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200 Jahre Majolika

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Nummer 296 SONDERVERÖFFENTLICHUNG MAJOLIKA<br />

Samstag, 21. Dezember 2019<br />

Schule lebt lange von Vorräten<br />

Zeitzeugen |Besondere Beziehung zwischen dem Kloster Heiligenbronn und der <strong>Majolika</strong><br />

Die Schramberger <strong>Majolika</strong><br />

und das Kloster Heiligenbronn<br />

– sie hat über<br />

Jahrzehnte hinweg eine<br />

ganz besondere Beziehung<br />

verbunden. Und eine<br />

nachhaltige obendrein:<br />

Denn noch heute kommt<br />

bei manchen Ordensschwestern<br />

zu festlichen<br />

Anlässen <strong>Majolika</strong>-Kaffeegeschirr<br />

auf den Tisch.<br />

n Von Karin Zeger<br />

Schramberg. Weltliche Probleme<br />

hinter dicken Klostermauern<br />

in Heiligenbronn:<br />

Schwester Maria Gratia<br />

kämpft an diesem Novembernachmittag<br />

mit dem Internet.<br />

Ihr Computer will einfach keine<br />

Verbindung herstellen. Dabei<br />

hätte sie noch so viel zu erledigen.<br />

Die Organisation des<br />

Klosterlebens lässt keine Langeweile<br />

aufkommen. Auch<br />

nicht, seit sie ihre Lehrertätigkeit<br />

aufge-<br />

Diesen <strong>Majolika</strong>-Becher<br />

hat die<br />

Schwester<br />

selbst glasiert.<br />

Schramberg (zeg). Udo Köhler<br />

war in den 1960er-<strong>Jahre</strong>n<br />

Leiter und Modelleur der Modellabteilung<br />

in der Schramberger<br />

<strong>Majolika</strong> Fabrik<br />

(SMF). Er war auch für die<br />

neuen Modelle und deren<br />

Realisierung in der Produktion<br />

zuständig. Köhler lebt<br />

heute in Hüttlingen. Hier seine<br />

Erinnerungen:<br />

»Die 1960er-<strong>Jahre</strong> waren<br />

die Blütezeit der SMF. Die beiden<br />

Chefs, Moritz Meyer und<br />

sein Sohn Peter Meyer, steuer-<br />

geben hat. Von 1969 bis <strong>200</strong>0<br />

unterrichtete sie das Fach<br />

Kunst am Sonderpädagogischen<br />

Bildungs- und Beratungszentrum.<br />

Sie kümmerte<br />

sich um sprachbehinderte<br />

Kinder – von der ersten bis zur<br />

zehnten Klasse. Zum kreativen<br />

Unterricht gehörte auch<br />

das Werken mit Ton, besonders<br />

in der Grundschule. Und<br />

hier kommt die <strong>Majolika</strong> ins<br />

Spiel: »Von ihr haben wir<br />

ganz viel Unterstützung erhalten«,<br />

erzählt die Ordensschwester.<br />

Das Schramberger Traditionsunternehmen<br />

lieferte<br />

über viele <strong>Jahre</strong> hinweg verschiedene<br />

Ton-Materialien,<br />

Glasuren in allen<br />

denkbaren Farben,<br />

Pinsel und<br />

vieles mehr ins<br />

Kloster. »Ich<br />

brauchte nur anzurufen<br />

und<br />

schon war die gewünschte<br />

Lieferung<br />

zu uns unterwegs«,<br />

erinnert<br />

sich die ehemalige<br />

Lehrerin, die<br />

1965 in Heiligenbronn<br />

eingekleidet<br />

worden ist.<br />

»Wir haben<br />

alles bekommen<br />

und zwar<br />

geschenkt.«<br />

So wurde die<br />

Schule auch mit<br />

Schwester Maria Gratia<br />

Rohware unterstützt. Der Beweis:<br />

Auf dem Tisch von<br />

Schwester Maria Gratia steht<br />

noch heute ein <strong>Majolika</strong>-Becher,<br />

den sie einst selbst glasiert<br />

hat. Gemeinsam mit<br />

ihren Schülern stellte sie auch<br />

