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Dübener Wochenspiegel - Ausgabe 19 - Jahrgang 2019

Dübener Wochenspiegel - Ausgabe 19 - Jahrgang 2019 mit dem gewerblichen Sonderthema "Bauen & Wohnen"

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11 2. Oktober 20<strong>19</strong><br />

UNTER VIER AUGEN<br />

(Delitzsch/Wsp/kp). Den 8. August<br />

2007 werden Christian Enge sowie sein<br />

familiäres Umfeld und Freundeskreis<br />

wohl nie vergessen. Im Alter von knapp<br />

<strong>19</strong> Jahren war er mit seinem Motorrad<br />

auf dem Weg von Bad Düben nach<br />

Görschlitz zur damaligen Freundin.<br />

Am Ortsausgang der Kurstadt fanden<br />

Bauarbeiten statt, Enge wollte vorbei,<br />

ein Lkw-Fahrer übersah ihn und es kam<br />

zum Zusammenprall. „Meine sechsten<br />

und siebten Brustwirbel wurden dabei<br />

komplett zertrümmert. Die Splitter beschädigten<br />

das Rückenmark“, erklärt<br />

der heute 31-Jährige. Hinzu kamen<br />

vier gebrochene Rippen und eine eingefallene<br />

Lunge. Die Folge: Seitdem<br />

ist Enge vom Bauchnabel abwärts gelähmt.<br />

„Mittlerweile habe ich teilweise<br />

ein Kälteempfinden im rechten Bein“,<br />

verrät er.<br />

Kein Bock auf Mitleid<br />

Nach dem Unfall Stück für Stück die Träume erfüllt<br />

„Unter vier Augen“ heute mit: Christian Enge<br />

Was der junge Mann gar nicht hören<br />

kann, sind Mitleidsbekundungen. „Ich<br />

kann immer noch nahezu alles machen,<br />

es dauert nur manchmal etwas länger“,<br />

sagt er, „viele sehen in mir immer den<br />

Rollstuhlfahrer. Für mich ist das einfach<br />

nur ein Mittel, das mir hilft, von<br />

A nach B zu kommen.“ Selbstbewusst<br />

sei er schon immer gewesen. Das half<br />

ihm auch vor elf Jahren. Etwa einen<br />

Monat nach dem Unfall ging es zur<br />

Reha. „Der Mann meiner damaligen<br />

Physiotherapeutin sitzt auch im Rollstuhl<br />

und hat mir gezeigt, was möglich<br />

ist“, blickt Enge zurück. Fortschritte<br />

ließen nicht lange auf sich warten.<br />

Bereits im November konnte er wieder<br />

nach Hause.<br />

Wie weiter? Enge absolvierte damals<br />

die Grundausbildung der Bundeswehr<br />

und war auf dem besten Weg zum<br />

Zeitsoldaten. Er brach die militärische<br />

Laufbahn notgedrungen ab und startete<br />

bereits 2008 die Lehre zum Speditionskaufmann<br />

in einem Wiedemarer<br />

Unternehmen. „Ehrlich gesagt war<br />

Christian Enge mit seinem Helfer und Ideengeber im heimischen Garten. Elf Jahre nach seinem schweren Verkehrsunfall hat<br />

sich der in Bad Düben aufgewachsene Mann seinen Traum von der Selbstständigkeit erfüllt. Heute vertreibt er Gartenmöbel<br />

und -geräte über seinen eigenen Onlineshop.<br />

Foto: (Wsp) Phillipp<br />

mir das zu langweilig. Ich möchte im<br />

Job gefordert werden und das hat mir<br />

in den drei Jahren gefehlt“, gibt Enge<br />

offen zu. Es folgte der Schritt zurück<br />

in seine Heimatstadt Bad Düben. Er<br />

landete 2011 als Quereinsteiger im<br />

Support der Kühne Service GmbH,<br />

machte später seinen Energiemanager<br />

und arbeitete in dieser Funktion in der<br />

Kühne-Gruppe.<br />

Privates Glück gefunden<br />

Im Jahr 2013 lernte er seine heutige<br />

Frau Claudia kennen. Wobei das nicht<br />

ganz stimmt: Beide besuchten das<br />

ehemalige Schweitzer-Gymnasium.<br />

Gefunkt hat es dann jedoch etwas<br />

später während eines Burgfests. Beide<br />

heirateten bereits im Jahr darauf,<br />

noch ein Jahr später zogen die jungen<br />

Seit dem 10. Lebensjahr sind Aquarien seine große Leidenschaft. Heute lässt ein<br />

