Trinkschwäche beim Kalb - Dr. Vet Tierarzt
Trinkschwäche beim Kalb - Dr. Vet Tierarzt
Trinkschwäche beim Kalb - Dr. Vet Tierarzt
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Vierteljährlich erscheinende Zeitschrift<br />
für Kunden<br />
30.Juni 30.Juni 2010<br />
2010<br />
Ausgabe Ausgabe 16<br />
16<br />
In dieser Ausgabe:<br />
SARA —<br />
Subakute Pansenübersäuerung<br />
<strong>Trinkschwäche</strong> <strong>beim</strong> <strong>Kalb</strong>—<br />
Ursache eine Missbildung?<br />
Blutschwitzen bei Kälbern 4<br />
Untersuchung von Pansenflüssigkeit<br />
nach Punktion bei akuter Pansenazidose<br />
(pH ca. 4,0)<br />
Flüssiger Kot (Akute Pansenazidose)<br />
Seite 1<br />
1<br />
3<br />
Rinder<br />
News<br />
SARA—Subakute Pansenübersäuerung<br />
Am 1. und 2. Juli fand in Utrecht<br />
(Holland) eine internationale Tagung,<br />
das „Dairy Solution Symposium“ statt.<br />
2 Tage lang wurden von internationalen<br />
Experten die neuesten Forschungsergebnisse<br />
in Zusammenhang mit Pansengesundheit<br />
und Pansenstoffwechsel<br />
vorgetragen und diskutiert.<br />
Was ist „SARA“?<br />
Das Hauptthema dabei war SARA<br />
(englisch: subacute rumen acidosis),<br />
die subakute Pansenazidose.<br />
Auch bei uns ist diese Erkrankung,<br />
bzw. ihre Auswirkungen schon lange<br />
ein Thema und stellt neben der klassischen<br />
Stoffwechselstörung (Ketose,<br />
Acetonämie) wohl eine der häufigsten<br />
Ursachen für Leistungseinbußen dar.<br />
Weiters kann sie als Auslöser für Infektions–<br />
und Klauenerkrankungen fungieren.<br />
Wie entsteht SARA?<br />
Im Zuge der Verdauung von Kohlehydraten<br />
im Pansen entstehen flüchtige<br />
Fettsäuren (Essigsäure, Buttersäure, Propionsäure,…).<br />
Diese Säuren werden<br />
normalerweise von der Pansenwand<br />
aufgenommen und weiter über die Blutbahn<br />
zu Leber und Milchdrüse befördert.<br />
Essigsäure entsteht vor allem <strong>beim</strong> Abbau<br />
von Raufutter (z.B. Grassilage, Heu)<br />
und wird zur Produktion von Milchfett<br />
benötigt, während Propionsäure als Vorstufe<br />
des Blutzuckers zur Laktosesynthese<br />
genutzt wird.<br />
Unzählige Arten von Bakterien sind im<br />
Pansen für den Abbau diverser Futtermittel<br />
zuständig und passen sich den<br />
jeweiligen Gegebenheiten und dem zur<br />
Verfügung gestellten Futter an.<br />
Im Normalfall finden all diese Verdauungsvorgänge<br />
bei einem pH-Wert von<br />
ca. 6,0 bis 6,8 statt.<br />
Um diesen pH-Wert konstant zu halten<br />
werden täglich mehrere Kilogramm an<br />
Puffersubstanzen aus dem Speichel,<br />
von A. o. Univ. Prof. <strong>Dr</strong>. Walter Peinhopf<br />
aber auch aus der Pansenwand in den<br />
Pansen befördert.<br />
Wenn dieses Gleichgewicht aus Säureproduktion<br />
und Puffersubstanzen nicht<br />
mehr gehalten werden kann, kommt es<br />
zu einem pH-Wert Abfall und die Bakterien<br />
schlagen neue Wege der Säureproduktion<br />
ein.<br />
Besonders gefährlich wird es, wenn<br />
sehr viel Stärke (z.B. aus Gerste oder<br />
Weizen) in kurzer Zeit von Kühen gefressen<br />
wird und eine bestimmte Bakterienart<br />
(Streptokokkus bovis) beginnt,<br />
Milchsäure zu bilden. In solchen Fällen<br />
fällt der pH-Wert unter 5,0 und die Tiere<br />