künstlerische Reliefs und<br />

Krippenfiguren her. »Wir<br />

wurden vom Firmeneigentümer<br />

Peter Meyer so reich beschenkt,<br />

dass uns die Glasuren<br />

wohl nie ausgegangen wären«,<br />

meint sie lächelnd. So<br />

konnte das »magere Budget<br />

für den Werkunterricht« für<br />

anderes Lehrmaterial verwendet<br />

werden. Nach der Schließung<br />

der <strong>Majolika</strong> lebte die<br />

Schule noch lange von ihren<br />

Vorräten, später<br />

musste sie das Werkmaterial<br />

dann im<br />

Lehrmittelhandel<br />

kaufen.<br />

Aber nicht nur<br />

im Schulbereich<br />

ten die Firma auf dem richtigen<br />

Kurs. Beide hatten ständig<br />

neue Produktideen. Peter<br />

Meyer war häufig unterwegs –<br />

er erkannte die Trends, er<br />

spürte ihnen nach. Wenn der<br />

Senior von seinem Baden-Baden-Urlaub<br />

zurück kam, sollte<br />

ich immer zu seinen neuen<br />

Artikelvorstellungen Stellung<br />

nehmen – oder er wollte, dass<br />

ich die Idee gleich umsetze<br />

und ein Modell erstelle.<br />

Diese ›Ideen-Unruhe‹ führte<br />

auch dazu, dass sich beide<br />

Chefs entschlossen, eine junge<br />

schwedische Designerin<br />

von der Kunsthochschule<br />

Stockholm nach Schramberg<br />

einzuladen. Skandinavische<br />

Designer waren in der deutschen<br />

Keramik- und Porzellanindustrie<br />

gefragt. Von 1963<br />

bis 1968 war nun Fräulein Solveig<br />

Erikson jährlich mehrere<br />

Monate in der Firma zu Gange.<br />

Gemeinsam setzte ich mit<br />

ihr die Formenideen in produktionsfähige<br />

Modelle um –<br />

es wehte ein skandinavischer<br />

Wind durch das Produktsortiment<br />

der SMF.<br />

Der Seniorchef war damals<br />

viel in der Tunnelofenhalle<br />

unterwegs. Meist hatte er<br />

einen Hut auf –<br />

mit markanten<br />

Schritten marschierte<br />

er durch<br />

die Fabrik. Oft<br />

kam er bei mir<br />

vorbei, es interessierte<br />

ihn, an<br />

was ich gerade<br />

arbeitete. Dann<br />

wollte er bei<br />

seinem Gang<br />

meistens etwas<br />

begleitet werden<br />

und so<br />

führte<br />

unser Weg<br />

oft am Tunnelofen<br />

vorbei.<br />

Immer wenn er<br />

etwas Wichtiges<br />

spielte die <strong>Majolika</strong> eine Rolle.<br />

Als das Lehrerzimmer einmal<br />

mit neuem Geschirr ausgestattet<br />

werden musste, bestellten<br />

die Schwestern in der<br />

<strong>Majolika</strong> eine Komplettausstattung,<br />

rund 40 Kaffeegedecke.<br />

»Als ich dann nach der<br />

Rechnung fragte, meinte Peter<br />

Meyer, dass er keine schicken<br />

werde, er schenke uns das Geschirr.«<br />

Die Freude sei groß<br />

gewesen, erinnert sich die<br />

Schwester. Weidenkörbe, voll<br />

beladen mit Tellern, Tassen,<br />

Bechern, Schüsseln und Kännchen,<br />

seien damals öfter im<br />

Kloster angekommen. An<br />

gelbe Schüsseln mit einem<br />

schwarzen Hahn kann sie<br />

sich noch gut erinnern.<br />

»Darin servierte man uns<br />

Brei aus Dinkel oder Weizenschrot<br />

und mit jedem Löffel<br />

wurde der schwarze Hahn<br />

sichtbarer.«<br />

Der Kontakt zwischen der<br />

<strong>Majolika</strong>-Familie<br />

Meyer<br />

»Legen Sie sich Papier und Bleistift ans Bett«<br />

Persönliches |Udo Köhler hat den Senior-Chef oft durch die Fabrikhallen begleitet<br />

