bandbreite an interessanten und<br />

überzeugenden Texten auf.<br />

Welche Themen dominierten?<br />

Themen rund um verschiedene Facetten des Erwachsenwerdens:<br />

die Auseinandersetzung mit Menschen und<br />

Strukturen, die einmal „Heimat“ waren; das Ausloten von<br />

Gefühlen in familiären und partnerschaftlichen Beziehungskonstellationen<br />

– Gefühlen, die zwischen dem Wunsch<br />

nach Bindung und Symbiose und jenem nach Loslösung<br />

changieren; Fragen nach dem Sinn des Lebens im Allgemeinen<br />

und nach dem Platz, den man als Individuum in dieser<br />

Welt einnehmen will;<br />

Sie gehören der Generation „maybe“ an. Warum haben<br />

Foto©Privat


LitArena VIII|Oktober 2017 11<br />

Sie sich dazu entschlossen, für Kinder und Jugendliche<br />

zu schreiben (und nicht für Erwachsene)?<br />

Die Veröffentlichung meines ersten Kinderbuches fiel in<br />

dieselbe Zeit wie die Veröffentlichung erster Texte für Erwachsene<br />

in Literaturzeitschriften – und beides passierte,<br />

als ich gerade zum ersten Mal schwanger war. Meine<br />

Zeitressourcen neben dem Muttersein waren schlichtweg<br />

zu knapp, um in beiden Bereichen weiterzumachen, und<br />

da es mich stärker zur Kinder- und Jugendliteratur zog, bekam<br />

diese fortan meine Hauptaufmerksamkeit. Nur Lyrik<br />

schrieb ich weiterhin auch für Erwachsene. Das Problem<br />

ist ja, dass die Kinder und Jugendliteratur hierzulande immer<br />

noch nicht als gleichwertige Literatur anerkannt ist<br />

und sich daher praktisch in einer anderen Welt abspielt als<br />

die Allgemeinliteratur. Es gibt kaum Berührungspunkte zwischen<br />

den beiden Bereichen, es sind andere Rezensenten<br />

und andere Vermittlungsmedien, es gibt je eigene Literaturfestivals<br />

und großteils je eigene Verlage - wie zwei Parallelwelten.<br />

Elisabeth Steinkellner<br />

Geb. 1981, aufgewachsen im Bezirk Neunkirchen/NÖ. Ausbildung<br />

zur Sozialpädagogin und Studium der Kultur- und Sozialanthropologie<br />

in Wien. Schreibt Lyrik und Prosa für Kinder,<br />

Jugendliche und Erwachsene. Ihre Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet<br />

(zuletzt mit dem outstandig artist award 2016 in der<br />

Sparte Kinder- und Jugendliteratur und dem Österreichischen<br />

Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur 2017) und in mehrere<br />