hören völlig zu fressen auf und stellen<br />
das Wiederkauen ein. Man spricht dann<br />
von der schon lange bekannten akuten<br />
Pansenübersäuerung.<br />
Im Fall von SARA sind die Vorgänge<br />
nicht ganz so dramatisch, jedoch ist<br />
auch hier mit pH-Werten von 5,5 und<br />
tiefer über einige Stunden zu rechnen.<br />
Dabei werden vor allem die Propionsäureproduktion<br />
und der Stärkeabbau<br />
erhöht, während der Faserabbau und<br />
die Essigsäureproduktion vermindert<br />
sind.<br />
Folgen von SARA<br />
Daraus lassen sich einige Symptome<br />
dieser Krankheit bereits sehr gut ableiten.<br />
So kommt es zu einer verminderten<br />
Futteraufnahme, da die im Pansen vorhandene<br />
Faser nur langsam abgebaut<br />
und weiterbefördert wird. Die verminderte<br />
Essigsäureproduktion hat eine<br />
geringere Milchfettsynthese zur Folge,<br />
wodurch das Milchfett vermindert wird<br />
(sogenannte „Milchfettdepression“). In<br />
den LKV-Nachrichten haben diese Tiere<br />
dann häufig einen niedrigen Fett-<br />
Eiweiß-Quotienten (< 1,0) und werden<br />
bereits automatisch als azidoseverdächtig<br />
gekennzeichnet.<br />
Hält der Zustand der Azidose über einen<br />
längeren Zeitraum an, so kann es<br />
zur Schädigung und Entzündung der<br />
Pansenwand kommen, wodurch Bakterien<br />
und Toxine in die Blutbahn kommen,<br />
was wiederum Abszesse in der<br />
Leber und Fieber zur Folge hat.
Aber auch die Entzündung der Klauenlederhaut<br />
(Klauenrehe) wird immer wieder<br />
als Folge von Pansenübersäuerungen<br />
gesehen.<br />
Symptome von SARA<br />
Die Erkennung der Krankheit benötigt<br />
ein wenig detektivisches Fingerspitzengefühl,<br />
denn alle genannten Symptome<br />
(verminderte Futteraufnahme, Klauenrehe,<br />
geringer Milchfettgehalt) können<br />
auch andere Ursachen haben. Jedoch<br />
geben folgende Symptome einen starken<br />
Hinweis:<br />
• dünner Kot mit Futterresten<br />
• Verminderte Futteraufnahme<br />
• Niedriger Milchfettgehalt<br />
• Fett-Eiweiß-Quotient < 1,0<br />
• Verminderte Wiederkautätigkeit<br />
(weniger als 50 Kauschläge pro Bissen)<br />
• Rationen mit wenig Struktur<br />
(Rohfaser) und / oder viel Kraftfutter<br />
• V e r m e h r t K l a u e n r e h e<br />
(Sohlenblutungen, Wanddefekte,<br />
Doppelsohlen)<br />
Dabei ist jedoch zu beachten, dass insbesondere<br />
die Folgen einer Klauenrehe<br />
erst 6—8 Wochen später sichtbar werden.<br />
SARA ist nicht gleich SARA<br />
In der Praxis hat sich gezeigt, dass es<br />
verschiedene Ursachen und unterschiedliche<br />
Zeitpunkte der Entstehung<br />
von SARA gibt.<br />
Die klassische Form entsteht meist zu<br />
Beginn der Laktation, wenn Kühe sehr<br />
rasch angefüttert werden und somit die<br />
Gesamtfutteraufnahme für hohe Kraftfuttermengen<br />
noch zu gering ist.<br />
<strong>Dr</strong>. Andre Bannik (Wageningen, Holland)<br />
zeigte in seinem Vortrag, dass der<br />
Aufbau der Pansenzotten, bei rascher<br />
Anfütterung deutlich schneller vonstatten<br />
geht und somit große Mengen an<br />
Fettsäuren abtransportiert werden können.<br />
Dies gibt einen deutlichen Hinweis,<br />
dass die täglichen Steigerungsraten<br />
<strong>beim</strong> Kraftfutter höher sein können als<br />
