BLATTWERK AUSGABE No.8 – September bis November 2018
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Autorin Petra Piuk und Regisseurin Angelika Messner<br />
im Gespräch mit Ursula Neubauer<br />
PETRA PIUK<br />
Was ist für Sie selbst das Spannendste an dem Stück?<br />
Petra Piuk: Als ich gefragt wurde, ob ich das Stück schreiben<br />
möchte, habe ich zwar kurz überlegt, aber ich wusste sofort, dass<br />
ich es machen werde. Erstens interessiert mich der Stoff und<br />
zweitens hat mich die Herausforderung gereizt. Es ist mein erstes<br />
Theaterstück und ich hatte viele Ideen, hab viel ausprobiert und<br />
unterschiedliche Versionen geschrieben. Jetzt gibt es einen Text,<br />
der gehört mir nicht mehr und das ist für mich sehr spannend.<br />
Ich bin neugierig, was Angelika Messner aus dem Text macht.<br />
Sehr neugierig und voller Vorfreude. Bei der Premiere werde ich<br />
aufgeregter sein als bei jeder Buchpräsentation.<br />
Wie reizvoll war es für Sie, mit den Zeiten zu spielen?<br />
Es gibt im Stück Figuren und Zitate aus 1933 und von heute. Die<br />
Zeitebenen verschwimmen immer mehr. Zunächst ist noch klar,<br />
welches Zitat aus welcher Zeit stammt. Irgendwann kann man das<br />
nicht mehr unterscheiden. Und es gibt noch weitere Zeitebenen.<br />
Das Spiel mit den Zeiten war für mich wichtig, um die Parallelen<br />
von damals und heute aufzuzeigen.<br />
Das Stück verweist eindeutig auf bestimmte Politiker <strong>–</strong> finden<br />
Sie, dass Theater mehr Klarheit braucht, wenn der Populismus<br />
zunimmt?<br />
Um Daniela Strigl zu zitieren: Der grobe Klotz verlangt den groben<br />
Keil.<br />
Es gibt diesen Satz: „Die Geschichte wiederholt sich“. Wie<br />
sehen Sie das?<br />
Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber es gibt Parallelen von<br />
1933 und heute. Minderheiten werden entmenschlicht und als<br />
Umweltkatastrophe bezeichnet. Angst und Hass werden geschürt.<br />
Menschenretter werden kriminalisiert. Die Grenze des Sagbaren<br />
und Machbaren verschiebt sich. Die Sätze aus dem Protokoll<br />
unterscheiden sich kaum von aktuellen Politikeraussagen. Nur<br />
das Feindbild ist ein anderes. Ich verwende Originalzitate von<br />
Politikern, lediglich die Worte „Zigeuner“ und „Flüchtlinge“ ersetze<br />
ich durch „Blauäugige“ bzw. „Blondhaarige“. Das schafft Distanz<br />
und die Distanz ermöglicht es, Dinge klarer zu sehen und neu zu<br />
bewerten.<br />
ANGELIKA MESSNER<br />
Wie reizvoll ist es für Sie, mit diesen unterschiedlichen Zeitebenen<br />
des Stücks zu arbeiten?<br />
Angelika Messner: Für mich ist es sehr heutig, für mich hat es<br />
mehr Gegenwartsbezug als Vergangenheitsbezug und das ist<br />
spannend. Es wirft viele Fragen auf: Wo geht das hin, wo geht<br />
unser PolitikerInnenbild hin? Und mit den historischen Elementen<br />
zeigt sich, dass der Faschismus von heute seine Basis im damaligen<br />
Faschismus hat.<br />
Auf welche Reaktionen zielen Sie beim Publikum ab?<br />
Ich denke, es wird ein ziemliches Miteinander mit dem Publikum<br />
werden. Ziel ist es, zu einem Nachdenkprozess und zu Reflexion<br />
anzuregen. Es muss eine Art von Betroffenheit geben, die schwierig<br />
herzustellen ist. Das erlebe ich oft auch als Zuschauerin, dass<br />
man auch verschreckt werden kann als Publikum. Wenn Leute zu<br />
sehr ins Schneckenhaus gedrängt werden, dann können sie auch<br />
keine Empathie mehr entwickeln oder einen Zugang zum Stück<br />
finden <strong>–</strong> da braucht es eine gute Balance.<br />
Das Stück ist oft eindeutig, z.B. durch die klaren Zitate <strong>–</strong> wie<br />
geht es Ihnen mit dieser Deutlichkeit?<br />
Dieses Stück hat diese große Deutlichkeit, andere haben das nicht.<br />
Und es hat auch eine zynische Ebene. Man wird sehen, wie das<br />
kommt. Ich glaube, dass das eine große Schlagkraft hat.<br />
Sie kommen aus dem Burgenland, die meisten der SchauspielerInnen<br />
nicht. Wie ist da das Arbeiten an einem Stück, das<br />
eine regionale historische Basis hat?<br />
Ich finde es total wichtig, auf lokale Ereignisse einzugehen. Wir<br />
arbeiten das natürlich gemeinsam auf. Das heißt, ich erzähle den<br />
SchauspielerInnen, wie das ist mit den Roma hier, ich bringe ihnen<br />
das Lokalkolorit nahe. Das zu machen, daran liegt mir viel. Und<br />
da kann man einfach auch richtig viel beitragen für jemanden,<br />
der woanders aufgewachsen ist und vieles nicht am Radar hat.<br />
Was wünschen Sie sich, dass das Stück auslöst?<br />
Ich würde mir wünschen, dass man sich selbst fragt: Was würde<br />
ich tun? Auf welcher Seite stehe ich? Wie würde ich mich als direkt<br />
Betroffene verhalten, wenn es nur noch Freund oder Feind gibt.<br />
Und was kann ich tun, damit es nicht so weit kommt? Wir, die<br />
gegen eine unmenschliche Flüchtlingspolitik sind, müssen lauter<br />
sein. Wir sind viele. Und das müssen wir zeigen.<br />
Wann wurden Sie eigentlich zuletzt auf Ihre Augenfarbe angesprochen?<br />
Das weiß ich nicht, ist schon länger her. Ich habe für das Stück ein<br />
Unterscheidungsmerkmal gesucht, für das man nichts kann. Für<br />
seine Augenfarbe kann man genauso wenig wie für seine Herkunft.<br />
Was finden Sie außerdem spannend?<br />
Die Absurdität an dem Stück, die zum Beispiel auch stark in diesen<br />
Zwischen- und Werbeszenen angelegt ist. Wir gehen da ziemlich<br />
weit <strong>–</strong> für mich ist ja auch diese Doppeldeutigkeit mit „blauäugig“<br />
spannend, diese Konnotation mit der blauäugigen Naivität. Das<br />
ziehen wir in ziemliche Höhen, das macht Spaß.<br />
Sehen Sie auch irgendwo Lösungsansätze, die uns aktuell<br />
weiterhelfen könnten?<br />
Ich glaube, wir KünstlerInnen dürfen nicht so naiv sein und glauben,<br />
Lösungen parat zu haben. Die Probleme aufzuzeigen und zu<br />
Diskussionen und Denkprozessen anzuregen ist schon ein großer<br />
Dienst, womit man der Welt Gutes tun kann.<br />
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