KEM Konstruktion 01-02.2019
Trendthemen: Digitalisierung, Digitaler Zwilling, Systems Engineering; KEM Porträt: Hans van der Velden, Geschäftsführer, Bossard; KEM Perspektiven: Maschineering holt den digitalen Zwilling aus der Cloud
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AUTOMATISIERUNG<br />
ELEKTROTECHNISCHE BAUELEMENTE<br />
Industrial Data Communications<br />
Flexible Hierarchien statt getrennte Netze<br />
Mit der Industrie 4.0 wächst die Datenkommunikation rasant – Daten sind der Rohstoff des 21. Jahrhunderts.<br />
Damit sie in Bewegung bleiben, benötigen Industrieunternehmen eine leistungsfähige Infrastruktur. Dies hat zur<br />
Folge, dass sich die klassische Automatisierungspyramide auflösen und in eine Infrastruktur ohne Hierarchie<br />
umwandeln wird. Betriebe setzen schon jetzt immer häufiger auf Ethernet-Verbindungslösungen.<br />
Bernd Müller für die U.I. Lapp GmbH, Stuttgart<br />
Aktuelle Maschinen werden bereits<br />
bis zum Aktor oder Sensor über<br />
Ethernet verbunden – der industrielle<br />
Datenkommunikations -<br />
standard setzt sich durch<br />
Datennetze in Fabriken müssen schnell, echtzeitfähig und standardisiert<br />
sein, fordert Oliver Riedel, Professor am Institut für<br />
Steuerungstechnik der Werkzeugmaschinen und Fertigungseinrichtungen<br />
(ISW) der Universität Stuttgart. „Doch bis dahin sind noch<br />
einige Hausaufgaben zu erledigen“, ergänzt er. Denn in vielen Betrieben<br />
dominieren immer noch einzelne voneinander softwaretechnisch<br />
und physikalisch getrennte Netze. Jede Ebene der sogenannten<br />
Automatisierungspyramide – von der Leitebene bis zur Feld -<br />
ebene – arbeitet hier mit einer eigenen Infrastruktur sowie eigenen<br />
Protokollen. „Diese vielen verschiedenen Netze werden verschmelzen<br />
und die Automatisierungspyramide wird sich dadurch Schritt für<br />
Schritt auflösen“, erklärt Oliver Riedel. Statt hierarchischen Kommunikationsstrukturen<br />
in der Automatisierung erwartet er flexible Hierarchien,<br />
in denen Cyber-physische Systeme untereinander, mit der<br />
Unternehmens- IT sowie mit der Cloud über ein engmaschiges Netzwerk<br />
Informationen austauschen. Was diesem Ziel entgegensteht,<br />
ist der aktuelle Wildwuchs der Kommunikationsstandards.<br />
Standardisierungsbestrebungen<br />
Über die Einhaltung der Standards für Ethernet wacht das Institute<br />
of Electrical and Electronics Engineers, kurz IEEE. Diese Über -<br />
wachung funktioniert bei Anwendungen im Büroumfeld sehr gut.<br />
Anders sieht es allerdings in Fabriken<br />
aus. Mittlerweile gibt es mehr<br />
als 20 Industrial-Ethernet-Systeme,<br />
die sich alle mehr oder weniger<br />
in technischen Details unterscheiden<br />
und daher inkompatibel<br />
sind. Dazu kommen mehr als<br />
50 Feldbussysteme wie Profibus<br />
oder CAN Bus, die von Anbietern<br />
von Automatisierungstechnik<br />
favorisiert werden, in der Regel<br />
aber untereinander nicht kompatibel<br />
sind. Dennoch sind diese Systeme<br />
in Industrieunternehmen<br />
weit verbreitet, weil sie als robuster<br />
gelten. Sie übertragen kleinere<br />
Datenpakete als Ethernet, sind dafür aber echtzeitfähig.<br />
Es gibt auch von der IEEE Bestrebungen, die standardisierte Echtzeitfähigkeit<br />
zu implementieren, doch bisher ist dies mit Ethernet nur<br />
bedingt möglich. Dass Ethernet-Systemen die Zukunft gehört, legen<br />
aktuelle Marktdaten nahe. Demnach basieren schon heute mehr als<br />
50 % aller installierten Knoten auf Industrial Ethernet, und die Technologie<br />
verzeichnet ein Wachstum von 22 % pro Jahr, während Feldbussysteme<br />
nur noch um 6 % zulegen. Und laut Professor Riedel ist<br />
es unausweichlich, dass die vielen Vernetzungsstandards zu einem<br />
Standard konvergieren werden.<br />
Bild: U.I. Lapp<br />
Das Problem der Echtzeitfähigkeit<br />
In Zusammenhang mit der Echtzeitfähigkeit stellt das Time Sensitive<br />
Network, kurz TSN, eine vielversprechende Möglichkeit dar. Es handelt<br />
sich dabei um einen Standard, der auf einem Vorschlag des<br />
Ethernet-Gremiums basiert. Ein großer Vorteil von TSN liegt darin,<br />
dass es nicht aus dem Automatisierungsumfeld stammt, sondern<br />
aus dem Audio-/Video-Bereich. Dadurch stößt es eventuell auf weniger<br />
Ablehnung und Konkurrenzdenken innerhalb der Branche. Konzerthallen<br />
nutzen dieses Echtzeit-Ethernet, damit Tonsignale aus<br />
unterschiedlichen Mikrofonen an die zahlreichen Lautsprecher stets<br />
ohne Laufzeitunterschiede gespielt werden. Auf die Automatisierung<br />
übertragen wären alle Teilnehmer eines TSN-Netzwerks zeitsynchronisiert.<br />
Darüber hinaus besitzt TSN sogenannte Verkehrsklassen mit<br />
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