200 Jahre Majolika
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Nummer 296 SONDERVERÖFFENTLICHUNG MAJOLIKA<br />
Samstag, 21. Dezember 2019<br />
»Das geht nicht« gibt’s für den Chef nicht<br />
Erinnerungen |Die Künstlerin Agathe Moosmann hat für die SMF erfolgreiche Dekore entworfen<br />
Anzeige<br />
n Von Karin Zeger<br />
Schramberg. Vor Agathe<br />
Moosmann liegt eine bunte<br />
Mappe. Sie ist prall gefüllt mit<br />
Fotos, die »ihre« Keramikserien<br />
mit Namen wie »Charleston«,<br />
»Nadine« oder »Lisette«<br />
zeigen. Zu jedem Dekor, zu jedem<br />
Stück, zu jedem Muster<br />
fallen der Künstlerin persönliche<br />
Erinnerungen an ihre Zeit<br />
in der <strong>Majolika</strong> ein, denn ihr<br />
Lebenslauf ist eng mit der Geschichte<br />
der Schramberger<br />
Traditionsfirma verbunden.<br />
Mit 15 <strong>Jahre</strong>n begann ihre<br />
Karriere bei der <strong>Majolika</strong>. »Es<br />
war dort 1956 schwierig, eine<br />
Anstellung zu bekommen«,<br />
erzählt die Schrambergerin.<br />
Agathe Moosmann hatte<br />
gleich doppeltes Glück – sie<br />
fand Arbeit, und Ferdinand<br />
Langenbacher, damals Obermaler<br />
in der Malerei, erkannte<br />
das künstlerische Talent der<br />
jungen Frau und förderte sie.<br />
Ging es um prestigeträchtige<br />
Produkte, die beispielsweise<br />
auf Messen präsentiert wurden,<br />
waren der Ideenreichtum<br />
und die ruhige Hand von Agathe<br />
Moosmann gefragt.<br />
Und um es vorweg zu nehmen:<br />
Aus dem zierlichen Mäd-<br />
Agathe Moosmann an<br />
ihrem Arbeitsplatz in der<br />
<strong>Majolika</strong>.<br />
chen, das anfangs die schweren<br />
Scherbenkörbe leeren<br />
musste, wurde eine angesehene<br />
Werkmeisterin und Designerin<br />
mit Verantwortung.<br />
Rund drei Jahrzehnte lang –<br />
bis zur Firmenauflösung Ende<br />
der 1980er-<strong>Jahre</strong> – war sie für<br />
die <strong>Majolika</strong> tätig.<br />
Agathe Moosmann hinterlässt<br />
kreative Spuren: Erfolgsdekore<br />
wie »Ländlich« oder<br />
»Wien« hat sie entworfen und<br />
umgesetzt. »›Vergissmeinnicht‹<br />
war mein erstes Dekor<br />
unter der Leitung von Firmenchef<br />
Peter Meyer«, sagt Agathe<br />
Moosmann. Und das liebliche<br />
Muster der »Wien«-Serie<br />
kam auf den Markt, als Peter<br />
Meyer bereits verstorben war.<br />
Überhaupt Peter Meyer: »Er<br />
war eine so angenehme Person,<br />
man hat an ihm gehangen«,<br />
erinnert sie sich. Für ihn<br />
habe es die Worte »Das geht<br />
nicht« nicht gegeben. »Wenn<br />
er Wünsche hatte, mussten sie<br />
einfach machbar sein.«<br />
Gut in Erinnerung sind Agathe<br />
Moosmann, Jahrgang<br />
1941, auch noch die geschäftlichen<br />
Ausflüge mit dem Firmenchef<br />
nach Zürich, Köln<br />
oder Stuttgart. »Dort besuchten<br />
wir die großen Kaufhäuser,<br />
die auch unsere Ware<br />
führten, und schauten uns an,<br />
was die Mitbewerber herstellten.«<br />
In Schramberg passiere<br />
nicht viel, deshalb sei es wichtig,<br />
unterwegs zu sein, über<br />
den Tellerrand zu schauen –<br />
dies sei das Credo von Peter<br />
Meyer gewesen, sagt die ehemalige<br />
Mitarbeiterin.<br />
Diese Anekdote macht<br />
deutlich, wie gut das künstlerische<br />
Gespür von Agathe<br />
Moosmann für neue Trends<br />
war: Das Dekor »Ländlich«,<br />
rustikal in warmen braunen<br />
Tönen gehalten, wurde bei<br />
