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Trinkschwäche beim Kalb - Dr. Vet Tierarzt

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<strong>Trinkschwäche</strong> <strong>beim</strong> <strong>Kalb</strong> – Ursache eine Missbildung?<br />

Mitte Mai wurden wir auf den Milchviehbetrieb<br />

von Pölzl Manfred, St. Andrä im<br />

Sausal, gerufen, da ein neugeborenes<br />

<strong>Kalb</strong> am 2.Tage nach der Geburt keine<br />

Trinklust hatte. Dieser doch sehr häufige<br />

Vorbericht ließ uns anfangs nicht<br />

sofort an eine Missbildung denken, zumal<br />

das <strong>Kalb</strong> seine Biestmilch getrunken<br />

hatte, weitere Milchaufnahme zwar verweigerte,<br />

aber munter in seinem Kälberiglu<br />

stand.<br />

Ursachen<br />

Gründe, warum ein neugeborenes<br />

<strong>Kalb</strong> keine Trinklust hat bzw. diese<br />

verliert können vielfältig sein: Bei vereinzeltem<br />

Auftreten können mögliche<br />

Ursachen Geburtsverletzungen, Schädigungen<br />

des Gehirns durch Sauerstoffmangel<br />

(z.B. bei Schwergeburten), angeborene<br />

Saug- und Schluckstörungen<br />

oder andere von Geburt an bestehende<br />

Erkrankungen (z.B. Fruchtwasseraspiration,<br />

Unreife der Lunge) sein. Tritt<br />

<strong>Trinkschwäche</strong> gehäuft in einem Bestand<br />

auf, kann dies Vitamin–E oder<br />

Selen– Mangel sein. Weiters sind Fehler<br />

im Tränkemanagement möglich, wobei<br />

besonders mangelhaftes Anlernen der<br />

Tiere an die Tränke zu erwähnen ist.<br />

<strong>Trinkschwäche</strong> kann aber auch Folge<br />

einer Blutübersäuerung, von Schmerzen<br />

oder von allgemeinen Erkrankungen<br />

(z.B. Durchfall, Nabel-, Lungenentzündung)<br />

sein.<br />

Folgen<br />

Die Folgen, vor allem bei einer von<br />

Geburt an bestehender <strong>Trinkschwäche</strong>,<br />

sind immer die gleichen:<br />

• mangelhafte Kolostrumaufnahme<br />

• keine oder ungenügende Versorgung<br />

von Antikörpern gegen stallspezifische<br />

Infektionserreger<br />

• erhöhte Krankheitsanfälligkeit<br />

• durch zunehmende Dauer der Tränkeverweigerung<br />

bekommen die Kälber<br />

Unterzucker und werden allmählich<br />

schwach<br />

• Pansenübersäuerung als Folge von<br />

Pansentrinken- zum Teil auch durch<br />

Zwangstränke (<strong>Dr</strong>encher für Kälber)<br />

Therapie<br />

Sollte die <strong>Trinkschwäche</strong> als Ursache<br />

von <strong>Dr</strong>. Andrea Wehowar<br />

eine bestehende Erkrankung, wie z.B.<br />

Durchfall haben, ist diese zuerst zu behandeln.<br />

Aber auch bei Kälbern mit von<br />

Geburt an bestehender Trinkunlust<br />

muss immer zuerst nach der Ursache<br />

gesucht werden sowie diese nach Möglichkeit<br />

beseitigt werden. Wichtig ist, in<br />

vielen Fällen das behutsame Anlernen<br />

der Kälber zum Trinken (Streicheln<br />

der Kälber am Rücken und Nabel, Stimulieren<br />

des Saugreflexes durch Saugen<br />

lassen am Finger- am besten mittels<br />

einem Einweghandschuh, wiederholtes<br />

Anbieten der Milchtränke). Weiters<br />

empfiehlt sich auch die Versorgung<br />

betroffener Kälber mit Vitamin E und<br />

Selen (Pumpdosierer). Beide Stoffe sind<br />

wesentlich am Muskelstoffwechsel beteiligt<br />

und Muskelkraft ist für ein funktionierendes<br />

Saugen und Schlucken unentbehrlich.<br />

Für Kälber, die trotz aller Bemühungen<br />

