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RegioBusiness 07.2019

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02 Politik & Wirtschaft<br />

Juli 2019 I Jahrgang 18 I Nr. 204<br />

Das einzig Sichere ist die Unsicherheit<br />

Konjunktur: Wer nach der derzeitigen Stimmung in der Wirtschaft fragt, bekommt widersprüchliche Antworten.<br />

Der Bau boomt, das Handwerk<br />

legt zu, doch der Maschinenbau<br />

schwächelt<br />

und die allgemeine konjunkturelle<br />

Entwicklung zeigt nach unten<br />

– wer nach der derzeitigen<br />

Stimmung in der Wirtschaft fragt,<br />

bekommt widersprüchliche Antworten.<br />

Fakt ist: Der konjunkturelle<br />

Höhenflug ist auch in der Region<br />

vorerst zu Ende. Darauf deutet<br />

der im Juni veröffentlichte Wirtschaftskompass<br />

der IHK Heilbronn-Franken<br />

hin, der die Ergebnisse<br />

der Konjunkturumfrage für<br />

das erste Quartal aufgreift. Demnach<br />

bezeichnen 44 Prozent der<br />

befragten Unternehmen ihre aktuelle<br />

Lage als gut. Das sind zehn<br />

Prozent weniger als im Vorquartal,<br />

das ist der niedrigste Stand<br />

seit dreieinhalb Jahren – aber es<br />

ist nach wie vor ein relativ gutes<br />

Ergebnis.<br />

UNKALKULIERBAR Von einem<br />

„gemischten Bild“ der regionalen<br />

Wirtschaft spricht denn<br />

auch die IHK: „Während die global<br />

ausgerichtete Industrie konjunkturell<br />

spürbar an Schwung<br />

verliert, expandieren die binnenwirtschaftlich<br />

orientierte Bauwirtschaft<br />

und der Handel weiter.“<br />

Wer global ausgerichtet ist, für<br />

den bleiben Handelskonflikte und<br />

Brexit unkalkulierbare Risiken.<br />

Ungetrübt: Die Baubranche präsentiert sich weiterhin in Hochform.<br />

Ähnlich wie die aktuellen Lageeinschätzungen<br />

haben sich auch die<br />

Geschäftserwartungen für die<br />

nächsten zwölf Monate eingetrübt,<br />

verbleiben aber auf hohem<br />

Niveau: Über ein Viertel – drei Prozent<br />

weniger als im Vorquartal –<br />

blickt optimistisch in die Zukunft,<br />

während nur etwas mehr als ein<br />

Zehntel – drei Prozent mehr –<br />

skeptisch nach vorne schaut.<br />

Ein Lichtblick bleibt der Arbeitsmarkt:<br />

Hier will weiterhin knapp<br />

ein Viertel der Betriebe neue Arbeitskräfte<br />

einstellen, während<br />

nur etwas über ein Zehntel Personal<br />

abbauen will. Beide Werte haben<br />

sich aus Sicht der Arbeitssuchenden<br />

gegenüber dem Endquartal<br />

2018 nur unwesentlich verschlechtert.<br />

Wenn gleichzeitig 62<br />

Prozent der Unternehmen den<br />

Fachkräftemangel als größtes Geschäftshemmnis<br />

bezeichnen,<br />

kann es um die hiesige Wirtschaft<br />

nicht allzu schlecht bestellt sein.<br />

Das vielschichtige Bild setzt sich<br />

fort, wenn der Blick über die Region<br />

hinaus gezielt auf einzelne<br />

Wirtschaftszweige gerichtet wird.<br />

Weiter in Hochform präsentiert<br />

sich die baden-württembergische<br />

Foto: NPG-Archiv<br />

Baubranche. Nachdem schon das<br />

erste Jahresquartal ein Plus von<br />

21 Prozent gebracht hatte, stiegen<br />