bisher vermutet. Jedoch müssen die<br />
Säuren auch in der Milch verwertet wer-<br />
den und es dürfen keine anderen Krankheiten<br />
vorliegen, die die Futteraufnahme<br />
mindern (Nachgeburtsverhalten,<br />
Ketose, Fettleber).<br />
Neben dieser klassischen Form der absolut<br />
zu hohen Stärkefütterung finden<br />
wir die sogenannte Mittlaktationskrise,<br />
die bei Kühen meist im 2. oder 3.<br />
<strong>Dr</strong>ittel der Laktation (ab ca. 150. Laktationstag)<br />
auftritt und durch eine Milchfettdepression<br />
auffällt. Die Ursache liegt<br />
hier in einer für die bereits verringerte<br />
Milchmenge zu hohen Stärkeversorgung<br />
(Rückstau der Fettsäuren in den Pansen).<br />
Besonders in Mischwagenbetrieben<br />
lässt sich das deutlich am sinkenden<br />
Fett-Eiweiß-Quotienten im 2. und 3.<br />
Laktationsdrittel erkennen.<br />
Aber nicht nur der hohe Kraftfuttereinsatz,<br />
sondern auch eine geringe Strukturversorgung<br />
durch junges Gras kann<br />
zur Pansenazidose führen.<br />
<strong>Dr</strong>. Finbar Mulligan (Irland) zeigte an<br />
Hand von einigen Beispielen, dass die in<br />
Irland betriebene Form der Kurzrasenweide<br />
ein hohes Potential hat, SARA in<br />
Milchviehherden mit einer durchschnittlicher<br />
Milchleistung von 6000—7000 kg<br />
zu provozieren. Insbesondere die Kombination<br />
von strukturarmem und zuckerreichem<br />
Gras mit schnell verdaulichem<br />
Kraftfutter führt zu Problemen.<br />
Da es bei Ganztagesweide kaum möglich<br />
ist, das Kraftfutter auf mehr als 2<br />
Portionen aufzuteilen und die Zufütterung<br />
rohfaserreicher Silagen oder Heu<br />
nicht praktiziert werden kann, sollte<br />
darauf geachtet werden, dass das Kraftfutter<br />
langsam abgebaut wird. Dies<br />
kann durch Einsatz von Rübenschnitten<br />
(enthält zusätzliche Rohfaser) oder Körnermais<br />
(langsam abbaubare Stärke)<br />
erreicht werden, wobei auch ein gröberer<br />
Vermahlungsgrad die Abbaurate<br />
vermindert.<br />
Dass SARA nicht nur am pH-Wert (< 5,5)<br />
gemessen werden kann, zeigte Prof. J.C.<br />
Plaizier (Manitoba, Kanada). In seinen<br />
Versuchen provozierte er pH-Werte<br />
unter 5,5 indem er einmal mit strukturarmen<br />
Luzerneheupellets und ein anderes<br />
Mal mit Getreidepellets die Übersäuerung<br />
erzeugte. Obwohl in beiden<br />
Fällen niedrige pH-Werte im Pansen<br />
entstanden und Toxine aus Bakterienzellwänden<br />
(LPS...Lipopolysaccharide)<br />
nachgewiesen wurden, wurden nur bei<br />
Getreidepellets auch im Blut entsprechende<br />
Entzündungsmediatoren gefunden.<br />
Somit dürfte die Gefahr nachfolgender<br />
Erkrankungen und Entzündungen<br />
bei reinen „Strukturmangelazidosen“<br />
(bedingt durch junge Weide) relativ<br />
gering sein.<br />
Empfehlungen<br />
SARA ist in der modernen Milchviehhaltung<br />
wohl in vielen Betrieben ein bisher<br />
zu wenig beachtetes Problem.<br />
Die wesentlichsten Punkte in der Vermeidung<br />
dieser wirtschaftlich bedeutenden,<br />
jedoch schwer erkennbaren<br />
Erkrankung sind:<br />
• Fasergeh<br />
a l t e<br />
(NDF) und<br />
V e r d a u -<br />
l i c h k e i t<br />
der Futtermitt<br />
el<br />
beachten<br />
• Fütterung größerer Stärkemengen<br />
nur in kleinen Portionen<br />
