H E R O E S Niklas Kaul LIEBE <strong>DE</strong>INE GEGNER Warum es klug ist, seine Kontrahenten anzufeuern: Deutschlands Zehnkampf-Star Niklas Kaul weiß, wie man sich gegenseitig zu Höchstleistungen pusht. <strong>The</strong> red bulletin: Du bist U23-Europameister im Zehnkampf und hast gerade eine persönliche Bestmarke von 8572 Punkten aufgestellt. Dabei hattest du vorher schon 8400 Punkte als dein „großes Ziel“ definiert. Wie schafft man es, seine Erwartungen derartig zu übertreffen? niklas kaul: Das geht nur, wenn auch deine Gegner stark sind und man sich gegenseitig pusht. Aber die mentale Komponente ist nur ein Punkt: Ich hatte vorher außerdem die Trainingsumfänge reduziert und habe mich daher frischer gefühlt. Beim Zehnkampf gehst du zwei volle Tage lang ans Limit. Wie steht man das durch? Indem du locker bleibst, selbst wenn es in einzelnen Disziplinen hakt. Und wie macht man das? Wir haben alle Stärken und Schwächen, Enttäuschungen sind vorprogrammiert. Egal ob beim Sport oder woanders: Es wird nie alles nach Plan laufen. Du darfst das nicht an dich rankommen lassen. Abhaken, weiter. Das ist überhaupt das Geheimnis: Halte die Ausrutscher nach unten möglichst gering. Im Zweifelsfall weniger Highlights, dafür keine Nieten. Wie geht ihr Athleten bei so einem langen Wettkampf miteinander um? Das ist unter uns Zehnkämpfern wirklich speziell: Wir sind Freunde. Anders würde es auch gar nicht funktionieren. Wie bitte? Am Ende steht einer auf Platz 1, ein anderer auf Platz 10 – trotzdem ist man gut Freund? Genau. Man feuert sich gegenseitig an, baut sich auf und hilft einander aus dem Tief, das unvermeidlich auftaucht. So pushst du dich gegenseitig. Wenn alle rund um dich exzellent performen, zieht dich das mit. Wir kämpfen ja nicht in erster Linie gegeneinander, sondern um Weite, um Zeiten, um Punkte. Kein Neid? Nein, Respekt vor der Leistung der Gegner. Ärgere dich lieber über deine eigene schlechte Leistung als darüber, dass jemand anderer etwas Tolles geschafft hat – wenn du schon unbedingt negative Gefühle aufkommen lassen willst. Kein Brusttrommeln am Start? Das würde eher als lächerlich empfunden werden. Du gehst nach dem finalen 1500-Meter- Lauf auch gemeinsam auf eine Ehrenrunde – vom Ersten bis zum Letzten. Jeder weiß, was die anderen geschafft haben, wie sehr ihre Körper schmerzen. Das verbindet mehr, als Platzierungen trennen. Und mit Blick auf mein Studium: Da kommt man gemeinsam auch besser vom Fleck. Der Ertrag für den Einzelnen ist größer, wenn er alle rund um sich unterstützt? Unterschrift! Zu hundert Prozent. Deine Eltern, beide Ex-Spitzensportler, trainieren dich. Wie darf man sich eure Zusammenarbeit vorstellen? Wir verstehen uns wirklich gut, Reibungspunkte sind eher die Ausnahme. Ich glaube auch, dass sich Menschen in einem harmonischen Umfeld wohler fühlen und besser performen, als wenn es nur darum geht, cooler und toller zu sein als der andere. WÜSTEN-SPIELE Ende September beginnt die Leichtathletik-WM <strong>2019</strong> in Katar. Der Zehnkampf mit Niklas Kaul wird einer der Höhepunkte bei der Leichtathletik-WM in Doha, Katar (27. 9. bis 6. 10.). Top- Favorit ist der französische Titelverteidiger Kévin Mayer, der mit 9126 Punkten auch den Weltrekord hält. Wegen der großen Hitze werden die 400- und die 1500-Meter-Läufe der Zehnkämpfer um Mitternacht gestartet. WAYNE REICHE/RED BULL CONTENT POOL WERNER JESSNER 42 THE RED BULLETIN
„Im Zweifelsfall: weniger Highlights, dafür keine Nieten.“ Niklas Kaul, 21, über Konstanz als Erfolgsrezept im Zehnkampf