Sprachen übersetzt. Die Autorin lebt und arbeitet in Baden bei<br />

Wien.<br />

Gab es oder gibt es Schreibvorbilder für Sie?<br />

Ich glaube, dass alle Texte, die mich nachhaltig beeindrucken,<br />

auch Vorbilder für mein eigenes Schreiben sind.<br />

Ihre Texte, z.B. aus „Die Nacht der Falter und ich“ entfachen<br />

eine Leichtigkeit. Wie viel Arbeit steckt dahinter?<br />

In Gedichten und Miniaturen steckt meist sehr viel Feil-<br />

Arbeit. Da wiege ich genau ab, welche und wie viele Worte<br />

ich verwende, und über manche Texte gehe ich immer und<br />

immer wieder drüber, bis der Rhythmus und die Wortwahl<br />

endlich für mich stimmen.<br />

2016 erhielten Sie den Outstanding Artist Award in<br />

der Sparte Kinder- und Jugendliteratur. Ist das richtig?<br />

Inwieweit beeinflussen Preise Ihre literarische<br />

Arbeit?<br />

Es war für mich wirklich eine große Freude, diesen Preis zu<br />

erhalten! Einerseits sind Preise und Stipendien natürlich<br />

eine wichtige finanzielle Stütze, um sich dem nächsten<br />

literarischen Projekt widmen zu können, andererseits<br />

stärken sie auch das eigene Selbstverständnis als Schriftstellerin,<br />

und diese Funktion ist nicht zu unterschätzen,<br />

gerade wenn man noch eher am Anfang steht.<br />

Ich danke Ihnen für das Interview!<br />

Interview


26 LitArena VIII|Oktober 2017 LitArena Siegertext 1. Platz<br />

Zarah Weiss<br />

Spot On A Long Road<br />

Niemand ist auf der breiten, erdigen Straße, die Wiesen<br />

neben uns verdorrt und gelb, nur einzelne Vorgärten gepflegt;<br />

ein Surren liegt in der Luft.<br />

Ich habe Gänsehaut an den nackten Beinen, die Klimaanlage<br />

des Campervans läuft auf Hochtouren; ich ziehe die<br />

Beine an und schlinge meine Arme um sie, blicke aus dem<br />

Fenster, „So verrückt, dass Du hier schon mal warst, vor<br />

acht Jahren“, sage ich noch einmal zu Alex, weiß nicht,<br />

wie oft ich es schon zu ihm gesagt habe, seitdem wir<br />

in den kleinen australischen Ort eingefahren sind; dieser<br />

Ort inmitten der Steppe. Einmal ganz herumgefahren<br />

sind wir in Schrittgeschwindigkeit, am Ortsausgang markiert<br />

ein Schild die nächste Stadt: noch 70 km.<br />

Wenn wir später weiterfahren, wird da erst einmal 70 km<br />

nur Steppe sein, immer tiefer ins Land hinein, so kommt<br />

es mir vor, dabei ist es nur ein winziges Stück. Alice<br />

Springs ist immer noch eine Tagesreise vom Ayers Rock<br />

entfernt, hat Alex erzählt, und diese unendliche Weite,<br />

die sich da auftut, lässt mich ganz erhaben fühlen; wir fahren<br />

und fahren und sehen niemanden, nur Weite. Dafür<br />

bin ich doch hergekommen, für diese Erfahrung, nicht für<br />

die Städte, sondern, um die Größe und Weite zu spüren.<br />

Im Radio laufen irgendwelche Dance-Charts, Alex hat<br />

sein Handy angeschlossen und ich habe nicht protestiert;<br />

ich kurbele das Fenster etwas herunter, es ist mir doch zu<br />

kalt. Langsam strecke ich einzelne Finger aus dem Fenster,<br />

dann schließlich die ganze Hand, den ganzen Arm.<br />

Alex schaltet die Klimaanlage aus und starrt geradeaus,<br />

sieht nicht auf die Häuser, die langsam an uns vorbeiziehen,<br />

die leere Straße.<br />

„Wovor hast Du am meisten Angst?“, fragt er mich.<br />

Ich drehe ruckartig den Kopf herum, starre ihn an, er<br />

wirft mir nur einen flüchtigen Blick zu, fährt weiter, ganz<br />

langsam. Noch nicht einmal aus dem Fenster schauen<br />

die Leute, um zu sehen, wer hier so elendig langsam<br />

durch ihren Ort fährt.<br />

Wovor habe ich am meisten Angst? Davor, allein zu sein<br />

im Leben vielleicht? Davor, eine wichtige Person zu verlieren?<br />

Vor Kriegen, Hass, dem Wandel der Welt? Davor,<br />

eigentlich nicht gut in dem zu sein, was ich liebe, wodurch<br />

ich mich definiere, eigentlich gar nicht zu meinem<br />

eigenen Lebensplan zu passen? Davor, unglücklich zu<br />

sein, für immer, passiv, im Stillstand? Ich ringe nach Worten,<br />

um das ihm zu erklären und eigentlich denke ich,<br />

ist es wieder nur eins von seinen Spielen, seine Art, die<br />

eigene beste Freundin näher kennenzulernen.<br />

„Ja, ich weiß nicht“, sage ich leise. Wir fahren an einem<br />

Springbrunnen vorbei. Eine grüne Rasenfläche, die einzige,<br />

die nicht vertrocknet scheint.<br />

Vielleicht eine Minute, ist es mehr, ist es weniger, sagen<br />

wir nichts, biegen wir in eine neue Straße ein; schon<br />

längst geht es nicht mehr um den Weg zur Touristeninformation,<br />

der Handybildschirm mit dem Navi in meiner<br />

Hand ist schwarz geworden. Ohne Ziel fahren wir durch<br />

die Straßen, als könnten wir den Ort vom Auto aus ganz<br />

erkunden, ganz in uns aufnehmen, als müsste Alex sich<br />

vom Auto aus überzeugen, dass er genau hier vor acht<br />

Jahren schon einmal war, an der Grenze zwischen den<br />

Blue Mountains und dem Outback, eine gute Tagesreise<br />

von Sydney entfernt. Eine Fliege kommt laut surrend hereingeflogen,<br />

schwirrt ums Lenkrad, knallt immer wieder<br />

gegen die Frontscheibe. Ich versuche sie mit der Hand<br />

hinauszuscheuchen.„Ich hab am meisten Angst davor,<br />

