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Wir Unternehmer – Porträt<br />

SONJA SCHWESTKA<br />

Ruferin in <strong>de</strong>r Kulturwüste<br />

Ausgrechnet die graue Hochhaussiedlung <strong>de</strong>r Berliner Gropiusstadt beherbergt Berlins<br />

größte inhabergeführte Buchhandlung. Sonja Schwestka hat sie vor mehr als 20 Jahren<br />

mit Mut, Fantasie und Beharrungsvermögen gegrün<strong>de</strong>t. VON ARIANE BEMMER<br />

Man nennt sie Leseratten o<strong>de</strong>r Bücherwürmer – die Menschen,<br />

die lesen und lesen und dabei glühen<strong>de</strong> Ohren bekommen.<br />

Die plötzlich anfangen zu lachen o<strong>de</strong>r zu weinen.<br />

Die <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren gar nicht mehr zuhören. Die lesen statt<br />

fernzusehen, statt Musik zu hören o<strong>de</strong>r spazieren zu gehen.<br />

Die Berlinerin Regine Schrö<strong>de</strong>r ist so ein Mensch. Sie<br />

kommt um die Ecke gesaust, hält mit quietschen<strong>de</strong>n Reifen,<br />

und schon spru<strong>de</strong>lt sie los. Leseratte, ja, das sei sie. Ein<br />

Buch nach <strong>de</strong>m an<strong>de</strong>ren und manchmal auch zwei parallel.<br />

Krimis, Schmöker, mal was Historisches o<strong>de</strong>r was Biografi<br />

sches, aber am liebsten Krimis. „Beim Lesen erlebe ich<br />

Dinge, die ich sonst nie erleben könnte“, sagt sie. Und meint<br />

damit nicht: weil sie im Rollstuhl sitzt.<br />

Mitten im sozialen Notstandsgebiet<br />

Sie hat sich durch <strong>de</strong>n tristen Nachmittag geschoben, bis hinein<br />

ins Einkaufszentrum. Etwas Bestimmtes sucht sie nicht,<br />

aber: „Mit irgendwas geht man hier immer hinaus“, sagt sie.<br />

Regine Schrö<strong>de</strong>r, 60 Jahre alt, lei<strong>de</strong>t seit <strong>de</strong>m Jahr 1973 an<br />

Kin<strong>de</strong>rlähmung. Ihre Eltern hätten ihr Bücher gegeben, damit<br />

das Kind, das seine Energie nicht austoben konnte, trotz<strong>de</strong>m<br />

ruhig ist. Bücher waren ihre Therapie. Ihre Rettung.<br />

Dasselbe kann man auch über <strong>de</strong>n Buchla<strong>de</strong>n sagen, in <strong>de</strong>n<br />

Regine Schrö<strong>de</strong>r immer wie<strong>de</strong>r kommt, über „Sosch“. Auch<br />

„Sosch“ ist eine Art Therapie, eine Art Rettung. Und zwar für<br />

seine Umgebung: Seit <strong>de</strong>m Jahr 1985 behauptet sich „Sosch“<br />

in <strong>de</strong>n Einkaufspassagen <strong>de</strong>r Neuköllner Gropiusstadt, das ist<br />

eine Trabantenstadt im Sü<strong>de</strong>n von Berlin. Und viele sagen:<br />

„Sosch“ allein hält hier noch einen Anspruch hoch.<br />

Errichtet wur<strong>de</strong> die Siedlung, <strong>de</strong>ren Silhouette aus grauen<br />

Hochhausklötzen besteht, auf <strong>de</strong>m freien Feld zwischen <strong>de</strong>n<br />

alten Dörfern Buckow, Britz und Rudow in <strong>de</strong>n Jahren 1962<br />

bis 1975, <strong>de</strong>r Namensgeber und Projektleiter Walter Gropius<br />

ist über die Fertigstellung hinweg gestorben. Fast 19.000 Wohnungen<br />

zählt die Gropiusstadt, die allermeisten davon Sozial-<br />

wohnungen, mittendrin ein La<strong>de</strong>nzentrum. In Gropiusstadt<br />

wuchs Christiane F. auf, Deutschlands berühmteste Drogenabhängige.<br />

Und Teile von Gropiusstadt gehören seit <strong>de</strong>m Jahr<br />

2005 zu <strong>de</strong>n sozialen Notstandsgebieten <strong>de</strong>r Republik, <strong>de</strong>nen<br />

mit Geld und Konzepten geholfen wer<strong>de</strong>n soll.<br />

Die Gropiusstadt ist also ein Ort, <strong>de</strong>r so gar nicht für einen<br />

Buchla<strong>de</strong>n gemacht scheint. Und doch ist „Sosch“ in <strong>de</strong>n vergangenen<br />

Jahren <strong>de</strong>rart gewachsen, dass er heute einen Superlativ<br />

führt: Er ist mit 620 Quadratmetern Verkaufsfl äche<br />

<strong>de</strong>r größte inhabergeführte Buchla<strong>de</strong>n Berlins. Der einzige<br />

seines Formats, <strong>de</strong>r neben Filialisten wie Thalia und Hugendubel<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Kulturkaufhaus <strong>de</strong>s Dussmann-Konzerns<br />

bestehen muss. Und <strong>de</strong>r wie diese zum Synonym gewor<strong>de</strong>n<br />

ist: Man geht zu Thalia, Hugendubel, Dussmann. Und wer im<br />

Sü<strong>de</strong>n Berlins Bücher braucht, geht zu „Sosch“.<br />

12 ProFirma 02 2009

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