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POLITIK<br />
LANDTAGSWAHL<br />
Nr. 238 /Montag, 15. Oktober 2018 3<br />
Umrahmt von anderen CSU-Spitzenpolitikern spricht Ministerpräsident Markus Söder auf der Wahlparty seiner Partei im Landtag über das „schmerzhafte“ Ergebnis.<br />
Zwischen „Demut“ und Aufatmen<br />
Foto: Kappeler/dpa<br />
München (DK) „Jawohl“,<br />
schallte es durch den Konferenzsaal<br />
4des Landtages. Dort, wo<br />
üblicherweise die CSU-Fraktion<br />
tagt, hatten sich gestern um 18<br />
Uhr ein paar hundert Christsoziale<br />
und Journalisten bei drückender<br />
Hitze versammelt, um<br />
auf großen Monitoren die ersten<br />
Zahlen zu sehen. Es zeichnete<br />
sich eine Regierungsmehrheit<br />
für CSU und Freie Wähler ab –<br />
unabhängig davon, ob die FDP<br />
den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde<br />
schafft. „Jawohl!“<br />
Als der TV-Kommentator<br />
auch noch befand, dass nach<br />
den vorläufigen Zahlen in Bayern<br />
nicht gegen die CSU regiert<br />
werden kann, brandet unter den<br />
CSU-lern sogar ordentlicher Applaus<br />
auf. Die Prognose für die<br />
eigene Partei hingegen war stillschweigend<br />
registriert worden.<br />
Die Zahlen waren schließlich<br />
keine Überraschung, folglich<br />
gab es auch keine Schmerzensschreie.<br />
Um 18.25 Uhr kommt dann<br />
auch der CSU-Spitzenkandidat<br />
und Ministerpräsident Markus<br />
Söder in den Saal 4. Eingerahmt<br />
von seinem Kabinett befindet er,<br />
es sei „kein leichter Tag für die<br />
CSU“, das Ergebnis sei<br />
„schmerzhaft“, aber man nehme<br />
es „in Demut“ an. Annehmen<br />
wolle man aber auch die „Verantwortung“<br />
und „den Auftrag“,<br />
den die Wähler der CSU gegeben<br />
hätten: „Bayern kann, wenn wir<br />
uns alle bemühen, eine vernünftige,<br />
starke und stabile Regierung<br />
bilden.“ Und der Auftrag,<br />
eine Regierung zu bilden, sei der<br />
CSU von den Wählern „eindeutig<br />
erteilt“ worden, sie sei<br />
schließlich mit Abstand die<br />
stärkste Kraft im Freistaat. Applaus.<br />
Er selbst sei bereit, „wenn<br />
Partei und Fraktion das wollen“,<br />
weiter als Ministerpräsident zu<br />
arbeiten. „Jetzt heißt es: Haltung<br />
zeigen, Pflichten erfüllen.“ Applaus.<br />
Notwendig sei nun, so Söder,<br />
zu „analysieren, was sich an Änderungen<br />
ergeben hat“. Man<br />
werde in den kommenden Tagen<br />
über die Ursachen diskutieren.<br />
Und ein wenig ledert er<br />
dann doch: Man habe sich vom<br />
Bundestrend, sprich Berlin,<br />
nicht abkoppeln können, es habe<br />
„in den letzten Wochen einiges“<br />
gegeben, was es den CSU-<br />
Wahlkämpfern „nicht einfach“<br />
gemacht habe –ein klarer Angriff<br />
Angesichts der schlechten Umfragewerte<br />
in den vergangenen Wochen war<br />
bei der CSU gestern so etwas wie ein<br />
kleines Aufatmen zu spüren: Gegen sie<br />
kann schließlich nicht regiert werden –und<br />
ein bürgerliches Bündnis<br />
ist bereits in Sicht.<br />
Von Alexander Kain<br />
LAND<br />
TAGS<br />
WAHL<br />
2018<br />
www.donaukurier.de/<br />
wahlen2018<br />
auf Seehofer, dessen Namen er<br />
aber nicht in den Mund nimmt.<br />
An ihm und den Wahlkämpfern<br />
im Freistaat habe es jedenfalls<br />
nicht gelegen, macht Söder klar,<br />
alleine 200 Großveranstaltungen<br />
habe er selbst bespielt, dabei<br />
tausende Menschen getroffen,<br />
dazu hätten die CSU-ler vor Ort<br />
auf den letzten Metern vor der<br />
