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rik November 2018

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MUSIK<br />

MARK FORSTER<br />

Wenn man es richtig macht,<br />

dann ist das Aufnehmen eines<br />

neuen Albums ein großes, einzigartiges<br />

Abenteuer. Und Mark Forster<br />

macht es richtig: „Ich mag es sehr<br />

gerne wegzufahren. Den Kopf wirklich<br />

freizuhaben, um nur Musik zu<br />

machen. Und es gibt ein ganz tolles<br />

Studio in Florenz, auf einem Berg<br />

voller Olivenbäume, etwas außerhalb<br />

der Stadt, von wo man direkt<br />

auf den Dom blickt. Da hat man<br />

wirklich seine Ruhe.“ Dort haben<br />

er und sein Team sich dieses Jahr<br />

eingenistet und einen Großteil des<br />

neuen Albums „Liebe“ erarbeitet.<br />

Darüber hinaus hat er – wie es mittlerweile<br />

gute Tradition bei ihm ist – die<br />

Streicher wieder in London aufgenommen.<br />

„Mit Rosie Danvers, einer ganz<br />

tollen Arrangeurin, die zum Beispiel mit<br />

Adele und Kanye West arbeitet. Und<br />

wir sind immer ihre einzige deutsche<br />

Produktion. Wir verstehen uns gut – und<br />

sie macht das glücklicherweise gerne für<br />

uns.“<br />

Aber das ist zugegebenermaßen alles gar<br />

nichts, verglichen mit der Reise, die Mark<br />

unternommen hat, um einen Kinderchor<br />

aufzunehmen – dafür ist er nämlich bis<br />

nach Uganda geflogen, damit er mit dem<br />

African Children’s Choir, dem berühmtesten<br />

af<strong>rik</strong>anischen Kinderchor, arbeiten<br />

konnte. In der Stadt Entebbe, um genau<br />

zu sein. „Das ist ein unglaublicher Ort!<br />

Die haben diese eine Akademie direkt<br />

am Victoriasee, der aussieht, als wäre er<br />

ein ganzes Meer. Die Kinder wohnen dort<br />

und gehen dort auch zur Schule, es sind<br />

alles Kids, die ursprünglich aus den Slums<br />

kommen. Später, während ihres Studiums,<br />

kehren sie zurück, um die nächste<br />

Generation auszubilden.“ Dieser Kreislauf<br />

funktioniert so nun schon seit gut vierzig<br />

Jahren und führte auch zu mehreren<br />

Grammys, die die Kinder gewinnen konnten.<br />

Mark stieß rein zufällig auf den Chor<br />

– durch eine Dokumentation auf Netflix<br />

namens „Imba Means Sing“. „Die kann ich<br />

nur empfehlen!“, sagt er nachdrücklich.<br />

Kein Wunder, denn es ist ja kein Geheimnis,<br />

dass Mark sehr gerne Chöre in seine<br />

Lieder einbaut – er mag es, wenn viele<br />

Leute gemeinsam singen („Da passiert<br />

dann auch etwas!“), wie beispielsweise<br />

auf dem letzten Album „Tape“, wo er auf<br />

vielen Liedern die Harlem Gospel Singers<br />

gefeatured hat.<br />

Also irgendwie schon klar, dass er einen<br />

Tag, nachdem er die Dokumentation<br />

gesehen hatte, in Entebbe anrief. Eine<br />

Woche später war er mit seinem Team<br />

auf dem Weg nach Af<strong>rik</strong>a. Dort haben sie<br />

dann letztlich nicht nur mit den Kindern<br />

gearbeitet. „Wir haben drei Tage mit<br />

ihnen aufgenommen und sind dann in<br />

die Hauptstadt Kampala gefahren, wo wir<br />

die zwei größten Popstars aus Uganda<br />

kennengelernt haben, Maro und Maurice.<br />

Wir sind spontan mit ihnen in ihr Studio,<br />

einem Zimmer in einem Parkhaus, haben<br />

einen Song geschrieben und aufgenommen.<br />

Abends sind wir dann direkt in die<br />

größte Radiosendung des Landes damit<br />

gegangen.“ Um am Folgetag auch gleich<br />

das Video dazu zu drehen: „In den Slums<br />

von Kampala, wo wir nur reindurften,<br />

weil wir mit Maro unterwegs waren. Und<br />

dieser Song ist jetzt auch auf meinem<br />

Album. Ich liebe es, wenn Musik so entsteht!<br />