die Auftragseingänge im April sogar<br />

um 23 Prozent im Vergleich<br />

zum Vorjahr auf ein Volumen von<br />

4,3 Milliarden Euro. Mit 36 Prozent<br />

verzeichnete vor allem der<br />

Wirtschaftsbau hohe Zuwächse,<br />

doch der öffentliche Bau legte<br />

ebenfalls um 24 Prozent zu. Auch<br />

der baugewerbliche Umsatz über<br />

alle Bausparten hinweg (plus 14<br />

Prozent) und die Zahl der Beschäftigten<br />

(plus sieben Prozent) stiegen<br />

an.<br />

Auf der Gewinnerseite steht das gesamte<br />

zulassungspflichtige Handwerk:<br />

Landesweit erwirtschaftete<br />

es laut Statistischem Landesamt<br />

im ersten Quartal 5,5 Prozent<br />

mehr Umsatz als im Vorjahresquartal.<br />

Die Zahl der Beschäftigten<br />

lag um 0,4 Prozent höher.<br />

Nach den vorläufigen Ergebnissen<br />

der Handwerksberichterstattung<br />

des Landesamtes waren im abgelaufenen<br />

Quartal in den Gewerbegruppen<br />

mit Ausnahme des Lebensmittelgewerbes<br />

ausschließlich<br />

Umsatzzuwächse zu beobachten.<br />

Das größte Plus gegenüber<br />

dem Vorjahr erreichte – wenig<br />

überraschend – das Bauhauptgewerbe<br />

(plus 13 Prozent), gefolgt<br />

vom Gesundheitsgewerbe (plus<br />

5,5 Prozent).<br />

UNEINHEITLICH Bei der Beschäftigtenentwicklung<br />

zeigten<br />

sich die Gewerbegruppen uneinheitlich.<br />

So sank die Zahl der Beschäftigten<br />

in den Handwerken<br />

für den privaten Bedarf und im Lebensmittelgewerbe<br />

um rund zwei<br />

Prozent. In allen anderen Gewerbegruppen<br />

gab es dagegen mehr<br />

Beschäftigte – die Zuwachsraten<br />

lagen zwischen 0,1 Prozent für<br />

das Gesundheitsgewerbe und 1,7<br />

Prozent für Bauhauptgewerbe<br />

und Handwerken für den gewerblichen<br />

Bedarf.<br />

Bundesweit entwickelt sich dagegen<br />

eine Branche zum Sorgenkind,<br />

die auch in der Region zu<br />

den Aushängeschildern gehört:<br />

Die Auftragseingänge im Maschinenbau<br />

sind im April zum fünften<br />

Mal in Folge gesunken. Laut dem<br />

Frankfurter Branchenverband<br />

VDMA haben ein schwaches Inlandsgeschäft<br />

(minus 15 Prozent)<br />

sowie fehlende Auslandsorders<br />

(minus neun Prozent) binnen Jahresfrist<br />

für einen Rückgang von<br />

real elf Prozent gesorgt. Die enttäuschende<br />

Entwicklung in der<br />

Branche spiegelt nicht zuletzt<br />

auch die sich abkühlende Konjunktur<br />

wider.<br />

„Angesichts der bis zuletzt rückläufigen<br />

Konjunktur-Frühindikatoren<br />

sowie der ständigen Störungen<br />

aus dem politischen Umfeld<br />

überrascht das Ergebnis nicht<br />

wirklich“, kommentiert VDMA-<br />

Chefvolkswirt Ralph Wiechers die<br />

Zahlen. „Die anhaltenden Handelsstreitigkeiten<br />

der großen Wirtschaftsblöcke,<br />

aber auch viele regionale<br />

politische Krisen sorgen<br />

dafür, dass die Investoren verunsichert<br />

sind und sich mit neuen Bestellungen<br />

zurückhalten.“ flu/pm<br />

www.bauwirtschaft-bw.de<br />

www.heilbronn.ihk.de<br />

www.statistik-bw.de<br />

www.vdma.org<br />

STANDPUNKT<br />

Heribert Lohr<br />