• Stärkeeinsatz an Milchleistung anpassen<br />
(Mittlaktationskrise)<br />
• Einsatz von Puffersubstanzen<br />
(Natriumbicarbonat) in stärkereichen<br />
Rationen<br />
• Einsatz von faserreichen Beiprodukten<br />
(Biertreber, Rübenschnitte)<br />
• Kotkonsistenz und Wiederkauverhalten<br />
von Indikatortieren (=Tiere mit<br />
hoher Kraftfutteraufnahme) beachten<br />
• Milchleistungsprüfdaten auf Anzeichen<br />
von SARA überprüfen<br />
(Milchfettgehalt, Fett-Eiweiß-<br />
Quotient)<br />
Sobald erkrankte Tiere erkannt werden,<br />
muss die Kraftfuttermenge gesenkt und<br />
rohfaserreiches Grundfutter vorgelegt<br />
werden. Zusätzlich kann in Einzelfällen<br />
der Einsatz von Puffersubstanzen (Bykodigest<br />
antazid, Energan Azidose) oder<br />
Hausmitteln (z.B. Bäckerhefe) eine sinnvolle<br />
Ergänzung sein.<br />
Weiters sollte überprüft werden, ob es<br />
sich dabei um ein Einzeltierproblem<br />
(Folge einer anderen Grundkrankheit)<br />
oder ein Herdenproblem handelt und<br />
die Fütterung umgestellt werden muss.<br />
Besonders im Sommer nehmen Tiere<br />
wegen der Hitze oft zu wenig Futter am<br />
Futtertisch auf, wobei sie die Kraftfuttermengen<br />
am Transponder trotzdem abholen.<br />
Hier genügt es meist 0,5—1 kg<br />
Kraftfutter weniger zu verabreichen und<br />
für entsprechende Kühlung (Ventilation<br />
und Besprühung mit Wasser) zu sorgen.<br />
Seite 2 Vierteljährlich erscheinende Zeitschrift
<strong>Trinkschwäche</strong> <strong>beim</strong> <strong>Kalb</strong> – Ursache eine Missbildung?<br />
Mitte Mai wurden wir auf den Milchviehbetrieb<br />
von Pölzl Manfred, St. Andrä im<br />
Sausal, gerufen, da ein neugeborenes<br />
<strong>Kalb</strong> am 2.Tage nach der Geburt keine<br />
Trinklust hatte. Dieser doch sehr häufige<br />
Vorbericht ließ uns anfangs nicht<br />
sofort an eine Missbildung denken, zumal<br />
das <strong>Kalb</strong> seine Biestmilch getrunken<br />
hatte, weitere Milchaufnahme zwar verweigerte,<br />
aber munter in seinem Kälberiglu<br />
stand.<br />
Ursachen<br />
Gründe, warum ein neugeborenes<br />
<strong>Kalb</strong> keine Trinklust hat bzw. diese<br />
verliert können vielfältig sein: Bei vereinzeltem<br />
Auftreten können mögliche<br />
Ursachen Geburtsverletzungen, Schädigungen<br />
des Gehirns durch Sauerstoffmangel<br />
(z.B. bei Schwergeburten), angeborene<br />
Saug- und Schluckstörungen<br />
oder andere von Geburt an bestehende<br />
Erkrankungen (z.B. Fruchtwasseraspiration,<br />
Unreife der Lunge) sein. Tritt<br />
<strong>Trinkschwäche</strong> gehäuft in einem Bestand<br />
auf, kann dies Vitamin–E oder<br />
Selen– Mangel sein. Weiters sind Fehler<br />
im Tränkemanagement möglich, wobei<br />
besonders mangelhaftes Anlernen der<br />
Tiere an die Tränke zu erwähnen ist.<br />
<strong>Trinkschwäche</strong> kann aber auch Folge<br />
einer Blutübersäuerung, von Schmerzen<br />
oder von allgemeinen Erkrankungen<br />
(z.B. Durchfall, Nabel-, Lungenentzündung)<br />
sein.<br />
Folgen<br />
Die Folgen, vor allem bei einer von<br />
Geburt an bestehender <strong>Trinkschwäche</strong>,<br />
sind immer die gleichen:<br />
• mangelhafte Kolostrumaufnahme<br />
• keine oder ungenügende Versorgung<br />
von Antikörpern gegen stallspezifische<br />