Man hört es den Liedern an, wenn<br />

sie mit einer besonderen Motivation<br />

verbunden sind.“<br />

Um solche einmaligen, wichtigen<br />

Momente und Erlebnisse geht es auch<br />

schon in der ersten Single zum neuen<br />

Album, „Einmal“. Sie ist das Statement<br />

einer Lebenseinstellung, und das Video<br />

nimmt sich der ganzen Sache auf besondere<br />

Art an – es war wieder ein Abenteuer.<br />

„Ich habe auf Instagram und Facebook<br />

dazu aufgerufen, dass mir Fans, wenn sie<br />

Lust haben, Videos ihrer einmaligen, großen<br />

Momente schicken. Ich war platt, wie<br />

viel da gekommen ist und welche krassen<br />

Momente uns die Menschen geschenkt<br />

haben! Zum Beispiel den ersten Schritt<br />

des Kindes oder wie der Kleine sich das<br />

erste Mal die Schuhe selbst zubindet, es<br />

gab Videos von einem Heiratsantrag oder<br />

einer Hochzeit – wir wurden überrollt<br />

von großartigen Momenten! Ich bin ja<br />

nicht nah am Wasser gebaut, aber – kein<br />

Scheiß – ich musste echt hier und da<br />

heulen.“ Er selbst wollte in diesem Video<br />

natürlich auch mit dabei sein und Kim<br />

Frank fragte ihn, worauf er denn am<br />

wenigsten Lust hätte oder wovor er am<br />

meisten Angst hätte … und so kam es,<br />

dass Mark für „Einmal“ zum ersten Mal<br />

in seinem Leben einem Fallschirmsprung<br />

machte. „Ich habe latente Höhenangst.<br />

Ich habe sogar schon mal einen Gutschein<br />

dafür geschenkt bekommen, den<br />

ich aber habe verfallen lassen.“ Doch<br />

jetzt sagt er einfach: „Ich kann es jedem<br />

nur empfehlen – macht das!“, und lacht.<br />

Dass sich so viele Menschen auf seinen<br />

Aufruf über die sozialen Medien<br />

gemeldet haben, überrascht allerdings<br />

gar nicht so sehr, denn er hat allein auf<br />

Instagram über 700.000 Follower. „Ab<br />

und zu, wenn mir langweilig ist, spiele ich<br />

mit den Storys rum und poste Bullshit.<br />

Ich gehe da nicht sonderlich strategisch<br />

oder sonderlich professionell ran.“ Wenn<br />

er wieder mal auf Bahnhöfen oder am<br />

Flughafen wartet, liest er sich aber gerne<br />

die Kommentare und Nachrichten durch.<br />

„Mir werden teilweise superpersönliche<br />

Geschichten erzählt.“ Es scheint fast<br />

so, als würde er sich dafür revanchieren<br />

wollen, denn das mit dem Persönlichen<br />

gilt ausdrücklich für den Inhalt seiner<br />

neuen Lieder. „Sie zeigen, wo ich gerade<br />

stehe, sie sind ein Spiegel meiner letzten<br />

Jahre. Ich singe sehr viel und sehr konkret<br />

über mich.“ Der Albumtitel „Liebe“<br />

meint deswegen auch mehr als nur das<br />

Offensichtliche: „Es geht nicht nur um<br />

die Liebe zwischen Mann und Frau oder<br />

Mann und Mann oder Frau und Frau,<br />

sondern auch um die zu sich selbst, zur<br />

Familie, den Menschen um mich herum.“<br />

Die Musik kommt aus seinem innersten<br />

Seelenleben. „Das da hat mich in den<br />

letzten Jahren beschäftigt, während all<br />

dieser Trubel um mich herum stattfand.<br />

Ich habe tief in mich reingeguckt, was<br />

in mir los ist.“ Er hat lange mit seinem<br />

Umfeld diskutiert, ob er denn wirklich so<br />

offen sein darf. „Ich finde es ein kleines<br />

Wagnis. Ich bin sehr gespannt, wie die<br />

Menschen reagieren werden – vor allem<br />

die, über die ich auch singe.“ Genauer will<br />

er jetzt aber nicht werden … was und wie<br />

und wer gemeint sein mag, kann jeder<br />

selbst herausfinden. Obwohl man sich<br />

wohl besser auf die Suche nach seinen<br />

eigenen Abenteuern machen sollte.<br />

*Interview Christian K.L. Fischer

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