200 Jahre Majolika
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Nummer 62 Sonderveröffentlichung <strong>Majolika</strong><br />
Samstag, 14. März 2020<br />
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Die Kreativität ist weiblich<br />
Zeitzeugen | Christel Götz war die erste Frau, die zur Kerammalerin ausgebildet wurde<br />
Mit Christel Götz hat bei<br />
den Malern der Schramberger<br />
<strong>Majolika</strong>fabrik<br />
(SMF) das Zeitalter der<br />
Frauen ihren Anfang genommen:<br />
Die Tennenbronnerin<br />
war 1968, gemeinsam<br />
mit einer weiteren<br />
Auszubildenden aus<br />
Sulgen, der erste weibliche<br />
Lehrling in diesem Bereich.<br />
n Von Karin Zeger<br />
Schramberg. »Es ist so schade,<br />
dass es die <strong>Majolika</strong>produktion<br />
nicht mehr gibt«, sagt<br />
Christel Götz und blättert in<br />
ihrem Berichtsheft der gewerblichen<br />
Ausbildung. Sorgfältig<br />
bewahrt sie diese Erinnerungen<br />
a n ihre Lehrzeit als<br />
Kerammalerin seit vielen <strong>Jahre</strong>n<br />
auf. Wie so vieles aus<br />
ihrer Zeit bei der SMF.<br />
Der erste Eintrag in ihrem<br />
Berichtsheft stammt vom 19.<br />
August 1968. Sie beschreibt<br />
darin in Schönschrift das<br />
»Zentrieren eines Werkstücks<br />
auf der Ränderscheibe« und<br />
ihren ersten Lehrtag. Links<br />
unten stehen neben ihrer<br />
Unterschrift die ihres Ausbilders<br />
und die ihres Vaters.<br />
»Der war am Anfang gar<br />
nicht damit einverstanden,<br />
dass ich Kerammalerin werden<br />
wollte«, erzählt die Tennenbronnerin,<br />
Jahrgang<br />
1952. Ihr Patenonkel legte damals<br />
ein gutes Wort für sie<br />
ein, und gemeinsam konnten<br />
sie den Vater umstimmen.<br />
»Ich wollte aber nicht angelernt,<br />
sondern ausgebildet<br />
werden.« Also gab es eine<br />
weitere Hürde zu nehmen,<br />
denn bis dato wurden nur<br />
Männer zum Maler ausgebildet.<br />
Vom weltoffenen Geschäftsführer<br />
der <strong>Majolika</strong>,<br />
Peter Meyer, bekam sie aber<br />
unkompliziert das O.K. für<br />
diese Neuerung. Rückblickend<br />
stellt Christel Götz f est:<br />
»Die Lehre hat mir auch im<br />
Leben weitergeholfen, da ich<br />
als junges Mädchen sehr<br />
schüchtern war.«<br />
In der Berufsschule im<br />
Stadtteil Sulgen fanden sich<br />
in ihrer Klasse 30 Jungs, die<br />
zum klassischen Baumaler<br />
ausgebildet wurden.<br />
Anfangs<br />
hätten die Lehrer<br />
gar nicht<br />
gewusst, was<br />
sie mit den jungen<br />
Frauen machen<br />
sollten<br />
denn auch für<br />
sie war diese<br />
Konstellation<br />
Neuland. »So<br />
mussten wir im<br />
praktischen Teil mit den Buben<br />
Tapezieren lernen.« Später<br />
durften sie sich dann an<br />
der Bauernmalerei versuchen,<br />
die war damals gerade sehr<br />
»in«, so Christel Götz – und<br />
diese passte schon eher zu<br />
ihrer Tätigkeit in der <strong>Majolika</strong>.<br />
Künstlerische Fortschritte<br />
Blättert man in den Berichtsheften<br />
von Christel Götz weiter,<br />
fallen schnell ihre künstlerischen<br />
Fortschritte auf – nur<br />
eines bleibt all die <strong>Jahre</strong> über<br />
gleich: die Sorgfalt der Einträge,<br />
die saubere und klare<br />
Schrift. So finden sich darin<br />
bunte Blumendekore, die<br />
mit<br />
speziellen<br />
Schwämmchen aufgetragen<br />
wurden, Dekore für Wärmeund<br />
Wandteller sowie Erklärungen<br />
und Beispiele zur<br />
Schablonentechnik. Bereits<br />
Ende 1969 entdeckt man die<br />
ersten Eigendekor-Entwürfe<br />
der talentierten Auszubildenden.<br />
Wenn C hristel Götz die verschiedenen<br />
<strong>Majolika</strong>-Dekore<br />
betrachtet, erinnert sie sich an<br />
ihre Gesellenprüfung in Karlsruhe,<br />
zu der die Rohlinge<br />
selbst mitzubringen waren.<br />
»Ich musste ein Kaffeeservice<br />
mit dem Dekor Hydepark bemalen.«<br />
Auch davon bewahrt<br />
Christel Götz heute noch Teile<br />
auf.<br />
Als Kerammalerin war sie<br />
noch bis zur Geburt ihres ersten<br />
Kindes im Jahr 1980 für<br />
die <strong>Majolika</strong> tätig. Ihre künstlerische<br />
Laufbahn war indes<br />
aber nicht beendet, sondern<br />
nahm lediglich einen anderen<br />
Weg: Im Jahr 1982 begann sie<br />