Infektionserreger<br />
• erhöhte Krankheitsanfälligkeit<br />
• durch zunehmende Dauer der Tränkeverweigerung<br />
bekommen die Kälber<br />
Unterzucker und werden allmählich<br />
schwach<br />
• Pansenübersäuerung als Folge von<br />
Pansentrinken- zum Teil auch durch<br />
Zwangstränke (<strong>Dr</strong>encher für Kälber)<br />
Therapie<br />
Sollte die <strong>Trinkschwäche</strong> als Ursache<br />
von <strong>Dr</strong>. Andrea Wehowar<br />
eine bestehende Erkrankung, wie z.B.<br />
Durchfall haben, ist diese zuerst zu behandeln.<br />
Aber auch bei Kälbern mit von<br />
Geburt an bestehender Trinkunlust<br />
muss immer zuerst nach der Ursache<br />
gesucht werden sowie diese nach Möglichkeit<br />
beseitigt werden. Wichtig ist, in<br />
vielen Fällen das behutsame Anlernen<br />
der Kälber zum Trinken (Streicheln<br />
der Kälber am Rücken und Nabel, Stimulieren<br />
des Saugreflexes durch Saugen<br />
lassen am Finger- am besten mittels<br />
einem Einweghandschuh, wiederholtes<br />
Anbieten der Milchtränke). Weiters<br />
empfiehlt sich auch die Versorgung<br />
betroffener Kälber mit Vitamin E und<br />
Selen (Pumpdosierer). Beide Stoffe sind<br />
wesentlich am Muskelstoffwechsel beteiligt<br />
und Muskelkraft ist für ein funktionierendes<br />
Saugen und Schlucken unentbehrlich.<br />
Für Kälber, die trotz aller Bemühungen<br />
die Tränkeaufnahme aus dem Eimer<br />
verweigern, bleibt noch der Versuch,<br />
sie direkt an der Kuh trinken zu lassen.<br />
Dabei muss es sich nicht unbedingt<br />
um das Muttertier handeln.<br />
Vorbeuge<br />
Oft werden wir gefragt, welche Vorbeugemaßnahmen<br />
es gibt. Hier einige<br />
Anregungen:<br />
• Vermeidung von Schwergeburten<br />
(gezielte Stierauswahl für <strong>Kalb</strong>innen)<br />
• Schonender Geburtsablauf durch<br />
sachgemäße Geburtshilfe<br />
• Konsequente Behandlung aller unmittelbar<br />
nach der Geburt auftretenden<br />
Erkrankungen des <strong>Kalb</strong>es<br />
• Optimale Fütterung der trockenste-<br />
henden Kühe (Vitamin E und Selen-<br />
Versorgung sicherstellen)<br />
Fallbericht<br />
Im Fall des <strong>Kalb</strong>es von Hr. Pölzl lag jedoch<br />
eine ganz andere Ursache der<br />
<strong>Trinkschwäche</strong> zu Grunde. Bei der ersten<br />
Untersuchung konnten wir keine<br />
Abnormalitäten am <strong>Kalb</strong> feststellen, das<br />
Tränkemanagement auf diesem Betrieb<br />
ist vorbildlich, ebenso wurde versucht,<br />
das Tier oftmals am Tag zum Trinken zu<br />
motivieren. Nachdenklich wurden wir<br />
<strong>beim</strong> Messen der inneren Körpertemperatur.<br />
Beim Einführen des Fieberthermometers<br />
über den After in den Enddarm,<br />
konnte kein Kot im und um den After<br />
festgestellt werden. Also versuchten wir<br />
am nächsten Tag etwas Kot aus dem<br />
Enddarm zu bekommen. Das einzige<br />
was wir am Handschuh hatten, war pappiger<br />
weißlich-trüber Schleim. Auch der<br />
Versuch einen dünnen Schlauch langsam<br />
über den After in den Enddarm zu<br />
schieben führte zum selben Resultat.<br />
Außerdem ließ sich der Schlauch nur<br />
eine gewisse Länge in den Dickdarm<br />
vorschieben. Damit konnten wir die<br />
Verdachtsdiagnose stellen: „Atresia<br />
recti“- das ist eine Missbildung im Bereich<br />