nichts zu hinterlassen“, sagt Alex plötzlich in die Stille.<br />

Die Fliege setzt sich auf das Armaturenbrett, ich fixiere<br />

sie mit meinen Augen, atme schwer. Ich sollte jetzt das<br />

Fenster schließen wieder, sollte einen geschützten Raum<br />

schaffen für dieses kommende ernste Gespräch – hier<br />

geht es überhaupt nicht darum, spielerisch mehr von mir<br />

zu erfahren, sondern um etwas Grundsätzliches, das ihm<br />

auf dem Herzen liegt – aber ich lasse es offen, lege die<br />

Hand auf das heiße Blech der Türe.<br />

„Weißt Du“, fängt er jetzt plötzlich ganz schnell an zu reden<br />

und irgendwie nervt mich plötzlich die Art, wie er das<br />

sagt, ich weiß auch nicht, warum, mir wird warm, „weißt<br />

Du, ich will nicht vergessen werden. Ich hab Angst, dass<br />

ich nur mein Leben lebe und dann ist alles vorbei und ein<br />

paar erinnern sich vielleicht noch, aber die werden auch<br />

irgendwann sterben und dann bleibt nichts mehr von mir<br />

übrig. Ich möchte etwas beitragen zu dieser Welt, ich<br />

möchte etwas schaffen. Ich möchte sie vorwärts bringen,<br />

so richtig weit! Eigentlich –“, er blickt mich an – „eigentlich<br />

möchte ich berühmt sein!“<br />

Ha, will ich machen, will lachen, kann es gerade noch<br />

herunterschlucken.<br />

„Ja!“, er schaut wieder nach vorne, „Ich will berühmt sein,<br />

weil ich etwas geleistet habe; naja, halt auf jeden Fall<br />

nicht vergessen werde! Hast Du Dir mal überlegt, wie


LitArena Siegertext 1. Platz LitArena VIII|Oktober 2017<br />

27<br />

viele mehr tote als lebendige Menschen es gibt?“<br />

Ich überlege ernsthaft. Wie lange gibt es die Menschheit<br />

schon, wie viele sind seitdem gestorben, wie viele mehr<br />

Menschen liegen unter der Erde als auf ihr zu laufen?<br />

Meine Finger krallen sich um das Handy.<br />

„Aber“, sage ich, „ist es nicht schön, wenn Deine Familie<br />

und Freunde sich an Dich erinnern, wenn Du ihr Leben<br />

bereicherst, wenn sie sich ihr Leben ohne Dich nicht<br />

vorstellen können – Hey, Du bist doch wichtig für mich!“<br />

Ich streichle einmal fest, beinahe scherzhaft über seinen<br />

Arm. „Reicht es Dir nicht, für diese Leute was zu bedeuten?“<br />

„Ja ja. Aber ich will für alle was bedeuten“, knurrt er und<br />

drückt aufs Gas, fährt mit Vollkaracho auf einen ungeteerten<br />

Parkplatz an einem Teich. „Hier dran erinnere<br />

ich mich noch!“, ruft er. „Lass uns hier mal aussteigen<br />

und rumlaufen!“ – und er hat sich schon abgeschnallt,<br />

die Türe schon aufgerissen. Er dreht sich noch einmal<br />

um: „Im Grunde habe ich Angst vor Bedeutungslosigkeit.<br />

Jaja.“ Er nickt, zufrieden mit der eigenen Antwort, die er<br />

für sich gefunden hat. „Angst vor einem bedeutungslosen<br />

Leben.“ Und raus springt er, weg ist er, läuft auf den Teich<br />

zu. Ich schnalle mich langsam ab.<br />

Später, wir haben in einer kleinen Seitenstraße heimlich<br />

geparkt, sparen uns die Kosten für einen Campingplatz.<br />

Überall zirpen Grillen und es ist stockdunkel. Wir liegen<br />

sporadisch zugedeckt unter den Schlafsäcken, es ist zum<br />

Glück etwas abgekühlt. Ich sehe nicht einmal die eigene<br />

Hand vor Augen, hoffe, dass ich in der Nacht nicht aufs<br />

Klo muss.<br />

Aufgeregt und entspannt zugleich, was für ein Erlebnis,<br />

hier zu liegen, am anderen Ende der Welt. Ich lüfte ein<br />

bisschen den Vorhang neben mir. Durch das Moskitonetz:<br />

der australische Himmel noch voll von den Sternen,<br />

die wir vorhin bestaunt haben. Alex raschelt in seinem<br />

Schlafsack. „Ich glaube, Noa, ich hab echt einfach richtig<br />

Angst vor dem Tod“, sagt er plötzlich.<br />

Ich öffne den Mund, weiß nicht, was sagen. „Aber... das<br />

brauchst Du doch nicht“, sage ich ganz platt und dumm.<br />

„Ist aber so. Ich wünschte, es wär nicht so.“<br />

Unser Atmen, ganz leise; Stille, Dunkelheit. „Darf ich Dich<br />

küssen?“, fragt er plötzlich. Und er weiß schon, ich sage<br />

nein, „Nein“, sage ich. Gegenseitiges Grenzen austesten.<br />

Es ist nicht einmal aufregend. Es ist ganz selbstverständlich.<br />

Aber wir geben einander so viel preis. Ich ringe immer<br />

noch nach Worten, die ihm deutlich machen, dass<br />

ich das ernst nehme, was er sagt. Vielleicht müssten es<br />

mehr Fragen sein. Aber da streichelt er mir schon einmal<br />

kurz übers Haar, gähnt tief und dreht sich dann um, mit<br />

dem Rücken zu mir: „Morgen musst Du mal sagen, wovor<br />

Du Angst hast.“ „Ja“, nicke ich eifrig. Und ganz leise:<br />

„Danke.“<br />

Eine Minute später ist er eingeschlafen.<br />

Zarah Weiss<br />

Geb. 1992 in Düsseldorf; 2004 Preisträgerin Nachwuchspreis<br />

Grüner Lorbeer®, seit 2015 zertifizierte Schreibtrainerin. 2011-<br />

2015 Doppelbachelor Sozialwissenschaften, Philosophie und<br />

Kulturwissenschaften, Universität Leipzig. 2014-2015 Auslandssemester<br />

University of Copenhagen, Filmwissenschaften. Seit<br />

WS 2015 Masterstudium Vergleichende Literaturwissenschaft,<br />

Universität Wien; wiss. Mitarbeiterin im FWF-Projekt „Ludwig<br />

Tiecks Bibliothek. Mitglied des Autorenteams August Autoren.


