11.09.2018 Aufrufe

Die Wirtschaft Köln - Ausgabe 04 / 2018

Mehr Wissen, besser entscheiden, erfolgreich unternehmen: Die Wirtschaft Köln bietet Ihnen mit exklusiven Einblicken in Branchen, Märkte und Betriebe sechs Mal jährlich einen spannenden Mix aus aktuellen Nachrichten der Kölner Wirtschaft, Unternehmensportraits und Interviews mit Entscheidern der Region.

Mehr Wissen, besser entscheiden, erfolgreich unternehmen: Die Wirtschaft Köln bietet Ihnen mit exklusiven Einblicken in Branchen, Märkte und Betriebe sechs Mal jährlich einen spannenden Mix aus aktuellen Nachrichten der Kölner Wirtschaft, Unternehmensportraits und Interviews mit Entscheidern der Region.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

| Macher & Märkte<br />

VIA CULTURALIS ODER<br />

VIA BALLERMANN?<br />

Der öffentliche Raum in <strong>Köln</strong> wird mehr und mehr durch Events jedweder Couleur vereinnahmt.<br />

Zahlreiche Institutionen in der Stadt sind sich einig darüber, dass Änderungen dringend nötig sind.<br />

Kulturelles Kleinod: Der 1973 von Hans Karl Burgess<br />

gestaltete Dionysosbrunnen vor dem Baptisterium<br />

w traf Annett Polster, Geschäftsführerin von Stadtmarketing <strong>Köln</strong><br />

e.V., und Dr. Joachim A. Groth, Vorsitzender der Bürgergemeinschaft Altstadt, die<br />

sich als Verein für die Förderung einer lebenswerten Altstadt einsetzt. Der Verein<br />

hat sich intensiv mit dem Umfeld der geplanten Via Culturalis beschäftigt. In seiner<br />

mehr als 300 Seiten umfassenden Bestandsaufnahme wurden soeben alle „Gedenktafeln,<br />

Kunst- und sonstigen ausgestellten Objekte im öffentlichen Raum“ detailliert<br />