der Darmanlage: Hierbei ist die<br />
Darmanlage unvollständig und es fehlt<br />
ein unterschiedlich langes Stück des<br />
Dickdarmes. Der nach hinten folgende<br />
Darm und besonders der Enddarm sind<br />
jedoch wieder normal ausgebildet. Dadurch<br />
ist die Diagnosestellung deutlich<br />
erschwert und zunächst kann nur ein<br />
Verdacht auf eine Missbildung ausgesprochen<br />
werden. Da Herr Pölzl das Tier<br />
jedoch noch nicht sofort einschläfern<br />
lassen wollte, entschieden wir uns zunächst<br />
mit Hilfe einer Infusion auf den<br />
nächsten Tag zu warten. Der Zustand<br />
des Tieres wurde deutlich schlechter,<br />
der Bauch vergrößerte sich durch die<br />
gestauten Darmschlingen und unser<br />
<strong>Kalb</strong> zeigte nun ein reduziertes Allgemeinbefinden.<br />
Wir entschieden uns für<br />
eine Euthanasie da eine Operation in<br />
diesem Fall neben medizinischen auch<br />
aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich<br />
ist. Bei der anschließenden Sektion,<br />
welche wir am Betrieb durchführten,<br />
konnte unsere Verdachtsdiagnose bestätigt<br />
werden.<br />
Damit möchten wir darauf aufmerksam<br />
machen, dass auch Missbildungen der<br />
Grund dafür sein können, dass ein <strong>Kalb</strong><br />
nach anfänglicher Trinklust plötzlich die<br />
Milch verweigert.<br />
Ausgabe 16 Seite 3
Blutschwitzen bei Kälbern<br />
Unter „Blutschwitzen“ bei Kälbern ist<br />
wohl den meisten Leuten aus den Medien<br />
die Hämorrhagische Diathese<br />
infolge Knochenmarkschädigung bei<br />
jungen Kälbern bekannt.<br />
In den letzten Jahren sind vor allem in<br />
Deutschland (gehäuft in Bayern) mehrere<br />
hundert Fälle dieser für Kälber tödlich<br />
verlaufenden Krankheit publik geworden.<br />
Aber auch aus Belgien, den<br />
Niederlanden, Schottland, England,<br />
Frankreich und Italien sind Fälle bekannt.<br />
Tödlicher Verlauf<br />
Für großes Aufsehen sorgt diese Krankheit<br />
wohl hauptsächlich wegen der mysteriösen<br />
Tatsachen, dass fast alle erkrankten<br />
Kälber innerhalb weniger Tage<br />
sterben und die Ursache der Krankheit<br />
noch nicht ausgeforscht werden<br />
konnte.<br />
Die Kälber erkranken in der Regel in<br />
der zweiten bis dritten Lebenswoche.<br />
Sie zeigen dabei Blutungen am ganzen<br />
Blutungen auf der Haut<br />
Körper sowie an den Schleimhäuten. Sie<br />
haben blutigen bis schwarzen Kot und<br />
können häufig fieberhafte Begleitkrankheiten<br />
wie eine Lungenentzündung haben.<br />
Bei den sezierten Tieren zeigen<br />
sich ebenso große Mengen an Blut in<br />
den Körperhöhlen.<br />
Man weiß, dass bei den erkrankten Kälbern<br />
das Knochenmark seine Funktion,<br />
nämlich die Bildung von Blutkörperchen<br />
und Blutplättchen, nicht mehr erfüllt.<br />
Dadurch kommt es zu den unstillbaren<br />
Blutungen bzw. zu den fieberhaften Infektionen.<br />
Unbekannte Ursache<br />
Allerdings ist man der Ursache dafür<br />
noch nicht auf den Grund gekommen.<br />
Man weiß nicht, ob es sich um eine neu-<br />
von Mag. Georg Stieg<br />
artige Viruserkrankung oder vielleicht<br />
eine Erbkrankheit handelt.<br />
Letzteres ist eher unwahrscheinlich, da<br />
die Krankheit bei Tieren verschiedener<br />
Rassen auftritt.<br />