28 LitArena VIII|Oktober 2017 LitArena Siegertext 2. Platz<br />

Katharina J. Ferner<br />

Neulich im Café<br />

Im Café Jelinek, das heißt kleiner Hirsch. Jelen der Hirsch<br />

und so weiter. Irgendwann einmal nehme ich dich mit, wenn<br />

du groß bist, du grinst. Ich verschütte Tee auf meinem Kleid,<br />

das macht nichts. Sei nicht so frech, pass nur auf. Du greifst<br />

nach meiner Hand, ziehst an den Fingern dass es knackt in<br />

den Knochen. Ich kann gerade noch den Aufschrei unterdrücken.<br />

Große Mädchen schreien nicht. Öffentlich. Erst später,<br />

am Abend, zwischen den Laken vergraben. Ich schäme mich.<br />

Werde nicht die Lider niederschlagen und die Wangen bleiben<br />

kalt, aber die Hand verrät mich. Ich will die Finger lösen,<br />

doch sie kleben fest, an der Hand, der weichen. Ich verschütte<br />

noch einmal Tee, er ist lauwarm und ich nass bis auf die<br />

Strumpfhose, vielleicht auch darunter. Mein Herz klopft sich<br />

in den Herzinfarkt. Atmen nicht vergessen. Ich schlucke. Die<br />

Augen perlen Tränen vom Rauch. Reiß dich zusammen, Mädchen.<br />

Ich blinzle heftig. Er wischt die Spuren achtlos von den<br />

Wangen mit der einen Hand, die andere mich immer noch<br />

fest im Griff. Wischt die Zigarettenschachtel vom Tisch. Ich<br />

denke, dass meine Finger langsam blau werden, vielleicht<br />

bleiben sie auf der Tischkante liegen, werden so zum Inventar.<br />

Wenn ich wieder hierher kommen sollte, könnte ich<br />

sagen: Das ist mein Tisch. Da sind schließlich meine Finger<br />

auf der Platte. Ja, so war das damals. Da musste man sich<br />

die Sitzplätze noch hart erkämpfen. Und dann würde ich in<br />

Gelächter ausbrechen, so wie in einem dieser Filme, in denen<br />

eine Person über ihren eigenen Witz lacht und niemand<br />

sonst. Und meine Begleitung würde nur aus Höflichkeit die<br />

Mundwinkel nach oben ziehen, sich aber denken, dass ich<br />

nun vollkommen irre geworden sei und dann sobald wie<br />

möglich das Weite suchen. Ich würde mich an den Tisch setzen<br />

und nach einer Zeitung verlangen. Und dann kämst du.<br />

Wärst doch schließlich auch ein Teil des Ganzen geworden.<br />

Nicht ganz unschuldig daran, dass meine Finger am Tisch,<br />

um nicht zu sagen: schuldig. Du würdest an meiner Stelle<br />

in der Zeitung blättern, mir manches vorlesen, anderes nur<br />

kommentieren, meine Fragen übergehen, mich manchmal<br />

zurechtweisen. Also alles wie gehabt. Ich seufze.<br />

Erst jetzt bemerke ich, dass du meine Hand losgelassen, wie<br />

ein toter Fisch liegt sie da. Ich lasse sie liegen, die Hoffnung<br />

noch nicht aufgegeben. Dass du mir einmal entgegen kommen<br />

könntest, hinterher. Sie noch einmal hochheben, sanft<br />

dieses mal. Mir einen Ring anstecken vielleicht. Du schüttelst<br />

den Kopf. Man wird doch wohl noch träumen dürfen!<br />

Du sagst: Werd endlich erwachsen. Und dass ich gar nicht<br />

weiß wie sehr. Und das Begehren brennt mir unter der eingerissenen<br />

Nagelhaut. Du sagst: Blümchen. Und ich hasse<br />

dass du das so sagst, beiläufig, hingeworfen wie ein schlechter<br />

Kosename. Denk mich grau statt bunt. In der Menge verschwunden.<br />

Bin ich. Dass mir das alles zu lange dauert und dir<br />

immer noch zu schnell. Dass ich vielleicht gierig bin. Sachte,<br />

sachte sagst du. Bremst die Lippen, legst mir die Finger so<br />

fest an den Mund, dass ich den Geschmack erahnen kann,<br />

ziehst sie schneller weg, als meine Zungenspitze. Die Zähne<br />

beginnen an der Haut zu ziehen, mich zittert. Bekomme<br />

deine Jacke, nur geliehen, betonst das extra, dass ich mich<br />

bloß nicht daran gewöhne, deinen Geruch auf meiner Haut<br />

zu tragen, nicht länger notwendig. Bietest mir den Arm an,<br />

ein echterGentleman, würde man sagen, doch ich weiß es<br />

sind nur noch wenige Schritte bis zudeiner Haustür. Ich kenne<br />

den Klingelknopf und das Treppenhaus, die Wohnungstürsogar,<br />

hast mich einmal beim Spionieren erwischt, mich auf<br />

Entzug gesetzt eine ganzeWoche lang. Ich ziehe die Schritte<br />

in die Länge, meine Finger beben zur Klingel hin,fängst sie<br />

gerade noch ein, die Knöchel knirschen, während du meine<br />

Hand nach unten drückst. Zärtlich aber bestimmt. Hauchst<br />

mir zum Abschied einen Kuss auf die Wange, als wäre ich<br />

eine Bekannte, die du zufällig in der Straßenbahn. Nimmst<br />

mir den Mantel ab und ich sehe zu wie die Tür sich hinter dir<br />

schließt, warte noch ein bisschen vorm Haus herum, bis ich<br />

dich oben am Fenster winken sehe. Mein Handy vibriert und<br />

alles was du schreibst ist: Verkühl dich nicht, Liebes. Und ich<br />

weiß es ist an der Zeit in meine eigenen vier Wände, wo es<br />

nur mich gibt und ganz selten dich.<br />

Ich trödle den Nachhauseweg, bis mir wieder kalt wird und<br />

ich hoffe dass ich krank werde, die Nase zugeht. Aber selbst<br />

wenn es so wäre, wenn es noch viel schlimmer, ich eine<br />

Lungenentzündung oder etwas anderes lebensbedrohliches.<br />

Du würdest nicht kommen und mich pflegen, vielleicht würde<br />

ich es gar nicht wollen, dass du mich siehst in so einem<br />

Zustand, die Haare zerrauft von der eigenen Misere. Frage<br />

mich manchmal ob es noch Zustände gibt mit denen ich dich<br />

überraschen kann. Ob du einer, der für Überraschungen zu<br />

haben? Wohl kaum. In Gedanken erzähle ich dir, dass ich<br />

gerne Salz in Narben streue, obwohl das nicht stimmt. Zeige<br />

