BLATTWERK AUSGABE No.8 – September bis November 2018
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ten, ein kroatisches Kinderlied zu einer<br />
Melodie von Giovanno Battista Pergolesi,<br />
ein bulgarischer Tanz, komponiert von<br />
einem österreichischen Schriftsteller, ein<br />
anderer gleichfalls bulgarischer aus dem<br />
Repertoire der irischen Folkszene. Auffällig:<br />
Auch die Texte der traditionellen<br />
Lieder sind vollgesogen mit weiblichem<br />
Self-Empowerment. Dazwischen immer<br />
wieder spannende Instrumentals von Lina<br />
Neuner (Technoidl, Elegy, Infreddolita) und<br />
Ljubinka Jokić (Ages).<br />
In vielen stilistischen Farben funkelt die<br />
Welt von Madame Baheux (eine „Französisierung“<br />
übrigens des Wiener Slangworts<br />
„Bahö“ = Tohuwabohu), mehr als nur eine<br />
Synthese von Popržans vielen darstellerischen<br />
und musikalischen Talenten, Jokićs<br />
erdiger 70ies-Gitarre und Soulstimme,<br />
Neuners Jazzsensibilität und Maria Petrovas<br />
rhythmischer Finesse formt diese Welt.<br />
Madame Baheux haben ein dynamisches<br />
Konzept entwickelt, das sowohl bei fast<br />
allen Genres andocken als auch von allen<br />
ausgeschlossen werden kann. Was ist das<br />
also? Art-Rock? Jazz? Dark Cabaret? Fempop?<br />
World? Balkan? Agitprop? Kunstmusik<br />
zwischen Punk und Klassik? ...<br />
Die musikjournalistischen Schubladen<br />
knirschen und bersten jedenfalls bei jedem<br />
Madame-Baheux-Konzert.<br />
URSULA NEUBAUER IM GESPRÄCH MIT JELENA POPRŽAN,<br />
STIMME UND VIOLA BEI MADAME BAHEUX<br />
„Madame Baheux“ ist eine vierköpfige Frauenband mit Balkanherkunft,<br />
die im Oktober mit neuem Album durch Österreich tourt.<br />
Wir haben mit Frontfrau Jelena Popržan geredet:<br />
Wie würdest du eure Musik jemandem beschreiben, der euch<br />
noch nie gehört hat?<br />
Ich versuche meistens die Einflüsse aufzuzählen, also: Rock, Jazz,<br />
Cabaret, Klassik, traditionelle Musik vom Balkan <strong>bis</strong> nach Irland,<br />
... Bahö halt!<br />
Eure Musik wird oft als "World Music" bezeichnet <strong>–</strong> passt das<br />
für euch?<br />
Uns ist das eigentlich herzlich egal! Was uns nicht egal ist, wenn<br />
wir auf „Balkan" reduziert werden. Unsere Musik hat viele andere<br />
Einflüsse, die oft weniger wahrgenommen werden. Somit werden<br />
wir eher als Repräsentantinnen einer angeblichen Kultur gesehen<br />
als Schöpferinnen eines eigenen individuellen Musikstils. Aber andererseits<br />
ist World Music auch eine Lade, in die man alles reintut,<br />
was mit ethnischen Motiven spielt und nicht klar einzuordnen ist<br />
<strong>–</strong> daher passt das auch ...<br />
Es heißt, ihr ruft auf dem neuen Album mit „We´ll change the<br />
world" zu einem Systemwechsel auf, was macht dieser Song?<br />
Es geht darin vor allem um Bewusstmachung durch Fragen wie<br />
„Are you the user, or are you the tool?“. Wir fragen: Sind wir nicht<br />
lächerlich in unserem unbewussten Konsum? Oder ob unsere<br />
Bequemlichkeit uns zu Objekten des Systems, in dem wir leben,<br />
macht. Wir bieten keine Lösungen, aber wollen den Zuhörer aufrütteln<br />
und auffordern aufzuwachen.<br />
Ihr werdet als „politische Band" beschrieben <strong>–</strong> wie wichtig ist<br />
es für euch, eine politische Haltung zu haben und diese auch<br />
auszudrücken?<br />
Wir sind primär Musikerinnen und machen unsere eigene Kunst.<br />
Aber wir sind auch Frauen und Migrantinnen und dadurch sind<br />
wir Teil der benachteiligten Gruppen. Jeder Mensch sollte seine<br />
Meinung ausdrücken können und in unserem Fall bietet sich die<br />
Bühne dafür. Und das machen wir.<br />
Dass KünstlerInnen ihre Meinung aussprechen, wird immer<br />
wieder auch kritisiert <strong>–</strong> wie z.B. im Fall von Ambros vs. FPÖ.<br />
Findet ihr es wichtig, dass sich KünstlerInnen einmischen?<br />
Wir sind primär Musikerinnen und machen unsere Kunst. Aber<br />
wir sind auch Frauen und Migrantinnen und dadurch sind wir Teil<br />
der benachteiligten Gruppen. Allein das macht uns sensibel für<br />
politische Themen. Aber uns ist wichtig, über diese Themen hinaus<br />
politisch zu sein. Jeder Mensch sollte seine Meinung ausdrücken<br />
können und in unserem Fall bietet sich die Bühne dafür. Und das<br />
machen wir.<br />
Gibt es aus eurer Sicht irgendetwas, wogegen man nicht ansingen,<br />
anmusizieren kann?<br />
Nein. Nur die Parole wie „My guitar kills fashists“ (W. Guthrie) muss<br />
immer die lauteste sein.<br />
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