Am ehesten vermutet man eine Autoimmunreaktion,<br />
die durch die Aufnahme<br />
der Biestmilch von der eigenen Mutter<br />
ausgelöst wird.<br />
Man muss in diesem Zusammenhang<br />
auch erwähnen, dass es viele andere<br />
bekannte Ursachen für erhöhte Blutungsneigung<br />
bei Rindern gibt wie z.B.<br />
Vergiftungen, BVD oder Mykotoxine.<br />
Natürlich wurde all diesen Möglichkeiten<br />
in den beschriebenen Fällen nachgegangen,<br />
es konnten aber alle bekannten<br />
Ursachen ausgeschlossen werden.<br />
Es handelt sich hier um ein charakteristisches<br />
Krankheitsbild bei dem die Tiere<br />
fast immer sterben und das Knochenmark<br />
der Tiere geschädigt wird, während<br />
bei anderen Krankheiten mit Blutungen<br />
die Blutplättchen im Blut zerstört<br />
werden und nicht die Vorläuferzellen im<br />
Knochenmark.<br />
Dadurch ergibt sich für das erkrankte<br />
Tier bei diesen Krankheiten die Chance,<br />
die verlorenen Blutplättchen wieder<br />
nachzuproduzieren und wieder zu gesunden.<br />
Der spektakuläre Verlauf der Krankheit<br />
hat in den Medien zu einem Vergleich<br />
mit dem aus der Humanmedizin bekannten<br />
sehr gefährlichen Ebola-Virus geführt.<br />
Allerdings entbehrt diese Annahme<br />
jeder seriösen Grundlage und dient<br />
wohl nur zur Erregung von Aufmerksamkeit.<br />
Fall aus unserer Praxis<br />
In Österreich ist offiziell noch kein Fall<br />
von Blutschwitzen bekannt.<br />
Allerdings hatten wir auch in unserer<br />
Praxis selten aber doch Fälle von<br />
Blutkrusten im Haarkleid<br />
Rinder<br />
News<br />
DR.VET -Die Tierärzte<br />
Jöss 6a, 8403 Lebring<br />
Für den Inhalt verantwortlich:<br />
A. o. Univ. Prof. <strong>Dr</strong>. Walter Peinhopf<br />
Mag. Christiane Gößler<br />
Mag. Georg Stieg<br />
<strong>Dr</strong>. Andrea Wehowar<br />
Telefon: 03182 4166<br />
E-Mail: office@dr-vet.at<br />
Notr uf: 0664/2132497<br />
Sie finden uns auch im<br />
Web<br />
www.dr-vet.at<br />
„Bluterkälbern“, wovon ich eines im<br />
Herbst des Vorjahres auf die Rinderklinik<br />
in Wien überwiesen habe, da es<br />
genau die beschriebenen Symptome<br />
der Kälber aus Deutschland hatte.<br />
Das <strong>Kalb</strong> verendete auf der Klinik trotz<br />
intensiver Behandlung nach einigen<br />
Tagen und wurde daraufhin seziert. Es<br />
zeigte sich das Pathologische Bild des<br />
Blutschwitzens.<br />
Für die internationale Kollegenschaft<br />
war dieser Fall aber insofern von großer<br />
wissenschaftlicher Bedeutung, da in<br />
99% der Fälle mit Hämorrhagischer Diathese<br />
die Muttertiere BVD-Antikörper<br />
positiv waren. In unserem Fall handelte<br />
es ich um einen BVD freien Betrieb und<br />
das Muttertier war BVD-Antikörper negativ.<br />
Zusammenfassend kann gesagt werden,<br />
dass diese Krankheit noch genau erforscht<br />
werden muss, um der Ursache<br />
auf den Grund zu kommen.<br />
Kein Grund zur Sorge<br />
Allerdings sei auch erwähnt, dass bei<br />
mehreren hundert vielleicht wenigen<br />
tausend bekannten Fällen in Europa,<br />
aufgerechnet auf alle Rinder, die<br />
Krankheit relativ selten vorkommt und<br />
sich zumindest der wirtschaftliche Schaden<br />
vorerst in Grenzen hält.<br />
Seite 4 Vierteljährlich erscheinende Zeitschrift