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Hotspot Favoriten 2018-06-08

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DATEN&FAKTEN<br />

In ganz Wien rettenWalter Albrechtund sein<br />

Team Essen vorder Tonne. Claudia(re.)<br />

betreutden neuen 24-Stunden-Fairteiler am<br />

St.-Elisabeth-Platz im vierten Bezirk.<br />

Der eine hilft dabei,<br />

StreunerkatzenzukastrierenumTierleid<br />

zu<br />

verhindern, der anderespielt<br />

mit MenschenimPensionistenheim<br />

Karten und wieder ein<br />

anderer gibt KindernNachhilfe,<br />

derenEltern sichdiesenicht<br />

leistenkönnen. Zahlreiche Wiener<br />

leisten durch ihre ehrenamtlicheTätigkeit<br />

einen wichtigenBeitrag<br />

zum Funktionieren<br />

derSatdt, und sind sowohl soziales<br />

Rückgrat als auch Vorbildfür<br />

viele. So auch Walter<br />

Albrecht. In seiner eigenen Garage,<br />

in derKöberlgasse 10 in<br />

<strong>Favoriten</strong>, verteiltder Mitarbeiter<br />

der städtischen Müllabfuhr<br />

Lebensmittel,die er vor dem<br />

Abfallrettet. Die„Gäste“ sind<br />

buntgemischt: Wenigverdiener,arme<br />

Leute, Studenten,<br />

Pensionisten. Manche kommen<br />

aus Überzeugung hierher,um<br />

ihre Kühlschränke undBäuche<br />

Kleiner Beitrag,<br />

große Wirkung<br />

In seiner Garage in <strong>Favoriten</strong> verteilt „Foodsaver“<br />

Walter Albrecht noch genießbare Lebensmittel,<br />

die sonst auf dem Müll landen würden.<br />

mittlerweile32. Die öffentlich<br />

zugänglichen Kühlschränke<br />

finden sich inVolkshochschulen,<br />

Lokalen, öffentlichen Plätzen<br />

oder bei Privatpersonen.<br />

Hier können Menschen fast<br />

abgelaufene oder übrig gebliebene<br />

Nahrungsmittel kostenlos<br />

tauschen, teilen –und eben<br />

auch abholen. Betreut werden<br />

sie von der privatenInitiative<br />

„Foodsharing“. 1433 Wiener<br />

sind dabei und kämpfen ehrenmitdem<br />

„Kollateralschaden“<br />

unserer Wegwerfgesellschaft<br />

zu füllen. Andere, weilsie<br />

schonzur Monatshälfte kein<br />

Geldmehr übrig haben, um<br />

einkaufen zu gehen. „Es kann<br />

jederkommen“, sagt Albrecht,<br />

und fülltdie Regale mit Obst<br />

undGemüse, das er gerade<br />

gerettet hat. „Und jeder kann<br />

seinen Beitrag dazu leisten“.<br />

„Fairteiler“ wie jeneninAlbrechtsGarage<br />

gibt es inWien<br />

amtlich gegendie Verschwendung.<br />

Unfassbare 479.410<br />

KilogrammanLebensmitteln<br />

wurdensobislang umverteilt –<br />

bei rund35.9<strong>06</strong> „Rettungseinsätzen“.<br />

505 Partnerbetriebe<br />

und Händlerhelfen dabei,indem<br />

sieüberschüssige Ware<br />

meldenund von den „Foodsavern“<br />

(Lebensmittelrettern)<br />

abholen lassen. Neben noch<br />

genießbarem Obst und Gemüse<br />

machen auch Druckstellen<br />

an Dosen oder eingerissene<br />

Etiketten auf Getränkeflaschen<br />

dieWareunverkaufbar. Auf<br />

foodsharing.at wird gepostet,<br />

wennineinem„Fairteiler“Lebensmittel<br />

abgegeben werden.<br />

„Und neben der Tonne sitzt<br />

einer, undhat Hunger“<br />

ObmannWalter Albrecht selbst<br />

