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Stadtmagazin CLP Ausgabe 28

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eportage<br />

Volkskundlerin Christina<br />

Hemken durchforstete drei<br />

Jahre lang Unmengen von<br />

Akten und Inventarlisten auf<br />

der Suche nach Raubgut im<br />

Museumsdorf und präsentiert<br />

nun den beeindruckenden<br />

Band „Im Schatten des<br />

totalen Krieges: Raubgut,<br />

Kriegsgefangenschaft<br />

und Zwangsarbeit“.<br />

Christina Hemken –<br />

Auf der Suche nach geraubten Kulturgütern<br />

Beim Bummel durch das Cloppenburger Museumsdorf<br />

bewundern die Besucher die alten historischen Bauernhäuser,<br />

Windmühlen, Werkstätten, Wirtschaftsgebäuden<br />

und sogar einen Adelssitz. Leben wird den historischen<br />

Gebäuden allerdings erst durch die authentische Einrichtung<br />

eingehaucht: alte Bauernschränke in der Wohnstube, landwirtschaftliche<br />

Gerätschaften oder altes Geschirr, das in den<br />

Schränken und auf den Tischen steht.<br />

Drei Jahre lang beschäftigte sich die Volkskundlerin Christina<br />

Hemken im Rahmen der Provenienzforschung (Herkunftsforschung)<br />

mit der Frage, ob auch geraubtes jüdisches<br />

Kulturgut in den Ausstellungen und Depots des 1934<br />

eröffneten Museumsdorfes zu finden ist. Das Museumsdorf<br />

wurde dabei als erstes Freilichtmuseum vom Deutschen Zentrum<br />

Kulturgutverluste gefördert und die Ergebnisse wurden<br />

nun in einem umfangreichen Katalog vorgestellt.<br />

Die Provenienzforschung setzt sich mit der Herkunft von<br />

Kunstwerken und Kulturgütern vor allem in Museen und öffentlichen<br />

Einrichtungen auseinander. Die Forscher begeben<br />

sich dabei auf die schwierige und oft sehr zeitaufwendige<br />

Suche nach der Herkunft und den Vorbesitzern der Sammlungsobjekte<br />

um festzustellen, ob sie aus ehemals jüdischem<br />

Eigentum stammen und in der Zeit des Nationalsozialismus<br />

unrechtmäßig entzogen wurden. Darunter fallen auch die<br />

Objekte, die von jüdischen Familien oft weit unter Wert verkauft<br />

oder auf der Flucht beziehungsweise aufgrund ihrer<br />

Deportation zurückgelassen werden mussten.<br />

Schnell wurde klar, dass sich auch im Museumsdorf geraubtes<br />

jüdisches Kulturgut befinden könnte. Eine eher<br />

unscheinbare Suppenterrine steht symbolisch für ein ganz<br />

besonderes, von der Forschung nur schwer zu erfassendes<br />

Raubgut – alltägliche Gebrauchsgüter. Die Terrine wurde in<br />

den vierziger Jahren von einer Familie aus dem Osnabrücker<br />

Land bei den sogenannten „Hollandgut“-Verkäufen erworben,<br />

die im großen Umfang auch in Nordwestdeutschland<br />

durchgeführt wurden.<br />

Da den neuen Besitzern aber durchaus bewusst war, woher<br />

diese Ware stammte, nämlich aus dem Besitz deportierter<br />

jüdischer Familien, war sie niemals benutzt worden.<br />

Schließlich wurde die Terrine von der Erbin im vergangenen<br />

Jahr dem Museumsdorf übergeben. „Wir wussten einfach<br />

nicht, was wir damit machen sollten“, sagte sie sichtlich erleichtert<br />

bei der Übergabe. Aber nicht alle Käufer hatten ein<br />

schlechtes Gewissen, weiß Christina Hemken aus zahlreichen<br />

Gesprächen, die sie im Rahmen ihres Forschungsprojektes<br />

geführt hat. So wurde ihr vom guten Wohnzimmer der Großeltern<br />

berichtet, das – ausgestattet mit besonders schönen<br />

und kostbaren Möbeln – ganz offen „Omas Juden-Stube“ genannt<br />

wurde.<br />

„Es ist erschreckend in welchen unvorstellbaren Mengen<br />

Möbel und komplette Haushaltseinrichtungen als sogenanntes<br />

´Hollandgut` aus den Niederlanden vor allem in den<br />

Weser-Ems-Raum gebracht wurden“, erklärt sie, die Unmengen<br />

von Akten sowie Einkaufs- und Inventarlisten im eigenen<br />

Museum und in verschiedenen Archiven auf der Suche<br />

nach versteckten Hinweisen durchforstete.<br />

Dabei wurde deutlich, mit welch kaltblütiger Systematik<br />

die Plünderungen in den besetzten Gebieten von eigens<br />

eingesetzten „Hausraterfassungskommissionen“ im Rahmen<br />

der sogenannten „M-Aktion“ durchgeführt wurden. Die<br />

26 Das <strong>Stadtmagazin</strong> für Cloppenburg & umzu | Reportage

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