4-2018
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
Fachzeitschrift für Medizintechnik-Produktion, Entwicklung, Distribution und Qualitätsmanagement
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Dienstleister<br />
Zum Wohle des Patienten<br />
Die Mikrotechnik-Fachverbände IVAM und microTEC Südwest initiierten ein Treffen mit der Politik und<br />
Medizintechnikunternehmen, um die aktuelle Situation in der Medizintechnikbranche, die durch die neue<br />
Fassung der Medical Device Regulation entstanden ist, zu diskutieren. Sie fürchten um den Fortbestand des<br />
Medizinmittelstandes<br />
Zu meinem Interview begrüße<br />
ich Herrn Sommer, Accountmanager<br />
bei bebro electronic.<br />
Bebro ist EMS-Dienstleister und<br />
unterstützt seine Kunden von der<br />
Entwicklung über das Prototyping<br />
bis hin zu Fertigung und After-<br />
Sales-Service. Hier kennt man<br />
die Situation der Kunden und ist<br />
mit dem Markt bestens vertraut.<br />
Meditronic journal:<br />
Herr Sommer, bebro war<br />
Teilnehmer dieses Treffens.<br />
Worum ging es?<br />
Herr Sommer: Hauptthema des<br />
Treffens war die Umsetzung der<br />
neuen EU Medical Device Regulation.<br />
Dies gestaltet sich in der Praxis<br />
sehr schwierig. Durch die neue<br />
Richtlinie erhöht sich der Zulassungsaufwand<br />
deutlich. Viele, vor<br />
allem kleine und mittelständische<br />
Unternehmen, können dies nicht<br />
leisten und es sich auch nicht leisten.<br />
Zuerst einmal muss das Personal<br />
geschult und das Qualitätsmanagement<br />
angepasst werden.<br />
Der Aufwand für die Dokumentation<br />
und die klinischen Prüfungen<br />
ist deutlich gestiegen. Rechnet<br />
man dies auf die meist geringen<br />
Stückzahlen in der Medizintechnik,<br />
so steigen die Preise pro Produkt<br />
deutlich an. Da aber die Margen<br />
oft gering sind, ist eine Produktion<br />
nicht mehr rentabel. Viele<br />
kleine und mittlere Unternehmen<br />
überlegen sich deshalb, ob sie<br />
noch länger im Medizinbereich<br />
mit ihren Produkten präsent sind.<br />
Meditronic journal:<br />
Das bedeutet weniger<br />
Wettbewerb?<br />
Herr Sommer: Ja, in der Tat.<br />
Für viele Unternehmen wird sich<br />
die Entwicklung und Produktion<br />
von Medizintechnikgeräten nicht<br />
mehr lohnen. Dadurch verringert<br />
sich die Vielfalt der Geräte<br />
und auch der Wettbewerb. Einige<br />
wenige Unternehmen werden den<br />
Markt dominieren und auch das<br />
Angebot bestimmen. Spezialanpassungen<br />
an den Patienten<br />
wird es dann nicht mehr geben,<br />
da diese zu aufwändig und zu<br />
teuer sind. Im schlimmsten Fall<br />
wird es bestimmte Geräte nicht<br />
mehr geben. Es kann also zu<br />
einer Unterversorgung der Patienten<br />
kommen.<br />
Meditronic journal:<br />
Wie wirkt sich die<br />
neue Richtline auf<br />
Bestandsprodukte aus?<br />
Herr Sommer: Durch die neue<br />
Richtlinie kann sich die Klassifizierung<br />
der Geräte ändern und<br />
dies bedeutet eine neue Zulassung<br />
mit erweiterten Anforderungen.<br />
Meditronic journal:<br />
Das heißt im Klartext, dass<br />
ein Hersteller ein Produkt,<br />
dass schon im Markt ist,<br />
nicht mehr länger verkaufen<br />
darf?<br />
Herr Sommer: Ja, das heißt es. Er<br />
muss im schlechtesten Fall sogar<br />
neue Klinische Studien durchführen.<br />
Das ist alles sehr kostenintensiv.<br />
Mancher Hersteller wird sich<br />
überlegen, ob sich dieser Aufwand<br />
rechnet, oder ob er das Produkt<br />
vom Markt nimmt.<br />
Meditronic journal:<br />
Dies ist eine Situation, die ja<br />
so nicht gewollt sein kann.<br />
Eigentlich sollte die neue<br />
Regelung die Zertifizierung in<br />
anderen Ländern erleichtern<br />
und eine Vereinheitlichung<br />
bringen.<br />
Herr Sommer: Ja, es wurde eine<br />
allgemein anerkannte Zertifizierung<br />
angestrebt. Aber der hohe<br />
Aufwand steht hier deutlich gegen<br />
den Nutzen.<br />
Meditronic journal:<br />
Besonders betroffen sind<br />
ja kleine und mittlere<br />
Unternehmen. Wie kann man<br />
sie unterstützen?<br />
Herr Sommer: Das Fazit der<br />
Informationsveranstaltung am 14.<br />
Juni <strong>2018</strong> in Berlin von der IVAM<br />
war, dass der Mittelstand bei der<br />
Implementierung der neuen europäischen<br />
Medizinprodukteverordnung<br />
Unterstützung benötigt. Dies<br />
kann beispielsweise ein EMSler<br />
leisten. Der Hersteller konzentriert<br />
sich auf seine Kernkompetenzen<br />
und gibt die anderen Aufgaben ab.<br />
Meditronic journal:<br />
Was bedeutet die Richtlinie<br />
für den EMSler?<br />
Herr Sommer: Für die EMS-Branche<br />
bedeutet die neue Richtline<br />
Chance und Herausforderung zu<br />
gleich. Seit ihrem Inkrafttreten<br />
klafft in vielen EMS-Unternehmen<br />
eine Lücke zwischen dem<br />
Bedarf der Medizintechnikfirmen<br />
und dem Angebot.<br />
Um die Kunden ausreichend<br />
bei der Umsetzung der neuen<br />
Richtlinie unterstützen zu können,<br />
müssen viele EMSler ihr Personal<br />
weiterbilden und sich zertifizieren<br />
lassen. Dies kostet Zeit<br />
und Geld. Wenn sie dies aber<br />
einmal investiert haben, können<br />
sie die Kunden deutlich entlasten.<br />
Und der Bedarf ist enorm. Allerdings<br />
kann ich mir auch vorstellen,<br />
dass manche EMSler sich<br />
überlegen werden, ob sie noch<br />
weiterhin in der Medizintechniksparte<br />
tätig sein werden.<br />
Meditronic journal:<br />
Wieso meinen Sie, dass sich<br />
manche EMSler zurückziehen<br />
werden, obwohl der Bedarf<br />
da ist?<br />
Herr Sommer: Ja, das werden<br />
einige EMSler sicher tun. Der<br />
30 meditronic-journal 4/<strong>2018</strong>