Gästemagazin Grenzenlos Sommer 2018

60 / EISHEILIGE
PASST MIR UND ZU MIR.
Eiskalte Typen
Pankratius, Servatius und Bonifatius sowie die „Kalte Sophie“. Vier Namen,
die jedem Bauern einen Schauer über den Rücken jagen. Denn mitten
im Frühjahr zeigen uns die „Eisheiligen“ noch einmal die kalte Schulter.
Eisheilige? Nun ja, die frühchristliche
Märtyrerin und ihre Brüder im Glauben
können natürlich nichts dafür,
dass es mitten im Mai noch einmal
eisig kalt werden kann. Ursache dafür ist
eine „meteorologische Singularität“, also ein
Wetterereignis, das relativ verlässlich zu einem
bestimmten Zeitpunkt die gerade herrschende
Normalität durchbricht. In Europa
zählt neben den Eisheiligen auch die Schafskälte
dazu. In diesem Fall zischt noch einmal
kalte Polarluft in den aufgewärmten Süden
und macht die Nächte frisch und sternenklar,
die Tage „zapfig kalt“. Weil zu diesem
Zeitpunkt eben die vier Heiligen der katholischen
Kirche im Kalender stehen, wurde ihnen
schon vor über 1.000 Jahren unfreiwillig
die Patenschaft über die eisigen Tage zuteil.
Frost lässt das Frühjahr bibbern
Mit wem haben wir es genau zu tun? Vor
allem im norddeutschen Raum beginnen
die Eisheiligen mit Mamertus, dem Bischof
von Vienne, und seinem Gedenktag am 11.
Mai. In Süddeutschland und Österreich gilt
allerdings der Märtyrer Pankratius, der als
junger Mann in Rom seines Glaubens wegen
enthauptet wurde, und dessen Gedenktag
am 12. Mai ist, als erster Eisheiliger. Am Tag
darauf folgt Servatius, der im 4. Jahrhundert
Bischof im belgischen Tongeren war. Er gilt
als Schutzpatron gegen Fußleiden, Frostschäden,
Rheumatismus und Rattenplagen.
Den dritten Mann im Bunde, Bonifatius, darf
man nicht mit dem späteren „Apostel der
Deutschen“ verwechseln, der gut 400 Jahre
später den christ lichen Glauben ins heidnische
Germanien brachte. Als Erster trug
ein junger Mann aus dem heute türkischen
Tarsus diesen Namen, der ebenfalls für seinen
Glauben in den Tod geschickt wurde.
Vermutlich, und so wird es bis heute dargestellt,
in kochendem Pech – alles andere als
eisig also. Am 15. Mai enden die Eisheiligen
dann mit der heiligen Sophia, ebenfalls eine
Märtyrerin aus Rom. Mit ihrem Gedenktag,
so lehren es alte Bauern-Regeln, kehrt endgültig
der Frühling ein: „Vor Nachtfrost du nie
sicher bist, bis Sophie vorüber ist.“
Wobei das – erfahrene Gärtner wissen
Bescheid – nicht ganz wörtlich zu nehmen ist.
Seit der Gregorianischen Kalenderreform 1582
haben sich die alten Regeln um zehn Tage
verschoben, mit Kälteeinbruch und Bodenfrost
ist noch bis zum 20. Mai zu rechnen.
Ulrich Pfaffenberger
English Summary
St. Pancras, St. Servatius, St. Boniface,
and St. Sophia – four names that have
always sent a shiver down the spines
of farmers. In the middle of spring,
these four “ice saints” once again
give us the cold shoulder, as it were:
the ice saints are a “meteorological
singularity”, i.e. a weather event that
fairly reliably disrupts the normal
weather at a certain point in time.
In Europe, besides the ice saints,
such events also include the hot
“dog days” of summer. In our case,
cold polar air blows south and
makes the nights fresh and starry,
the days cold. Because this is the
time of the four saints’ feast days
in the Catholic calendar, their
names were involuntarily adopted
to describe these icy days over a
thousand years ago.
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