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Kongressjournal Ausgabe Samstag 24.11.2018

Das KongressJournal ist die offizielle Kongresszeitung der Steirischen Akademie für Allgemeinmedizin und dient der aktuellen Berichterstattung rund um den jährlichen Kongress für Allgemeinmedizin in Graz.

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KONGRESS<br />

JOURNAL<br />

Sinn und Grenzen der Vorsorgemedizin<br />

Screening: Gefahr Überdiagnose<br />

Screening soll Leben retten oder die Lebensqualität durch frühzeitige Erkennung einer<br />

Erkrankung erhöhen. Das ist aber laut Prim. a.D. Dr. Hans Concin, Bregenz, leider<br />

nicht immer der Fall. Auch in Österreich sollte man die möglichst breite Untersuchung<br />

der Bevölkerung auf mögliche Krebserkrankungen auf Risikogruppen eingrenzen.<br />

Prim. a.D. Dr. Hans Concin ist Präsident<br />

des Vereins aks (Arbeitskreis<br />

für Vorsorge- und Sozialmedizin) in<br />

Vorarlberg. Bereits 1964 wurde der<br />

Verein von niedergelassenen Ärzten<br />

gegründet. Ziel war und ist es, durch<br />

geeignete Vorsorge-, Rehabilitations-<br />

und gesundheitsfördernde<br />

Maßnahmen der Bevölkerung mittels<br />

entsprechender Programme zu<br />

einer längeren Lebenserwartung bei<br />

höherer Lebensqualität zu verhelfen.<br />

Die Finanzierung erfolgt vom<br />

Land Vorarlberg, den Sozialversicherungsträgern<br />

und dem Fonds<br />

gesundes Österreich.<br />

Dadurch besitzt man einen unendlichen<br />

Fundus an Daten und Zahlen<br />

rund um die Gesundheit. Hans<br />

Concin: „Der aks besitzt eine der<br />

größten Gesundheitsdatenbanken<br />

in Mitteleuropa. Wir überblicken<br />

Ergebnisse von Gesundenuntersuchungen<br />

von fast 200.000 Personen<br />

über einen Zeitraum von<br />

30 Jahren.“ Dazu besitzt diese<br />

Gesundheitseinrichtung auch das<br />

Vorarlberger Krebsregister und über<br />

die Statistik Austria die Daten zur<br />

Mortalität mit Todesursache. Damit<br />

ist es möglich, die Daten aus der<br />

Gesundenuntersuchung mit Krebsdiagnosen<br />

und Todesursachen zu<br />

verbinden. Immer mehr Experten<br />

aus ganz Europa greifen auch gerne<br />

auf diesen Datenpool zurück.<br />

Mammografie-Screening<br />

Ein Problem hat der Experte mit<br />

den Überdiagnosen bei onkologischen<br />

Erkrankungen. Im Falle von<br />

Krebs handelt es sich zwar um exakte<br />

und korrekte Diagnosen, die<br />

auch histopathologisch nachgewiesen<br />

sind. Hans Concin: „Sie werden<br />

aber nie symptomatisch. Das heißt,<br />

die Betroffenen erkranken nicht<br />

an diesen Diagnosen und sterben<br />

auch nicht daran.“<br />

In Vorarlberg begann man mit dem<br />

Mammografie-Screening 1989. in den<br />

Jahren danach stiegen die Krebsdiagnosen<br />

um 20 Prozent im Vergleich<br />

zum Vorzeitraum an. Die Inzidenz<br />

nahm aber, entgegen den ursprünglichen<br />

Erwartungen, nicht ab. Gleichzeitig<br />

gibt es eine Reduktion der Mortalität<br />

um bis zu 30 Prozent.<br />

Eine Gruppe sind dabei Fälle mit<br />

überflüssigen Krebsdiagnosen (Überdiagnosen),<br />

die zweite sind Patientinnen,<br />

die mit oder ohne Mammografie<br />

überlebt haben, die dritte Gruppe<br />

sind Frauen, die von der Mammografie<br />

profitieren und die vierte Gruppe<br />

stirbt mit und ohne Screening-Mammografie.<br />

„Die hohe Zahl der falsch positiven<br />

Verdachtsfälle wird im Rahmen weiterer<br />

Untersuchungen geklärt, die<br />

psychologische Belastung ist oft anhaltend<br />

hoch“, erklärte Hans Concin.<br />

Ähnliche Tendenzen wurden auch in<br />

den USA, Großbritannien, Schweden<br />

oder Frankreich erkannt. Gleichzeitig<br />

haben wir heute eine deutlich geringere<br />

Mortalität. In den letzten 25<br />

Jahren ist sie um rund 30 Prozent<br />

gesunken. Beim Vergleich der Screening-Daten<br />

aus den 1990er-Jahren<br />

mit jenen von heute war er jedoch<br />

wesentlich skeptischer: „Das Ergebnis<br />

der Screening-Daten ist nicht berauschend.<br />

Trotzdem propagieren wir<br />

das Mammografie-Screening weiter.<br />

Warum eigentlich?<br />

Screening mit Aufklärung<br />

Hans Concin will aber nicht für oder<br />

gegen ein Screening auftreten, viel<br />

wichtiger ist es ihm, die Patienten<br />

darüber aufzuklären. „Wenn man<br />

gesunde Menschen animiert, in eine<br />

Untersuchung zu gehen, dann müssen<br />

wir sie auch auf Nachteile dieses<br />

Vorgehens hinweisen“, so der Experte.<br />

US-amerikanische Untersuchungen<br />

der dortigen Krebsgesellschaft<br />

haben ergeben, dass jede fünfte Diagnose<br />

von Mammakarzinomen eine<br />

Überdiagnose ist. „In Großbritannien<br />

etwa rettet die Mammografie jährlich<br />

zwar rund 1.300 Leben. Gleichzeitig<br />

bekommen rund 4.000 Frauen<br />

eine Überdiagnose, mit allen Konsequenzen,<br />

das heißt die gesamte<br />

Krebstherapie samt psychologischen,<br />

lebenslangen Belastungen“,<br />

so Hans Concin. Daher versuchen<br />

14 KONGRESSJOURNALGraz/24. November 2018

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