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BLATTWERK AUSGABE No.8 – September bis November 2018

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FERNSEHMODERATORIN Wir schreiben den 15. Jänner 1933.<br />

Es sind unruhige Zeiten. Stürmische Zeiten. Zeiten der<br />

Wirtschaftskrise. Arbeitslosenkrise. Blauäugigen-Krise.<br />

Angst und Sorgen bestimmen das Leben vieler Bürger.<br />

Aus Bürgern wurden besorgte Bürger.<br />

KLATSCHERIN Wir sind das Volk!<br />

ist hie und da zu hören. Gleichzeitig schaut „Talkshow 1933<br />

- und welche Augenfarbe haben Sie?“ auch in die Vergangenheit,<br />

hat eine geschichtliche Basis. Denn als textliche<br />

Grundlage verwendete Petra Piuk die „Verhandlungsschrift<br />

über die am 15. Jänner 1933 in Oberwart abgehaltene Tagung<br />

zur Zigeunerfrage im Burgenland“. An dieser Konferenz<br />

hatten Politiker und hochrangige Beamte teilgenommen,<br />

um Lösungen für das sogenannte „Zigeunerproblem“<br />

zu erarbeiten. Realität und Fiktion verschwimmen. Vergangenheit,<br />

Gegenwart und Zukunft sowieso. Über eine<br />

Schwarz-Weiß-Optik möchte Regisseurin Angelika Messner<br />

den Eindruck erzeugen, man schaue in einen alten Fernsehapparat<br />

und damit eben in die Vergangenheit. Dazu platziert<br />

sie außerdem Erinnerungs- und Kleidungsstücke der<br />

Roma etwa unter Podesten <strong>–</strong> um auch optisch zu zeigen,<br />

worauf die heutige Diskussion fußt und wo der Faschismus<br />

von heute seine Basis hat.<br />

WEITER NACH EINER WERBEPAUSE<br />

Unterbrochen werden die Diskussionen in der Talkshow<br />

von absurden Werbeeinschaltungen, die beispielsweise<br />

den Menschen, die im Katastrophengebiet Österreich leben,<br />

raten in Alarmbereitschaft zu sein und Vorräte anzulegen.<br />

Man will die Vergiss-mein-schnell-Tablette an<br />

Mann und Frau bringen, damit sie von den 71 Toten auf<br />

den burgenländischen Straßen nichts mitbekommen haben<br />

werden. Oder Afghanistan wird als Urlaubsdestination<br />

angepriesen.<br />

Man hört Zwischenrufe von DemonstrantInnen, eine stört<br />

sogar mit Gesang die Show. Und während langsam auffällt,<br />

dass der Fernsehpraktikant blaue Augen hat, kommt der<br />

„Special Guest“, der Zukunftspolitiker (ausgerüstet mit ei-<br />

nem modernen iPad), zu Wort. Er glaubt, dass die Blauäugigen-Feindlichkeit<br />

in der Politik der Zukunft keinen Platz<br />

mehr haben wird. Er erklärt, dass nicht die Blauäugigen das<br />

Problem seien, sondern die Blondhaarigen. (Die Moderatorin<br />

betont, dass sie nur gefärbte blonde Haare hat und in<br />

Wahrheit gar nicht blond sei). Jedenfalls, um die Blondhaarigenfrage<br />

zu lösen, berichtet der Zukunftspolitiker, habe<br />

man in der Zukunft eine gute Maßnahme gefunden: Man<br />

hätte die Balkanroute erfolgreich geschlossen. Die anderen<br />

Diskutanten horchen auf. Es brauche eine entsprechende<br />

Infrastruktur, damit es gelingen könne, die Blauäugigen<br />

konzentriert an einem Ort zu halten, sind sie sich einig. Der<br />

NGO-Wahnsinn müsse ein Ende haben. Und man erklärt:<br />

Es könne nicht ohne hässliche Bilder gehen. An hässliche<br />

Bilder müsse man sich gewöhnen.<br />

GESETZ IST GESETZ<br />

Apropos hässliche Bilder: Ein Polizist holt den Fernsehpraktikanten<br />

ab. Es war wohl eine Frage der Zeit. Denn<br />

er hat ja blaue Augen und ein Job schützt nicht. Die Moderatorin<br />

fragt, wer ihr jetzt Wasser nachschenken wird.<br />

Er werde ihr fehlen. Aber Gesetz sei eben Gesetz. Sein<br />

weiteres Schicksal wird noch einmal Thema werden. Und<br />

zumindest ganz kurz Betroffenheit auslösen. Aber Gesetz<br />

ist … wobei. Moment <strong>–</strong> während die Sendung läuft, verändert<br />

sich allerhand: Platzsperren werden ausgeweitet, das<br />

Demonstrationsrecht außer Kraft gesetzt, ein Versammlungsverbot<br />

und ein Vermummungsverbot erteilt und die<br />

Medienberichterstattung eingeschränkt. Ruckzuck. In der<br />

Sendezeit. Unter Pferdegewieher wird gleich die Demo<br />

vor dem Studio aufgelöst. Drinnen fallen Schüsse. Oder ist<br />

ein anderes Ende möglich? Kann man zurückspulen und<br />

Alternativen überlegen?<br />

„EINE TALKSHOW. EIN THEATERSTÜCK. STÜCK<br />

UND WIRKLICHKEIT. WO IST DER UNTERSCHIED?<br />

DAMALS. HÄTTE ICH GERUFEN: STOPP! NOT IN<br />

MY NAME! ICH HÄTTE GERUFEN: MISCHT EUCH<br />

EIN! STEHT AUF! EMPÖRT EUCH! JETZT.“<br />

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