stolz die Unterarme, deute auf die verkrusteten Stellen,<br />

sage: hier und hier, und: hat gar nicht weh getan. Die Narben<br />

zur Schau getragen vor dir. Verhüllt vor fremden Blicken, nur<br />

manchmal schimmert es rot durch den Stoff. Dass ich im-


LitArena Siegertext 2. Platz LitArena VIII|Oktober 2017<br />

29<br />

mer helle Kleidung trage, fragst warum ich das tue, ob ich<br />

noch daran glaube, die jugendliche Unschuld, Reinheit nicht<br />

längst flöten gegangen. Ob ich jemals etwas darauf gehalten<br />

hätte, die Schmutzränder an meinen Hosenbeinen, ließen<br />

nämlich andere Schlüsse zu. Du lachst dreckig.<br />

Ich folge der Spur unserer verschlungenen Schritte im<br />

Schneegestöber. Deine Fußabdrücke liegen deutlich tiefer<br />

als meine, schlagen weiße Kerben. Das Profil eines Autoreifens<br />

kreuzt unseren Weg, unterbindet das Geräusch meiner<br />

Schritte, der sichtbare Atem, ich hauche deinen Namen in<br />

die Luft, beim i-Punkt, werfe ich einen Kussmund. Stelle mir<br />

vor, wie deine Zunge noch einmal in mich drängt. Die Augen<br />

stets wachsam. Das Atmen schmerzt in der kalten Luft,<br />

spüre die Lippen springen, die Haare nass, voller Schneekristalle.<br />

Die Lungen brennen. Ich schließe kurz Mund und<br />

Augen. In Gedanken formst du einen Schneeball und drückst<br />

ihn an meine Stirn. Wach auf, Prinzessin! Ich versuche ein<br />

Lächeln.<br />

In meinem Kopf steckt ein Satz fest: Du bist kein Kind mehr.<br />

Und ich weiß, dass es nicht ausreicht, sich die Lippen rot zu<br />

malen und an den passenden Stellen zu Lachen. Dass es<br />

das ist, was dich anzieht. Dass du es magst, wenn ich die<br />

Stimme erhebe, wenn ich getrunken habe, dir unter dem<br />

Tisch in den Schritt greife. Dass du mich dennoch zurechtweist.<br />

Selten gibst du nach und wir lieben uns in einem Lift<br />

oder einem Hofeingang. Später spiele ich gegen mich selbst<br />

Schiffe versenken, kaum zu glauben, aber es hilft gegen die<br />

Sehnsucht. Ich denke mir Geschichten aus zu den einzelnen<br />

Schiffen, manche sind von der Armee, andere werden von<br />

Piraten gekapert. Irgendwo dazwischen ein Segelboot, das<br />

vom Kurs abgekommen ist.<br />

Das Café Jelinek hat schon geschlossen. Ich mache mich<br />

dennoch auf, schaue die grünen Bänke an, die ausgemachten<br />

Luster. Jemand bleibt stehen, um mir eine Zigarette abzuschwatzen,<br />

die ich nicht habe. Bleibt noch ein bisschen<br />

länger. Sieht mich weiter stehen. Ich stecke die Hände in die<br />

Manteltaschen bevor sie ganz einfrieren, trage Handschuhe<br />

ohne Finger Du würdest sagen, wie ein dummer Bankräuber<br />

und ganz heftig Lachen über deinen eigenen Witz, während<br />

ich die Augen verdrehen würde. Der Wind frischt auf und ich<br />

weiß es ist Zeit, die Schuhe aus zu ziehen und die Kleidung<br />

abzulegen, meine Lust für dich auf meine Hände abzulenken.<br />

Es würde dir gefallen, wenn ich dir davon erzählte, wie ich<br />

an dich denke, während ich mastubiere. Tatsächlich ist es<br />

eine traurige Angelegenheit. Ich bin ungeduldig und wenn es<br />

mir zu lange dauert, nehme ich den Vibrator zu Hilfe. Neulich<br />

waren die Batterien alle. Es war wirklich nicht mein Tag<br />

gewesen.<br />

Ich nehme eine heiße Dusche, habe das erste Mal seit Stunden<br />

das Gefühl wieder aufzuleben. Das Stechen in den Fingern<br />

bringt mich auf andere Gedanken. Ich schaffe es den<br />

Abend ohne Nutella zu verbringen und schaue nur eine einzige<br />

Serie an, bevor ich mich dem Schlaf übergebe. Und ich<br />

träume nicht. Und am Morgen ist ein neuer Tag an dem ich<br />

dich nicht sehe, aber ich beschwere mich nicht. Ich gehe keinen<br />

unserer Wege. Ich stehe auf und gehe einfach irgendwo<br />

anders hin, vielleicht kaufe ich sogar ein und koche etwas,<br />

beginne auf mich zu achten. Dass du mir nicht vom Fleisch<br />

fällst, Mädchen! Ich telefoniere mit Mutter und lasse mir von<br />

der Arbeit im Krankenhaus erzählen und bin froh, dass ich<br />

selbst nichts sagen muss, nicht mehr von mir verlangt wird,<br />

als ab und zu ein hm von mir zu geben. Als ich mich verabschiede,<br />

habe ich dennoch einen trockenen Hals. Ist es die<br />

Heizungsluft, habe ich zu wenig getrunken.<br />

In der Küche am Tisch steht eine Rose. Sie ist eingetrocknet<br />

und eigentlich stinkt sie schon ein wenig, aber noch habe ich<br />

es nicht übers Herz gebracht sie zu entsorgen. Auszumisten.<br />

Irgendwo muss man schließlich beginnen. Ich verbanne die<br />

Rose auf’s Klo. Schrittweise Abschied nehmen. Es wird so<br />

lange funktionieren, bis du unangekündigt vor meiner Tür<br />

stehst. Und ich denke, dass ich vielleicht nicht zuhause bin,<br />

vielleicht schon Besuch habe. Dass ich dir ein einziges Mal,<br />

eins auswischen kann.<br />

Katharina J. Ferner<br />

Geb. 1991 in Salzburg. Seit 2009 lebt und schreibt sie vorwiegend<br />

in Wien. Studien der Slawistik, Skandinavistik, Deutsch als Fremdsprache.<br />

Zahlreiche Veröffentlichungen in Zeitschriften und Anthologien.<br />

2015 Nominierung im Rahmen des Literaturwettbewerbs<br />

Wartholz. 2015 Debütroman „Wie Anatolij Petrowitsch Moskau den<br />

Rücken kehrte und beinahe eine Revolution auslöste“, Verlag Wortreich.<br />

Redakteurin der Literaturzeitschrift &Radieschen. Mitarbeiterin<br />

der Ö.D.A. (Österreichische DialektautorInnen und –archive).<br />

Juli- September 2017 Stadtschreiberin in Hausach/Deutschland.