<strong>Landtagswahl</strong> eine enorme<br />
„Kampfesleistung“ erbracht –<br />
und zwar in großer „Geschlossenheit“.<br />
Und die AfD, auch das<br />
verbucht Söder als Sieg für die<br />
CSU, sei in Bayern „wesentlich<br />
weniger als in anderen Bundesländern“<br />
gewählt worden.<br />
Um 19.05 Uhr kommt dann<br />
CSU-Parteichef und Bundesinnenminister<br />
Horst Seehofer in<br />
den Saal. Auch er bekennt: „Es ist<br />
kein schöner Tag für uns“, das<br />
Ergebnis sei „nicht zufriedenstellend“.<br />
Gleichwohl lese er aus<br />
den vorläufigen Ergebnissen den<br />
„klaren Auftrag, eine neue Regierung<br />
für den Freistaat Bayern zu<br />
bilden“. Wie Söder erlaubt sich<br />
auch Seehofer eine kleine Spitze:<br />
„Ich stand vor fünf Jahren hier,<br />
da war es etwas anders“, spielte<br />
er auf die <strong>Landtagswahl</strong> 2013 an,<br />
als die CSU mit 47,7 Prozent der<br />
Stimmen die Mehrheit im<br />
Münchner Maximilianeum zurückerobern<br />
konnte. Offensichtlich<br />
wissend darum, dass in der<br />
CSU nun jederzeit eine Debatte<br />
über die Schuldfrage entbrennen<br />
kann, appellierte Seehofer<br />
an die „Geschlossenheit“ in seiner<br />
Partei –und dafür, „in den<br />
nächsten Wochen“ genau aufzuarbeiten,<br />
„woran das Ergebnis<br />
liegt“. Das müsse man „in aller<br />
Sorgfalt tun“, ehe man Konsequenzen<br />
ziehe. Dass er einen<br />
„besonderen Dank“ an den Spitzenkandidaten<br />
Söder ausspricht,<br />
wird mit Applaus quittiert<br />
–und ist zugleich Seehofers<br />
Rückversicherung: Wenn Köpfe<br />
rollen, dann soll es nicht nur seiner<br />
sein.<br />
Gestern Abend sah es danach<br />
aus, dass Söder weiter sicher im<br />
Sattel sitzt. Das das gilt wohl<br />
auch für Seehofer –insbesondere,<br />
weil weit und breit niemand<br />
zu sehen ist, der jetzt mit aller<br />
Gewalt nach dem Vorsitz greift.<br />
Und Seehofer, das betonte er<br />
selbst gestern Abend ein ums andere<br />
Mal, sei schließlich bis 2019<br />
gewählt. So oder so: Der CSU<br />
stehen jetzt spannende Tage ins<br />
Haus.<br />
Schlechter als erwartet<br />
AfD landet mit knappelf Prozent der Stimmen auf Rang vier<br />
„Es tut unglaublich weh“<br />
Bayern-SPD verfällt nach dem Wahldebakel in Schockstarre<br />
Von Carsten Hoefer<br />
und Valentin Gensch<br />
Mamming/München (dpa)<br />
Das Wahlergebnis der AfD in<br />
Bayern ist schlechter als von der<br />
Parteispitze erwartet –und die<br />
Schuldigen sind schnell gefunden:<br />
„Hetze der Altparteien, vor<br />
allem der CSU“, sagt Katrin Ebner-Steiner,<br />
stellvertretende<br />
AfD-Landesvorsitzende und<br />
mögliche künftige Fraktionschefin<br />
im bayerischen Landtag. Und<br />
auch die erhoffte Jubelfeier in<br />
der niederbayerischen Gemeinde<br />
Mamming wird ein Flop –anstelle<br />
der erwarteten 350 Gäste<br />
kommen zunächst weniger als<br />
hundert Anhänger.<br />
Die Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion,<br />
Alice Weidel, ist<br />
aus Berlin angereist. Sie nennt<br />
das Ergebnis „fulminant“, doch<br />
sie spricht vor halbleerem Saal.<br />
Die Bayernwahl sollte der Partei<br />
eigentlich Rückenwind für die<br />
Wahlen in Hessen in zwei Wochen<br />
und den drei ostdeutschen<br />
Bundesländern in einem Jahr geben.<br />
Zwar ist die AfD nun im 15.<br />
von 16 Landtagen vertreten.<br />
Doch die eigenen Ansprüche waren<br />
andere.<br />
Bei der Bundestagswahl vor<br />
