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Bücherstube Horn Magazin Sommer2019

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Foto: Peter-Andreas Hassiepen<br />

Des Meisters letzte Rose<br />

Eine imposante Essay-Sammlung belegt die faszinierende<br />

Weitsicht des Universaldenkers Umberto Eco.<br />

Wenn Zwerge auf den Schultern<br />

von Riesen sitzen, sehen<br />

sie weiter und mehr als der<br />

Riese selbst, urteilte Bernhard von<br />

Chartres im 12. Jahrhundert. Eine<br />

anscheinend simple Erkenntnis,<br />

die in ihrer Vielschichtigkeit Philosophen<br />

bis zum heutigen Tag immer<br />

wieder zu unterschiedlichsten<br />

Interpretationen inspirierte. Es ist<br />

also keineswegs verwunderlich, dass<br />

sich auch der 2016 verstorbene Universaldenker<br />

Umberto Eco dieser<br />

Metapher annahm, als Ausgangspunkt<br />

für ebenso faszinierende wie<br />

verblüffende Deutungen, die tief in<br />

die Vergangenheit führen, aber auch<br />

die Weitsicht dieses Meisters kühner<br />

und erstaunlicher Querbezüge belegen.<br />

„Auf den Schultern von Riesen“<br />

betitelt sich eine Sammlung von<br />

zwölf Essays, die Eco als Basis für<br />

seine berühmten Mailänder Vorträge<br />

dienten. Frei von jeglicher Scheuklapprigkeit<br />

verstand es Eco mit genialem<br />

Spürsinn Gemeinsamkeiten<br />

zwischen Comic-Heften und Dantes<br />

Schriften zu entdecken oder nachzuweisen,<br />

dass auch vermeintliche<br />

Trivialkunst über enorme mythische<br />

Tiefe verfügen kann. Lügner,<br />

die letztlich doch die Wahrheit sagen,<br />

der Klimawandel als apokalyptischer<br />

Weltenbrand, die Literatur<br />

und das Unsichtbare – kaum jemand<br />

kombinierte seine messerscharfen<br />

Beobachtungen zu Gesellschaft, Politik<br />

und Kultur zu so überraschenden<br />

Einsichten wie dieser geistige<br />

Riese aus Mailand, der es ja auch als<br />

Romancier zu Weltgeltung brachte.<br />

Mit pointierten Analysen zu Literatur<br />

und Sprache, zu Kunst, Philosophie<br />

und Medien vereint dieser<br />

prächtig illustrierte Band die<br />

Quintessenz von Umberto Ecos<br />

Gedankenwelt. Am Ende steht eine<br />

Mutmaßung über die zukünftige<br />

Präsenz geklonter Menschen: „Vielleicht<br />

lauern im Schatten schon Riesen,<br />

die wir noch nicht kennen, bereit,<br />

sich auf die Schultern von uns<br />

Zwergen zu setzen.“ Typisch Eco,<br />

garantiert einzigartig.<br />

Umberto Eco<br />

Auf den Schultern<br />

von Riesen<br />

Das Schöne, die Lüge<br />

und das Geheimnis<br />

Übers. v. Burkhart Kroeber;<br />

Martina Kempter<br />

Hanser, 416 Seiten<br />

Euro 32,90<br />

ISBN 978-3-446-26186-0<br />

Im Labyrinth<br />

der Mythen<br />

Ein sensationeller Fund sorgt<br />

für Aufsehen. Am Persischen<br />

Golf sollen Tontafeln entdeckt<br />

worden sein, die ein völlig<br />

neues Licht auf den Mythos des<br />

Garden Eden werfen. Der Orientalist<br />

David Ostrich reist in<br />

den Wüstenstaat. Der Besuch<br />

der Fundstätte ist jedoch mit einem<br />

Auftrag verbunden, der sich<br />

als äußerst gefährlich erweist.<br />

Ostrich soll die verschwundene<br />

Tochter des Leiters eines monumentalen<br />

Dammbauprojekts finden.<br />

Aber der anfangs reichlich<br />

realitätsfremde Protagonist droht<br />

selbst Opfer von Machtspielen in<br />

einer Militärdiktatur zu werden.<br />

Eine abenteuerliche Geschichte<br />

über die Legenden rund um das<br />

biblische Paradies nimmt ihren<br />

Lauf. Mysteriös bleibt auch die<br />

Entstehungsgeschichte dieser<br />

wortmächtigen Parabel mit dem<br />

Titel „An den Mauern des Paradieses“,<br />

verfasst von einem bislang<br />

unbekannten Autor. Martin<br />

Schneitewind ist sein Name, 2009<br />

soll er verstorben sein. Das kongeniale<br />

Duo Michael Köhlmeier<br />

und Raoul Schrott übersetzte<br />

und bearbeitete das angebliche<br />

Originalmanuskript, aber einiges<br />

deutet darauf hin, dass sie beide<br />

selbst federführend gewesen sind.<br />

Ein listiges Doppelspiel also, aber<br />

nebensächlich. Denn ein kühnes<br />

Werk ist es in jedem Fall, magisch<br />

und mythisch zugleich.<br />

Martin Schneitewind<br />

An den Mauern des<br />

Paradieses<br />

Mit einem Nachwort<br />

von Michael Köhlmeier<br />

Übers. v. Raoul Schrott<br />

dtv, 400 Seiten<br />

Euro 24,70<br />

ISBN 978-3-423-28187-4<br />

E-Book 978-3-423-43593-2<br />

Buchmedia <strong>Magazin</strong> 38<br />

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