30 LitArena VIII|Oktober 2017 LitArena Siegertext 3. Platz<br />

Anna Stern (Bischofberger)<br />

Karte und Gebiet<br />

Sie kartiert das Land ihrer Träume.<br />

Sie beginnt im Nordwesten, zeichnet die Küste, an der sie die<br />

– die vielleicht wichtigste Woche ihres Lebens verbringt, im<br />

Auto, auf Strassen, draussen, die Sonne scheint, es regnet.<br />

Sie denkt an die Feldstation, an Tapka und Mad Maddie.<br />

An das heilende Wasser von Loch Maree und an das Zittern<br />

nach den Schwimmzügen auf die Insel zu. Wenig Schlaf, dafür<br />

tentative steps.<br />

Ein ganzes Stück davon entfernt dann das schwarze Loch für<br />

die Wunden, die nur langsam heilen. If ever.<br />

Sie zeichnet Linien zwischen drei Punkten, zwischen V. und<br />

P. und B. Ein Dreieck, Descartes’ Dreieck. Und mittendrin ihr<br />

Zuhause.<br />

Ohne weiter darüber nachzudenken fügt sie den See hinzu.<br />

Weil er schon immer da war; weil er nicht verschwinden wird.<br />

Dann die Risse und Gräben, die Verwerfungen, die nach dem<br />

Erdbeben zurückbleiben. Teile der Küste plötzlich vom Festland<br />

abgetrennt, Flussläufe verändert, ein Stück Vergangenheit<br />

dem Erdboden gleichgemacht.<br />

Ihr Herz klopft schneller, als sie das nächste Zeichen einträgt:<br />

Für die Stadt, das Haus, den Raum, in dem ihr das Geheimnis<br />

der schwarzen Bücher geschenkt wird.<br />

Sie hört die Stimme, die sagt: I will give you a secret, I will give<br />

you the secret of the black books.<br />

Sie setzt den Punkt, an dem sie versteht, wie Verstehen funktioniert.<br />

Ein Ein □ als Symbol der Wahl für das Haus an der Nordsee.<br />

Das Haus auf den Stelzen, in Hörweite des Wellengangs.<br />

Schilfgras wiegt im kühlen Wind, auf den trockenen Lippen<br />

schmeckt die Zunge Salz. Ein niedriger Zaun aus Schwemmholz<br />

umgibt einen kleinen Garten. Die Weite des Himmels hier,<br />

die Möwen weiß gegen das Blau; sie singen. Und der Sand ist<br />

warm und weich.<br />

Sie zögert, macht dann aber doch ein Zeichen, um nicht zu<br />

vergessen, was in Bologna geschieht. Ihr ist zudem bewusst,<br />

dass sie die Avenue of Mysteries nicht weglassen darf. Für die<br />

verpasste Gelegenheit.<br />

Keine Straßen, keine Wege darüber hinaus. Sie will sich nicht<br />

vorschreiben lassen, wie sie sich zwischen ihren Träumen bewegt.<br />

Unverzichtbar aber Chaser Point und Nine Oat Wood. Weil …<br />

Schlicht weil.<br />

Sie zeichnet ein Kreuz: en mémoire de tous qui étaient et ne<br />

sont plus.<br />

Das in der Mathematik für den Kontravalentor stehende Symbol<br />

markiert die Stadt der Lichter und darin die Suche nach<br />

dem verlorenen Glück. Die Unsicherheit, das Schweigen. Und<br />

was ihnen abgesehen davon bleibt.<br />

Sie fügt die Grenzen hinzu, die längst überschritten sind.<br />

Etwas zaghaft geraten die Umrisse der Wüste der Anderen,<br />

fast als zitterte sie.<br />

Es ist ein Ort, den sie nicht kennt, von dem sie zwar gehört,<br />

den sie jedoch nie gesehen hat. Man erzählt sich Dinge, man<br />

macht sich Gedanken. Eine Vorstellung, nicht mehr als ein<br />

Schatten eigentlich. Ein Schatten von erstaunlichem Gewicht.<br />

Sie glaubt, dass das Gebiet irgendwo im Süden liegt, weiß es<br />

aber nicht mit Sicherheit.<br />

Unweit davon vermutet sie auch die Grube. Die Grube mit<br />

dem Blut und den Tränen.<br />

Ohne Mühe findet sie hingegen den Hügel, die Wiese, auf der<br />

das Zelt stand, damals. Das Zelt der vier. Eine alte Fotografie<br />

erinnert daran.<br />

A second □ stands for Franz Wright’s Progress.<br />

Kafka schrieb: „Stummheit gehört zu den Attributen der Vollkommenheit.“<br />

Und: „Von einem gewissen Punkt gibt es keine<br />

Rückkehr mehr. Dieser Punkt ist zu erreichen.“ Sie fügt ein<br />

Symbol für Kafka in ihre Karte ein.<br />

Zuletzt markiert sie Darlace, wo nachts mehr Sterne sichtbar<br />

sind als überall sonst. Sie sieht den Ort klar vor sich, die zwei<br />

Gebäude in der zum Meer hin sanft abfallenden Wiese, das<br />

Gras trocken, strohig zum Sommerende, und die großen Fenster<br />

spiegeln das Licht der knapp über dem Horizont stehenden<br />

Sonne feuerrot.<br />

Einst ein Bauernhof, Wohnhaus plus Scheune aus grauem<br />

Stein. Niedrig, einstöckig ursprünglich nur und dunkel. Ein ungeschliffener<br />

Diamant, der nun ... Nachts ist Orion sichtbar,<br />

ein neues Leben.<br />

Éloigné, cet abri, dans la campagne; ihr persönliches Finistère.<br />

Sie weiß, es ist der Ort, auf den alles hinausläuft. An dem sein<br />

wird, was sie sich nicht vorstellen kann.<br />

Ein Ende.<br />

Ein Anfang.<br />

Anna Stern (Bischofberger)<br />

Geb. 1990 in Rorschach (CH), Abschluss: Umweltnaturwissenschaften<br />

MSc, ETH Zürich. Veröffentl. unter Anna Stern: 2014 'Schneestill', 2016<br />

'Der Gutachter', Roman, beide im Salis Verlag, Zürich. 2017 erschien<br />

'Beim Auftauchen der Himmel', Erzählungen, lectorbooks, Zürich.