8.000-Liter-Becken im Wohnzimmer den Fernseher nahezu überflüssig werden.<br />

Eheleute ins schicke neugebaute Haus<br />

nach Delitzsch. Das Familienglück<br />

wurde 2016 durch die Geburt der<br />

Zwillingssöhne komplettiert.<br />

Der Mann meiner damaligen<br />

Physiotherapeutin sitzt auch<br />

im Rollstuhl und hat mir<br />

gezeigt, was möglich ist.<br />

Christian Enge<br />

Im Haus erfüllte sich der zweifache<br />

Vater einen weiteren Traum. Seit<br />

früher Kindheit haben es ihm Fische<br />

angetan. Die Leidenschaft ließ ihn<br />

nie los. In der Vergangenheit war<br />

er auch bei den Bad <strong>Dübener</strong> Aquarienfreunden<br />

aktiv. Beim Neubau des<br />

Eigenheims wurde im Wohnzimmer<br />

ein imposantes 8.000-Liter-Becken<br />

installiert. „Einen Fernseher brauche<br />

ich jetzt eigentlich nicht mehr“,<br />

schmunzelt der passionierte Aquarist.<br />

Auch das war es noch nicht mit den<br />

erfüllten Träumen: Selbstständig sein,<br />

seine eigene Firma gründen, das war<br />

stets der große Wunsch des heutigen<br />

Delitzschers. Im vergangenen Jahr<br />

wagte er diesen Schritt. Enge kündigte<br />

seinen Job und ging mit seinem<br />

Unternehmen Thermogart an den Start.<br />

Dabei vertreibt er über einen eigenen<br />

Online-Shop Gartengeräte und -möbel,<br />

wie beispielweise eigene Garagen für<br />

Mähroboter, hat Kundschaft in ganz<br />

Deutschland und vereinzelten Teilen<br />

Europas. Zudem tüftelt er soeben an<br />

einem neuen Poolsystem.<br />

In seiner Freizeit hält Enge so gut es<br />

geht seinen Körper fit, nutzt dazu unter<br />

anderem ein sogenanntes Rollbike für<br />

Touren mit seiner Familie. Während<br />

seiner Reha fand er auch kurzzeitig<br />

zum Rollstuhlbasketball. Ein Dresdner<br />

Team hatte damals durchaus Interesse<br />

an ihm. „Eine kleine Schulterverletzung<br />

hat mir dann jedoch schnell bewusst<br />

gemacht, wie sehr ich auf meine Arme<br />

angewiesen bin“, betont Enge.<br />

Übrigens: Der 8. August wird nicht<br />

in jedem Jahr als zweiter Geburtstag<br />

gefeiert. Im Hause Enge heißt dieser<br />

Tag „Survival Day“, an dem abends<br />

mit Bier oder Wein angestoßen wird.<br />

„Außer zum Zehnjährigen, da haben<br />

wir etwas ausgiebiger gefeiert.“<br />

i<br />

<strong>Dübener</strong><br />

WOCHENSPIEGEL<br />

Kurz gefragt!<br />

Lieblingsessen:<br />

Rindersteak vom Grill<br />

Lieblingsgetränk:<br />

Weißwein<br />

Lieblingsrestaurant:<br />

Marktrestaurant in Delitzsch<br />

Lieblingsurlaubsregion:<br />

Hauptsache warm<br />

Lebensmotto:<br />

Keep on rollin<br />

Drei Personen, mit denen Sie gern einmal<br />

zu Abend essen würden:<br />

• Frank Thelen (Unternehmer & Autor)<br />

• Carsten Maschmeyer (Unternehmer)<br />

• Birger Schäfermeier (Autor)

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