hat bereits 33.411 Kilo Nahrung<br />

bei1469 Rettungseinsätzen vor<br />

dem Wegwerfen bewahrt. Sein<br />

Job beider Müllabfuhr wares,<br />

derihn zum„Foodsaver“gemacht<br />

hat: „Ganz ehrlich, wenn<br />

man sieht, wasjedenTag weggeworfenwird,<br />

kann manals<br />

normal denkender Mensch<br />

nicht wegschauen und sagen:<br />

,Alles ist okay‘. Unmengen originalverpackter<br />

Lebensmittel–<br />

vom Supermarkt biszum Privathaushalt<br />

–, und neben der<br />

Tonne sitzt einer und hat Hunger“,<br />

sagtder 51-Jährige.<br />

Nachernten:Suche nach<br />

Zusammenarbeit mit Bauern<br />

Die„Foodsaver“ helfen auch<br />

Kleingärtnernbei der Ernte,<br />

wenndieseaus dem Alter heraußen<br />

sind, indem man auf<br />

Bäumekraxelt.Oder sie ernten<br />

hinter Bauern nach, dieGemüse,<br />

das nicht der Normentspricht,<br />

auf den Feldern liegen<br />

lassen.Albrecht: „Derzeit sind<br />

wirvermehrt aufder Suche<br />

nach Bauern, dieuns ,nachernten‘<br />

lassen.Indiesem Bereich<br />

bleibtnochviel Essen auf der<br />

Strecke.“ Denn: krumme Karottenschmecken<br />

genauso gut<br />

wiegerade gewachsene…<br />

AlleInfos zu denFairteilern<br />

gibt es auf foodsharing.at <br />

Mit dem Lastenfahrradist Walter Albrecht in ganz Wien unterwegs.20Bananenschachteln<br />

habendarin Platz.<br />

Fotos: zwefo, Josef Siffert,Christian A. Pichler<br />

• 1,3 Milliarden Tonnen<br />

Lebensmittel werden weltweitimJahr<br />

weggeworfen<br />

oder sind Verluste entlang<br />

der Wertschöpfungskette.<br />

Dasist rund ein Drittelaller<br />

produziertenLebensmittel.<br />

Industrieländer und Entwicklungsländer<br />

unterscheiden<br />

sich in der Summeder Verlustekaum:<br />

Sie liegenjeweils<br />

bei 670 beziehungsweise<br />

630 Millionen Tonnen.<br />

• 40 Kilogramm an Lebensmitteln<br />

wirft der Wiener<br />

im Durchschnitt pro<br />

Jahrinden Abfall. 157.000<br />

Tonnen an angebrochenen<br />

und originalverpackten Lebensmittelnwerden<br />

in österreichischen<br />

Haushalten jährlich<br />

entsorgt, obwohl diese<br />

bei rechtzeitigemKonsum<br />

genießbargewesen wären.<br />

Die Dunkelziffer dürfte weitaushöher<br />

sein –eingerechnetwerden<br />

nämlich nurjene<br />

Lebensmittel,die im Restmülllanden.<br />

Biotonne, Komposthaufen<br />

und Co.dürften<br />

noch erheblichmehr abgepacktesoderangebrochenes<br />

Essen „schlucken“.<br />

• HäufigeGründe sind<br />

falsche Planung von Einkäufen<br />

und Mahlzeiten (Genusskäufe),falsche<br />

Lagerung<br />

bzw. Aufbewahrung<br />

von Lebensmitteln. Viele<br />

wissen nicht mehr, wieman<br />

Lebensmittel richtig lagert<br />

und wieman deren Qualität<br />

feststellt. Vieleverlassen<br />

sichauf das Mindesthaltbarkeitsdatum<br />

(MHD),das<br />

umgangssprachlichjaauch<br />

Ablaufdatum heißt. Damit<br />

wird fälschlicherweise assoziiert,<br />

dass nach seinem<br />

Erreichen einLebensmittel<br />

ungenießbar wird.Auch zu<br />

große Lock-Packungen<br />

oder häufiges Außer-Haus-<br />

Essen sindAnlass zum<br />

Wegschmeißen.<br />

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