32 LitArena VIII|Oktober 2017<br />

Prosa<br />

Andrea Krotthammer<br />

Sich annähern<br />

Ehe du den Raum richtig betreten hast, hat sich schon<br />

eine unendliche Müdigkeit über dich gelegt. Es ist keine<br />

behagliche Müdigkeit, die dich umhüllt, die dich sanft in<br />

den Schlaf wiegt, wie einen Säugling. Das Leben beginnt<br />

hier nicht, es endet, oder eher: Es will enden, kann aber<br />

nicht. Du bist so unendlich müde, und dabei nimmst du,<br />

die Jüngste, dir doch jedes Mal, wenn du hierher kommst,<br />

vor, etwas Licht in das Dunkel zu bringen, das nie genug<br />

schwarz wird, um das Unschöne gänzlich zu verdecken.<br />

Du musst an dieses alte Kärntner Volkslied1 denken, das<br />

deine Mutter so gern hat, und das dich zum Weinen bringt.<br />

Wo is dönn in Schnea noch a Wögle za dir,<br />

Kindle fein, Kindle klan? Is nit guet in dar<br />

Finster, wånn ka Steigle mehr is,<br />

dar Schnea weat mi gånzar varwahn.<br />

Du bleibst an der Türschwelle stehen. Du hasst dich dafür,<br />

dir insgeheim zu wünschen, sie würde noch schlafen, in<br />

ihrem Bett, und nicht in ihrem Lehnstuhl im Wohnzimmer.<br />

Inzwischen schläft sie fast den ganzen Tag, doch während<br />

der tiefe Schlaf in der Nacht angebracht und erwünscht<br />

ist, und daher auch als solches anerkannt wird, wird dasselbe<br />

Verhalten – die immerzu geschlossenen Augen, der<br />

leise Atem, das auf die Seite gelehnte Gesicht – untertags<br />

als Halbschlaf gewertet. Dreimal am Tag musst du gefüttert<br />

werden. Die Pflegerinnen müssen dir deine Tabletten<br />

geben, dir mehrmals die Trinkpipette zum Mund führen,<br />

um dir etwas Saft einzuflößen. Dein Dauerschlaf – genauso<br />

wie dein Dauergeplappere früher – bereitet ihnen Probleme.<br />

Schmeckst du noch etwas davon? Wie bringst du<br />

nur dieses Vertrauen auf, blind alles zu schlucken, was wir<br />

dir geben? Oder reagiert dein Körper auf den Löffel am<br />

Mund wie ein Sesam-öffne-dich nur noch automatisch, reflexartig?<br />

Der Blick der Pflegerinnen, die doch regelmäßig<br />

ihr Heimatland und ihre Familie verlassen, die stundenlange<br />

Autofahrt auf sich nehmen, um alle zwei Wochen 24h<br />

am Tag in nahezu völliger Isolation zu dir in deine Dunkelkammer<br />

zu kommen, ihr Blick ist dennoch liebevoll.<br />

1 Liedtext: s.i. (1997): Die schönsten Kärntner Lieder. Klagenfurt:<br />

Verlag Johannes Heyn, 228-229. Text: Gerhard Glawischnig.<br />

Anstatt dich ebenso liebevoll zu betrachten, beobachte<br />

ich sie verstohlen, male mir ihr Leben aus. Pflichtbewusst<br />

schaue ich dich ab und zu an, wenn ich ihren prüfenden<br />

Blick auf mir spüre, nur um dann wieder in den BUNTE-<br />

Magazinen zu blättern, die ich mir selbst nie kaufen würde,<br />

zu teuer, zu peinlich für jemanden, der an der Uni Literatur<br />

studierte. Wenn ich mich in der Stadt im Glauben einlullen<br />

lasse, mein Studium sei etwas wert, weiß ich doch, dass<br />

es mir hier bestenfalls dabei hilft, mich selbst gekonnt in<br />

eine Geschichte zu weben, wie eine Spinne ihr Netz um<br />

sich webt, um nicht zu fallen. Die Anderen glauben, ich<br />

besuche dich, weil ich bei dir sein will. In Wahrheit ist der<br />

Anreiz ein anderer: Ich komme raus aus dem Hamsterrad<br />

der Großstadt, dem Stress, den nicht enden wollenden Zukunftsfragen.<br />

Ich genieße die Landschaft, die im Bus und<br />

am Zug auf der Fahrt zu dir an mir vorbeizieht. Das einzige<br />

Panorama, das ich kenne, sind Wörter und Buchstaben. Wir<br />

sind uns nicht so unähnlich, wie ihr denken mögt. Unentwegt<br />

sitzt du bewegungslos in deinem Lehnsessel. Für die<br />

Außenwelt leistest du keinen Beitrag mehr. Genauso bewegungslos<br />

friste ich mein Dasein in meinem Studierzimmer,<br />

lese Bücher, die mir nicht gefallen, lerne Stoff, den ich bald<br />

vergessen haben werde, schreibe Arbeiten, die niemand<br />

lesen wird. Brav zitierst du, dass Demenz eine literarische<br />

Krankheit ist2. Die Betroffenen müssen ihre sprachlichen<br />

Lücken mit kreativen Strategien kompensieren. Die Angehörigen<br />

finden Halt in der Literatur. Du führst Arno Geiger<br />

als Paradebeispiel an. Du selbst schreibst stümperhaft. Du<br />

findest jetzt schon, dass dein eigener Text zu pathetisch<br />

geworden ist, zu viele Appositionen, zu empathisch, zu düster.<br />

Ein guter Start, vielleicht, da hast du dich noch um<br />

eine besonders schöne Sprache bemüht, dann ist dir die<br />

Luft ausgegangen, die Lust und auch die Zeit. Ganz ehrlich,<br />

wenn du von der Arbeit heim kommst, raffst du dich dann<br />

noch auf, um zu schreiben? Du gehst ins Bett, schaust<br />

fern, gehst früh schlafen, hoffst auf schöne Träume und<br />

hoffst gleichzeitig, sie beim Aufwachen wieder vollständig<br />

vergessen zu haben. Sonst fühlst du dich noch verlorener.<br />

Sei ehrlich, schreibst du, um deiner stummen Großmutter<br />

eine Stimme zu geben, wie Camus seiner Mutter? Oder<br />

bist du einfach nur scharf auf den Preis? Wann handelst du<br />

mal nicht aus Kalkül.<br />

2 Dackweiler, Meike (2014):"Die Alzheimer-Narration am Beispiel<br />

von Arno Geigers Der alte König in seinem Exil". In: Herwig, Henriette (Hg.<br />

2014): Merkwürdige Alte. Bielefeld: Transcript, 251- 276, hier: 271.


