wiederum ist das Problem bekannt: Berufsgenossenschaften und die Chefs selbst müssen auf das Tragen von Hörschutz achten. Der HNO-Ärztin macht eine andere Berufsgruppe Sorgen: „Wenn Patienten im Straßenbau arbeiten, höre ich immer wieder: Gehörschutz ist lästig und unbequem“. Zur HNO-Ärztin kommen auch Patienten, die mitten im Pürmer Stadtgebiet wohnen. Am Hahnplatz kreuzen sich die Bundesstraßen B410 und 265. Lärmschutzfenster haben die meisten Wohn- und Einzelhandelsgeschäfte entlang der Zufahrtstraßen zur „Guten Stube“ der Abteistadt schon lange. Alles kein Problem – meinen Stadtbürgermeisterin Mathilde Weinandy, Architekt Maik Bömer, verantwortlich für den Umbau des Hahnplatzes und Christine Kausen, Vorsitzende des Gewerbevereins „Prüm aktiv“: „Wir wollen den Verkehr ja in die Stadt holen“, so Kausen. Warum sonst der ganze Umbau des Platzes nach Jahrzehnte langer Planung? Verkehrslärm? Prüm und die 44 Orte der Verbandsgemeinde – das sind jedenfalls verschiedene Welten, vor allem in den Orten entlang der B 51. Nach Paragraph 47d des Bundesimmissionsschutzgesetzes hat der Bauausschuss am 22. Juni diese Jahres den Lärmaktionsplan für die VG verabschiedet, dessen Inhalt trotz vorheriger öffentlicher Pflichtauslegung im vergangen Frühjahr weitgehend unbekannt ist. Dabei enthält das zehnseitige Dokument, das im Internet abrufbar ist – Bemerkenswertes: Von mindestens 55 dB(A) – das ist der langfristige 24-Stunden-Lärmpegel tagsüber laut Weltgesundheitsorganisation, der nicht überschritten werden sollte, sind im VG-Gebiet entlang 29,84 Kilometern A60, 17,60 Kilometer B51 und 6,4 Kilometer der B 410 zwischen Watzerath und Prüm 3976 Menschen auf 33,7 Quadratkilometern Fläche in 2311 Wohnungen betroffen. Für diese Gebiete sind Lärmkarten aufzustellen, die allerdings, wie schon erwähnt, keinen Rechtsanspruch auf Lärmschutzmaßnahmen ergeben. Und berücksichtigt wurden keine Kreis- oder Landesstraßen neben den genannten Hauptverkehrsstraßen. Die Gebiete, die betroffen sind, sind im Lärmaktionsplan aufgeführt: Teile der Ortsgemeinde Watzerath, der Stadtteil Niederprüm, in Prüm selbst aber auch die Bahnhofstraße, die untere Hahnstraße, die Ritzstraße und die Heldstraße. Ganz so einfach ist die Sachlage also auch in Prüms Stadtmitte nicht. Lärmprobleme gibt es 8 | 9 auch in den Dörfern der VG: Teile Dausfelds und der Dausfelder Höhe, Ellwerath, der Bereich der Siedlungen Weinsheimer Held, Brühlborn und Rommersheimer Held, Hermespand, Willwerath, Neuendorf, Teile von Winringen, Heisdorf, Feuerscheid und von Orlenbach sind erfasst. Ralf Morsch steht vor dem Mehrfamilienhaus, Wie alle Gewerbevereine, ob in Hillesheim oder Gerolstein, lehnt auch Christine Kausen für „Prüm aktiv“ Maßnahmen, die Verkehr aus der Stadt halten, ab. In Prüm hat sie ein Zusatzargument: „Warum denn sonst der Umbau des Hahnplatzes, wenn wir nicht die Leute ins Zentrum holen wollen?“ Ralf Morsch zeigt auf den Lärmschutzwall oberhalb eines Neubaugebietes vor Schlossheck. Warum die Aufschüttung nicht weiter gezogen wurde, um Verkehrslärm von der nahen A60 abzuhalten, weiß er auch nicht. Schöne „Landmusik“? Landmaschinenhändler Jürgen Stein in Hillesheim mit einem Rasenmäher: Warnaufkleber zeigen die maximale Dezibelstärke des Gerätes an. das kurz vor der Fertigstellung ist. Hier, im Neubaugebiet vor Schlossheck hat der LBM vor Jahren einen mittlerweile dicht bewachsenen mehrere Meter hohen Schutzwall gebaut. Er soll die Anwohner vor allem vor dem LKW- Zielverkehr von und zur Großmolkerei ARLA und der nahen A60-Anschlussstelle schützen. Morsch ist skeptisch, denn der Wall endet - warum auch immer - genau in Höhe der unterhalb vorbeiführenden Autobahn: „Je nachdem, wie der Wind steht, denken Sie, Sie wohnen neben der A60“. Dass Architektin Sabine Strunk eine ganze Reihe von Lärmschutzmaßnahmen beim Neubau berücksichtigen musste –Schlafzimmer hinten raus zum Beispiel – wirkt da fast schon absurd. Denn hinten raus geht’s Richtung Schutzwall, der da ja gerade endet. 466.421 Euro sind im „Lärmaktionsplan“ der Verbandsgemeinde Prüm jedenfalls an „Lärmschadenskosten“ veranschlagt. Der errechnet sich kompliziert: Umgebungslärm verursacht oberhalb von Lärmpegeln in der Nacht von 40dB(A) oder 50 dB(A) am Tag quantifizierbare jährliche Kosten. Zum Beispiel Gesundheitskosten und Wertverlust von Immobilien. Diese Kosten werden in der Regel nicht vom Lärmverursacher (zum Beispiel der LKW-Verkehr bei Schlossheck) getragen. Es sind „externe Kosten“. Was nun? Darauf gibt der Lärmaktionsplan der VG-Prüm leider keine Antwort Wer in die Eifel zieht, der tut es auch der angenommenen Ruhe wegen. Und man muss trotz alledem klar und satirisch feststellen: Die Eifel ist nicht New York, das niemals schläft! In der Region stört in den allermeisten Fällen höchstens mal die „Dorfmusik“, wie es Monika Kramp nennt. Sie und Ehemann Ralf wohnen im klitzekleinen Flesten bei Kerpen. Wenn der Rasenmäher knattert, der Freischneider oder die Kreissäge kreischt, der Laubsauger heult, der Bull-Dog durchs Dorf röhrt – so ist es eben. Nicht rund um die Uhr, nicht gleichzeitig. Kann aber auch vorkommen. Jürgen Stein, Landmaschinenhändler in Hillesheim, vertreibt das Sortiment der verschiedensten Gartenarbeit-Geräuschemacher. „50 Prozent der Kunden setzen bei den Rasenmähern mittlerweile auf Akku statt Motorantrieb“. Leiser statt bis zu 97 dB(A) lauten Modellen, bei denen der Hersteller das Tragen von Gehörschutz per Warnplakette empfehlen muss. Sein Tipp zum Thema: „Mähroboter mit Akku. Da hören Sie nichts mehr!“ Das wäre ganz im Sinne der Weltgesundheitsorganisation WHO, die am 10. Oktober neue Leitlinien für Umgebungslärm in der EU veröffentlich hat. Zugrunde liegen wissenschaftliche Studien zu gesundheitlichen Schäden durch Lärm. Neu ist die Liste der Verursacher: Freizeitaktivitäten zum Beispiel - und Lärm durch Windturbinen. Das könnte in der Region das nächste Stichwort sein.
9 Produktionstechnologe/in