RE KW 10
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Gelassenheit und Gottvertrauen<br />
„Gott wirkt in uns – mit und ohne Karfreitag!“<br />
Seit 26. Februar gilt der Karfreitag als flexibler Feiertag, den jeder<br />
in Österreich in Anspruch nehmen kann – allerdings kostet<br />
das einen Urlaubstag. Für 96 Prozent aller Österreicher ändert<br />
sich nichts, Evangelische und Altkatholiken werten diese Neuerung<br />
als Eingriff in ihre Religionsausübungsfreiheit. Mathias Stieger,<br />
evangelischer Pfarrer in Reutte, nimmt im Gepräch mit der<br />
RUNDSCHAU Stellung.<br />
Von Sabine Schretter<br />
Seit 1993 wirkt Mathias Stieger<br />
als Pfarrer der evangelischen Gemeinde<br />
im Bezirk Reutte. Er gilt als<br />
Mann der Ökumene, steht für die<br />
Verständigung der Kirchen. Welche<br />
Gedanken gehen dem humorvollen<br />
Mann aus Siebenbürgen jetzt, da der<br />
höchste evangelische Feiertag ein flexibler<br />
ist, durch den Kopf?<br />
Minderheiten, wie es die evangelischen<br />
Christen im Außerfern sind,<br />
haben es in demokratisch strukturierten<br />
Einheiten nicht leicht. „Als<br />
Evangelischer ist man ein Außenseiter.<br />
Das spüren schon die Kinder in<br />
den Schulen, wo es in vielen Klassen<br />
oft nur einen evangelischen Schüler<br />
gibt. Viele Kinder aus Mischehen<br />
werden bewusst nicht evangelisch getauft.<br />
Hier ärgern mich auch manche<br />
katholische Geistlichen, die äußern,<br />
dass es einfacher ist, wenn Kinder katholisch<br />
sind,“ so Pfarrer Stieger. Ihn<br />
ärgere aber auch die EU, die EU-weit<br />
einheitliche Regelungen für Minderheiten<br />
treffen sollte. „Ich habe den<br />
Eindruck, dass die EU sich mit Minderheiten<br />
schwer tut.“<br />
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6./7. März 2019<br />
KARF<strong>RE</strong>ITAG,<br />
DER<br />
HÖCHSTE FEIERTAG. Warum<br />
ist gerade der Karfreitag für Evangelische<br />
so wichtig? Pfarrer Stieger klärt<br />
auf: „Unser Kirchenjahr von heute<br />
entstand im 4. Jahrhundert. Nach<br />
der Reformation trat der Karfreitag<br />
für Evangelische in den Vordergrund.<br />
Wer Ostern und die Auferstehung<br />
feiert, der muss auch den Karfreitag<br />
feiern, daher wurde dieser Tag zum<br />
großen Gedenktag erhoben.“ Die<br />
sechs Wochen vor Ostern werden als<br />
Passionszeit bezeichnet. Diese Zeit<br />
hält aufrecht, dass Gott vor Leiden<br />
und Tod nicht zurückgewichen ist.<br />
Auch der breiten Ablehnung durch<br />
die Menschen stellte er sich. „Leiden<br />
und Sterben haben in unserer Gesellschaft<br />
keinen Platz. Mit Leiden tut<br />
sich die Gesellschaft schwer. Wir sind<br />
aber überzeugt, dass Gott uns auch in<br />
Leiden und Tod besonders nahe ist.<br />
Leiden gehört zum Leben, Jesus am<br />
Kreuz ist auch im Leiden solidarisch,<br />
sein Leiden war nicht umsonst,“ so<br />
der evangelische Theologe.<br />
„In Österreich wollte man nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg etwas gut machen,<br />
daher wurde 1952 den Evangelischen<br />
der Karfreitag und den Juden<br />
Jom Kippur als Feiertag zugestanden,“<br />
erzählt Mathias Stieger.<br />
WAS TUT SICH IN DER GE-<br />
MEINDE? Es habe bislang einen<br />
Brief eines Gemeindemitarbeiters an<br />
Bischof Michael Bünker gegeben.<br />
Auch sei im Presbyterium diskutiert<br />
worden, umreißt Mathias Stieger die<br />
Reaktionen innerhalb der Gemeinde.<br />
Er trete der umstrittenen Neuerung<br />
mit Gelassenheit entgegen. „Ich biete<br />
zum traditionellen <strong>10</strong>-Uhr-Gottesdienst<br />
am Karfreitag zusätzlich einen<br />
Gottesdienst um 19 Uhr an – für alle,<br />
denen der Karfreitag wichtig ist, die<br />
aber nicht Urlaub nehmen können<br />
oder wollen.“ Bischof Bünker wirft<br />
er vor allem seinen Alleingang vor.<br />
„Wir Evangelische sind ja nicht so<br />
streng hierarchisch, bei uns habe die<br />
Gremien viel zu sagen. Die melden<br />
sich jetzt zu Wort, fordern teilweise<br />
sogar den Rücktritt Bünkers. Das<br />
geht mir zu weit, Bischof Bünker hat<br />
sich mit seinen Äußerungen allerdings<br />
ein Ei gelegt. Er ist halt gern in<br />
den Medien“, so Pfarrer Stieger und<br />
sagt weiter: „Was mich besonders ärgert,<br />
ist, dass ein einzelner Mensch,<br />
der beim Europäischen Gerichtshof<br />
klagt, alles durcheinanderbringt, das<br />
erachte ich als sehr gefährlich. Auch<br />
eine Gemeinschaft hat ein Recht,<br />
nicht nur ein Individuum.“<br />
Mathias Stieger hofft auf ein solidarisches<br />
Auftreten – theologisch,<br />
gesellschaftspolitisch und in der<br />
ökumenischen Arbeit. „Uns geht es<br />
nicht um mehr Freizeit oder finanziellen<br />
Profit. Der Karfreitag ist uns ein<br />
spirituelles Bedürfnis, ein Feiertag ist<br />
auch ein Tag, um zur Ruhe zu kommen<br />
und aus dem Fließbanddenken<br />
auszusteigen.“<br />
AUSSERFERNER<br />
SEIT 1922<br />
NACHRICHTEN<br />
RUNDSCHAU<br />
Pfarrer Mathias Stieger möchte auf den Karfreitag als großen Gedenktag nicht verzichten,<br />
sieht weiteren Diskussionen und der Synode aber mit Gelassenheit und<br />
Gottvertrauen entgegen.<br />
RS-Foto: Schretter<br />
Für Evangelische ist eine Plattform<br />
eingerichtet worden, wo sie sich zu<br />
Wort melden können. Synodenpräsident<br />
Dr. Peter Krömer stellte in<br />
Aussicht, dass es Rechtsverfahren<br />
geben werde. Noch im März wird<br />
es eine Synode geben, bei der das<br />
weitere Vorgehen beraten wird. Es<br />
sollen wohlüberlegte Schritte gesetzt<br />
werden, ein Schnellschuss sei auszuschließen.<br />
„Humor und Kompromiss – das<br />
ist für mich, was zusammengehört.<br />
So werde ich an die Sache rangehen.<br />
Auf den Karfreitag möchte ich aber<br />
nicht verzichten“, legt Pfarrer Mathias<br />
Stieger seine Sicht abschließend<br />
offen.<br />
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