LitArena VIII|Oktober 2017<br />

33<br />

Abar her übarn Schnea geaht a Schein bei dar Nåcht,<br />

Kindle klan, Kindle fein; is ka Herzel valåssn,<br />

dås se fürcht bei dar Nåcht,<br />

wert ålln a Wög ume sein.<br />

Immerhin hast du dich jetzt dazu durchgerungen, die Hefte<br />

wegzulegen, um dich auf den Schemel direkt neben sie<br />

zu setzen. Du solltest ihre Hand halten, ihr über die Wange<br />

streichen. Jedes Mal ist es eine Überwindung. Um den<br />

Moment hinauszuzögern, gibst du vor, ihr etwas Gutes tun<br />

zu wollen. Du liest ihr aus dem Sagenbuch für Kinder vor.<br />

Deine Stimme krächzt, weil du versuchst, lauter als sonst<br />

zu sprechen, nicht gedämpft, verstohlen, wie du es sonst<br />

tust. Du stolperst über die Wörter. Du schämst dich. Und<br />

dir hat man drei Abschlüsse gegeben. Dennoch scheint dir,<br />

sie habe den Kopf leicht bewegt, aufgehorcht vielleicht.<br />

Vielleicht ist es aber auch nur deine Interpretationsschleife,<br />

die sich schon wieder in Gang setzt, um eure Geschichte<br />

weiterzuspinnen. Meine Stimme kann dich nicht erreichen,<br />

aber wenigstens nehme ich dich mit in meinen Kopf.<br />

Wie Arachne nähe ich eine Decke aus Buchstaben für dich,<br />

um sie wärmend über uns beide zu legen. Wie schön, dieser<br />

Satz; wie tröstlich, diese Idee. Aber von außen seht<br />

ihr nur eine junge Frau neben einer sehr alten Frau. Die<br />

ältere erkennt die jüngere nicht mehr, mehr noch: Sie registriert<br />

ihre Anwesenheit nicht einmal. Die jüngere weiß<br />

nicht, wie zu ihr vorzudringen. Unbeholfen streicht sie über<br />

ihre papierne Hand. Sie kommt ihr wie zerbrechliches Pergament<br />

vor, verblichen, faltig, ein Gemisch aus Weiß, Gelb<br />

und Braun. Aber alte Schriften kann sie nicht lesen, und so<br />

auch diese nicht. Ihre Finger sind fein, lang und dünn. Wie<br />

und wo hält man eine Hand? Welche Finger umschließen<br />

welche? Wie fest drückt man? Wie lange darf man sie halten?<br />

Wann muss man loslassen, sodass nicht auffällt, dass<br />

man den Halt der anderen braucht? Du weißt es nicht.<br />

Du kennst es nicht. Aber du kannst beobachten. Du hast<br />

beobachtet, dass während Eltern die Hände ihrer Kinder<br />

eher lose ‚umschließen‘, die vier größeren Finger der einen<br />

Hand in einem unter die vier größeren Finger der anderen<br />

Hand fahren, Pärchen – wenn sie gerade erst zusammengekommen<br />

sind oder noch etwas ineinander verliebt sind<br />

– ihre Hände ineinander ‚verkreuzen‘, die einzelnen Finger<br />

der einen Hand sich in den einzelnen Fingern der anderen<br />

‚verzahnen‘, als wollten sie sich nie mehr loslassen.<br />

Aber eigentlich weißt du nicht genau, wie du diese Gesten<br />

beschreiben sollst. Vielleicht, weil sie nicht beschrieben<br />

werden, nur erfühlt, gefühlt. Und auch hier bleibst du<br />

stümperhaft. Um diese Hand, die so zerbrechlich aussieht,<br />

nicht zu verletzen, ‚umschließt‘ du sie leicht. Du streichelst<br />

sie ein bisschen. Du bist überrascht, dass du dich nicht<br />

mehr ekelst. Du erinnerst dich, dass du früher im Kunstunterricht<br />

mit 17 oder 18 wochenlang versucht hast, eine<br />

Hand detailgetreu zu zeichnen. Die Faszination für Hände,<br />

für die Berührung, die für andere so selbstverständlich, für<br />

dich aber so fremd ist, ist bis heute geblieben. Hättest du<br />

damals gedacht, dass es einmal deine stumme Großmutter<br />

sein wird, die sich nicht rühren kann, die dir Antworten<br />

auf deine Fragen geben wird? Und wieder geht es nur um<br />

dich.<br />

A Wög für mi ume, wånn de Gfrier aufesteaht,<br />

Kindle fein, Kindle klan; werst mi tröstn, werst mi trågn,<br />

werst mei Liacht ume sein,<br />

dei Liab weat ka Schnea nit varwahn.<br />

Während meine Hand versucht, diese andere Hand zu<br />

streicheln, denke ich an andere. Ich denke an die Finger<br />

meiner Tante, die nach einer schlimmen Gehirnentzündung<br />

und dem künstlichen Koma nun schon seit Wochen<br />

ebenso apathisch immerzu in ihrem Bett auf der Intensivstation<br />

liegt. Im Unterschied zu meiner Großmutter sind<br />

ihre Augen offen, finden uns aber nicht. Während die langen<br />

Klavierspielerfinger meiner Großmutter jenen meiner<br />

Mutter ähneln, ähneln die kurzen, dicklichen meiner Tante<br />

ihrem Bruder, meinem Vater. Es sind Finger, die anpacken<br />

und arbeiten, keine Finger, die schreiben und lehren.<br />

Ich denke auch an deine Hände, auch wenn ich sie und<br />

dich mit ihnen längst vergessen haben sollte. Ich denke an<br />

das, was sie mir geben hätten können. Ich schäme mich<br />

dafür, weil es mir vorkommt, als würde ich mich dir aufzwingen,<br />

wenn ich meine Gedanken weiterspinnen lasse,<br />

während du entschieden hast, den Faden, der eine Geschichte<br />

werden sollte, ‚unsere‘ Geschichte, gleich zu Beginn<br />

abzuschneiden.<br />

Andrea Krotthammer<br />

Geb. 1991 in Innsbruck. Studium Universität Innsbruck. 2010-<br />

2013 Bachelor Französisch, 2013-2015 Master Französisch, 2013-<br />

2017 Lehramt Französisch/Deutsch. Auslandssemester WiSe<br />

2014/2015 Université de Montréal (Quebec, Kanada). Mitarbeit im<br />

Innsbrucker Zeitungsarchiv (IZA, Institut für Germanistik) und im<br />

Zentrum für Kanadastudien Innsbruck (ZKS), Universität Innsbruck.<br />

Prosa


46 LitArena VIII|Oktober 2017<br />

Elisabeth-Joe Harriet<br />

Die Schauspielerin und Autorin im Gespräch mit Eva Riebler<br />

Und wohin ziehst Du nun?<br />

Das weiß ich noch nicht, es wird mir mit Sicherheit etwas<br />

einfallen. Nachdem ich, wie die Literaten damals, aus dem<br />

Café Griensteidl vertrieben und der Heimatlosigkeit preisgegeben<br />

worden bin. Es war ja so überraschend. Vor allem<br />

für die Angestellten, die erst zwei Tage vorher von der<br />

Schließung erfahren haben. Menschlich gesehen ist das<br />

vom Besitzer widerlich!<br />

Interview<br />

Foto©Elisabeth Lippa<br />

Ich durfte im Juni Dich auf einer Reise zu den Moldauklöstern<br />

und nach Siebenbürgen erleben! Dir ist es ein Anliegen,<br />

Geschichten und historische Persönlichkeiten<br />

auferstehen zu lassen. Du führst seit Jahren Literaten-<br />

Touren in Prag mit Kafka, in Budapest mit seinen Dichtern,<br />

in Altaussee, Ischl, in Ebensee oder in Wien durch.<br />

Ja hauptsächlich dort, wo die ehemalige k&k Monarchie war.<br />

Und es wird immer Literatur und die damit verbundene Musik<br />

und Kunst präsentiert. Hauptintension ist es, die Menschen<br />

dahinter erlebbar zu machen, egal ob bei Reisen oder<br />

bei Pfaden.<br />

Dein erster Pfad war ja 2003 die Kaffeehausliteratur in<br />

Wien rund um das Café Griensteidl..<br />

Das es leider nicht mehr gibt. 14 Jahre war es mein zweites<br />

Wohnzimmer und meine Bühne. Eine weitere Wiener Tradition<br />

demoliert! (Frei nach Karl Kraus: 1897, als das Griensteidl<br />

im Zuge des Umbaues des Michaelaplatzes das 1. Mal geschlossen<br />

wurde, schrieb Kraus den Artikel „Wien zur Großstadt<br />

demoliert“.)<br />

Warst Du 14 Jahre im Greinsteidl unter dem Aspekt: „Ins<br />

Kaffeehaus geh`n die Leut`, die allein sein wollen, aber<br />

dazu Gesellschaft brauchen.“ (Alfred Polgar) ?<br />

Kurz und knapp: Ja! Wobei ich das Glück hatte, eine große<br />

Gesellschaft zu haben, weil viele Menschen meinen Pfad gebucht<br />

hatten.<br />

Apropos „heimatlos“, so heißt ein Werk des Siebenbürgers<br />

Wolfgang Klein. In dem er schreibt, er hasse<br />

die Touristen.—Dein Zugang ist ja ein ganz anderer.<br />

Ich kreuze touristische Pfade und der menschliche Faktor,<br />

nicht die Sehenswürdigkeit, steht im Vordergrund.<br />

Wie gehst Du arbeitstechnisch bei deinen Vorbereitungen<br />

vor?<br />

Ich fahre prinzipiell nur in Länder, in denen ich persönliche<br />

Freunde und Bekannte habe, die meinen Gästen und mir<br />

Einblicke hinter die Kulissen geben können!<br />

Die vorbereitenden Reisen mache ich nur alleine, um mich<br />

meiner Intuition völlig zu überlassen, die mich immer mit<br />

den richtigen Menschen zusammenbringt.<br />

Wie groß ist Dein Vorrat an Anekdoten im Kopf?<br />

Mit meinen Programmen und historischen Figuren, die ich<br />

darstelle und mit dem, was ich durch Reisen und Pfade<br />

dazugelernt habe, kann ich 24 Stunden und mehr durch<br />

erzählen!<br />

Du schlüpfst ja auch in historische Figuren, wie<br />

Constanze Mozart, die „Rote Erzherzogin“ (Tochter von<br />

Kronprinz Rudolf) oder derzeit in eine Tochter Maria<br />

Theresias. Wer schreibt dafür die Manuskripte?<br />

Niemand! Ich schreibe mir einen Ablauf, da ich diese Figuren<br />

ja zumeist in Museen spiele, um zu wissen, welche<br />

Thematik zu welchem Ausstellungsstück passt. Der Rest<br />

ist Lesen über und Hineinleben in die Figur! D. H., dass ich<br />

mir selbst oft mein Leben als diese Figur erzähle. Das sind<br />

meine Proben! Nur dann kann es authentisch rüberkommen!<br />

Und es scheint zu funktionieren, denn das Publikum<br />

spricht mich mit „Hoheit“ oder „Frau Mozart“ an.<br />

Viel wichtiger als ein Manuskript zu schreiben ist es, sich<br />

in die Gefühlswelt einer Person hineinzuversetzen. Auf<br />

diese Art und Weise hat jede dieser Figuren eine andere<br />

Stimme und eine andere Diktion!


www.litges.at

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