Meinviertel Juli 2019
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Franziska Hauser: Aufräumen<br />
wie Verrat an der Gleichberechtigung. Der Herd war<br />
also der Anfang. Nachdem er seine Wohnung gekündigt<br />
hatte und bei mir eingezogen war, mussten wir<br />
einsehen, dass wir mit unwesentlichen Widritkeiten<br />
klarzukommen hatten.<br />
Sein Zimmer passte gar nicht zum Rest der Wohnung.<br />
Falls ich mal wieder irgendwann Harz vier brauchen<br />
würde, dachte ich, wäre es kein Problem bei der Prüfbesichtigung<br />
zu behaupten, er sei mein Mitbewohner<br />
und nicht mein Lebensgefährte. Niemand würde auf<br />
die Idee kommen das zu bezweifeln. Niemand würde<br />
aus uns eine Bedarfsgemeinschaft machen wollen.<br />
Unsere verschiedenen Vorstellungen vom Wohnen waren<br />
allerdings sehr wohl eine sichtbare Darstellung<br />
grundverschiedener Wesenszüge.<br />
Dass ich zum Beispiel gerne schwarz fahre, mich<br />
ungerne im Auto anschnalle, manchmal über Zäune<br />
klettere oder im Sommer an nicht ausgewiesenen Badestellen<br />
vor angezogenen Leuten nackt ins Wasser<br />
springe, ist für ihn schwer auszuhalten. Mir dagegen<br />
fällt es schwer, ihm zuliebe Regeln zu befolgen die<br />
ich nicht einsehe. Wenn eine Diskussion über meinen<br />
eigensinnigen Widerstand und sein stures Grundbedürfnis<br />
nach Normalität erstmal ausgebrochen ist,<br />
lässt sie sich nur schwer wieder beenden. Die Diskussionen<br />
nahmen Überhand und waren vom Streiten<br />
nicht mehr zu unterscheiden.<br />
Schließlich landeten wir nach zwei Beziehungsjahren<br />
bei der Paarberatung. Wir fanden, dass unser Problem<br />
fast auf unseren Stirnen geschrieben stand, aber die<br />
Therapeutin wollte trotzdem alles erklärt haben. Er<br />
beschwerte sich, dass meine Aufräumanfälle ihm zu<br />
eruptiv seien und vor allem zu oberflächlich. Ich würde<br />
ständig alles liegen lassen und er fände überhaupt<br />
mein ganzes Aufräumverhalten vollkommen unberechenbar.<br />
Ich beschwerte mich, dass er immer unzufrieden<br />
war über den Zustand der Wohnung, mit dem<br />
ich mich überfordert fühlte. Es war dieser halbaufgeräumte<br />
Zustand, der uns beide wahnsinnig machte.<br />
Es gab einen Endpunkt, der mich in eine resignierte<br />
Ruhe versetzte. Nämlich: wenn es so unordentlich<br />
war, dass es unmöglich noch unordentlicher werden<br />
konnte. Und es gab einen Endpunkt, der für ihn Entspannung<br />
bedeutete: der Moment nach dem Aufräumen,<br />
bevor die Dinge wieder anfingen durcheinander<br />
zu geraten oder zu verstauben. Aber die vielen Zwischenzustände,<br />
die unser Zusammenleben ausmachten,<br />
boten den Stoff für endlose Differenzen.<br />
mein/4<br />
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