Research Eine Frage des Alters? Eine unlängst publizierte Studie der PMU-Wissenschafter Ludwig Aigner und Francisco J. Rivera Gomez-Barris zur Regenerationsfähigkeit alter Stammzellen verspricht wichtige Erkenntnisse für den künftigen Therapieeinsatz und erregt Aufmerksamkeit. Autor: Ludwig Aigner • Foto: <strong>Paracelsus</strong> Uni/Ritzinger Wir alle tragen sie in uns, die Stammzellen, die Wunderwaffen, die Alleskönner. Es sind unsere Ersatzteillager, die immer dann, wenn Gewebe und Organe erneuert werden müssen – also eigentlich permanent – aktiv sind und dort, wo Zellen verbraucht wurden und abgestorben sind, diese ersetzen und zur Regeneration beitragen. In der Tat wissen wir, dass in vielen Organen unseres Körpers die Stammzellen auch in hohem Alter noch vorhanden sind, allerdings nicht mehr ganz so aktiv wie in jungen Jahren. Wir können die Stammzellen auch dem Körper entnehmen, züchten und vermehren, um sie in größerer Zahl dem Patienten wieder zurückzuführen. Diese als autolog, also zu dem selben Individuum gehörig, bezeichnete Form der Stammzelltherapie hat gewisse Vorteile. Zum Beispiel werden die körpereigenen Zellen – im Vergleich zu körperfremden – nicht abgestoßen. Autologe Stammzelltherapieansätze werden daher aktuell in vielen klinischen Studien bei einer Vielzahl von Erkrankungen getestet. Die Regenerationsfrage. Aber ist Stammzelltherapie auch mit alten Zellen noch wirksam? Diese Frage stellten sich Ludwig Aigner, Vorstand des Instituts für Molekulare Regenerative Medizin der <strong>Paracelsus</strong> Medizinischen Privatuniversität (PMU) in Salzburg, und Wissenschafter Francisco Rivera zusammen mit ihrem Team und in Kooperation mit der Universität Austral de Chile in Valdivia. Die beiden PMU-Forscher beschäftigen sich seit Jahren mit der Regeneration des Zentralnervensystems, also des Gehirns und des Rückenmarks. Wie in einem elektrischen Kabelbaum ist dabei jede einzelne Nervenfaser (jeder einzelner Draht) von einer Isolierschicht (einem Mantel), dem so genannten Myelin, umgeben. Das Myelin ermöglicht eine rasche Nervenleitung und sorgt für das Wohlbefinden der Nervenfasern. Die Schutzschicht wird im Gehirn und Rückenmark durch die anwesenden Stammzellen ständig erneuert, ist also das Paradebeispiel für Regeneration im Zentralnervensystem. Francisco Rivera (li.) und Ludwig Aigner beschäftigen sich seit Jahren mit der Regeneration des Zentralnervensystems, also des Gehirns und des Rückenmarks. Studie zu Multipler Sklerose. Vor einigen Jahren konnten Rivera und Aigner bereits zeigen, dass Stammzellen aus dem Knochenmark die Stammzellen des Gehirns zur Myelinbildung instruieren. Diese und andere Erkenntnisse, zum Beispiel dass die Knochenmarksstammzellen Entzündungsreaktionen eindämmen können, führten dazu, dass derzeit Knochenmarksstammzell-Therapien zur Behandlung der Multiplen Sklerose getestet werden. Bei dieser entzündlichen Autoimmunerkrankung wird das Myelin vom eigenen Immunsystem angegriffen, wobei im Spätstadium der Multiplen Sklerose das Myelin nicht mehr nachgebildet wird. An der internationalen klinischen Studie (MESEMS-Studie) ist das Salzburger Team um Ludwig Aigner, Eva Rohde, Mario Gimona, Dirk Strunk und Eugen Trinka beteiligt. Altersmüde Stammzellen. Aus der neuesten Arbeit zogen Rivera und Aigner die Erkenntnis, dass Knochenmarksstammzellen aus Tieren mittleren bis höheren Alters, die übertragen auf den Menschen die Kandidatenpopulation für eine Knochenmarksstammzell-Therapie sind, eine viel geringere regenerationsfördernde Aktivität aufweisen als junge Stammzellen. Die alten Stammzellen waren kaum noch in der Lage, die Myelin-Regeneration zu fördern. Die Arbeit ist ein wesentlicher Baustein für das Design von zukünftigen Stammzelltherapien. Auch bei laufenden Studien, wie zum Beispiel bei der MESEMS-Studie, könnten die Erkenntnisse einfließen. Eine Frage könnte sein, ob jüngere Patienten mit Multipler Sklerose stärker von der Stammzelltherapie profitieren als ältere Erkrankte. Eine weitere Fragestellung ist, ob alte Stammzellen während der Züchtung und Anreicherung durch Wirkstoffe verjüngt werden können, damit sie wieder ihr volles Potenzial erlangen. Referenz: Aging restricts the ability of mesenchymal stem cells to promote the generation of oligodendrocytes during remyelination. Rivera FJ, de la Fuente AG, Zhao C, Silva ME, Gonzalez GA, Wodnar R, Feichtner M, Lange S, Errea O, Priglinger E, O‘Sullivan A, Romanelli P, Jadasz JJ, Brachtl G, Greil R, Tempfer H, Traweger A, Bátiz LF, Küry P, Couillard-Despres S, Franklin RJM, Aigner L. Glia. 2019 Aug;67(8):1510-1525. doi: 10.1002/ glia.23624. Epub 2019 Apr 30. • 26 2/2019 <strong>Paracelsus</strong><strong>Today</strong>
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