Mitteilungen Nr. 86 Sommer/Johanni 2009 - Stiftung Rüttihubelbad
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Auch in den Schulen werden die Jungen dazu erzogen,<br />
bei Examen „alles“ zu geben, Höchstleistung zu erbringen.<br />
Und mit dieser (undifferenzierten) Haltung kommen<br />
viele Jugendliche ins Sensorium: „Hau den Lukas!“<br />
kennen sie vom Rummelplatz und vor dem grossen<br />
Gong kann die Aufforderung ja nur die gleiche sein!<br />
Im grossen Korb wird ohne Rücksicht auf Verluste gewirbelt,<br />
wobei mit „Verlust“ das Mittagessen gemeint<br />
ist, das anstatt des üblichen Weges durch die Verdauung,<br />
einen unüblichen Rückzug „oben raus“ antritt.<br />
Auch hier finden wir das passende Wort von Kükelhaus<br />
dazu: „Das Leben lebt vom Reiz. Der Reiz seinerseits ist<br />
wiederum etwas sehr Verletzliches – das heißt, er darf<br />
weder zu stark, noch zu schwach sein. Schwache Reize<br />
führen zur Entstehung von Organen, mittelstarke kräftigen<br />
sie; starke Reize hemmen und überstarke Reize<br />
zerstören.“<br />
Zugang und Umgang mit dem Sensorium<br />
Bei den geschilderten Szenen handelt es sich um Erlebnisse<br />
mit grösseren Kindern und Jugendlichen. Ab<br />
wann ist denn ein Besuch des Sensoriums angezeigt?<br />
Grundsätzlich gilt, dass viele Eltern sich gar nicht mehr<br />
bewusst sind, dass nicht „alles“ für jedes Alter geeignet<br />
ist. Ein Kleinkind lebt noch völlig eins mit seiner Umwelt,<br />
das heisst, der Gong klingt nicht „da draussen“,<br />
als ein abgegrenztes Objekt, von dem man sich gegebenenfalls<br />
auch entfernen kann, wenn er als unangenehm<br />
empfunden wird. Nein, der Gong klingt in ihm, es ist in<br />
dem Moment selber ein Gong.<br />
Erst wenn sich Welt und Ich trennen, Jean Piaget spricht<br />
von der kognitiven Phase, die je nach Entwicklung<br />
zwischen dem 4. und dem 7. Altersjahr eintritt, kann<br />
man mit diesen Stationen umgehen. Das heisst nicht,<br />
dass ein Kind nicht vorher ins Sensorium dürfte, aber<br />
es heisst sehr wohl, dass sich die Eltern der Situation<br />
bewusst sein sollten und ganz kleine Kinder nicht an<br />
alle Stationen heran lassen sollten.<br />
Den Zugang und den Umgang mit dem Sensorium<br />
kann man mit Bezug auf Kinder und Jugendliche folgendermassen<br />
gliedern:<br />
In einer ersten Phase, also vor dem Einschulungsalter,<br />
aber auch noch in den ersten Schuljahren, dominiert<br />
der spielerische Umgang. Und das ist völlig richtig und<br />
gut so.<br />
Danach, und das wäre eigentlich das Idealalter, so in der<br />
4./5. Klasse, kommt es zu einem dem Sensorium völlig<br />
gemässen Umgang, nämlich einem phänomenologischen:<br />
Da wird gestaunt, aber auch gelacht und immer<br />
wieder und wieder ausprobiert und verglichen.<br />
Es geht Hugo Kükelhaus ja gerade nicht darum, Wissenschaft<br />
zu erklären, sondern Erlebnisse zuzulassen.<br />
Und bei diesen Erlebnissen ist der Beobachter Teil des<br />
Geschehens und nicht auf die Fiktion eines Aussenstehenden<br />
reduziert, der angeblich neutral und unbeteiligt<br />
dem Ablauf von wissenschaftlichen Experimenten<br />
zuschaut.<br />
Danach kommt in der Entwicklung die Pubertät und da<br />
wird es etwas schwieriger. „Wegen Umbau geschlossen“<br />
scheinen alle auf einem umgehängten Schild<br />
unsichtbar mit sich zu tragen und sich blamieren, sich<br />
überraschen oder von etwas Unerwartetem erwischt<br />
werden, wäre so ziemlich das letzte, was sich Jugendliche<br />
in diesem Alter wünschen.<br />
Mitunter aber gibt es einen Zugang über die „Wissenschaft“.<br />
Dann hört man, das Sensorium sei ein „kleines<br />
Technorama“ und wer sich nicht daran stört, nur in<br />
der kleinen Ausgabe zu sein, der kann mitunter fleissig<br />
ins Experimentieren kommen. Auch das ist natürlich<br />
zulässig, denn es gibt im Sensorium bekanntlich kein<br />
„Richtig“ und kein „Falsch“.<br />
„Blind“ und barfuss über die unterschiedlichsten Materialien<br />
gehen: Ein Fest für die Fusssohlen.<br />
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