die Tränkeaufnahme aus dem Eimer<br />

verweigern, bleibt noch der Versuch,<br />

sie direkt an der Kuh trinken zu lassen.<br />

Dabei muss es sich nicht unbedingt<br />

um das Muttertier handeln.<br />

Vorbeuge<br />

Oft werden wir gefragt, welche Vorbeugemaßnahmen<br />

es gibt. Hier einige<br />

Anregungen:<br />

• Vermeidung von Schwergeburten<br />

(gezielte Stierauswahl für <strong>Kalb</strong>innen)<br />

• Schonender Geburtsablauf durch<br />

sachgemäße Geburtshilfe<br />

• Konsequente Behandlung aller unmittelbar<br />

nach der Geburt auftretenden<br />

Erkrankungen des <strong>Kalb</strong>es<br />

• Optimale Fütterung der trockenste-<br />

henden Kühe (Vitamin E und Selen-<br />

Versorgung sicherstellen)<br />

Fallbericht<br />

Im Fall des <strong>Kalb</strong>es von Hr. Pölzl lag jedoch<br />

eine ganz andere Ursache der<br />

<strong>Trinkschwäche</strong> zu Grunde. Bei der ersten<br />

Untersuchung konnten wir keine<br />

Abnormalitäten am <strong>Kalb</strong> feststellen, das<br />

Tränkemanagement auf diesem Betrieb<br />

ist vorbildlich, ebenso wurde versucht,<br />

das Tier oftmals am Tag zum Trinken zu<br />

motivieren. Nachdenklich wurden wir<br />

<strong>beim</strong> Messen der inneren Körpertemperatur.<br />

Beim Einführen des Fieberthermometers<br />

über den After in den Enddarm,<br />

konnte kein Kot im und um den After<br />

festgestellt werden. Also versuchten wir<br />

am nächsten Tag etwas Kot aus dem<br />

Enddarm zu bekommen. Das einzige<br />

was wir am Handschuh hatten, war pappiger<br />

weißlich-trüber Schleim. Auch der<br />

Versuch einen dünnen Schlauch langsam<br />

über den After in den Enddarm zu<br />

schieben führte zum selben Resultat.<br />

Außerdem ließ sich der Schlauch nur<br />

eine gewisse Länge in den Dickdarm<br />

vorschieben. Damit konnten wir die<br />

Verdachtsdiagnose stellen: „Atresia<br />

recti“- das ist eine Missbildung im Bereich<br />

der Darmanlage: Hierbei ist die<br />

Darmanlage unvollständig und es fehlt<br />

ein unterschiedlich langes Stück des<br />

Dickdarmes. Der nach hinten folgende<br />

Darm und besonders der Enddarm sind<br />

jedoch wieder normal ausgebildet. Dadurch<br />

ist die Diagnosestellung deutlich<br />

erschwert und zunächst kann nur ein<br />

Verdacht auf eine Missbildung ausgesprochen<br />

werden. Da Herr Pölzl das Tier<br />

jedoch noch nicht sofort einschläfern<br />

lassen wollte, entschieden wir uns zunächst<br />

mit Hilfe einer Infusion auf den<br />

nächsten Tag zu warten. Der Zustand<br />

des Tieres wurde deutlich schlechter,<br />

der Bauch vergrößerte sich durch die<br />

gestauten Darmschlingen und unser<br />

<strong>Kalb</strong> zeigte nun ein reduziertes Allgemeinbefinden.<br />

Wir entschieden uns für<br />

eine Euthanasie da eine Operation in<br />

diesem Fall neben medizinischen auch<br />

aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich<br />

ist. Bei der anschließenden Sektion,<br />

welche wir am Betrieb durchführten,<br />

konnte unsere Verdachtsdiagnose bestätigt<br />

werden.<br />

Damit möchten wir darauf aufmerksam<br />

machen, dass auch Missbildungen der<br />

Grund dafür sein können, dass ein <strong>Kalb</strong><br />

nach anfänglicher Trinklust plötzlich die<br />

Milch verweigert.<br />

Ausgabe 16 Seite 3

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