einem Jahr holte die AfD mit 12,4<br />
Prozent in Bayern ihr bestes Ergebnis<br />
in Westdeutschland. Nun<br />
liegt die Rechtspartei mit knapp<br />
elf Prozent bei der <strong>Landtagswahl</strong><br />
schlechter als vor einem Jahr.<br />
Am Ende landen die Rechtspopulisten<br />
hinter den Freien Wählern<br />
auf Rang vier –obwohl sie<br />
der CSU bis zu 180 000 Wähler<br />
abspenstig machen konnte.<br />
In der bayerischen AfD geben<br />
die Rechten den Ton an, doch<br />
der Landesverband ist gespalten.<br />
Ebner-Steiner hat die Unterstüt-<br />
zung des Landesvorstands, doch<br />
ein einflussreicher Konkurrent<br />
ist Franz Bergmüller, Spitzenkandidat<br />
in Oberbayern. Bergmüller<br />
hat bereits Anspruch auf<br />
den Fraktionsvorsitz angemeldet<br />
und veranstaltet seine eigene<br />
Wahlparty. Offiziell ist der als gemäßigt<br />
geltende Bergmüller gar<br />
kein AfD-Mitglied mehr. Seine<br />
Gegner haben mit Unterstützung<br />
von Landes- und Bundesvorstand<br />
Bergmüllers Rauswurf<br />
aus der Partei arrangiert.<br />
Alice Weidel (rechts) und Katrin Ebner-Steiner strahlen, doch hatten<br />
sie mit einem besseren Ergebnis gerechnet. Foto: Weigel/dpa<br />
Von Aleksandra Bakmaz<br />
München (dpa) Die Bayern-<br />
SPD in Schockstarre: In den<br />
Gesichtern der Genossen bei<br />
der Wahlveranstaltung im<br />
bayerischen Landtag ist abzulesen,<br />
was auch die Prognose<br />
auf den Bildschirmen verrät:<br />
Ein Debakel zeichnet sich für<br />
die ehemalige Volkspartei ab.<br />
Bei gerade mal 10 Prozent stehen<br />
die Sozialdemokraten um<br />
18 Uhr; im Verlauf des Abends<br />
rutschen sie dann noch weiter<br />
ab. Dabei hatte sich die SPD<br />
einen Platz vor der AfD und den<br />
Freien Wählern erhofft, doch<br />
am Ende landet sie nur auf dem<br />
fünften Platz.<br />
„Es ist echt traurig; wir haben<br />
das nicht verdient“, sagt die<br />
Landtagsabgeordnete Isabell<br />
Zacharias, die in München-<br />
Schwabing auf Stimmenfang<br />
unterwegs war. Die 53-Jährige<br />
hat Tränen in den Augen und<br />
ein paar warme Worte für SPD-<br />
Spitzenkandidatin Natascha<br />
Kohnen: „Sie war die Richtige –<br />
wir haben einen guten Job gemacht.“<br />
Keinen halben Meter<br />
entfernt steht Genosse Peter<br />
Paul Gantzer und sieht das anders.<br />
„Absturz kann man nur<br />
sagen, Absturz – und schuld<br />
sind wir selber“, sagt der Landtagsabgeordnete.<br />
Derweil fehlt von Bayern-<br />
SPD-Chefin Kohnen noch jede<br />
Spur. Sie lässt sich Zeit, zeigt<br />
sich erst rund 20 Minuten später.<br />
„Das ist eine schwere Stunde<br />
für die bayerische SPD, das<br />
ist ein echter Tiefschlag –estut<br />
unglaublich weh, was wir heute<br />
erlebt haben“, sagt die 50-<br />
Jährige. Sie spricht von einem<br />
kraftvollen Wahlkampf und einem<br />
schwierigen politischen<br />
Umfeld. „Wir haben auch gespürt,<br />
das viele Menschen eine<br />
unglaubliche Skepsis haben,<br />
was die Sozialdemokratie betrifft.“<br />
Bei der <strong>Landtagswahl</strong><br />
2013 hatten die Sozialdemokraten<br />
noch 20,6 Prozent geholt.<br />
Spitzenkandidat war damals<br />
Christian Ude. Der frühere<br />
Münchner Oberbürgermeister<br />
mahnt Konsequenzen an:<br />
„Es muss alles auf den Prüfstand,<br />
was man überhaupt<br />
überprüfen kann.“<br />
„Das ist eine schwere Stunde für die bayerische SPD“, kommentierte<br />
Natascha Kohnen das Wahlergebnis. Foto: Karmann/dpa