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PHILIPP HOCHMAIR<br />
JEDERMANN RELOADED<br />
„Jedermann Reloaded“ – Schallplatten-Release im Thalia Theater in Hamburg<br />
Foto: © Thomas Schloemann<br />
Heute schon einmal herzlich gelacht?<br />
PHILIPP HOCHMAIR:<br />
Ja … schon …<br />
Worüber?<br />
Über meinen komischen Bart …<br />
ich drehe gerade einen Film, und<br />
auf dem Kontrollmonitor sehe ich<br />
immer mit Verwunderung meine<br />
eigenartigen Bartlöcher.<br />
Auf manchen Fotos von Ihnen sähe<br />
Keith Richards vergleichsweise wie ein<br />
Chorknabe aus. Sind Sie auch innerlich<br />
ein Rock ’n’ Roller, ein wilder Hund?<br />
Ja, in meinem Herzen ist immer<br />
eine große Party.<br />
Nachdem Diego Maradona bei der WM 1986 sein entscheidendes<br />
Foul-Tor erzielt hatte, sprach er von der<br />
„Hand Gottes“. Leitet sich Ihr Bandname davon ab?<br />
Dieser Begriff war ein schöner Zufall … wahrscheinlich<br />
ein Wink von ganz oben. Unser<br />
Name leitet sich von unserem ersten Tourbus<br />
ab, einem ausrangierten Lieferwagen eines<br />
Elektrohändlers. Da stand einfach nur „Elektro<br />
Hand“ mit einem Bitzsymbol. Das „Werk“ von<br />
„Elektrohandwerk“ war weggekratzt. Und da,<br />
wo der Blitz einschlägt, da ist Gott. Und jetzt<br />
ist da auch „Die Elektrohand Gottes“.<br />
Sie hatten schon zahlreiche Performances von „Jedermann<br />
Reloaded“, darunter auch einige in China,<br />
hinter sich, als Sie dann 2018 als Einspringer für<br />
Tobias Moretti im traditionellen Original am Salzburger<br />
Domplatz bejubelt und in der Folge in allen<br />
Medien gefeiert wurden – ist das nicht paradox?<br />
Der „Jedermann“ ist ein „Morality Play“ aus<br />
dem Mittelalter und gleichzeitig für mich das<br />
Stück unserer Zeit. Das Thema betrifft alle, betrifft<br />
jedermann und jedefrau auf der ganzen<br />
Welt. Die Frage nach unseren Werten, unserem<br />
Glauben, wer wir sind und wo wir hingehen,<br />
kann man überall spielen. Egal, ob klassisch am<br />
Domplatz oder als Rockkonzert in China.<br />
„Jedermann Reloaded“ kam kürzlich als Album heraus.<br />
Findet es Zuspruch? Sie traten damit sogar im<br />
Stephansdom auf – hätten sie das noch vor einem Jahr<br />
erwartet?<br />
Ich wusste, der richtige Zeitpunkt wird kommen.<br />
Alle Termine rund um das Album-Release<br />
– im Burgtheater, im Stephansdom und im<br />
Thalia Theater in Hamburg – waren binnen<br />
kürzester Zeit ausverkauft. Die CD, die Doppel-LP<br />
und der Stream z. B. auf Spotify finden<br />
großen Zuspruch. Geholfen hat dabei sicher<br />
diese Sternstunde am Salzburger Domplatz.<br />
Aber das eigentlich Fantastische für mich ist,<br />
dass es uns gelungen ist, das Publikum mit<br />
dieser Hörversion, diesem Hörbuch auf eine<br />
Reise in Jedermanns Kopf mitzunehmen. Diesen<br />
wertvollen Text ganz neu zum Klingen zu<br />
bringen.<br />
DER<br />
HOCHMAIR<br />
VÖGELT<br />
DEN TEXT<br />
Friederike Heller<br />
Und damit ganz neue Hörerschaft zu<br />
begeistern. Leute die sonst vielleicht<br />
nie mit „Jedermann“ in Berührung<br />
gekommen wären.<br />
In einem Interview haben Sie sich als<br />
religiös bezeichnet, in welcher Form<br />
sind Sie es?<br />
Ich glaube an das Gute, an die Liebe.<br />
Und in der Bibel steht: „Gott ist die<br />
Liebe.“<br />
Würde Sie ein Voll-Engagement als<br />
Salzburger Jedermann freuen?<br />
Ich bin für den Jedermann immer voll-engagiert,<br />
nicht nur in Salzburg.<br />
Die Theater-Regisseurin Friederike Heller sagte über<br />
Sie: „Der Hochmair vögelt den Text.“ Was kann sie<br />
gemeint haben?<br />
Vielleicht meine ekstatische Hingabe beim Performen<br />
von Theatertexten?<br />
Sie sind ja eine Art elektrischer Bänkelsänger, haben<br />
Sie da Vorbilder, etwa Klaus Kinski?<br />
Ja … ich liebe Kinski! Wer nicht? Ich bin also<br />
so eine Art Elektro-Bänkelsänger Gottes.<br />
Welchen Einfluss auf Ihren Werdegang hatte Ihr<br />
Lehrer Klaus Maria Brandauer?<br />
Einen ganz entscheidenden. Er hat mir die nötige<br />
Freiheit und den Mut mitgegeben, die man<br />
braucht, um in die große Welt hinauszugehen.<br />
Sie haben die bedeutendsten Rollen der Theaterkultur<br />
gespielt, den Hamlet, den Orest, den Tasso, den Mephisto,<br />
den Dorfrichter Adam etc. Gibt es für Sie einen<br />
noch unerfüllten Rollenwunsch?<br />
Diego Maradona bei der WM 1986 als spanischen<br />
Fußballer-Monolog im Ernst-Happel-<br />
Stadion.<br />
Und James Bond? Die Rolle scheint demnächst frei zu<br />
werden.<br />
Bisher gab es nur zwei James-Bond-Darsteller,<br />
die nicht Engländer, Schotten, Waliser oder<br />
Iren waren – und sie hatten jeweils nur einen<br />
Einsatz. Ab März darf ich ja wieder in Wien<br />
ermitteln, als blinder Kommissar. Der ist ja<br />
auch eine Art österreichischer James Bond.<br />
Im TV-Krimi „Blind ermittelt“ sind Sie ohne Augenlicht<br />
– gibt es spezielle Anforderungen, wenn man<br />
einen Blinden spielt?<br />
Ich habe mich dazu entschlossen, als Vorbereitung<br />
zum „Dialog im Dunklen“ zu gehen. Diese<br />
Einrichtung gibt es in Hamburg und in<br />
Wien, und da hat man zwei oder drei Stunden<br />
lang die Möglichkeit, Aufgaben in kompletter<br />
Dunkelheit zu lösen. Was ich hier gelernt<br />
habe – bzw. die Auseinandersetzung mit dem<br />
Bewusstsein, wie es wäre, ohne jegliche Sehfähigkeit<br />
weiterleben zu müssen –, war der Schlüssel<br />
zum Tor in die Fantasiewelt dieser Rolle.<br />
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