fotografiert und strukturiert.<br />

Dabei kommt ein Reichtum an Schätzen<br />

zum Vorschein, den man nicht vermutet.<br />

Zahlreiche an Hausfassaden befestigte<br />

oder in den Boden eingelassene Gedenktafeln,<br />

Reste von Bauten aus der Römerzeit,<br />

antike Wasserleitungen und Denkmäler in<br />

allen Größen bereichern das <strong>Köln</strong>er Kulturgut.<br />

Persönlichkeiten der Vergangenheit<br />

wie Rubens, Beethoven, Maria de Medici<br />

oder Luther bis zu Persönlichkeiten der<br />

Neuzeit wie Marx und Engels oder Christo,<br />

Stockhausen und Paik haben hier z.T. über<br />

Jahre gewirkt, ein Schatz, der zwar existiert,<br />

aber gehoben und im Bewusstsein<br />

der Öffentlichkeit verankert werden muss.<br />

<strong>Köln</strong> wird ballermannisiert<br />

Ein schwieriges Unterfangen. „Denn“, so<br />

Joachim A. Groth, „zahlreiche Veranstaltungen<br />

in der Stadt, teils auf niedrigstem<br />

Niveau, haben längst zu einem auch für<br />

die <strong>Wirtschaft</strong> schädlichen Image geführt.“<br />

„Ballermann ohne Strand“, „Feierbiest<br />

<strong>Köln</strong>“ oder „Hauptstadt der Junggesellenpartys“<br />

sind Etiketten, die einer einmaligen<br />

Kulturlandschaft permanent angeheftet<br />

werden und sie weit unter Wert verkaufen.<br />

<strong>Die</strong> Stadt denkt nun sogar über eine Ausweitung<br />

dieser Art von Veranstaltungen<br />

nach. So sollen nach dem Entwurf zum neuen<br />

Platznutzungskonzept ab 2019 Opening<br />

und Begleitveranstaltungen zu Sport Events<br />

wie Champions League Finale, WM oder EM<br />

implementiert werden. Gerade die positive<br />

Darstellung des Breitensports und dessen<br />

Funktion für die Gesellschaft sind nur begrüßenswert,<br />

eine verkappte Form des Public<br />

Viewing mit all seinen negativen Begleiterscheinungen<br />

wie bspw. in der Lanxess<br />

Arena jedoch nicht.“<br />

Dabei verliert <strong>Köln</strong> mehr und mehr seinen<br />

Charakter. An die Stelle von bezahlbarem<br />

Wohnraum für <strong>Köln</strong>er treten airbnb-Unterkünfte,<br />

selbst Erdgeschossflächen des<br />

Einzelhandels werden zu Touristen-Appartments<br />

umgebaut. „Gerade der mittelständische<br />

Einzelhandel sowie die<br />

<strong>Die</strong>nstleister wie bspw. Arztpraxen klagen<br />

darüber, dass durch die zahlreichen<br />

Events aber auch Demonstrationen ihre<br />

Kunden die Innenstadt zunehmend mei-<br />

Foto: Bürgergemeinschaft Altstadt<br />

den. Und jene Gastronomen und Hoteliers,<br />

die sich dem Weltkulturerbe Dom und seiner<br />

Umgebung verpflichtet fühlen, haben<br />

Schwierigkeiten ihr Publikum zu halten.<br />

„Darüber hinaus verliert <strong>Köln</strong> immer mehr<br />

Messegäste an das entsprechende Angebot<br />

z.B. an Hotels im Umland“, so Annett Polster<br />

von Stadtmarketing.<br />

Verhindern ließe sich bspw. airbnb, hätte<br />

die Stadt <strong>Köln</strong> das Personal, entsprechende<br />

Übernachtungsmöglichkeiten zu kontrollieren.<br />

„<strong>Die</strong>s ist jedoch leider nicht der<br />

Fall“, berichtet Joachim A. Groth, der zum<br />

Vergleich Berlin anführt. „In der Bundeshauptstadt<br />

sind für dasselbe Problemfeld<br />

ausreichend Mitarbeiter tätig. Wir haben<br />

kein Gesetzes-, sondern ein extremes Vollzugsdefizit.“<br />

„Kalte Enteignung<br />

der Anwohner<br />

und Eigentümer“<br />

Dass es in <strong>Köln</strong> nicht einmal einen Anlass<br />

geben muss, um sich zusammenzurotten<br />

und zu feiern, macht das Beispiel Brüsseler<br />

Platz deutlich. Hier trifft man sich in<br />

den Sommermonaten mit der Flasche Bier<br />

in der Hand und lärmt im Wettstreit mit<br />

dem Ordnungsamt, welches regelmäßig<br />

versucht, für Ruhe zu sorgen. <strong>Köln</strong>s Stadtdirektor<br />

Stephan Keller, der sich selbst vor<br />

Ort ein Bild von den Zuständen machte,<br />

sprach in diesem Zusammenhang von einer<br />

„kalten Enteignung der Anwohner und<br />

Eigentümer.“ Das Verwaltungsgericht <strong>Köln</strong><br />

hat den klagenden Anwohnern nunmehr<br />

Recht gegeben.<br />

Leider fehlt es bisher an einer Strategie, die<br />

Potentiale der Stadt zu heben. Wenigstens<br />

ziehen die verschiedenen Stadtgesellschaften<br />

an einem Strang, um die Finger in die<br />

ärgsten Wunden zu legen. Kunst und Kultur<br />

etwa ist eines von drei Kernthemen bei<br />

Stadtmarketing <strong>Köln</strong> e.V. Und die reichlichen<br />

Kunstschätze entlang und im Umfeld<br />

der Via Culturalis, sind es allemal wert, in<br />

den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. W<br />

Heribert Eiden<br />

20 www.diewirtschaft-koeln.de

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!