„ WIR MÜSSEN DAS PRODUKT VERSTEHEN, LEBENSMITTEL WIEDER WERTSCHÄTZEN LERNEN.“ PATRICK MÜLLER-SARMIENTO „ ES IST NICHT DIE QUANTITÄT, DIE KULINARISCHE ERLEBNISSE SCHAFFT, ES IST DIE QUALITÄT.“ HANS STEFAN STEINHEUER PATRICK MÜLLER-SARMIENTO lenkt als Vorsitzender der Geschäftsführung die Warenhauskette real. Zwei- Sterne-Koch HANS STEFAN STEINHEUER führt ein Gourmetrestaurant. Beim Zusammentreffen der beiden zeigen sich mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Herr Müller-Sarmiento, wie entstand die Idee zu diesem Buch? PMS: Die Idee zu den <strong>Rezepte</strong>n ist parallel mit der Idee zur Markthalle entstanden. Wir hatten vor der Eröffnung der ersten Markthalle in Krefeld im Herbst 2016 ein leerstehendes Restaurant gemietet. Zum einen, um unsere Teams auf die Aufgabe in der Markthalle vorzubereiten, zum anderen, um die <strong>Rezepte</strong> zu entwickeln, die wir sowohl <strong>für</strong> unser Werbemagazin als auch <strong>für</strong> die Speisekarte der Marktküche benötigten. Ein riesiger Aufwand, oder? PMS: In der Tat, aber <strong>Rezepte</strong> und Rezeptfotos zu kaufen, kam <strong>für</strong> uns nie in Frage. Wir wollten etwas Einzigartiges schaffen, haben viel Zeit in die Rezepturen investiert und auch darin, eine eigene Bildsprache zu entwickeln. <strong>Das</strong> Buch ist eine Dokumentation des kulinarischen Konzepts der Markthallen, die ja die Themen Regionalität, Saison und Nachhaltigkeit in den Fokus stellen. Herr Steinheuer, die Marktküchen der Markthallen können aus den Vollen schöpfen. Gekocht wird ausschließlich mit frischen Produkten aus dem Markt. Beneiden Sie die Teams um diese kurzen Wege? HSS: Mein Credo war immer: <strong>Das</strong> beste Produkt ist das mit dem schnellsten Weg in die Küche. Wenn man die Wege und seine Lieferanten kennt, ist das eine große Sicherheit. Als Gastronom haben wir hier sicherlich noch mal andere Möglichkeiten, an regionale Produkte heranzukommen. Ich habe zum Beispiel einen älteren Herrn bei mir in der Nachbarschaft, der <strong>für</strong> mich Kräuter und seltene Gemüse zieht. Als ich beispielsweise im letzten Jahr vom Geschmack einer speziellen andalusischen Tomate begeistert war, gab ich ihm die Samen, und jetzt im Sommer konnte er mich damit versorgen. <strong>Das</strong> ist doch toll. PMS: <strong>Das</strong> ist sensationell, allerdings gehört da auch wieder Know-how dazu, man muss sich mit den Dingen beschäftigen. <strong>Das</strong> machen nicht mehr viele. So ist bereits eine Menge Wissen verloren gegangen, das früher über die Generationen weitergegeben wurde. Die wenigsten wissen ja, wie man eine Frikadelle zubereitet, welche Zutaten man da<strong>für</strong> braucht. HSS: Genau mein Ansatz. Es wird viel über das Essen geredet, Kochshows werden geschaut, aber wenn man nachfragt, dann wird die Luft schnell dünn. Esskulturelle Bildung gehört <strong>für</strong> mich deshalb bereits in den Kindergarten. PMS: <strong>Das</strong> sehe ich auch so. Auch wir als Händler müssen umdenken und besser werden. Es kommt nicht nur darauf an, zu besten Konditionen ein- und zum besten Preis wieder zu verkaufen. Wir müssen das Produkt verstehen, Lebensmittel wieder wertschätzen lernen. Und: Dieses Wissen um das Produkt, um seine wertbildenden Eigenschaften, müssen wir dem Kunden vermitteln, denn schließlich sind das am Ende die Faktoren, die über den Preis bestimmen. HSS: Ganz wichtiges Thema. Vielen ist der Bezug zum Lebensmittel abhandengekommen. Alles ist immer verfügbar. Themen wie zum Beispiel die Schlachtung von Tieren blendet die Masse aus. <strong>Das</strong> gehört aber dazu, wenn man sich verantwortungsvoll ernähren will. Ein Hühnchen muss geschlachtet werden, bevor es zu viereckigen Nuggets wird. Ihre Gäste sind da wahrscheinlich schon einen Schritt weiter … HSS: Unsere Gäste im Restaurant erwarten von uns, dass wir ihnen die Story zu ihrem Teller erzählen. <strong>Das</strong> ist zum einen die Geschichte eines hervorragenden Grundprodukts, zum anderen die seiner Veredelung durch uns. <strong>Das</strong> ist eine Entwicklung, die sich auch in meinen Kochkursen bestätigt. PMS: Wir wissen, dass viele unserer Kunden ebenfalls ein großes Bedürfnis nach Informationen haben. Hier wird gezielt nach Empfehlungen, nach Verwendungsmöglichkeiten eines bestimmten Produkts gefragt. Diese Fragen muss man erst einmal beantworten können. Wie stellen Sie das sicher? PMS: Zum einen durch entsprechende Schulungen unserer Mitarbeiter. Zum anderen durch einen Wandel in der Art und Weise unserer Kundenansprache. Der Preis eines Produkts steht nicht alleine im Fokus des Angebots, sondern immer mehr dessen besondere Merkmale und Eigenschaften. <strong>Das</strong> kann zum Beispiel die Seltenheit eines Produkts aufgrund seiner exzellenten Qualität sein oder aber auch seine nachhaltige Herstellung. <strong>Das</strong>s wir hier auf dem richtigen Weg sind, zeigt auch der Zuspruch zu den Angeboten unserer Kochakademie in der Markthalle. Wir bieten in Krefeld regelmäßig Kochkurse zu bestimmten Themen an, und die sind immer sehr gut besucht. Sie sehen, wir haben uns in der Ansprache einiges bei Ihrer Sterneküche abgeschaut … HSS: … das finde ich hervorragend! Wir verfolgen – wenn auch auf verschiedenen Wegen – das gleiche Ziel: die Verbesserung der esskulturellen Bildung. Was bedeutet <strong>für</strong> Sie „<strong>Das</strong> <strong>Gute</strong> <strong>leben</strong>.“? PMS: Für mich persönlich heißt „<strong>Das</strong> <strong>Gute</strong> <strong>leben</strong>“ vor allem <strong>Gute</strong>s zu mir zu nehmen. <strong>Gute</strong>s Essen setzt gute Produkte voraus. Ich möchte persönlich kein Gemüse zu mir nehmen, das mit Pestiziden besprüht wurde, oder Fleisch essen, das aus Massenhaltung stammt. Diese Entscheidung muss aber jeder <strong>für</strong> sich treffen. Wir wollen hier nicht mit erhobenem Zeigefinger daher kommen. Mit dem Claim wollen wir unsere Kunden dazu motivieren, sich selbst die Frage zu stellen: Was ist <strong>für</strong> mich gut? Welche Anforderungen stelle ich an ein gutes Produkt? <strong>Gute</strong>s, in Ihrem Fall Nachhaltiges, hat seinen Preis … PMS: <strong>Das</strong> ist ja auch richtig so. Denn die Mehrarbeit, die in ein nachhaltiges Produkt gesteckt wird, muss honoriert werden. Der Preis sollte fair sein. Es ist aber auch eine Bewusstseinsfrage. Ich muss mir ein gutes Produkt leisten wollen. Vielleicht muss ich auf einen Kinobesuch, den Besuch im Schnellrestaurant oder den neuesten Fernseher verzichten. Wenn ich mich gut ernähren will, dann ist das auch machbar. HSS: Sehr guter Punkt, ich finde auch, dass es einer Haltung bedarf. Für mich hat gut zu <strong>leben</strong> auch mit der Bereitschaft zu tun, sich die Zeit da<strong>für</strong> zu nehmen, bestimmte Dinge zu 4 5