01.02.2019 Aufrufe

BLATTWERK AUSGABE No.8 – September bis November 2018

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Autorin Petra Piuk und Regisseurin Angelika Messner<br />

im Gespräch mit Ursula Neubauer<br />

PETRA PIUK<br />

Was ist für Sie selbst das Spannendste an dem Stück?<br />

Petra Piuk: Als ich gefragt wurde, ob ich das Stück schreiben<br />

möchte, habe ich zwar kurz überlegt, aber ich wusste sofort, dass<br />

ich es machen werde. Erstens interessiert mich der Stoff und<br />

zweitens hat mich die Herausforderung gereizt. Es ist mein erstes<br />

Theaterstück und ich hatte viele Ideen, hab viel ausprobiert und<br />

unterschiedliche Versionen geschrieben. Jetzt gibt es einen Text,<br />

der gehört mir nicht mehr und das ist für mich sehr spannend.<br />

Ich bin neugierig, was Angelika Messner aus dem Text macht.<br />

Sehr neugierig und voller Vorfreude. Bei der Premiere werde ich<br />

aufgeregter sein als bei jeder Buchpräsentation.<br />

Wie reizvoll war es für Sie, mit den Zeiten zu spielen?<br />

Es gibt im Stück Figuren und Zitate aus 1933 und von heute. Die<br />

Zeitebenen verschwimmen immer mehr. Zunächst ist noch klar,<br />

welches Zitat aus welcher Zeit stammt. Irgendwann kann man das<br />

nicht mehr unterscheiden. Und es gibt noch weitere Zeitebenen.<br />

Das Spiel mit den Zeiten war für mich wichtig, um die Parallelen<br />

von damals und heute aufzuzeigen.<br />

Das Stück verweist eindeutig auf bestimmte Politiker <strong>–</strong> finden<br />

Sie, dass Theater mehr Klarheit braucht, wenn der Populismus<br />

zunimmt?<br />

Um Daniela Strigl zu zitieren: Der grobe Klotz verlangt den groben<br />

Keil.<br />

Es gibt diesen Satz: „Die Geschichte wiederholt sich“. Wie<br />

sehen Sie das?<br />

Die Geschichte wiederholt sich nicht, aber es gibt Parallelen von<br />

1933 und heute. Minderheiten werden entmenschlicht und als<br />

Umweltkatastrophe bezeichnet. Angst und Hass werden geschürt.<br />

Menschenretter werden kriminalisiert. Die Grenze des Sagbaren<br />

und Machbaren verschiebt sich. Die Sätze aus dem Protokoll<br />

unterscheiden sich kaum von aktuellen Politikeraussagen. Nur<br />

das Feindbild ist ein anderes. Ich verwende Originalzitate von<br />

Politikern, lediglich die Worte „Zigeuner“ und „Flüchtlinge“ ersetze<br />

ich durch „Blauäugige“ bzw. „Blondhaarige“. Das schafft Distanz<br />

und die Distanz ermöglicht es, Dinge klarer zu sehen und neu zu<br />

bewerten.<br />

ANGELIKA MESSNER<br />

Wie reizvoll ist es für Sie, mit diesen unterschiedlichen Zeitebenen<br />

des Stücks zu arbeiten?<br />

Angelika Messner: Für mich ist es sehr heutig, für mich hat es<br />

mehr Gegenwartsbezug als Vergangenheitsbezug und das ist<br />

spannend. Es wirft viele Fragen auf: Wo geht das hin, wo geht<br />

unser PolitikerInnenbild hin? Und mit den historischen Elementen<br />

zeigt sich, dass der Faschismus von heute seine Basis im damaligen<br />

Faschismus hat.<br />

Auf welche Reaktionen zielen Sie beim Publikum ab?<br />

Ich denke, es wird ein ziemliches Miteinander mit dem Publikum<br />

werden. Ziel ist es, zu einem Nachdenkprozess und zu Reflexion<br />

anzuregen. Es muss eine Art von Betroffenheit geben, die schwierig<br />

herzustellen ist. Das erlebe ich oft auch als Zuschauerin, dass<br />

man auch verschreckt werden kann als Publikum. Wenn Leute zu<br />

sehr ins Schneckenhaus gedrängt werden, dann können sie auch<br />

keine Empathie mehr entwickeln oder einen Zugang zum Stück<br />

finden <strong>–</strong> da braucht es eine gute Balance.<br />

Das Stück ist oft eindeutig, z.B. durch die klaren Zitate <strong>–</strong> wie<br />

geht es Ihnen mit dieser Deutlichkeit?<br />

Dieses Stück hat diese große Deutlichkeit, andere haben das nicht.<br />

Und es hat auch eine zynische Ebene. Man wird sehen, wie das<br />

kommt. Ich glaube, dass das eine große Schlagkraft hat.<br />

Sie kommen aus dem Burgenland, die meisten der SchauspielerInnen<br />

nicht. Wie ist da das Arbeiten an einem Stück, das<br />

eine regionale historische Basis hat?<br />

Ich finde es total wichtig, auf lokale Ereignisse einzugehen. Wir<br />

arbeiten das natürlich gemeinsam auf. Das heißt, ich erzähle den<br />

SchauspielerInnen, wie das ist mit den Roma hier, ich bringe ihnen<br />

das Lokalkolorit nahe. Das zu machen, daran liegt mir viel. Und<br />

da kann man einfach auch richtig viel beitragen für jemanden,<br />

der woanders aufgewachsen ist und vieles nicht am Radar hat.<br />

Was wünschen Sie sich, dass das Stück auslöst?<br />

Ich würde mir wünschen, dass man sich selbst fragt: Was würde<br />

ich tun? Auf welcher Seite stehe ich? Wie würde ich mich als direkt<br />

Betroffene verhalten, wenn es nur noch Freund oder Feind gibt.<br />

Und was kann ich tun, damit es nicht so weit kommt? Wir, die<br />

gegen eine unmenschliche Flüchtlingspolitik sind, müssen lauter<br />

sein. Wir sind viele. Und das müssen wir zeigen.<br />

Wann wurden Sie eigentlich zuletzt auf Ihre Augenfarbe angesprochen?<br />

Das weiß ich nicht, ist schon länger her. Ich habe für das Stück ein<br />

Unterscheidungsmerkmal gesucht, für das man nichts kann. Für<br />

seine Augenfarbe kann man genauso wenig wie für seine Herkunft.<br />

Was finden Sie außerdem spannend?<br />

Die Absurdität an dem Stück, die zum Beispiel auch stark in diesen<br />

Zwischen- und Werbeszenen angelegt ist. Wir gehen da ziemlich<br />

weit <strong>–</strong> für mich ist ja auch diese Doppeldeutigkeit mit „blauäugig“<br />

spannend, diese Konnotation mit der blauäugigen Naivität. Das<br />

ziehen wir in ziemliche Höhen, das macht Spaß.<br />

Sehen Sie auch irgendwo Lösungsansätze, die uns aktuell<br />

weiterhelfen könnten?<br />

Ich glaube, wir KünstlerInnen dürfen nicht so naiv sein und glauben,<br />

Lösungen parat zu haben. Die Probleme aufzuzeigen und zu<br />

Diskussionen und Denkprozessen anzuregen ist schon ein großer<br />

Dienst, womit man der Welt Gutes tun kann.<br />

21

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!