verantwortlicher Redakteur<br />

Bloß keine Schnellschüsse<br />

Foto: Marc Weigert<br />

Es ist kaum mehr zu bestreiten, der Konjunkturmotor<br />

„stottert“ ein wenig. Ob aus<br />

der „Eintrübung“ am Ende ein richtiger Abschwung<br />

wird, ist noch nicht ausgemacht,<br />

doch die Hochzeiten des lang anhaltenden<br />

Booms der zurückliegenden zehn Jahre sind<br />

für das Erste wohl vorüber.<br />

Das an sich wäre keine größere Sache,<br />

wenn die wirtschaftliche Verschnaufpause<br />

nicht auch mit einem einschneidenden<br />

Strukturwandel einherginge. Wohin der<br />

Blick auch fällt – jede Branche hat es derzeit<br />

mit einem gravierenden Umbruch zu<br />

tun. Der technologische Wandel fordert<br />

auch die Unternehmen in der Region und<br />

deren Belegschaften mächtig.<br />

Die digitale Transformation stellt dabei<br />

ganze Geschäftsmodelle auf den Kopf. So erfinden<br />

gerade die heimischen Banken ihre<br />

Kundenbeziehungen neu. Und für deren Mitarbeiter<br />

heißt dies nichts weniger, als dass<br />

sie ihre Tätigkeiten zum Teil völlig neu beschreiben<br />

müssen, denn Banales wird zunehmend<br />

von einem völlig unsensiblen<br />

Algorithmus übernommen. Den „digitalen<br />

Kunden“ dieser Tage interessieren<br />

– das Handy am Ohr – vormalige<br />

Geschäftsbeziehungen nicht mehr die<br />

Bohne. Was geht, wird mit einem<br />

Klick auf die App oder per Sprachsteuerung<br />

erledigt. Die heimelige<br />

Atmosphäre so mancher Geschäftstelle<br />

gehört damit ebenso der Vergangenheit<br />

an, wie die Vorstellung, dass das<br />

allumfassende Onlineangebot für die sogenannten<br />

„Hybridkunden“ dauerhaft kostenlos<br />

zu haben wäre.<br />

Und so unterhalten wir uns mit unserem<br />

Banker nicht mehr über den Tresen des<br />

Schalters hinweg, sondern via SMS, E-Mail<br />

oder gleich per Video. Für den Fall, dass die<br />

Konditionen nicht passen, gibt es den einen<br />

Schalter – meist unten rechts und das Beratungs-<br />

und Verhandlungsgespräch ist grußlos<br />

beendet.<br />

Diese abrupte Abkehr von gängigen Geschäftsbeziehung<br />

geht aber auch in die andere<br />

Richtung. Wie derb die Konsequenzen<br />

dann sein können, erfahren derzeit die Mitarbeiter<br />

des renommierten Kolbenherstellers<br />

Mahle. Das bei den Betrieben des Konzerns<br />

in der Region mittlerweile mehr als 300<br />

Jobs gestrichen wurden, ist auch ein Ausdruck<br />

einer sich wandelnden Mobilität.<br />

Der Verlust der Arbeitsplätze des bekannten<br />

Automobilzulieferers ist wohl nur ein Vorgeschmack<br />

darauf, dass ein Strukturwandel<br />

nicht so ohne weiteres von heute auf morgen<br />

abgearbeitet ist.<br />

Es steht gar zu befürchten, dass das (zu)<br />

lange Festhalten an überkommenen „Verbrennern“<br />

nicht nur dem Klima schadet,<br />

sondern nun obendrein die Grundfesten unseres<br />

industriellen Kerns erschüttert. Auch<br />

die Teilregionen von Hohenlohe und Franken<br />

sind Stück der „Autoländer Baden-Württemberg<br />

und Bayern“ und damit mitten im<br />

