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32 / FEDERKIELSTICKEN<br />
33<br />
Stich für Stich zur Kunst<br />
Die Federkielstickerei – ein seltenes Handwerk. In aufwendiger Handarbeit verziert<br />
Markus Sebrich Gürtel, Träger und Beutel und macht sie zu kostbaren Unikaten.<br />
Als die Flößer damals die Isar hinunterfuhren,<br />
frisch geschlagenes<br />
Holz in die Städte des Nordens<br />
transportierten, da trugen sie<br />
schwere, breite Gürtel. Nicht nur als Zeichen<br />
ihrer Kraft und Stärke, sondern auch zur Aufbewahrung<br />
für den Lohn, den sie für Holz<br />
und Arbeit erhielten. Gut verborgen vor den<br />
Augen und dem Zugriff von Räubern bargen<br />
die aufwendigen Handwerksstücke ihren Inhalt<br />
eng am Körper – und zierten nach außen<br />
ihren Träger: Kunstvolle Muster waren darin<br />
eingestickt – Symbole zur Herkunft und zum<br />
Beruf, Anfangsbuchstaben des Namens oder<br />
verschlungene Ornamente. Kein Stück glich<br />
dem anderen. Zugleich waren solche Gürtel<br />
selbst eine Wertanlage, dienten mitunter als<br />
Tauschwährung, zum Beispiel für eine Kuh.<br />
Kostbares Material<br />
Gleich zwei solcher „Geldkatzen“ hat<br />
Markus Sebrich in seiner Werkstatt ausgestellt.<br />
Er ist einer der wenigen im Lande,<br />
der das alte Handwerk des Bestickens noch<br />
beherrscht. Ein junger Mann, aber mit dem<br />
Blick und der Abgeklärtheit von einem, der<br />
sich gar nichts anderes mehr vorstellen kann<br />
als diese Kunst. Ihr besonderer Wert liegt in<br />
dem Material, in dem sie ausgeführt ist: feine<br />
Streifen, geschnitten aus dem Kiel von Pfauenfedern,<br />
über Generationen hinweg haltbar.<br />
„Wenn man sie sorgfältig aufbewahrt, können<br />
die Stickereien ein biblisches Alter erreichen“,<br />
berichtet Markus Sebrich.<br />
Federkielsticken, das bedeutet nicht nur<br />
„ungewöhnliches Material“. Das bedeutet<br />
auch Geduld und Genauigkeit. Einen ledernen<br />
Hosenträger zu besticken, nimmt, je<br />
nach Umfang der Verzierungen, schon mal<br />
60 und mehr Stunden in Anspruch. Das beginnt<br />
damit, dass sich Sebrich mit seinen<br />
Kunden über deren Vorstellungen unterhält,<br />
über Form, Farbe und Material.<br />
Danach folgen Skizzen für das Muster,<br />
die detailgenaue Übertragung aufs Material<br />
und schließlich das Sticken. Kielstreifen für<br />
Kielstreifen sticht er durchs Leder, der Zeichnung<br />
folgend. Mit freier Hand, ohne Nadel,<br />
nur das harte Material der Federspitze wird<br />
ab und zu nachgeschärft. Der Handwerker<br />
sitzt dabei auf seinem Stickrössl, vor sich<br />
das Werkstück eingespannt, versunken in<br />
seine Arbeit, die Ahle, mit der er die feinen<br />
Löcher im Stickmuster setzt, entspannt in<br />
der Hand. „Ich fange immer mit dem Mittelstück<br />
an, das beim Hosenträger über der<br />
Brust liegt“, erzählt er. „Von da aus entwickelt<br />
sich dann das ganze Werk.“ Wenn er<br />
die Rahmen linien stickt, laufender Hund<br />
oder laufender Schrägstich oder Hahnentritt<br />
oder eine Mischung aus allen dreien, nimmt<br />
er den Rhythmus auf, der den Rest jeder<br />
Arbeit prägt.<br />
Dem Betrachter erschließt sich bald, warum<br />
das keine Arbeit „für nebenher“ oder<br />
„für schnell-schnell“ ist. Auch er habe das<br />
früh erkannt, als er sich dieser Beschäftigung<br />
zuwandte, erinnert sich Sebrich. „Ich<br />
wollte damals selbst einen solchen Hosenträger<br />
und erfuhr, dass es eine Wartezeit von<br />
zwei Jahren gibt. So lange wollte ich nicht<br />
warten und habe lieber selbst gelernt, wie’s<br />
English Summary<br />
Markus Sebrich is one of only a few<br />
people who still master the traditional<br />
craft of embroidery. He’s a young man,<br />
but with the gaze and serenity of one<br />
who can imagine nothing more than<br />
this art. An old quill embroiderer from<br />
the village, who no longer practises<br />
the craft himself, introduced him to<br />
its subtleties – and its most important<br />
secret: how to split the quill correctly.<br />
What also makes this art very special is<br />
geht.“ Um dann die Erfahrung zu machen,<br />
dass nicht das Tempo das Kriterium ist, sondern<br />
die Präzision und das Verständnis fürs<br />
Material.<br />
Geheimnis wird bewahrt<br />
Ein alter Federkielsticker aus dem Ort, der<br />
selbst das Handwerk nicht mehr ausübt,<br />
weihte ihn in die Feinheiten der Arbeit ein<br />
– und in das wichtigste Geheimnis: „Wie<br />
man den Federkiel richtig spaltet. Da hat<br />
jeder von uns seine eigene Methode. Und<br />
die wird auch als Geheimnis bewahrt.“ Die<br />
nötigen Federn erhält er von zwei Pfauenhaltern<br />
aus Uffing und Antdorf: „Pfauen sind<br />
in unserer Region selten geworden, früher<br />
gab’s die auf vielen Höfen. Darum ist die<br />
Federkielstickerei im Alpenraum auch schon<br />
so lange zu Hause.“ Nicht nur Hosenträger,<br />
auch Gürtel und Geldbeutel wandern inzwischen,<br />
in Sebrichs kleiner Werkstatt bestickt,<br />
in den Besitz kunstsinniger und stilbewusster<br />
Menschen. Menschen, die sich nicht<br />
mit billigeren Imitaten begnügen. Die sich<br />
auf Fantasie, Geschick und Sorgfalt dieses<br />
jungen Mannes verlassen, der einen einzigartigen<br />
Weg für seine Kunst gefunden hat.<br />
Stich für Stich.<br />
<br />
Ulrich Pfaffenberger<br />
the material it uses: fine strips cut<br />
from peacock tail feathers and<br />
durable for generations. “If you keep<br />
them carefully, the embroideries can<br />
reach biblical age,” says Markus. Quill<br />
embroidery means more than just<br />
an “unusual material”; it also involves<br />
great patience and accuracy, as depending<br />
on the decorations, it can take<br />
sixty hours to embroider something<br />
like a pair of leather braces.<br />
Wenn man sie<br />
sorgfältig<br />
aufbereitet,<br />
können die Stickereien ein<br />
biblisches Alter erreichen.<br />
Markus Sebrich, Federkielsticker<br />
Federkielstickerei<br />
Sebrich<br />
+49 160 97965119<br />
info@federkielsticken.de<br />
www.federkielsticken.de