Der ehemalige Mitarbeiter<br />

heute im Alter von 86 <strong>Jahre</strong>n.<br />

sagen wollte, blieb er stehen<br />

und guckte seinem Gegenüber<br />

direkt ins Gesicht. So<br />

sagte er einmal zu mir: ›Legen<br />

Sie sich Papier und Bleistift<br />

ans Bett, wenn Sie von Formen<br />

oder Keramik<br />

träumen.<br />

So können Sie<br />

gleich Skizzen<br />

oder<br />

Notizen machen,<br />

denn<br />

beim Aufstehen<br />

sind diese<br />

wertvollen Gedanken<br />

verschwunden.‹<br />

Er<br />

mache das auch<br />

schon lange so.<br />

Dann gingen<br />

wir weiter.<br />

Udo Köhler leitete<br />

die Modellabteilung.<br />

Dieses Gespräch<br />

blieb bei<br />

mir bis heute im<br />

Gedächtnis hängen<br />

– es ist so<br />

richtig, was er da<br />

<br />

<br />

MAJOLIKA<br />

IN<br />

SCHRAMBERG<br />

und dem Kloster<br />

begann übrigens<br />

bereits kurz nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg. Damals<br />

unterstützte Moritz Meyer,<br />

auf Bitte der französischen Besatzer<br />

hin, die Schwestern bei<br />

der Buchführung. Bei dieser<br />

Arbeit stellte er schnell fest,<br />

wie groß die Armut der<br />

Schwestern zu dieser Zeit war<br />

– und wie sehr sie Hilfe gebrauchen<br />

konnten.<br />

Fotos: Zeger<br />

sagte. Beide Chefs hatten diese<br />

visionäre, vorausschauende<br />

Begabung für ihr Unternehmen<br />

– oft hatte die Produktpalette<br />

der SMF im Wettstreit<br />

um die Gunst der Kunden die<br />

Nase vorn. So lässt sich auch<br />

der Erfolg in Übersee erklären.<br />

Denn SMF-Keramiken<br />

gab es damals nicht nur in<br />

Deutschland, sondern sie wurden<br />

weltweit ausgeliefert, sogar<br />

bis nach Australien.«<br />

Grußwort<br />

Rüdiger Kocholl<br />

In Frieden<br />

Vor mehr als 14 <strong>Jahre</strong>n hatte<br />

ich meine erste bewusste Begegnung<br />

mit Schramberger<br />

<strong>Majolika</strong> Design. Ich trank Kaffee<br />

mit dem damaligen evangelischen<br />

Stadtpfarrer Michael<br />

Hauser, den er sichtlich genoss.<br />

Danach drehte Michael<br />

freudig die Tasse um, hielt sie<br />

mir hin und rief: »Echtes<br />

Schramberger <strong>Majolika</strong>!« Ich<br />

muss heute noch schmunzeln,<br />

wenn ich daraus im Konferenzraum<br />

meines Pfarrhauses trinke.<br />

Neulich hat mir Michael Melvin<br />

das Buch überreicht, in<br />

dem auch die Leidensgeschichte<br />

seiner Familie während des<br />

Nationalsozialismus festgehalten<br />

ist. In dieser dunklen Zeit<br />

wurde seiner Familie viel Unrecht<br />

angetan. Die Lektüre berührt<br />

und bewegt mich nachhaltig.<br />

Vor 20 <strong>Jahre</strong>n habe ich mein<br />

Studium mit einer Diplomarbeit<br />

über den interreligiösen<br />

Dialog abgeschlossen. Mein<br />

bleibender Wunsch – auch<br />

zum <strong>200</strong>-jährigen Firmenjubiläum:<br />

Juden, Muslime, Christen<br />

und alle Menschen guten<br />

Willens sollen in Schramberg<br />

und auf der ganzen Welt in<br />

Frieden miteinander leben.<br />

Rüdiger Kocholl<br />

katholischer Stadtpfarrer<br />

in Schramberg<br />

n Info<br />

n Die nächsten Sonderseiten<br />

zum <strong>200</strong>-jährigen Bestehen der<br />

<strong>Majolika</strong> erscheinen Samstag,<br />

18. Januar. Alle bisher erschienen<br />

Seiten finden Sie gesammelt<br />

im Internet unter<br />

www.schwarzwaelder-bote.de,<br />

Rottweil, Da geh’ ich hin<br />

100<br />

AT<br />

ATATZ<br />

B A <br />

BettenlandAlesi<br />

Tel: 0 74 22- 21080<br />

www.bettenland.com

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