Paracelsus Today
Juli 2019 | Nr.: 2
Juli 2019 | Nr.: 2
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Update<br />
Das Nah-Sehen und Nah-Arbeiten<br />
führt schon bei Kindern und<br />
Jugendlichen zu Kurzsichtigkeit.<br />
Experten empfehlen möglichst ausgedehnte<br />
Aufenthalte im Freien.<br />
breiteten Form der Fehlsichtigkeit – die<br />
meist auf einen zu langen Augapfel oder<br />
einen zu hohen Brechwert der Linse zurückzuführen<br />
ist – sogar von einer Volkskrankheit<br />
gesprochen. Die Basis dafür<br />
lieferte das australische Brien Holden Vision<br />
Institute im Jahr 2016 mit einer entsprechenden<br />
Studie samt Projektionsrechnung,<br />
die in der Folge auch von der<br />
Weltgesundheitsorganisation WHO verbreitet<br />
wurde. Vereinfacht gesagt steigt<br />
demnach der Anteil der Kurzsichtigen<br />
an der Weltbevölkerung in Zehnjahres-<br />
Schritten um jeweils rund fünf Prozent<br />
an. Lag der Wert 2010 bei 28 Prozent,<br />
so führt der einigermaßen lineare Anstieg<br />
der Prognose für das Jahr 2050 auf einen<br />
Wert von alarmierenden 52 Prozent. Will<br />
heißen: In etwas mehr als drei Jahrzehnten<br />
könnte jeder zweite Mensch weltweit<br />
von Myopie – die Bezeichnung kommt<br />
übrigens vom griechischen „Myops“ für<br />
„Blinzelgesicht“ – betroffen sein. Doch es<br />
gibt interessante regionale Unterschiede:<br />
Risiko Nah-Sehen. In Ostasien – und da<br />
ganz besonders in China, Japan, Südkorea<br />
und Singapur – hat das Problem<br />
schon jetzt den Charakter einer Volksseuche:<br />
Jede(r) Zweite ist dort bereits<br />
betroffen. Besonders drastisch zeigt sich<br />
die Situation in Südkorea, wo eine Untersuchung<br />
von 19-jährigen Rekruten einen<br />
Anteil der Kurzsichtigen von sage und<br />
schreibe 96 Prozent ergeben hat. Ein<br />
Erklärungsversuch sieht die Ursache in<br />
einem besonders intensiven Bildungsdrill<br />
und langen Unterrichtszeiten in diesen<br />
Ländern. Dazu passt auch eine einschlägige<br />
Auswertung der Gutenberg-Gesundheitsstudie<br />
der Universität Mainz:<br />
Demnach steigt das Myopie-Risiko mit<br />
höherem Bildungsgrad respektive längerer<br />
Schulzeit. Tatsächlich wird gelegentlich<br />
auch der Begriff „Schulmyopie“<br />
verwendet. Der Kern des Problems ist<br />
natürlich nicht das Lernen an sich, sondern<br />
ein Übermaß an Nah-Sehen und<br />
Nah-Arbeiten. Und ganz egal, ob es jetzt<br />
ein Buch, eine Zeitung, Smartphone, Tablet<br />
oder Computer oder ein TV-Gerät<br />
ist: Je öfter das Auge auf das Nah-Sehen<br />
fokussieren muss, desto öfter wirkt auch<br />
der Zug des Ringmuskels, der die Wölbung<br />
der Augenlinse verändert. Langfristig<br />
führt dieser ständige Zug dazu, dass<br />
sich der Augapfel in Richtung der wirkenden<br />
Zugkraft verlängert – und genau das<br />
führt zu Kurzsichtigkeit.<br />
Jugend & Umweltfaktoren. Nicht nur<br />
die Signalwörter „Schule“ und „Smartphone“<br />
deuten schon klar darauf hin,<br />
auch die Fakten sprechen eine klare<br />
Sprache: Kurzsichtigkeit entwickelt sich<br />
meistens zwischen dem 6. und dem 25.<br />
Lebensjahr, ist also ein primär für Kinder<br />
und Jugendliche essenzielles Thema.<br />
Tatsächlich bestätigt auch Herbert Reitsamer,<br />
Vorstand der Universitätsklinik<br />
für Augenheilkunde und Optometrie der<br />
<strong>Paracelsus</strong> Universität in Salzburg: „Eine<br />
besonders hohe Prävalenz besteht in<br />
Europa für die Altersgruppe zwischen<br />
25 und 29 Jahren.“ Und das wiederum<br />
macht Myopie und ihre Prävention zu einem<br />
Thema, das naturgemäß bei jungen<br />
Menschen ansetzen muss. „Das Fortschreiten<br />
der Myopie kann man nur im<br />
Schulalter beeinflussen“, bestätigt auch<br />
Ian Morgan vom Forschungsinstitut für<br />
Biologie an der Australian National University<br />
in Canberra, einer der führenden<br />
Forscher zum Thema Myopie. Und<br />
Morgan nimmt in einer seiner jüngsten<br />
wissenschaftlichen Arbeiten auch klar<br />
zu den Ursachen Stellung: „Es gibt eine<br />
starke Evidenz, dass Umweltfaktoren bei<br />
der gegenwärtigen Myopie-Epidemie<br />
eine Hauptrolle spielen, genetische Faktoren<br />
hingegen nicht.“<br />
In die Ferne, ins Licht. Genau das aber<br />
sei durchaus ein „Glücksfall”, schreibt<br />
der Australier weiter, da so vergleichsweise<br />
leicht gegengesteuert werden könne.<br />
Und die Formel dafür ist relativ simpel:<br />
mehr Zeit im Freien bei natürlichem<br />
Licht und weniger Nah-Arbeit. Weniger<br />
Zeit mit Smartphone und Tablet, und da-<br />
➤<br />
<strong>Paracelsus</strong><strong>Today</strong> 2/2019 13