Zentrum des Umbruches. Dass wir bei den<br />

Elektrofahrzeugen mittlerweile auf einen<br />

Marktanteil von 0,4 Prozent abgefallen sind,<br />

ist kein Ruhmesblatt für geballte Ingenieurs-<br />

und Verkaufskunst. Nun ließ Großmutter<br />

bereits wissen, dass auch „Rom<br />

nicht an einem Tage erbaut“ wurde, und<br />

bis der Markt von elektrisch getriebenen Vehikeln<br />

gesättigt ist, dauert es eine Weile.<br />

Doch wer etwas ändern will, muss darauf<br />

auch vorbereitet sein. Deshalb sind die heimischen<br />

Firmen auch gut beraten, trotz der<br />

Wolken am Konjunkturhimmel bei ihren<br />

Anstrengungen in Sachen Ausbildung und<br />

Qualifizierung nicht nachzulassen.<br />

Der jüngste Fachkräftemonitor belegt es eindeutig:<br />

schon heute fehlen in der Region<br />

jede Menge gut ausgebildete Leute. Die so<br />

entgehende Wertschöpfung summiert sich<br />

schnell auf Milliardenhöhe. Gerade wenn es<br />

wirtschaftlich klemmt ist das kein Pappenstiel.<br />

Und eines sollte auch klar sein: Einen Umbruch<br />

dieser Größenordnung bewältigt niemand<br />

mit Hilfskräften und moderne Technologien<br />

bringen auch nur Fachleute schnell<br />

in den Markt. Eine konjunkturelle Flaute<br />

geht vorüber – ein Wandel der Wirtschaft<br />

mitnichten. Er ist am Ende immer auch das<br />

Ergebnis von Kreativität, Können und Geschick<br />

gepaart mit Fleiß und dem Willen,<br />

etwas gestalten zu wollen.<br />

Impressum<br />

Verlag<br />

Südwest Presse Hohenlohe<br />

GmbH & Co. KG<br />

Verlagsbetrieb Hohenloher Tagblatt<br />

Ludwigstraße 6–10, 74564 Crailsheim<br />

Telefon: 07951/409-0<br />

Telefax: 07951/409-119<br />

Geschäftsführung<br />

Thomas Radek<br />

Redaktion<br />

Heribert Lohr (ibe, verantw.)<br />

E-Mail: h.lohr@swp.de<br />

Telefon: 07951/409-350<br />

Telefax: 07951/409-359<br />

Marius Stephan (mst)<br />

E-Mail: m.stephan@swp.de<br />

Telefon: 07951/409-351<br />

Adina Möller (ina)<br />

E-Mail: a.moeller@swp.de<br />

Telefon: 07951/409-354<br />

Anzeigen<br />

Jörg Heiland (verantw.)<br />

Telefon: 0791/404-260<br />

Holger Gschwendtner<br />

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Sven Lesch<br />

E-Mail: s.lesch@swp.de<br />

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Abonnement/Vertrieb<br />

Peer Ley (verantw.)<br />

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Bezugspreis:<br />

Abonnement inkl. Postbezug und<br />

7% MwSt. 18 Euro p.a.<br />

Einzelverkaufspreis 1,75 Euro<br />

Verbreitung und Auflage<br />

Im Landkreis Schwäbisch Hall,<br />

dem Main-Tauber-Kreis, dem<br />

Hohenlohekreis und dem<br />

Landkreis Ansbach mit einer<br />

Auflage über 55.000 Exemplaren<br />

(Verlagsangabe)<br />

Erscheinungsweise<br />

<strong>RegioBusiness</strong> erscheint monatlich<br />

in Zusammenarbeit mit dem Haller<br />

Tagblatt in Schwäbisch Hall, dem<br />

Hohenloher Tagblatt in Crailsheim,<br />

der Neuen Kreis-Rundschau in<br />

Gaildorf und der Fränkischen Nachrichten,<br />

Ausgabe Bad Mergentheim

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