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Einblicke

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42 INTERVIEW<br />

Thema herausfinden und vertiefen. Die<br />

Zukunftskonferenzen bieten keinen<br />

Frontalunterricht. Es geht nicht darum,<br />

Wissen zu vermitteln, das dann später<br />

wieder abgerufen werden kann. Vielmehr<br />

wollen wir einen Dialog auf Augenhöhe<br />

eröfnen. Danach erhalten die<br />

Kinder und Jugendlichen die Gelegenheit,<br />

ihre eigene Meinung und erarbeitete<br />

Haltung mit künstlerischen Mitteln<br />

auszudrücken. Wenn das gelingt, machen<br />

die Kinder eine Wirksamkeitserfahrung.<br />

Sie erleben, dass sie gehört<br />

werden. Wir stellen Öfentlichkeit her.<br />

Es entstehen zum Beispiel Ausstellungen<br />

oder die künstlerischen Ergebnisse<br />

werden auf einer Bühne präsentiert.<br />

„Von Kindern<br />

kann man lernen,<br />

wie man aus<br />

alten Mustern<br />

herausfindet“<br />

Und was können Erwachsene von<br />

diesen Zukunftskonferenzen lernen?<br />

Neugier! Wenn man die Kinder begleitet,<br />

dann erkennt man bei ihnen eine<br />

große Ofenheit. Oft stürzen sie sich<br />

mit immenser Ernsthaftigkeit in die<br />

Arbeit hinein und gehen sehr ergebnisofen<br />

an die einzelnen Fragestellungen<br />

heran. Das ist sehr beeindruckend.<br />

Wenn man die Kinder konsequent ernst<br />

nimmt, dann könnte man von ihnen<br />

lernen, wie man aus alten Mustern und<br />

Verstrickungen wieder herausfindet.<br />

Durch die Kinder lernt man den Abbau<br />

von Vorurteilen. Denn es sind doch<br />

die Vorurteile, die uns im Alltag für gewöhnlich<br />

im Wege stehen.<br />

Wurde von Ihren bisherigen Zukunftskonferenzen<br />

auch schon etwas in<br />

die Realität umgesetzt, oder verpuffen<br />

all die schönen Ideen am Ende<br />

wirkungslos?<br />

Nein. Entstanden in der Zukunftskonferenz<br />

zum Thema Nachhaltig ist<br />

beispielsweise das Projekt „Friends<br />

Day“: Dabei hatten die Kinder die Idee,<br />

an einem Tag im Jahr ihre Handys abzugeben<br />

und mit Freunden in Museen<br />

oder Theater zu gehen. Bei diesem<br />

Projekt hat es sehr viel Kritik vonseiten<br />

der Erwachsenen gegeben: „Friends<br />

Day“ sei nicht nachhaltig, lautete so ein<br />

Vorwurf, oder die Kinder hätten nur<br />

keine Lust, in die Schule zu gehen.<br />

Aber tatsächlich ging es bei diesem Projekt<br />

um die Ressource Zeit. Die Kinder<br />

haben die Möglichkeit erdacht, mehr<br />

Zeit für ihre ganz handfesten sozialen<br />

Beziehungen auf zubringen. Das ist<br />

doch wunderbar! Wir haben das Projekt<br />

mit aller Konsequenz begleitet. Ein<br />

l ohnenswertes Unterfangen. Wenn der<br />

Dialog mit Kindern auf Augenhöhe<br />

stattfindet, dann ist das oft sehr aufwendig.<br />

Es sprengt auch immer wieder<br />

unsere gewohnten Arbeitsstrukturen.<br />

Aber all das ist nicht umsonst.<br />

Sie gehen mit dem tjg also immer<br />

wieder einen entscheidenden Schritt<br />

über den Kernauftrag des Theaters<br />

hinaus?<br />

Unser Kern ist und bleibt das künstlerische<br />

Arbeiten auf der Bühne. Aber<br />

wir haben uns darüber hinaus auch<br />

immer wieder als Ort der Vermittlung<br />

und der künstlerischen Kommunikation<br />

verstanden. Das tjg ist nicht nur ein<br />

Theater, es ist ein Ort der Auseinandersetzung<br />

mit der Gesellschaft und<br />

natürlich auch ein Ort für Freizeit<br />

und Familie.<br />

Wie betrachtet man dieses wichtige<br />

Engagement in der Stadt selbst?<br />

Über die Jahre ist die Aufmerksamkeit<br />

für unsere Arbeit gewachsen. Wir haben<br />

pro Jahr 92 000 Besucher. 75 Prozent<br />

unserer Karten verkaufen wir über die<br />

Schulen und Kindergärten. Damit<br />

erreichen wir alle Schulformen und<br />

Altersklassen. Wir werden also wirklich<br />

ernst genommen. Das ist toll!<br />

Dabei heißt es doch immer, dass<br />

Facebook, YouTube und Instagram die<br />

Theatersäle leerfegen würden.<br />

Das stimmt aber nicht. Wir haben am<br />

tjg einen Dramaturgen für digitale<br />

„Die neuen Medien<br />

werden ein altes<br />

Medium wie das<br />

Theater niemals<br />

ablösen“<br />

Medien, und die neuen Medien bekommen<br />

bei uns auch Raum auf der Bühne,<br />

weil wir natürlich unser Publikum ganz<br />

genau kennen, auch im Umgang mit<br />

den entsprechenden Medien. Zum Beispiel<br />

in der Inszenierung „Kein Zutritt/<br />

No entry“, einem interaktiven Videowalk,<br />

bekommen Kinder Kopfhörer<br />

und Tablets und bewegen sich digital<br />

vernetzt durchs Haus. Solche Formate<br />

interessieren die Jugendlichen. Aber<br />

es ist dennoch nicht so, dass die neuen<br />

Medien das alte Medium Theater ablösen.<br />

Theater bleibt Theater, und es ist<br />

die reale Schauspielerin, die mit ihren<br />

Handlungen auf der Bühne bewegt;<br />

die Erfahrung der Unmittelbarkeit<br />

bleibt von all diesen Entwicklungen<br />

unberührt. •<br />

Felicitas Loewe studierte Theaterwissenschaften<br />

an der FU in Berlin. Anschließend<br />

arbeitete sie als Dramaturgin am Theater<br />

Stralsund, an der Berliner Volksbühne und am<br />

theater junge generation (tjg), Dresden. Seit<br />

2008 ist sie an diesem Haus Intendantin.<br />

Loewe ist Mitglied im Förderverein Kulturhauptstadt<br />

2025<br />

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