Rubrik Wo wohnen? Meine erste Wohnung werde ich nicht vergessen. Sie kam mit roter Auslegware im Zimmer und eigelbem Linoleum in der Küche. Die Wände strich ich damals bordeauxrot. Ein Kommentar von Babet Mader 38 mein/4
Wo wohnen? Das war in Köpenick vor 22 Jahren. Danach folgten Wohnungen in Kreuzberg, Neukölln, Friedrichshain, Prenzlauer Berg. Man sagte mir oft, es sei wohl mein Hobby, das Umziehen. Ich sagte, dass ist eher ein Hobby unter Berlinern. Ich erinnere mich, wie ich mit einem Bollerwagen von der Grünberger in die Boxhagener zog, oder mit nur zwei Müllsäcken voller Klamotten und einer Matratze in die Gleimstraße fuhr. Wohnungen zu bekommen war nie ein Problem. Lediglich das Ummelden war anstrengend. Seit drei Jahren lebe ich nun in Pankow. Es ist gemütlich hier und das ist auch gut so, denn wenn es auf dem Wohnungsmarkt so bleibt, muss ich, ob ich will oder nicht, hier wohnen bleiben. Eigentlich sind wir eine Patchworkfamilie: Er mit Sohn, ich mit Tochter. Er in Mitte (2-Zimmer-Wohnung), ich in Pankow (2-Zimmer-Wohnung). Klar würden wir gern zusammenziehen. Aber das ist leider nicht möglich, denn es gibt keine Wohnungen, die wir uns leisten können. Obwohl wir beide berufstätig sind, sind allein schon die Kaltmieten in Kreuzberg (ab 2.100 Euro bis 6.500 Euro im Monat), Mitte (ab 2.300 bis oben offen) oder auch Treptow (ab 1.800 bis 2.900 Euro) unerschwinglich. Wir schaffen es nicht mit unseren 40-Stunden-Jobs für eine vierköpfige Familie eine Wohnung zu finden, die wir uns leisten können. Und damit sind wir nicht allein. Meine Freundin wohnt zu fünft in einer dreieinhalb Zimmerwohnung im Wedding, weil es nichts gibt, wo sie hinziehen könnten. Da ist rein gar nichts im Budget, trotz zweifach gutem Einkommen. Im Sommer wird bei ihnen umgebaut, sodass die Wohnung danach für 5 Personen kompatibel ist. Wenn wir Kaffee trinken da. Gelte ich deshalb als unflexibel? Nein! Ich finde, es sollte möglich sein, seinen Lebensmittelpunkt zu erhalten. Ich möchte nicht verdrängt werden! Aber was kann ich tun? Demonstrieren bringt nichts. Ich tue das zwar, aber nur damit das Gefühl meiner Machtlosigkeit nicht überhand gewinnt. Der Politik ist es relativ egal, ob ich da auf der Straße stehe. Hauptsache Geld kommt in die Kassen. Und wie war das noch gleich mit der Mietpreisbremse? Einfach lächerlich! Und soziale Erhaltungsgebiete? Wieso gibt es dort gefühlt so wenig Platz oder wie stand es im Jahresbericht 2017: „Die Zahl der Einwohner hat in allen sozialen Erhaltungsgebieten prozentual stärker zugenommen als die Zahl der Wohnungen.“ Gegenüber meinem Büro gibt es ein Mehrfamilienhaus, das nun ein Einfamilienhaus ist. Man munkelt, es habe ein jemand aus London gekauft, damit er ein paar Wochenenden hier in Berlin abhängen kann. Ich habe noch nie jemanden rein- oder rausgehen sehen. Meine Freundin erzählt mir, dass das Kaufen von Bauland und alten Häusern in Berlin die Gewinnspanne in kürzester Zeit in die Höhe schnellen lässt. Man muss nicht einmal was machen. Einfach nur: shop and drop. Klar, das Angebote bestimmt die Nachfrage und die Nachfrage ist groß! Was passiert mit einer Stadt, die ihre eigenen Bewohner verdrängt? Wo bleibt die Diversität? Wo die Kinder? Wo die Kitas? Wo die Familien? Wo sollen die Singles hin? Die verrückten Studenten WGs? Wo die Clubs und die kleinen Läden, wo die Neustarter, die Probierer, die Kleinkünstler und vor allem: die Menschen mit weniger Einkommen? Alternative Umland? und darüber sprechen, bleibt Unmut nicht aus. Für wen sind diese Wohnungen? Wer soll in ihnen leben und was macht das mit der Stadt? Klar gibt es Wohnraum. Im Umland zum Beispiel oder im stetig wachsenden Speckgürtel, aber mein soziales Umfeld und das meiner Tochter ist in Pankow, Prenzlauer Berg und Mitte gelegen. Hier geht sie zur Schule, hier sind ihre Freunde, hier arbeite ich und hier ist auch mein kleines Schreibbüro. Wir leben nun mal hier, nicht Die Erhaltungsgebiete können unmöglich alles auffangen! Ich renne meinem Vermieter seit zwei Jahren wegen neuer Fenster hinterher. Meine sind am verschimmeln. Als ich mit einem Nachbarn darüber ins Gespräch komme, lacht er: „Das mache ich auch. Neulich hatte ich ein Schreiben im Kasten, in dem mir geraten wurde, mir einfach eine neue Wohnung zu suchen, wenn ich mit meiner jetzigen nicht zufrieden sei.“ Sowas kann man als Vermieter eben nun machen. ■ mein/4 39