Leseprobe stahlmarkt 5.2019 (Mai)
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10<br />
SEITENBLICK<br />
Digitalisierung mit zwei Geschwindigkeiten<br />
Städte und Gemeinden agieren häufig noch in der alten, analogen Welt. Sie können das Tempo, das die Wirtschaft<br />
bei der Digitalisierung anschlägt, in vielen Fällen nicht mitgehen. Kommunen, die sich mit der Transformation zu<br />
viel Zeit lassen, laufen Gefahr abgehängt zu werden – als Standort für Unternehmen und als Wohnort.<br />
Von unserem Autor Stefan Weber<br />
Unternehmen digitalisieren ihre<br />
Geschäftsprozesse, tüfteln an »Industrial<br />
Cloud-Lösungen« und prüfen, inwieweit<br />
künstliche Intelligenz helfen kann, Wettbewerbsvorteile<br />
zu generieren. Und dann,<br />
beim Kontakt mit ihrer Kommune, erleben<br />
sie eine andere Welt: die analoge Wirklichkeit.<br />
Die Ausstattung mit Breitband verdient<br />
vielerorts nur das Prädikat »befriedigend«,<br />
die Mobilfunkanbindung ist lückenhaft.<br />
Und im Bürgerbüro lassen sich viele Dinge<br />
nach wie vor nur im persönlichen Kontakt<br />
mit einem Sachbearbeiter erledigen – innerhalb<br />
eng gesteckter Sprechzeiten, unter<br />
Einsatz von viel Papier. Das wirft die Frage<br />
auf, wie es eigentlich um die Digitalisierung<br />
von Städten und Gemeinden bestellt ist. Ist<br />
die Idee der »Smart City« eine realistische<br />
Option oder nur eine ferne Vision? Und<br />
inwieweit bremst oder fördert die digitale<br />
Ausstattung der Kommunen die ansässigen<br />
Unternehmen?<br />
Mehrere Studien legen den Schluss nahe:<br />
Städte und Gemeinden stehen erst am<br />
Anfang der digitalen Transformation. So<br />
ermittelte vor kurzem eine Umfrage des<br />
TÜV Rheinland und des Deutschen Städteund<br />
Gemeindebundes (DStGB) unter den<br />
500 größten Kommunen erheblichen Nachholbedarf<br />
beim Thema Digitalisierung. Und<br />
eine vom Forsa-Institut im Auftrag der Stiftung<br />
»Lebendige Stadt« durchgeführte<br />
Befragung von Bundesbürgern stellte eine<br />
Strommasten, die an das intelligente Stromnetz angeschlossen sind.<br />
»hohe Unzufriedenheit« mit den digitalen<br />
Angeboten der Verwaltungen fest.<br />
Zum Beispiel die Ausstattung mit leistungsstarken<br />
Breitbandnetzen zum schnellen<br />
Informations- und Wissensaustausch:<br />
Sie sind für Wirtschaft und Gesellschaft<br />
inzwischen ebenso wichtig wie gut ausgebaute<br />
Straßen- oder Schienennetze.<br />
Schließlich sind Breitbandnetze das Fundament,<br />
auf dem die Digitalisierung aufbaut.<br />
Gerade mit Blick auf den Umbauprozess<br />
werden Infrastrukturen in Gigabit-Geschwindigkeit<br />
notwendig sein. »Ohne ein<br />
leistungsfähiges flächendeckendes Breitbandnetz<br />
sind Zukunftstechnologien vom<br />
autonomen Fahren, über Telemedizin oder<br />
»<br />
Mehrere Studien legen den Schluss nahe: Städte und Gemeinden stehen erst<br />
»<br />
am Anfang der digitalen Transformation.<br />
digitale Verkehrsführung nicht umsetzbar«,<br />
betont der DStGB.<br />
Zwischen Anspruch und Wirklichkeit<br />
klafft jedoch eine große Lücke. In der Befragung<br />
von DStGB und TÜV Rheinland gab<br />
fast jede fünfte Stadt oder Gemeinde an,<br />
noch über keine flächendeckende Versorgung<br />
mit einer leistungsstarken Breitbandinfrastruktur<br />
zu verfügen. Immerhin wird in<br />
mehr als 80 Prozent der Kommunen bei<br />
Baumaßnahmen eine Leerrohrinfrastruktur<br />
mit aufgebaut. Etwa 70 Prozent der befragten<br />
Städte und Gemeinden planen derzeit<br />
neue Glasfaseranschlüsse bis ins Gebäude.<br />
Online-Verwaltungsleistungen sind für<br />
Bürger und Unternehmen von immer größerer<br />
Bedeutung. Doch damit tun sich Städte<br />
und Gemeinden derzeit noch schwer.<br />
Knapp ein Drittel der von TÜV Rheinland<br />
und DStGB befragten Kommunen gab an,<br />
wenig oder gar keine Bürger-Service-Dienstleistungen<br />
online anzubieten. Insbesondere<br />
Städte und Gemeinden mit weniger als<br />
50 000 Einwohnern gehen offensichtlich<br />
nur sehr eingeschränkt auf die digitalen<br />
Wünsche ihrer Bürger ein. Auch Gewerbetreibende<br />
erhalten nur selten den digitalen<br />
Service, den sie sich von der Verwaltung<br />
wünschen. Mehr als die Hälfte der kleineren<br />
Kommunen räumte in der Befragung ein,<br />
online nur wenig oder gar keinen gewerblichen<br />
Service anzubieten. Einen Gewerbeschein<br />
beispielsweise können Unternehmen<br />
erst in etwa 15 Prozent der kleineren Städte<br />
und Gemeinden online beantragen. Das<br />
Foto: Shutterstock.com<br />
<strong>stahlmarkt</strong> <strong>5.2019</strong>