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Dezember 2018 - coolibri Hamm, Unna, Hagen

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KUNST<br />

Die Gemälde des chinesischen<br />

Meisters<br />

QiuShihua zu betrachtenist<br />

schlicht<br />

faszinierend,atemberaubend.Erstwenn<br />

vorihnen verweilt,<br />

der Blickinsie versenkt<br />

wird,offenbarensie<br />

auf einmal<br />

Landschaften,Lichtstimmungen,Atmosphären–und<br />

der<br />

Betrachter weiß<br />

nicht: Hatersie<br />

selbst geschaffen<br />

oder derMaler? Die<br />

Ausstellung im Bochumer<br />

Museum unterTageheißt<br />

folgerichtig:<br />

„scheinbar:<br />

nichts.“<br />

Foto: Qiu Shihua, ohne Titel, 1986 ©<strong>2018</strong> Situation Kunst<br />

Bitte stehen bleiben –<br />

es gibt nichts zusehen<br />

54<br />

Aufden ersten Blick wirken Shihuas meistgroßformatigeBilderfastmonochrom<br />

weiß,der<br />

flüchtige Blickerkennt möglicherweiseein paar<br />

Schatten oder hellereStellen,die dasLicht stärkerreflektieren.<br />

Schenkt manihnen Zeit,Aufmerksamkeitund<br />

Achtsamkeit–dann offenbarensie<br />

erstaunlicheWelten. Eins dieser traumschönenWerke<br />

in Farbegegossener philosophischerReflektionzeigte<br />

dasMuseumunter Tage<br />

vonBeginn an in seiner Dauerausstellung „Weltsichten“.<br />

Wegendes LeinwandgreifendenWeiß<br />

vermutet derBetrachter schnelleineWinterlandschaft.<br />

Doch jetzt, wo danebenviele weitere<br />

Werkeausgestellt sind,kann mansichvon diesernaheliegendenAssoziation<br />

besser lösen.<br />

„Scheinbar:nichts“ zeigtetwa50Werke.Die aus<br />

den1970er- und80er-Jahren sind noch gegenständlichangelegtenMalereien,die<br />

Motive<br />

scheinen allerdingsauch hier schon zu verschwimmen,wie<br />

voneinem flüchtigenBlick gestreift.<br />

Danachhat QiuShihua sich zu den<br />

scheinbar leeren Bildräumen entwickelt. ZurEröffnungder<br />

Schauist er aus LosAngeles angereist.<br />

78 Jahrealt, klein, vonschmächtiger Statur,<br />

mitdünnem, langen Spitzbartsitzt er da,<br />

umgebenvon derAurades fernöstlichen Weisen.<br />

„Ich fühle mich sehr kleinund nichtgeeignet,<br />

meineBilderinsoeinem tollen Museum zu<br />

zeigen“, sagt er zurBegrüßung. Offenbar arbeiteternicht<br />

nuramVerschwindenseinerMotive,<br />

sondern auch am Rückzugdes eigenenEgos.<br />

ZurZeitseinesÖlmalerei-Studiumsander Akademievon<br />

Xi’anorientierte sich diechinesische<br />

Kunstamsozialistischen Realismus nachsowjetischemVorbild.Zur<br />

Zeit derKulturrevolution<br />

arbeitete Shihua für einKinound gestaltete Plakatmotive.<br />

Dersubtile Stil,zudem er gefunden<br />

hat, könntesichnicht deutlicher vondiesen<br />

Wurzelnunterscheiden.Erhat ihn entwickelt<br />

aufder GrundlageseinerBeschäftigungmit europäischer<br />

Kunstund derchinesischen Philosophie<br />

desDaoismus.<br />

EineÜbung in Demut<br />

„ImDaodejing, demHauptwerk desDaoismus<br />

heißtes: DasDao, dassichmit Worten beschreibenlässt,ist<br />

nichtdas wahreDao“, erklärter<br />

undzeigt aufeinsseinerweißenBilder: „IndiesemNichtskann<br />

manvielleichtetwas dahinter<br />

liegendeserkennen. So wieman manchmal<br />

glaubt, dass manetwas über dasUniversum<br />

verstanden hat. Aber dann istesgleichwieder<br />

verschwunden.“<br />

So wird dieBetrachtungvon QuiShihuas Bildern,die<br />

oftinlangenProzessen vonmehreren<br />

Jahren entstehen, zu einerMeditation. Es ist<br />

sinnvoll,wennder Betrachter immer wieder zurücktritt,<br />

seinen Standpunkt wechselt, seine<br />

Wahrnehmungüberprüft.Letztendlichist das<br />

eine ÜbunginDemut,die vielleicht auch bewusstmacht,wie<br />

begrenzt dieMöglichkeitder<br />

menschlichen Wahrnehmungist.Für kurzeMomentekonstruiert<br />

dasGehirnganze Landschaftenaus<br />

demschattiertenWeiß: Baumgruppen,<br />

Wiesen,Hügel,Seen, in denensichdas Lichtder<br />

Sonnespiegelt, dieinfastallen Bildernpräsent<br />

zu sein schein.Dochsinddiese Landschaften<br />

wirklichda? Sindsie vorgeformt durch eingeübte<br />

Sehgewohnheiten?<br />

Im Untertitelheißt dieSchau „BildweltenimDialog“,<br />

weil sieQui Shihua Tuschenchinesischer<br />

Landschaftsmalerei, Gemälde dereuropäischen<br />

Moderneund auch Fotografiengegenüberstellt,<br />

dieauch mitleeremRaumspielen,Transzendenz-Erfahrungausdrücken–aber<br />

niesoradikalLeere<br />

wagen. MaxFlorian Kühlem<br />

„Scheinbar:nichts“: bis22.4.,Museumunter Tage,Bochum;situation-kunst.de/mut

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