10.07.2018 Aufrufe

syndicom magazin Nr. 6 - Gratis ist nicht gratis

Das syndicom-Magazin bietet Informationen aus Gewerkschaft und Politik: Die Zeitschrift beleuchtet Hintergründe, ordnet ein und hat auch Platz für Kultur und Unterhaltendes. Das Magazin pflegt den Dialog über Social Media und informiert über die wichtigsten Dienstleistungen, Veranstaltungen und Bildungsangebote der Gewerkschaft und nahestehender Organisationen.

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Dossier<br />

<strong>Gratis</strong>medien zerfleischen die<br />

Presse. Todeskampf ohne Ende?<br />

13<br />

Das jüngste Opfer <strong>ist</strong> die Tageszeitung<br />

Le Matin, die ab dem 22. Juli <strong>nicht</strong> mehr in gedruckter<br />

Form erscheint. Innert 20 Jahren <strong>ist</strong><br />

die Auflage der Bezahlzeitungen in der Schweiz<br />

um 1,15 Millionen Einheiten geschrumpft.<br />

Text: <strong>syndicom</strong><br />

Die heutige Situation hat viel mit dem Entscheid der Verleger<br />

zu tun, <strong>Gratis</strong>zeitungen zu lancieren und aufrechtzuerhalten.<br />

Eine davon <strong>ist</strong> 20 Minuten, die me<strong>ist</strong>gelesene<br />

Schweizer Zeitung mit einer Leserschaft von über 2,7 Millionen<br />

in der Deutschschweiz, in der Romandie und in der<br />

italienischsprachigen Schweiz. Die Onlineversion hat<br />

mehr als eine Million Nutzerinnen und Nutzer. In der<br />

Deutschschweiz kommen die rund 534 000 Leserinnen<br />

und Leser der Printausgabe von Blick am Abend hinzu. Diese<br />

<strong>Gratis</strong>zeitung wird auch im Internet von 119 000 Nutzerinnen<br />

und Nutzern gelesen. Das Ergebnis: Die heutige<br />

Generation sieht <strong>nicht</strong> ein, weshalb sie 500 Franken jährlich<br />

für eine Tageszeitung bezahlen sollte, wenn die Informationen<br />

auch umsonst angeboten werden (wobei es keine<br />

Rolle spielt, dass es sich mitunter nur um Fotoseiten<br />

von Grillabenden der Leserinnen und Leser handelt).<br />

<strong>Gratis</strong>zeitungen «verbreiten seichte Informationen,<br />

zum System erhobene Belanglosigkeit», schreibt Jacques<br />

Pilet, Gründer verschiedener Westschweizer Zeitungen,<br />

auf der Informationswebsite Bon pour la tête. «Ein Brei aus<br />

Agenturmeldungen und Klatschgeschichten, eine Auswahl<br />

unwichtiger, abgekochter Trivia. Drei Viertel der<br />

sind nordamerikanischer Herkunft und<br />

werden von den Agenturen vorgefertigt geliefert», so sein<br />

Urteil.<br />

Nur 12 % zahlen für Onlineartikel<br />

Die Leserinnen und Leser aber haben sich daran gewöhnt.<br />

Dies gilt vor allem für die Schweiz, wo der Anteil der Personen,<br />

die für den Zugang zu Onlinenachrichten bezahlen,<br />

mit 12 % sehr tief <strong>ist</strong>. Dieser Anteil sei kleiner als in<br />

zahlreichen der übrigen 36 Länder, die im Reuters Institute<br />

Digital News Report 2018 untersucht worden sind,<br />

sagt Linards Udris vom Forschungsinstitut Öffentlichkeit<br />

und Gesellschaft (fög) der Universität Zürich, einer der<br />

Autoren des Länderberichts Schweiz. «Die Schweiz unterscheidet<br />

sich von den anderen Ländern dadurch, dass<br />

<strong>Gratis</strong> angebote bei der Pressenutzung (Print und Online)<br />

an erster Stelle stehen, während diese andernorts zum<br />

Teil verschwunden sind. Über 50 % der Befragten nutzen<br />

wöchentlich die Ausgaben von 20 Minuten», stellt der Forscher<br />

fest.<br />

Die Bezahlpresse kann mit einer solchen Leserzahl<br />

<strong>nicht</strong> mithalten. Le Matin erreichte 218 000 Leserinnen<br />

und Leser, verzeichnete aber gemäss Tamedia im letzten<br />

Jahr einen Verlust von 6,3 Millionen Franken und innert<br />

zehn Jahren einen solchen von fast 34 Millionen Franken.<br />

Und selbst die Qualitätszeitungen leiden, wie die NZZ, die<br />

in einem Jahr fast 30 000 Leserinnen und Leser der Printausgabe<br />

einbüsste, dafür 16 000 neue Onlinenutzerinnen<br />

und -nutzer gewann.<br />

Schuld daran sind <strong>nicht</strong> die Leserinnen und Leser allein.<br />

Die Verleger haben die Qualität der Zeitungen geschwächt:<br />

Sie haben die Zahl der Auslandskorrespondentinnen<br />

und -korrespondenten sowie Fachredakteurinnen<br />

und -redakteure verringert, die Redaktionsbudgets zugunsten<br />

des Marketings gekürzt, sich aus dem GAV zurückgezogen,<br />

um die Löhne zu senken, und sie haben die<br />

Redaktionen und damit auch die behandelten Themen<br />

zusammengelegt und vereinheitlicht.<br />

Die <strong>Gratis</strong>zeitungen und die Bezahltitel stehen im<br />

Wettbewerb auf dem Markt für Pressewerbung, dessen<br />

Umsätze heute nur noch 1,117 Milliarden Franken betragen,<br />

11,7 % weniger als 2016. Gleichzeitig boomt die Onlinewerbung<br />

mit Umsätzen von 2,1 Milliarden Franken und<br />

einem Wachstum von 5,9 %, wobei die Suchmaschinenwerbung<br />

<strong>nicht</strong> mitgerechnet wurde.<br />

Schuld daran sind<br />

<strong>nicht</strong> die Leserinnen<br />

und Leser allein.

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