der internen Präsentation als<br />
»furchtbar« betitelt – und war<br />
letztendlich einer der Renner<br />
aus dem Hause <strong>Majolika</strong>. Mit<br />
ein Grund für diesen Markterfolg<br />
war sicherlich, dass<br />
Agathe Moosmann stets mit<br />
Küchenherstellern in Kontakt<br />
war und ihre Entwürfe so immer<br />
ganz nah an den Wünschen<br />
der Kunden entstanden<br />
sind.<br />
»Heimlich«, ohne offiziellen<br />
Auftrag der Firmenleitung,<br />
habe sie<br />
auch einmal aufwendig<br />
eine Bodenvase<br />
bemalt.<br />
Als sie diese Peter<br />
Meyer präsentierte,<br />
schaute<br />
er erst skeptisch,<br />
war dann<br />
aber so begeistert,<br />
dass sie sogar<br />
eine limitierte<br />
Auflage<br />
anfertigen durfte.<br />
Ihre extravaganten<br />
Vasen<br />
kamen mit Zertifikat<br />
auf den<br />
Markt, und ihr<br />
Chef formulierte<br />
seine<br />
Anerkennung<br />
so:<br />
»Endlich habe<br />
ich ein passendes Geschenk<br />
für unsere Geschäftspartner.«<br />
Dieser »Alleingang« zaubert<br />
der Seniorin, die in der <strong>Majolika</strong><br />
alle drei Generationen<br />
der Familie Meyer in der Geschäftsleitung<br />
erlebte, heute<br />
noch ein Lächeln ins Gesicht.<br />
Ein anderer »Alleingang«<br />
Die Künstlerin im Musterzimmer. Dekore wie »Ländlich« oder »Wien« hat sie entworfen und umgesetzt.<br />
indes ging nicht ganz so<br />
glücklich aus, dieser stand<br />
ganz am Anfang ihrer Tätigkeit<br />
in der <strong>Majolika</strong>. Damals<br />
machte sie sich gemeinsam<br />
mit einer jungen Kollegin mit<br />
Eifer daran, das Malerzimmer<br />
ihres Meisters zu putzen. »In<br />
der <strong>Majolika</strong> galt: Zu den<br />
Künstlern müsst ihr besonders<br />
freundlich sein.« Deshalb<br />
säuberten die Mädchen Farbtöpfe,<br />
schruppten den Boden,<br />
ordneten die Utensilien auf<br />
den Tischen und entsorgten<br />
die Zigarrenstumpen.<br />
»Als der Maler unsere gut<br />
gemeinte Tat entdeckte, war<br />
er entsetzt. Er liebe sein kreatives<br />
Chaos und brauche es,<br />
Foto: Zeger<br />
um sich wohlzufühlen. Der<br />
Ärger war entsprechend<br />
groß«, blickt Agathe Moosmann<br />
über ein halbes Jahrhundert<br />
zurück und stellt<br />
gleichzeitig fest: »Ich bin immer<br />
gerne in die <strong>Majolika</strong> gekommen.<br />
Als Keramikmalerin<br />
konnte ich dort Hobby<br />
und Beruf verbinden.«<br />
Die historischen Gebäude aus der Feder des Illustrators Michael<br />
Meier aus Altoberndorf.<br />
Besondere Perspektiven und Film<br />
Gewerbepark aktuell |Motive auf Karten und auf Buchumschlag<br />
Schramberg (zeg). Als gezeichnetes<br />
Motiv auf dem<br />
Weihnachtsgruß aus der <strong>Majolika</strong><br />
oder als Hingucker im<br />
Buch »<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> Schramberger<br />
<strong>Majolika</strong>. Die Steingutfabrik<br />
– Grundstein der wirtschaftlichen<br />
Entwicklung<br />
unserer Stadt«: Die historischen<br />
Gebäude in der Schiltachstraße<br />
stehen zum Geburtstag<br />
auf vielfältiger Weise<br />
im Mittelpunkt. Selbst die Einladungskarte<br />
zum Neujahrsempfang<br />
der Stadt am Sonntag,<br />
12. Januar, schmückt eine<br />
Ansicht der <strong>Majolika</strong>.<br />
Auf www.majolika.de findet<br />
sich außerdem ein Film,<br />
der Einblicke in die <strong>Majolika</strong><br />
von einst und heute bietet.