mit der Ölmalerei; in den folgenden<br />
<strong>Jahre</strong>n entstanden<br />
viele Bilder, die Schwarzwaldhöfe<br />
zeigten.<br />
Ihre Bleistiftzeichnungen<br />
stellen ihr besonderes Gespür<br />
für feine Details unter Beweis.<br />
Und aufgrund ihrer Liebe zur<br />
Natur gehen Christel Götz die<br />
Motive nie aus.<br />
1996 nahm die Künstlerin<br />
an der großen Hobby-Ausstellung<br />
in der Tennenbronner<br />
Festhalle teil. Und Christel<br />
Götz gibt ihr Wissen und<br />
Sorgsam aufbewahrt: die Berichtshefte aus der Lehrlingszeit.<br />
Christel Götz ist bis 1980 für die <strong>Majolika</strong> als Kerammalerin<br />
tätig gewesen.<br />
Fotos: Zeger<br />
Mit 18 <strong>Jahre</strong>n hatte Christel Götz bei der <strong>Majolika</strong>-Fasnet im<br />
Parkhotel ihren Spaß.<br />
Foto: Götz<br />
manch wertvolle Tipps auch<br />
gerne an den Nachwuchs weiter:<br />
Seit mittlerweile sieben<br />
<strong>Jahre</strong>n betreut sie in der Robert-Gerwig-Schule<br />
in St.<br />
Georgen Malprojekte.<br />
Grußwort<br />
Sprungbrett<br />
Von Carl Jens Haas<br />
»<strong>200</strong> <strong>Jahre</strong> Schramberger <strong>Majolika</strong>fabrik<br />
– herzlichen Glückwünsch!<br />
Seit langem mit der<br />
Familie Melvin freundschaftlich<br />
verbunden, nehme ich natürlich<br />
am Geschehen rund um<br />
die Schramberger <strong>Majolika</strong>fabrik<br />
regen Anteil.<br />
Dies galt auch für den von<br />
den Marktgegebenheiten erzwungenen<br />
Strukturwandel in<br />
der Keramikindustrie, speziell<br />
in Deutschland, der seinerzeit<br />
auch die Schramberger <strong>Majolika</strong>fabrik<br />
voll getroffen hat –<br />
insbesondere, da unser eigenes<br />
Unternehmen zur selben<br />
Zeit den Strukturwandel in<br />
der internationalen, damals<br />
rein mechanischen, Uhrenindustrie<br />
bewältigen musste.<br />
Ich konnte mir die damit verbundenen<br />
Herausforderungen<br />
also gut vorstellen.<br />
Es ist deshalb für die Stadt<br />
Schramberg sehr erfreulich,<br />
dass auf dem doch großen Gelände<br />
der Firma in der Folge<br />
keine weitere Industriebrache<br />
entstand sondern, dass es Annette<br />
und Michael Melvin mit<br />
großem persönlichen Einsatz,<br />
Ideenreichtum und Konsequenz<br />
gelungen ist, einen lebendigen<br />
Firmenpark zu schaffen,<br />
der nicht nur kleineren<br />
Firmen geeignete Flächen zur<br />
Verfügung stellt und somit<br />
zahlreiche Arbeitsplätze in der<br />
Talstadt hält, sondern auch<br />
Sprungbrett war für einige<br />
stark gewachsene Unternehmen<br />
in der Region.«<br />
Carl Jens Haas,<br />
ehemaliger Gesellschafter<br />
und Geschäftsführer der<br />
Firma Carl Haas<br />
Das Gesicht der<br />
Dekorserie Bernau<br />
Erinnerungen | Renate Köhler<br />
Schramberg/Oberndorf<br />
(zeg). Renate<br />
Köhler war E nde der<br />
1970er-<strong>Jahre</strong> quasi das<br />
Gesicht der Dekorserie<br />
Bernau. »Das von der<br />
Schramberger <strong>Majolika</strong><br />
entwickelte Dekor für<br />
Fein-Keramik hat unzählige<br />
Geschenksuchende,<br />
Hausfrauen<br />
und Familien begeistert«,<br />
heißt es in einem Zeitungsartikel<br />
aus der damaligen<br />
Zeit. Das dazugehörige<br />
Foto zeigt eine junge<br />
Frau, die Kannen bemalt:<br />
Renate Köhler.<br />
D ie aus Hinterlehengericht<br />
stammende Kerammalerin<br />
kam gleich nach ihrer Schulzeit<br />
in die <strong>Majolika</strong>. Dort erkannte<br />
Ferdinand Langenbacher<br />
ihr Talent sofort und<br />
meinte: »Sie können gleich<br />
anfangen.« 15 <strong>Jahre</strong> lang war<br />
sie für die SMF tätig, erinnert<br />
sich ihr Mann, Siegfried<br />
Renate Köhler an ihrem Arbeitsplatz<br />
in der Malerei<br />
Reisch, der seine Frau <strong>200</strong>4<br />
verlor. Der gelernte Buchdrucker<br />
arbeitete übrigens g leich<br />
ums Eck, bei der Firma Gustav<br />
Maier, einen Steinwurf<br />
von der SMF entfernt.<br />
1976 heiratete das Paar und<br />
zog auf den Oberndorfer Lindenhof.<br />
Siegfried Reisch:<br />
»Meine Frau hat immer von<br />
Peter Meyer geschwärmt, er<br />
sei ein sehr sozialer Mensch<br />
gewesen und die <strong>Majolika</strong> ein<br />
guter Arbeitgeber.«